Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 15.06.2011 · IWW-Abrufnummer 130094

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 14.12.2010 – 3 K 1116/10

    1. Auch wenn ein Hotel den Gästen die Übernachtung mit Frühstück einheitlich in Rechnung stellt, ist auf die Verpflegungsleistungen (Frühstück) nicht der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG i. d. F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, sondern der Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG anzuwenden.
    2. Die Frühstücksleistungen sind im Verhältnis zu den Beherbergungsleistungen selbstständige Leistungen, die nicht unmittelbar der Beherbergung dienen (Anschluss an Auffassung der FinVerw. in den BMF-Schreiben v. 5.3.2010, IV D 2 – S 7210/07/10003/IV C 5 – S 2353/09/10008, sowie v. 4.5.2010, IV D 2 – S 7100/08/10011).


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Finanzrechtsstreit
    hat der 3. Senat unter Mitwirkung des Präsidenten des Finanzgerichts … der Richterin am Finanzgericht … der Richterin am Finanzgericht … der ehrenamtlichen Richterin … der ehrenamtlichen Richterin auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 14.12.2010 für Recht erkannt:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
    3. Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten darüber, ob auf Verpflegungsleistungen (Frühstück), die im Zusammenhang mit Beherbergungsleistungen erbracht werden, gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG n.F. der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist.
    Die Klägerin betrieb in den Streitzeiträumen ein Hotel mit angeschlossenem Restaurant, in dem ausschließlich „Übernachtungen mit Frühstück” angeboten wurden. Hierbei berechnete sie für das Einzelzimmer 45 Euro (brutto) und für das Doppelzimmer 65 Euro (brutto). Im Preis enthalten war ein Buffet-Frühstück, auf das nach Kalkulation der Klägerin ein Anteil von 8 Euro (brutto) pro Person entfiel. Auf Wunsch von Geschäftsreisenden bot die Klägerin zudem ein vereinfachtes Tellerfrühstück an, auf das nach Kalkulation der Klägerin ein Anteil von 4,80 Euro (brutto) entfiel, ohne dass hiermit eine Minderung des Zimmerpreises verbunden war.
    Am 09.03.2010 reichte die Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2010 ein. Darin erklärte sie u.a. steuerpflichtige Umsätze i.H.v. 16.086 Euro, die dem Regelsteuersatz unterliegen, sowie steuerpflichtige Umsätze i.H.v. 5.930 Euro, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, und berechnete Umsatzsteuer i.H.v. 1.357,22 Euro. Ergänzend teilte sie im Schreiben vom gleichen Tage mit, dass in den Umsätzen, die dem ermäßigten Steuersatz unterworfen wurden, Frühstücksumsätze an Hotelgäste (Privatkunden) i.H.v. 628 Euro enthalten sind.
    Am 09.04.2010 reichte die Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldung für Februar 2010 ein. Darin erklärte sie u.a. steuerpflichtige Umsätze i.H.v. 15.748 Euro, die dem Regelsteuersatz unterliegen, sowie steuerpflichtige Umsätze i.H.v. 3.942 Euro, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, und berechnete Umsatzsteuer i.H.v. 1.597,66 Euro. Ergänzend teilte sie im Schreiben vom gleichen Tage mit, dass in den Umsätzen, die dem ermäßigten Steuersatz unterworfen wurden, Frühstücksumsätze an Hotelgäste (Privatkunden) i.H.v. 427 Euro enthalten sind.
    Bei den in den Streitzeiträumen berechneten Übernachtungen mit Frühstück handelte es sich ausschließlich um Individualübernachtungen von Privaten oder Geschäftsreisenden.
    Am 10.05.2010 erließ der Beklagte Änderungsbescheide und setzte Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Januar 2010 i.H.v. 1.420,42 Euro und für Februar 2010 i.H.v. 1.640,54 Euro fest. Hierbei berücksichtigte er für Januar Umsätze i.H.v. 16.650 Euro, die dem Regelsteuersatz unterliegen, sowie Umsätze i.H.v. 5.302 Euro, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, und für Februar Umsätze i.H.v. 16.131 Euro, die dem Regelsteuersatz unterliegen, sowie Umsätze i.H.v. 3.515 Euro, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, und begründete dies damit, dass die Frühstücksumsätze dem Regelsteuersatz zu unterwerfen seien.
    Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin vom 14.05.2010 blieben ohne Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 07.07.2010 wies der Beklagte diese unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 04.05.2010 (IV D2 – S 7100/08/10011) als unbegründet zurück.
    Hiergegen hat die Klägerin am 22.07.2010 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Frühstücksleistungen an Hotelgäste als Nebenleistungen der Beherbergungsleistungen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen seien. Sie verweist insoweit auf das Urteil des BFH v. 15.01.2009 – V R 9/06. Die mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zum 01.01.2010 eingeführte Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG habe hieran nichts geändert. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Die Klägerin bezieht sich dabei auf den Bericht des Finanzausschusses vom 03.12.2009 (BT-Drucks. 17/147), in dem unter Punkt V. dokumentiert sei, dass eine systematische Änderung der Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung nicht angestrebt worden sei. Weiter verweist die Klägerin auf die Stellungnahme des Normenkontrollrates vom 03.12.2009 (BT-Drucks. 17/158).
    Weiter trägt die Klägerin vor, dass die Frühstücksleistungen unmittelbar der Vermietung dienten, da deren Zweck darin zu sehen sei, die Hauptleistung „Beherbergung” zu optimieren.
    Die Klägerin beantragt,
