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  • 25.01.2012 · IWW-Abrufnummer 120065

    Finanzgericht Köln: Beschluss vom 07.12.2011 – 4 V 2831/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Köln

    4 V 2831/11

    Tenor:
    Die Verfahren 4 V 2824/11 und 4 V 2831/11 werden zur gemeinsamen Entscheidung unter dem Aktenzeichen 4 V 2831/11 miteinander verbunden.

    Die Vollziehung der Bescheide vom 5.8.2011 mit denen der Antragsgegner es abgelehnt hat, die Lohnsteuerklasse IV unter Anwendung des Faktorverfahrens auf den Lohnsteuerkarten 2010 der Antragsteller ab dem 01.01.2011 einzutragen wird ausgesetzt.

    Die Aussetzung der Vollziehung endet mit Bestandskraft der angefochtenen Bescheide, spätestens 1 Monat nach Ergehen einer die Instanz abschließenden Entscheidung.

    Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Beschwerde wird zugelassen.

    Gründe
    I.
    Streitig ist, ob die männlichen Antragsteller einen Anspruch darauf haben, dass für sie auf ihren Lohnsteuerkarten die Steuerklasse IV unter Anwendung des Faktorverfahrens bescheinigt wird, obwohl sie nicht verheiratet sind, sondern in einer Lebenspartnerschaft leben.
    Die Antragsteller begründeten am 20.6.2006 die Lebenspartnerschaft. Sie leben seitdem nicht dauernd getrennt. Auf den auch für das Jahr 2011 fort geltenden Lohnsteuerkarten 2010 ist für die Antragsteller jeweils die Lohnsteuerklasse I eingetragen. Mit Schreiben vom 25.7.2011 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner die Änderung ihrer Lohnsteuerkarten in Lohnsteuerklasse IV unter Anwendung des Faktorverfahrens ab dem 01.01.2011. Mit Bescheiden vom 5.8.2011 lehnte der Antragsgegner eine Änderung der Lohnsteuerkarten ab. Gegen die ablehnenden Bescheide legten die Antragsteller Einspruch ein und beantragten zugleich die Aussetzung der Vollziehung. Mit gleich lautenden Schreiben vom 25.08.2011 teilte der Antragsgegner mit, dass die Einspruchsverfahren im Hinblick auf die beim BVerfG (Bundesverfassungsgericht) anhängigen Verfassungsbeschwerden zu den Aktenzeichen 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07 ruhen. Zugleich lehnte er die gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung ab. Am 8.9.2011 haben die Antragsteller den vorliegenden Eilantrag bei Gericht gestellt.
    Für das Jahr 2009 waren die Antragsteller einzeln zur Einkommensteuer veranlagt worden. Im Einkommensteuerbescheid 2009 für den Antragsteller A waren Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 507 € und Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 26.127 € angesetzt worden. Die festgesetzte Einkommensteuer 2009 (ohne Solidaritätszuschlag) hatte 2.880 € betragen. Die sich hieraus ergebende Erstattung hatte sich auf 891 € belaufen (nur Einkommensteuer, ohne Solidaritätszuschlag). Im Einkommensteuerbescheid 2009 für den Antragsteller B waren Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 508 € und Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 15.390 € angesetzt worden. Die festgesetzte Einkommensteuer 2009 (ohne Solidaritätszuschlag) hatte 887 € betragen. Die sich hieraus ergebende Erstattung hatte sich auf 1.037 € belaufen (nur Einkommensteuer, ohne Solidaritätszuschlag). Ob die Antragsteller bereits für das Jahr 2010 veranlagt wurden ergibt sich aus den vorgelegten Einkommensteuerakten nicht.
    Die Antragsteller vertreten im vorliegenden Eilverfahren die Ansicht, die Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten 2010 seien unrichtig und daher ab dem 1.1.2011 zu ändern. Denn sie seien am 1.1.2011 nicht ledig, sondern verpartnert gewesen. Nach § 39 Abs. 3b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien für die Eintragung der Lohnsteuerklassen in die Lohnsteuerkarten die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres maßgebend. Der Familienstand ledig sei etwas anderes als der Familienstand verpartnert. Da sie zu Anfang des Jahres 2011 bereits verpartnert gewesen seien, hätte in ihren Lohnsteuerkarten nicht die Steuerklasse I für Ledige eingetragen werden dürfen. Zwar seien Lebenspartner auch nicht verheiratet. § 38b EStG sei aber im Hinblick auf den Familienstand der Lebenspartnerschaft lückenhaft, weil dort der Familienstand verpartnert nicht geregelt sei. Die Meldebehörde habe diese Lücke durch Anwendung der für ledige Steuerpflichtige geltenden Regelungen ausgefüllt. Richtigerweise hätte sie durch Anwendung der für Verheiratete geltenden Regelungen ausgefüllt werden müssen, weil die Lebenspartnerschaft in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht einer Ehe entspreche.
    Dies ergebe sich aus der Entscheidung des Ersten Senats des BVerfG vom 21.7.2010 zur Erbschaftsteuer (1 BvR 611/07 und 1 BvR 2464/07). Die Antragsteller haben Auszüge aus dieser Entscheidung wörtlich zitiert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragsteller vom 08.09.2011 Bezug genommen.
    Die Antragsteller vertreten die Ansicht, die Ausführungen des Ersten Senats des BVerfG könnten ohne weiteres auf die Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten bei der Einkommensteuer übertragen werden. Die Privilegierung von Ehegatten bei der Einkommensteuer sei ebenfalls nicht davon abhängig, ob die Ehepaare Kinder hätten oder nicht (so auch Finanzgericht (FG) Niedersachsen, Beschlüsse vom 9.11.2010 - 10 V 309/10, vom 1.12.2010,13 V 239/10, vom 6.1.2011 - 7 V 66/10 und vom 14.6.2011 - 10 V 157/11; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.5.2011 - 9 V 1339/11). Da es sich bei den zitierten Ausführungen des Ersten Senats des BVerfG um Erwägungen handele, die seine Entscheidung trügen, seien sie gem. § 31 Abs. 1 BVerfGG für die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden bindend. Deshalb seien die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.1.2006 (III R 51/05, BStBl II 2006, 515), vom 20.7.2006 (III R 8/04, BStBl II 2006, 833) und vom 19.10.2006 (III R 29/06, BFH/NV 2007, 663) überholt. Diese Ansicht verträten das FG Niedersachsen in seinem Beschluss vom 1.12.2010 - 13 V 239/10 und das FG Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 16.5.2011 – 9 V 1339/11. Da die Rechtslage auf Grund der eindeutigen Entscheidung des BVerFG vom 21.7.2010 klar sei, hätten sie einen Anspruch darauf, dass ihre Lohnsteuerkarten, wie beantragt, geändert würden.
    Auch der notwendige Anordnungsgrund für den hilfsweise gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung läge im Streitfall vor, da ohne den Erlass einer Eilentscheidung das Lohnsteuerabzugsverfahren mit Ablauf des Jahres endgültig abgeschlossen sei und ein weiterer Rechtsschutz insoweit nicht mehr erfolgen könne. Es liege auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vor.
    Die Antragsteller beantragen,
    „die Vollziehung der Bescheide über die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte 2011 vom 5.8.2011 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Einsprüche gegen die vorgenannten Bescheide vom 15.8.2011 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen;
    hilfsweise,
    den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Lohnsteuerkarten 2010 der Antragsteller dahingehend zu ändern, dass den Antragstellern die Steuerklasse IV unter Anwendung des Faktorverfahrens bescheinigt wird.“
    Der Antragsgegner beantragt,
    den Antrag abzulehnen.
    Der Antragsgegner macht geltend, nach derzeitiger Gesetzeslage sei der Antrag unbegründet. Die in § 32a Abs. 5 EStG geregelte Anwendung des so genannten Splitting-Tarifs sei nach dem Wortlaut des Gesetzes nur auf Ehegatten anzuwenden, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt würden. Für eingetragene Lebenspartner sei der Splittingtarif nach der derzeitigen Gesetzeslage hingegen nicht anwendbar.
    Die von den Antragstellern zitierten Entscheidungen des BVerG 1 BvR 611/07 und 1 BvR 2464/07 hätten das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz zum Gegenstand. Bei diesen Entscheidungen handele es sich um solche gegen endgültig ergangene Verwaltungsakte, bei denen eine Änderung auf außergerichtlichen Wege nicht mehr möglich gewesen wäre.
    Die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller ließen keinen Spielraum für die geforderte gerichtliche einstweilige Anordnung. Es fehle an einem Anordnungsgrund für den hilfsweise gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil lediglich der Lohnsteuerabzug der Antragsteller für die letzten Monate des Jahres 2011 reduziert werden solle.
    II.
    Der Senat hat die Verfahren 4 V 2824/11 und 4 V 2831/11 gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO zur gemeinsamen Entscheidung unter dem Aktenzeichen 4 V 2831/11 miteinander verbunden, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lediglich hilfsweise für den Fall gestellt wurde, dass der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung keinen Erfolg hat.
    Der Antrag hat Erfolg, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen und die Antragsteller auch ein besonderes, die öffentlichen Belange überwiegendes, Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes haben.
    1. Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war stattzugeben.
    a) Der Antrag ist zulässig.
    Lehnt das Finanzamt (FA) die Änderung der Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte ab, handelt es sich um einen vollziehbaren Verwaltungsakt. Denn diese Maßnahme ist damit vergleichbar, dass das FA die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte ganz oder teilweise ablehnt. Bei letzterer Maßnahme handelt es sich nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, um einen vollziehbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung in Betracht kommt (vgl. BFH Beschlüsse vom 08.06.2011 - III B 210/10, BFH/NV 2011, 1692 und vom 25.08.2009 - VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826).
    Es ist unschädlich, dass die Antragsteller sich in ihren Anträgen sowohl gegen Eintragungen in der Lohnsteuerkarte 2010 als auch gegen solche in der Lohnsteuerkarte 2011 wenden.
    Gemäß § 52b Abs. 1 Satz 1 EStG, der durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) mit Wirkung zum 01.01.2011 in das EStG eingefügt wurde, gilt die Lohnsteuerkarte 2010 mit den eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmalen auch für den Steuerabzug vom Arbeitslohn ab dem 01.01.2011 bis zur erstmaligen Anwendung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale. Danach hat die Eintragung der Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte 2010 (§§ 38b, 39 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG) auch für den Lohnsteuerabzug im Jahr 2011 Bedeutung.
    b) Der Antrag ist auch begründet.
    Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
    aa) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte; dabei ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (vgl. BFH Beschluss vom 13.10.2009 - VIII B 62/09, BFHE 226, 353, BStBl II 2010, 180).
    Bei der im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung gebotenen --aber auch ausreichenden-- summarischen Prüfung bestehen nach Auffassung des Senats ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte.
    Zwar haben die Antragsteller nach dem Wortlaut des EStG keinen Anspruch darauf, dass für sie die Steuerklasse IV auf ihrer Lohnsteuerkarte eingetragen wird. Denn § 38b Abs. 1 Nr. 4 EStG bestimmt, dass in die Steuerklasse IV diejenigen Arbeitnehmer gehören, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt lebend und der Ehegatte des Arbeitnehmers ebenfalls Arbeitslohn bezieht. Im Streitfall sind die Antragsteller nicht verheiratet. Bei Ihnen handelt es sich nicht um Ehegatten.
    Gleichwohl könnte die Ablehnung des Finanzamts rechtswidrig sein, weil die Antragsteller Partner einer Lebenspartnerschaft sind. Hierzu mag es dahingestellt bleiben, ob die Ansicht der Antragsteller zutreffen könnte, dass die Vorschrift des § 38b EStG lückenhaft ist, weil dort der Familienstand der Lebenspartnerschaft nicht gesondert aufgeführt ist.
    Selbst wenn eine derartige Lücke nicht vorliegen würde, könnte die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sich daraus ergeben, dass die Vorschrift des § 38b Abs. 1 Nr. 4 EStG verfassungswidrig sein könnte. Ihre Verfassungswidrigkeit könnte daraus folgen, dass nach ihr zwar Ehepaare nicht aber Lebenspartnerschaften einen Anspruch auf Eintragung der Steuerklasse IV haben.
    Für eine Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift spricht die Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BVR 2464/07, BVerfGE 126, 400, BFH/NV 2010, 1985. In dieser Entscheidung hat das BVerfG die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung für verfassungswidrig erklärt. Es hat in dieser Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen. Es hat angeordnet, Gerichte und Verwaltungsbehörden dürften die beanstandeten Normen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden. Zur Begründung hat das BVerfG u. a. ausgeführt, wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe sei es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, sie gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Gehe jedoch die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar seien, rechtfertige die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht. Die Ungleichbehandlung sei auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass grundsätzlich nur aus einer Ehe gemeinsame Kinder hervorgehen könnten und der Gesetzgeber unter Anknüpfung an das Familienprinzip eine möglichst ungeschmälerte Erhaltung kleiner und mittlerer Vermögen in der Generationenfolge erhalten wolle. In ihrer Eignung als Ausgangspunkt der Generationenfolge unterscheide sich die Ehe grundsätzlich von der Lebenspartnerschaft. Da die Lebenspartnerschaft auf gleichgeschlechtliche Paare begrenzt sei, könnten aus einer solchen Beziehung grundsätzlich keine gemeinsamen Kinder hervorgehen. Demgegenüber sei die Ehe als Verbindung verschiedengeschlechtlicher Partner möglicher Ursprung einer eigenen Generationenfolge. Auch sei sie ungeachtet der den Ehepartnern allein überlassenen freien Entschließung für eine Elternschaft der durch vielfältige gesetzliche Ausgestaltung privilegierte Rechtsraum zur Familiengründung. Es könne dahinstehen, ob die bessere abstrakte Eignung der Ehe, Ausgangspunkt der Generationenfolge zu sein, höhere Freibeträge zugunsten von Ehegatten mit Blick auf die mögliche Weitervererbung des Familienvermögens an gemeinsame Kinder rechtfertigen könne. Sollte der Gesetzgeber diesem Gesichtspunkt in dem geltenden Steuerrecht überhaupt Beachtung geschenkt haben, so habe er dies jedenfalls mit einer Regelung getan, die diesen Ansatz nicht hinreichend umgesetzt habe und daher auch nicht als Grundlage einer unterschiedlichen Behandlung von Ehegatten und Lebenspartnern herangezogen werden könne. Denn das geltende Recht mache - im Unterschied zu früheren Regelungen - die Privilegierung der Ehe nicht vom Vorhandensein gemeinsamer Kinder abhängig, sondern differenziere bei der Höhe des Freibetrages nicht zwischen kinderlosen Ehen und solchen, aus denen Kinder hervorgegangen seien.
    Nach Ansicht des Senats lassen sich diese Überlegungen auch auf das Einkommensteuerrecht übertragen. Aus denselben Gründen, aus denen das BVerfG die Benachteiligung von Lebenspartnerschaften gegenüber Ehepaaren im Erbschaftsteuerrecht als verfassungswidrig angesehen hat, könnte auch die Benachteiligung im Einkommensteuerrecht, die in der Versagung des Splittingtarif liegt, als verfassungswidrig anzusehen sein.
    Zwar widerspricht diese Beurteilung der bisherigen Rechtsprechung des BFH. Denn der BFH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung die steuerliche Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften beim Veranlagungswahlrecht wegen der Förderung von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG für gerechtfertigt angesehen (vgl. BFH-Urteile vom 26.1.2006 - III R 51/05, BFHE 212, 236, BStBl II 2006, 515, vom 20.7.2006 - III R 8/04, BFHE 214, 347, BStBl II 2006, 883 und vom 19.10.2006 III R 29/06, BFH/NV 2006, 63). Indes ergingen sämtliche genannten Entscheidungen des BFH vor der Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BVR 2464/07, BVerfGE 126, 400, BFH/NV 2010, 1985.
    Gegen sämtliche genannten Entscheidungen des BFH sind Verfassungsbeschwerden anhängig (2 BvR 288/07, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 909/06). Diese könnten wegen der Entscheidung des BVerG vom 21.07.2010 erfolgreich sein.
    Die Beurteilung des Senats entspricht demgegenüber einer Vielzahl von finanzgerichtlichen Beschlüssen, die nach der Entscheidung des BVerfG ergangen sind (vgl. u. a. FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.09.2011, 3 V 2820/11, FG Nürnberg Beschluss vom 16.08.2011, 3 V 868/11, FG Niedersachsen, Beschlüsse vom 15.06.2011, 3 V 125/11, vom 1.12.2010, 13 V 239/10 und 09.11.2010, 10 V 309/10). In sämtlichen Beschlüssen wurde übereinstimmend die Ansicht vertreten, dass ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Partnern einer Lebenspartnerschaft von den Anwendungen der Regelungen über das Ehegatten Splitting bestünden. Zwar hat der BFH einen der genannten Beschlüsse aufgehoben und gegenteilig entschieden (vgl. BFH-Beschluss vom 08.06.2011, III B 210/10). Die Entscheidungen des BFH erfolgte aber aus anderen Gründen und ließ die materielle Rechtsfrage offen.
    Auf Grund der Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BVR 2464/07, BVerfGE 126, 400, BFH/NV 2010, 1985 könnten auch die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren III 36/10, III R 103/07, III R 83/06, III R 14/05, III R 13/05, III R 12/05, III R 11/05, die sich ausnahmslos gegen Urteile richten, in denen eine Zusammenveranlagung gleichgeschlechtlicher Personen abgelehnt wurde, für die Kläger jener Verfahren erfolgreich sein.
    Allein die Tatsache, dass mehrere Finanzgerichte nach Ergehen der Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 - – 1 BvR 611/07, 1 BVR 2464/07, BVerfGE 126, 400, BFH/NV 2010, 1985 übereinstimmend die Ansicht vertreten haben, dass ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Partnern einer Lebenspartnerschaft von den Anwendungen der Regelungen über das Ehegatten Splitting bestehen, rechtfertigt es im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu bejahen.
    bb) Es besteht auch ein (besonderes) berechtigtes Interesse der Antragsteller an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.
    Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts, hat das FG dessen Vollziehung im Regelfall auszusetzen. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 FGO als Sollvorschrift. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann trotz Vorliegens solcher Zweifel die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt werden.
    Ein solcher atypischer Fall kommt in Betracht, wenn die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen. Ist dies der Fall, ist die Gewährung von Aussetzung der Vollziehung zwar nicht ausgeschlossen. Sie setzt aber nach langjähriger Rechtsprechung des BFH wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes voraus (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 01.04.2010 - II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558 m. w. N.).
    Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung von Aussetzung der Vollziehung sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzuges und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an. Das Gewicht der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Vorschrift ist bei dieser Abwägung nicht von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 01.04.2010 - II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558 m. w. N.). Diese Rechtsprechung ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar (BVerfG-Beschluss vom 03.04.1992 - 2 BvR 283/92, HFR 1992, 726).
    Im Streitfall spricht es nicht gegen die Antragsteller, dass bei einer Entscheidung des BVerG zu ihren Lasten eine von ihnen vorläufig erstrittene geänderte Eintragung auf ihren Lohnsteuerkarten infolge Zeitablaufs (§ 41c Abs. 3 EStG) später nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Denn bei der Eintragung der Lohnsteuerklasse IV unter Anwendung des Faktorverfahrens wären die Antragsteller gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG zur Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung verpflichtet. Der vorläufig im Rahmen des Lohnsteuerabzugs erteilte Vorteil könnte daher im Rahmen der späteren Veranlagung wieder rückgängig gemacht werden.
    Der Senat hält es auch nicht für ausschlaggebend, dass der den Antragstellern entstehende finanzielle Nachteil gering wäre, wenn ihnen die Eintragung der Lohnsteuerklasse IV auf ihren Lohnsteuerkarten verwehrt würde. Da dem Senat die Einkommensverhältnisse der Antragsteller im Streitjahr unbekannt sind, legte er für diese Beurteilung diejenigen des Jahres 2009 (der letzten ihm bekannten Veranlagung) zu Grunde. In diesem Jahr betrug die insgesamt festgesetzte Einkommensteuer (ohne Solidaritätszuschlag) auf Grund der beiden Einzelveranlagungen 3.767 € (887 € + 2.880 €). Diese Steuer würde bei einer Zusammenveranlagung erst bei einem zu versteuernden Einkommen von 33.380 € überschritten. Der Gesamtbetrag der Einkünfte beider Antragsteller lag im Jahr 2009 aber lediglich bei 40.508 €.
    Ein gewichtiger finanzieller Nachteil ergäbe sich für die Antragsteller auch nicht dadurch, dass bei einer späteren Veranlagung einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, mit dem vorläufig eine Veranlagung nach dem Splittingtarif begehrt würde, kaum entsprochen werden könnte, da gemäß § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO bei Steuerbescheiden die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge beschränkt ist und dies nur dann nicht gilt, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zu Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Folge dieser eingeschränkten Aussetzungsmöglichkeit wäre lediglich, dass der für die Antragsteller eingetretene nicht gravierende Zinsverlust länger andauern würde.
    Als entscheidend sieht es der Senat vielmehr an, dass im Streitfall eine besondere Situation vorliegen dürfte, in der dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen ausnahmsweise der Vorrang gegenüber den öffentlichen Belangen einzuräumen sein dürfte. Denn die Antragsteller haben sich darauf berufen, dass das BVerfG Vorschriften als verfassungswidrig eingestuft habe, denen eine dem Streitfall vergleichbare Situation zugrunde gelegen habe.
    Diese Beurteilung steht mit der Rechtsprechung des BFH in Einklang. Denn der BFH hat in Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen, in verschiedenen Fallgruppen dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt, und zwar unter anderem dann, wenn das BVerfG eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt hatte (vgl. BFH-Beschluss vom 01.04.2010 - II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558 m. w. N.).
    Im Streitfall hat das BVerfG zwar nicht eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt. Es liegt nach Ansicht des Senats aber eine vergleichbare Situation vor. Denn die Gründe, die das BVerfG dazu veranlassten in seinem Beschluss vom 21.7.2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400, BFH/NV 2010, 1985 die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz als verfassungswidrig anzusehen, rechtfertigten es, diese Ungleichbehandlung auch im Einkommensteuerrecht und insbesondere bei der Versagung des Splittingtarifs als verfassungswidrig zu beurteilen. Aus diesem Grund könnten die beim BVerfG zu dieser Frage anhängigen Verfassungsbeschwerden erfolgreich sein. Dies genügt um dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller im Streitfall den Vorrang gegenüber den öffentlichen Belangen einzuräumen.
    cc) Eine Aussetzung der Vollziehung scheidet auch nicht deshalb aus, weil dadurch eine weitergehende Entscheidung getroffen würde, als von dem BVerfG in einer Entscheidung über die für verfassungswidrig gehaltene Rechtsnorm zu erwarten ist. Es kann nicht vorausgesagt werden, ob das BVerfG den Ausschluss von Lebenspartnerschaften von der Gewährung des Splittingtarifs - sollte es diesen für verfassungswidrig halten - lediglich mit befristeter Fortgeltungsanordnung mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt (vgl. hierzu auch Niedersächsischen FG Beschluss vom 15.06.2011 3 V 125/11 unter Hinweis auf die Entscheidungen des BVerfG vom 9.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08 2, BVerfGE 122, 210, BFH/NV 2009, 338 zur steuerlichen Berücksichtigung von Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und vom 6.7.2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BFH/NV 2010, 1767 zu Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer, in denen das BVerfG die entscheidungserheblichen Regelungen jeweils wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG rückwirkend außer Kraft gesetzt hat).
    dd) Da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestehen und bereits aus diesem Grund Aussetzung der Vollziehung zu gewähren war, mag es dahingestellt bleiben, ob die Vollziehung der angefochtenen Bescheide für die Betroffenen auch eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
    2. Da dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattzugeben war, mag es außerdem dahingestellt bleiben, ob auch der lediglich hilfsweise gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Erfolg hätte haben können (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 08.06.2011 III B 210/10, BFH/NV 2011, 1692 ablehnend wegen Fehlens eines Anordnungsgrundes).
    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde war nach § 128 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

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