08.01.2010
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 27.02.2002 – 13 K 212/96
Die Umsätze eines Unternehmers, der für seine Auftraggeber die Durchführung von Discoparties übernimmt und dabei andere Unternehmer mit Abspielgeräten für Tonträger und der Fähigkeit, die Musik mit einer Ton- und Lichttechnik discoähnlich zu präsentieren, im eigenen Namen und für eigene Rechnung verpflichtet und zudem bekannte Radiomoderatoren verpflichtet, die durch humorvolle Ansagen und Einlagen das Publikum unterhalten, unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG, weil der Unternehmer nicht als Veranstalter i.S. der vorgenannten Vorschrift auftritt und das Abspielen von Tonträgern kein Konzert ist.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
wegen Umsatzsteuer 1991–1993
Umsatzsteuer (1. und 2. Quartal 1994)
hat der 13. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2002 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1991 bis 1994 bezeichnet der Kläger die Art seines Einzelunternehmens als „Jura-Gastspiele und Intern. Gastspieldirektion”. Im August 1994 fand beim Kläger eine Umsatzsteuer-Außenprüfung statt; Prüfungszeitraum waren die Kalenderjahre 1991 bis 1993 sowie die Vorauszahlungszeiträume 1. und 2. Quartal 1994. In dem Prüfungsbericht vom 22. Dezember 1994 heißt es:
„Der Steuerpflichtige übernimmt für seine Auftraggeber die Durchführung von Konzerten und Disco-Partys. Dabei verpflichtet er die mitwirkenden Personen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Den Besuchern gegenüber tritt der Auftraggeber als Veranstalter auf.
Für die Durchführung der „Disco Partys” werden vom Steuerpflichtigen andere Unternehmer damit beauftragt, die Hallen und Zelte zu beschallen.
Als Discjockeys wurden verschiedene Radiomoderatoren verpflichtet, die das Publikum durch Ansagen, Gags, Klamauk sowie durch Interwiews und Wettspiele mit Disco-Besuchern unterhalten. Die Preise für die Wettspiele wurden ebenfalls vom Steuerpflichtigen eingekauft.
Das Abspielen von Musik und die Unterhaltung des Publikums durch den Moderator ist keine Leistung, die als Theater- oder Konzertveranstaltung dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG unterliegt. Diese Leistungen unterliegen dem vollen Umsatzsteuersatz.”
Dementsprechend ergingen geänderte Umsatzsteuerbescheide 1991 bis 1993 vom 2. Februar 1995 sowie ein Bescheid über Umsatzsteuer für das 2, Quartal 1994 vom 13. Januar 1995. Gegen alle Bescheide wurden Einsprüche eingelegt; es wurde u.a. vorgebracht:
Der Kläger führe seit 1981 Veranstaltungen aller Art durch, von 1981 bis 1986 als hälftiger Teilhaber einer GbR und von 1987 bis 1991 als hälftiger Gesellschafter einer GmbH. Das Finanzamt … habe damals bei Prüfungen den ermäßigten Steuersatz nicht beanstandet. Der Kläger habe daher nach Treu und Glauben davon ausgehen können, dass dies auch für sein Einzelunternehmen gelte.
Im vorliegenden Fall sei es so, dass die Auftraggeber ein Konzert bestellten, das mit Schallplatten und einem Moderator durchgeführt werden solle. Das Abspielen von Schallplatten stelle ein Konzert dar. Der Auftraggeber bestelle beim Kläger für eine Disco-Veranstaltung die entsprechende musikalische Leistung, die durch das Abspielen von Schallplatten erbracht werde. Vom Auftraggeber werde – um die Veranstaltung attraktiver zu gestalten – ein bekannter Radio-Discjockey mitgebucht. Die Ansicht des Finanzamts, dass weniger der Musikgenuss als das gesellschaftliche, unterhaltende Ereignis im Vordergrund stehe, sei nicht verständlich. Der Hauptbestandteil einer jeden Disco-Veranstaltung sei die Musik, wobei der Auftraggeber verantwortlich sei, wie er die erbrachte Musikleistung in seiner Veranstaltung einsetze. Fast alle Tanz-, Show- und Stimmungskapellen böten während und zwischen ihren musikalischen Darbietungen Gags, Klamauk und Ansagen, und selbstverständlich werde überall getanzt. Warum solle, nachdem das Abspielen von Schallplatten als Konzertveranstaltung eingeordnet werde, hier ein Unterschied festgestellt werden zu einer Tanz- und Showkapelle? Ein bekannter Discjockey garantiere eine fachkundige Darbietung der musikalischen Leistung. Es sei noch einmal festzustellen, dass bei den Leistungen des Klägers die Musik den eigentlichen Wert bestimme, lediglich erklärend vorgeführt durch einen bekannten und somit fachkundigen Discjockey. Die Einlagen von Gags und Klamauk und von Wettspielen seien gering. Bei einer vereinbarten Leistung von insgesamt 4 Stunden Abspielen von Schallplatten mit Rock- und Pop-Musik betrage die Zeit für Einlagen ungefähr 45 Minuten.
Im Laufe des Einspruchsverfahrens wurde am 5. Juni 1996 die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1994 beim Finanzamt eingereicht, der das Finanzamt durch Mitteilung vom 24. Juni 1996 zugestimmt hat.
Mit Einspruchsentscheidung vom 13. November 1996 wurden die Einsprüche wegen Umsatzsteuer 1991 bis 1994 zurückgewiesen; die Einspruchsentscheidung führt u.a. aus: Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG stehe Unternehmen zu, die Konzerte veranstalten. Zu Konzertveranstaltungen zählten auch Schallplattenkonzerte. Allerdings würden nur solche Darbietungen als Konzertveranstaltungen angesehen, bei denen die Musik den eigentlichen Zweck der Veranstaltung bilde. Typisch für ein Konzert sei, dass eine überschaubare Anzahl von Stücken gespielt werde und das Orchester, die Kapelle oder der Interpret persönlich anwesend seien. Das Konzertpublikum höre den Musikdarbietungen zu, es werde nicht getanzt, lediglich in den Pausen würden Speisen und Getränke angeboten. Dagegen sei die Discoparty mit einer Show zu vergleichen; die Besucher würden durch Musik, flotte Sprüche, Gags und Klamauk des Discjockeys, durch Preisrätsel und Wettspiele unterhalten. Es werde getanzt. Der Erfolg einer Discoparty sei in erster Linie vom Discjockey abhängig. Der Kläger habe für die Discoparties einen bekannten Rundfunkmoderator verpflichtet, dessen Auftritt den eigentlichen Kern der Veranstaltung bilde. Bei der Durchführung von Discoparties habe die Leistung des Klägers gegenüber seinen Auftraggebern nicht nur, im Abspielen von Schallplatten bestanden, sondern in einem ganzen Bündel weiterer Leistungen, die neben der Musikdarbietung dazu beitrügen, das Publikum zu unterhalten. Nach dem Gesamtbild seien dies keine Konzertveranstaltungen.
Die Erhöhung der Umsatzsteuer in den geänderten Bescheiden verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. Die Außenprüfungen des Finanzamts … hätten nicht das Unternehmen des Klägers betroffen, sondern andere selbständige Umsatzsteuersubjekte in Form einer Personengesellschaft und einer Kapitalgesellschaft, an denen der Kläger lediglich als Gesellschafter beteiligt gewesen sei. Irgendwelche Vertrauensfolgen bezüglich der Behandlung von Umsätzen aus Discoparties seien dadurch für den Kläger nicht eingetreten.
Mit der Klage wird u.a. vorgebracht: Der Beklagte lehne den ermäßigten Steuersatz mit der Begründung ab, dass bei Discoparties die Musik nicht im Vordergrund stehe. Dies sei nicht richtig. Der Kläger habe als Gastspieldirektion Musikaufführungen mit Schallplatten gegenüber dem jeweiligen Auftraggeber geleistet. Die mitwirkenden Künstler seien in seinem Namen verpflichtet worden. Der Begriff „Konzert” habe sich im Laufe der letzten Jahre so weiterentwickelt, dass darunter auch Schallplattenkonzerte zu verstehen seien. Es könne kein Kriterium für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes sein, wie sich die Besucher eines Konzerts verhielten, ob sie tanzen oder essen und trinken. Del Kläger habe keinen Einfluss auf das Verhalten der Besucher. Zwischen dem Kläger und den Besuchern bestehe kein Rechtsverhältnis.
Der Kläger habe als Unternehmer einer Gastspieldirektion Leistungen gegenüber anderen Veranstaltern (Vereine, Firmen, Banken usw.) erbracht. Die Veranstalter hätten eine Musikveranstaltung für die Jugend in zeitnaher Form durchführen wollen. Deshalb sei der Kläger als weiterer Unternehmer verpflichtet worden, gegenüber den Auftraggebern eine Veranstaltung mit Rock- und Popmusik zu leisten. Die Darbietung habe in gleicher Form wie in einer Diskothek erfolgen sollen, durch Abspielen von Schallplatten mit entsprechenden Effekten von Ton und Beleuchtung. Für die Veranstaltungen sei jeweils eine erfahrene „Crew” verpflichtet worden, mit den erforderlichen Abspielgeräten für Schallplatten und der Fähigkeit, die Musik mit einer Ton- und Lichttechnik discoähnlich zu präsentieren. Um den Wert der Veranstaltungen (Discoparties) zu erhöhen, seien beim Kläger durch Funk bekannte Moderatoren bestellt worden. Durch Radiosendungen seien bei den Jugendlichen in den Streitjahren besonders … und … bekannt gewesen. Im Wechsel hätten diese beiden Fachleute die aktuellen Titel aus den Hitparaden sowie sog. Oldtimer-Musik präsentiert. Diese Künstler hätten für die Zeit ihrer Verpflichtung die Regie übernommen. Neben der humorvollen Ansage von Programm, Schallplattentitel und Interpreten sei eine Gesangsparodie von Elvis Presley, teilweise 1–2 Sketche oder Ratespiele über Popmusik durchgeführt worden.
Der Kläger berufe sich außerdem auf Treu und Glauben. Er habe jahrelang als Geschäftsführer der Günthner und Lägeler GbR eine Gastspieldirektion geführt, die vom Finanzamt … im Rahmen einer Außenprüfung geprüft worden sei. Hier sei nie beanstandet worden, dass Discoparties mit dem halben Steuersatz behandelt worden seien. Im Vertrauen darauf habe der Kläger auch weiterhin den halben Steuersatz angewandt.
Außerdem wären die Leistungen auch nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 d UStG als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller ermäßigt zu besteuern. Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, die der Unternehmer auf Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen erbringe, gälten als Tätigkeiten von Schaustellern. In diesem Sinne könne der Kläger auch als Schausteller aufgefasst werden.
Der Kläger stellt den Antrag aus der Klageschrift vom 12. Dezember 1996.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er bringt u.a. vor: Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG seien Umsätze aus der Veranstaltung von Konzerten durch Konzertdirektionen mit 7 % zu versteuern. Zu den Konzertveranstaltungen zählten neben Orchesterkonzerten auch Schallplattenkonzerte. Discoparties unterschieden sich grundsätzlich von Konzertveranstaltungen. Die Leistung des Klägers habe nicht in der Veranstaltung von Musikdarbietungen bestanden, sondern in der Durchführung von Discoparties. Den Kern dieser Veranstaltung bilde nicht allein die Musik, sondern – mindestens genauso wichtig – der Auftritt eines bekannten Rundfunkmoderators, der die Besucher mit Ansagen, Gags, Klamauk, Interviews und Wettspielen unterhalte. Unbeachtlich sei, ob Tontechnik und Beleuchtungseffekte vom Discjockey gestellt würden, oder ob der Kläger zur Erbringung dieser Leistungen andere Unternehmer verpflichte. Entscheidend sei, dass neben der Musik Rätsel, Spiele, Beleuchtungseffekte, flotte Sprüche, Gags und Klamauk gleichwertige Elemente der Diskoveranstaltungen gewesen seien.
Der Kläger sei kein Schausteller, der er nicht in eigener Person als Reisegewerbetreibender tätig gewesen sei. Er habe sich zur Durchführung der Discoparties ausschließlich anderer Personen bedient.
Durch die Außenprüfung des Finanzamts … bei der … seien für den Kläger keine Vertrauensfolgen eingetreten. Die Außenprüfung habe nicht das Unternehmen des Klägers betroffen, sondern ein anderes selbständiges Umsatzsteuersubjekt. Auch seien in den vorgelegten Prüfungsberichten keinerlei Aussagen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Umsätzen aus der Veranstaltung von Discoparties getroffen worden. Auch sei der … nicht verbindlich zugesagt worden, dass Umsätze aus der Durchführung von Discoparties ermäßigt zu versteuern wären.
Bezüglich der Umsatzsteuer 1994 sei der Kläger durch die Einspruchsentscheidung nicht beschwert; die Klage sei insoweit unzulässig.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Am 4. Dezember 1996 erging ein nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Umsatzsteuerbescheid 1994, gegen den der Kläger Einspruch eingelegt hat. Das Einspruchsverfahren ruht bis zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits.
Am 8. Januar 1997 erging ein nach § 129 AO geänderter Umsatzsteuerbescheid 1993, der auf Antrag des Klägers zum Gegenstand des Verfahrens wurde.
Gründe
Die Klage kann aus mehreren Gründen keinen Erfolg haben.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 v. H. für die Leistungen der Theater Orchester, Kammermusikensembles, Chöre und Museen sowie die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer. Zutreffend gehen beide Beteiligte davon aus, dass die sogenannte Gastspieldirektion des Klägers nicht nach der 1. Alternative dieser Vorschrift begünstigt ist, da der Kläger nicht zu den darin aufgeführten Einrichtungen gehört.
Es liegt auch keine Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer nach der 2. Alternative dieser Vorschrift vor. Die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten setzt nicht nur voraus, dass diese Darbietungen gegenüber Publikum erbracht werden, sondern auch, dass sich der Leistungsaustausch – Theatervorführung bzw. Konzert gegen Eintrittsgeld – zwischen dem Veranstalter und dem Publikum vollzieht (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1995 XI R 20/94, BStBl II 1995, 519 m.w.N.). Im Streitfall hat kein Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und dem Publikum stattgefunden. Der Kläger hat im Laufe des Klageverfahrens wiederholt betont, dass die Besucher der Discoparties niemals mit dem Kläger in Verbindung zu bringen seien, da den Besuchern gegenüber die jeweiligen Auftraggeber des Klägers als Veranstalter aufgetreten seien. Diese hätten Termin und Veranstaltungsort bestimmt, auf eigenes Risiko gehandelt und das Eintrittsgeld vereinnahmt. Zwischen dem Kläger und den Besuchern habe kein Rechtsverhältnis bestanden (Schreiben des Klägers vom 17. Februar 1997 und vom 14. Mai 2001). Daraus folgt, dass der Kläger nicht als Veranstalter i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG die Steuervergünstigung in Anspruch nehmen kann.
2. Die Voraussetzungen der Steuervergünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG liegen noch aus weiteren Gründen nicht vor: Zum einen ist der Senat der Auffassung, dass es sich bei einem „Schallplattenkonzert” nicht um ein Konzert im Sinne dieser Vorschrift handelt. Unter Konzerten sind Aufführungen von Musikstücken zu verstehen, bei denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden (BFH in BStBl II 1995, 519). Das Abspielen von Tonträgern ist kein Konzert.
3. Zum anderen folgt der Senat der Auffassung des Beklagten, dass bei den vom Kläger ausgerichteten „Discoparties” neben der Musik die Unterhaltung durch einen bekannten Rundfunkmoderator gleichwertige Elemente der Veranstaltungen waren. Der Kläger bringt im Schreiben vom 14. Mai 2001 vor, er habe eine „Crew” verpflichtet mit Abspielgeräten für Tonträger und der Fähigkeit, die Musik mit einer Ton- und Lichttechnik discoähnlich zu präsentieren. Außerdem habe er bekannte Rundfunkmoderatoren verpflichtet, die durch humorvolle Ansagen und Einlagen das Publikum unterhalten sollten. Danach ist die Auffassung des Beklagten, dass der Charakter der Veranstaltung „Discoparty” in Tanz und Unterhaltung, nicht aber in der Darbietung eines Konzerts besteht, nicht zu beanstanden (vgl. auch BFH-Beschluss vom 29. September 2000 V B 16/00, BFH/NV 2001, 351).
4. Die Umsätze des Klägers unterliegen auch nicht als „Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller” (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 d UStG i.V.m. § 30 UStDV) dem ermäßigten Steuersatz. „Schausteller” ist jemand, der mit seinem der Unterhaltung dienenden Unternehmen Jahrmärkte, Volksfeste usw. besucht, also von Ort zu Ort zieht. Für den ermäßigten Steuersatz ist die Tatsache bedeutsam, dass dem Schausteller wegen seines ständigen Ortswechsels Reise- und Beförderungskosten sowie der durch den Abbau, Aufbau und den schnelleren Verschleiß der Anlagen bedingte größere Aufwand erwächst (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1993 V R 59/91, BStBl II 1994, 336). Das Unternehmen „Gastspieldirektion” des Klägers zog nicht von Ort zu Ort, sondern war immer am gleichen Ort. Lediglich die vom Kläger verpflichteten Mitwirkenden („Crew” und Moderator) waren bei der Veranstaltung des jeweiligen Auftraggebers tätig.
5. Das Finanzamt ist auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, den ermäßigten Steuersatz zu berücksichtigen. Das Finanzamt kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gebunden sein, wenn es einem Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinn zu beurteilen. Voraussetzung ist u.a., dass der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher die Auskunft erteilt hat (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 2001 V R 33/99, BFH/NV 2001, 1619 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall offensichtlich nicht vor. Denn der Kläger beruft sich lediglich auf eine Betriebsprüfung wegen Umsatzsteuer 1981–1983 (Gerichtsakte Bl. 15–17), die einen anderen Steuerpflichtigen … und ein anderes Finanzamt … betrifft; zudem enthält der Prüfungsbericht vom 6. Juni 1983 keine Ausführungen zu den im vorliegenden Fall umstrittenen „Discoparties” und der Prüfungszeitraum 1982 weist eine erhebliche zeitliche Differenz zu den vorliegenden Streitjahren auf. Selbst wenn – was nicht der Fall ist – ein den Kläger betreffender Prüfungsbericht des beklagten Finanzamts vorgelegen hätte, hätte sich daraus keine Bindung des Finanzamts ergeben können. Denn nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung muss das Finanzamt in jedem Veranlagungszeitraum die Besteuerungsgrundlagen erneut prüfen und rechtlich würdigen. Das gilt auch dann, wenn eine fehlerhafte Auffassung des Finanzamts in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 5. September 1990 X R 100/89, BFH/NV 1991, 217).
6. Der Senat folgt der Auffassung des Beklagten, dass die Klage wegen Umsatzsteuer 1994 gegen die Einspruchsentscheidung vom 13. November 1996 bereits mangels Beschwer unzulässig ist. Gegenstand des Einspruchs vom 14. Februar 1995 ist – neben Umsatzsteuer 1991 bis 1993 – auch der Bescheid zur Umsatzsteuervoranmeldung 2. Quartal 1994. Im Laufe des Einspruchsverfahrens wurde am 5. Juni 1996 die Umsatzsteuerjahreserklärung 1994 beim Finanzamt eingereicht, der das Finanzamt durch Mitteilung vom 24. Juni 1996 zugestimmt hat. Dadurch stand die Jahreserklärung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Damit war Gegenstand des Einspruchs nicht mehr der Vorauszahlungsbescheid, sondern der Jahresbescheid (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1999 V R 35/98, BStBl II 2000, 454). Mit dem Jahresbescheid wurde dem Einspruch abgeholfen, da der Bescheid der Jahreserklärung entspricht. Mithin wurde der Einspruch wegen Umsatzsteuer 1994 in der Einspruchsentscheidung vom 13. November 1996 bereits aus diesem Grund zu Recht zurückgewiesen; es war keine Beschwer mehr gegeben.
Die gleichwohl wegen Umsatzsteuer 1994 gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage ist mangels Beschwer unzulässig. Zwar erging am 4. Dezember 1996 ein nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Umsatzsteuerbescheid 1994. Dieser Bescheid konnte nicht gemäß § 68 FGO (in der damals geltenden Fassung) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 16. September 1986 IX R 61/81, BStBl II 1987, 435). Denn der Antrag nach § 68 FGO setzt eine zulässige Klage voraus (vgl. Gräber/von Groll, FGO, 3. Aufl., § 68 Anm. 9) Folglich hat der Kläger – verfahrensrechtlich zutreffend – gegen den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 4. Dezember 1996 Einspruch eingelegt; das Einspruchsverfahren ruht bis zur Entscheidung über das vorliegende Klageverfahren wegen Umsatzsteuer 1991 bis 1993. Eine Aussetzung des vorliegenden Klageverfahrens wegen Umsatzsteuer 1994 nach § 74 FGO kommt nicht in Betracht, da dies eine zulässige Klage voraussetzt (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 74 FGO Anm. 8).
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.