    die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Januar und Februar 2010 vom 10.05.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.07.2010 aufzuheben und
    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung vom 07.07.2010.
    Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Akte des vorliegenden Verfahrens sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Änderungsbescheide sind rechtmäßig, da die Frühstücksleistungen dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG unterliegen.
    Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG n.F. ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind.
    1. Die Überlassung von Hotelzimmern zur Übernachtung unterfällt danach dem ermäßigten Steuersatz. Hinweise, dass es sich um eine langfristige Überlassung der Räume handelt, fehlen. Auch ist dies zwischen den Beteiligten unstreitig.
    2. Die hier streitgegenständlichen Frühstücksleistungen sind demgegenüber gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 UStG dem vollen Steuersatz zu unterwerfen. Es handelt sich um selbständige Leistungen, die nicht unmittelbar der Übernachtung dienen. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 5.3.2010, IV D 2 – S 7210/07/10003/IV C 5 – S 2353/09/10008, und vom 4.5.2010, IV D 2 – S 7100/08/10011 :009) an.
    a) Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. z.B. Urteile des EuGH v. 25.02.1999 Rs. C-349/96, Card Protection Plan Ltd. –CPP–, Slg. 1999, I-973 Rdnrn. 28 ff.; v. 27.10.2005 Rs. C-41/04, Levob, Slg. 2005, I-9433 Randnrn. 19 ff., und v. 21.06.2007 Rs. C-453/05, Ludwig, BFH/NV Beilage 2007, 398 Randnrn. 17 f., und des BFH v. 09.06.2005 – V R 50/02, BStBl II 2006, 98, m.w.N.) ist zwar jede Leistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten, jedoch darf eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Daher ist das Wesen des fraglichen Umsatzes aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
    b) Diese Voraussetzungen liegen bei den streitgegenständlichen Frühstücksleistungen nicht vor.
    Anders als in dem dem EuGH-Urteil vom 22.10.1998 Rs. C-308/96 und C-94/97, Madgett und Baldwin (HFR 1999, 129) zugrunde liegenden Fall handelt es sich vorliegend nicht um ein pauschales Leistungspaket, bestehend aus einer Hotelunterbringung mit Halbpension und Busbeförderung, sondern lediglich um Individualübernachtungen mit Frühstück von Privaten.
    Zwar mag die Verpflegung (Frühstück) von Hotelgästen auch bei Individualübernachtungen zu den traditionellen Aufgaben eines Hoteliers gehören und bezogen auf Unterbringung auch einen nur geringen Teil des Gesamtbetrags ausmachen. Gleichwohl stellt sich die Frühstücksleistung nach Auffassung des Senats aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers als eigenständige Leistung dar, die für die Kundschaft einen eigenen Zweck beinhaltet. Sie dient nicht lediglich dazu, die Übernachtungsleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
    Dies ergibt sich daraus, dass mit beiden Leistungen unterschiedliche Bedürfnisse befriedigt werden (Schlafmöglichkeit einerseits und Nahrungsaufnahme andererseits). Die Frühstücksleistung erfüllt danach einen eigenständigen Zweck. Ihr Sinn erschöpft sich nicht darin, die Übernachtungsleistung abzurunden. Bei natürlicher Betrachtung tritt die Frühstücksleistung aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht hinter die Übernachtungsleistung zurück. Ihr kommt neben der Übernachtung eine eigenständige Bedeutung zu. So ist es ohne Weiteres möglich und auch durchaus üblich, eine Hotelübernachtung (individuell) durchzuführen, das Frühstück am nächsten Morgen aber andernorts, etwa in einem (Straßen-) Caffee, einer (Frühstücks-)Bar, einer Fast-Food-Kette, oder dergleichen, einzunehmen. Anders als möglicherweise bei Reisen, bei denen sich an das Frühstück weitere Programmteile anschließen, etwa (gemeinsame) touristische Erlebnisse oder eine gemeinsame Tagungsteilnahme, ggf. auch kombiniert mit weiteren (gemeinsamen) Mahlzeiten wie Mittag- und/oder Abendessen, fehlt es bei Individualübernachtungen mit Frühstück an einer Verklammerung beider Leistungen, die die eine (Frühstück) als Nebenleistung der anderen (Übernachtung) erscheinen lassen könnte. Auch im Übrigen sind beide Leistungen weder rechtlich noch tatsächlich derart miteinander verbunden, dass die eine Leistung nicht ohne die andere erbracht werden könnte. Nach Auffassung des Senats besteht zwischen beiden Leistungen keine derart enge Verbindung, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden würden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
    c) Die Vereinbarung eines pauschalen Entgelts vermag hieran nichts zu ändern. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG sind von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes Leistungen ausgenommen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind.
    Die Frühstücksleistungen werden zwar im Zusammenhang mit der Übernachtungsleistung erbracht. Sie verfolgen jedoch einen eigenen, selbständigen Zweck, die Beköstigung der Gäste. Sie dienen daher nicht unmittelbar der Übernachtung.
    d) Die Rechtsansicht des Senats entspricht im Ergebnis dem in den Begründungen des Finanzausschusses (BT-Drs. 17/147) zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen, Verpflegungsleistungen im Zusammenhang mit Übernachtungen nicht ermäßigt zu besteuern.
    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    4. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

    VorschriftenUStG 2010 § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 1, UStG 2010 § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2, UStG 2010 § 12 Abs. 1

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents