08.01.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 04.02.2004 – 7 K 4666/01
Das in Zusammenhang mit der Ausgabe von Optionsanleihen vereinnahmte, handelsrechtlich als Kapitalrücklage einzustellende offene und verdeckte Aufgeld ist unter Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes steuerrechtlich aufgrund des eigenständigen schuldrechtlichen Charakters des Bezugsrechtsverhältnisses, welches dem gezahlten Aufgeld zu Grunde liegt, als Verbindlichkeit zu passivieren, die erst bei Ausübung oder Verfall der Option auszubuchen ist.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
wegen Körperschaftsteuer 1986, 1987 und 1988
Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31.12.1986, 31.12.1987 und 31.12.1988
hat der 7. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Richters am Finanzgericht … als Vorsitzenden des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richterinnen … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04. Februar 2004
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die steuerliche Behandlung des von der Klägerin bei der Ausgabe von Optionsanleihen vereinnahmten (offenen sowie verdeckten) Aufgeldes, ferner der Zeitpunkt, auf den der Marktwert der Anleihen (Schuldverschreibungen) zu bestimmen ist.
Die Klägerin … (im Folgenden: AG).
Am 15. Mai 1985 wurde die AG von ihrer Hauptversammlung zur Emission von zwei Aktien-Optionsanleihen (im Folgenden: Anleihe A und Anleihe B) im Gesamtbetrag von 400 Mio. DM ermächtigt. Gleichzeitig wurde das Grundkapital der Klägerin bedingt erhöht. Die Anleihebedingungen legte der Vorstand am 29. Oktober 1985 (für Anleihe A) bzw. am 20. Mai 1986 (Anleihe B) wie folgt fest:
Anleihe A | Anleihe B | |
Gesamtnennbetrag | 200.000.000 DM | 200.000.000 DM |
Verzinsung p.a. | 3 v. H. | 3 v. H. |
Ausgabekurs | 100 v.H. | 110 v.H. |
Laufzeit in Jahren | 8 | 10 |
Tilgung zum Nennwert am | 01.02.1994 | 01.07.1996 |
Kündigungsmöglichkeit | keine | keine |
Bezugspreisentrichtung am | 17.01.1986 | 07.07.1986 |
Optionsfrist | 03.03.1986- | 18.08.1986- |
01.02.1994 | 01.07.1996 | |
Abtrennbarkeit der Optionsscheine ab | 20.01.1986 | 08.07.1986 |
Erste Anleihe-Börsennotiz am | 12.02.1986 | 18.08.1986 |
Zu weiteren Einzelheiten der Anleihebedingungen wird ergänzend auf die Vorstandsbeschlüsse Bezug genommen.
Bei beiden Anleihen handelt es sich nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten jeweils um niedrig verzinsliche Schuldverschreibungen, die den Erwerber zugleich zum Bezug der in den Anleihebedingungen festgelegten Anzahl von Aktien in dem dort bestimmten Zeitraum zu einem festen Optionspreis berechtigen. Nach dieser Betrachtungsweise entfällt der Ausgabebetrag sowohl auf die Anleihe als auch auf das Bezugsrecht (Optionsrecht). Soweit der Nennbetrag der (niedrig verzinslichen) Anleihe über deren Marktwert liegt, stellt der Unterschiedsbetrag Entgelt (sog. verdecktes Aufgeld) für die Einräumung des Bezugsrechts dar. Auch bei einem über dem Nennbetrag der Anleihe liegenden Ausgabebetrag betrifft der Aufschlag das Bezugsrecht (sog. offenes Aufgeld). Danach ist im vorliegenden Fall Anleihe A mit einem verdeckten Aufgeld und Anleihe B darüber hinaus auch mit einem offenen Aufgeld ausgestattet.
In den Streitjahren übte keiner der Bezugsrechtsinhaber sein Optionsrecht aus.
Die Klägerin passivierte die Verbindlichkeiten aus beiden Anleihen in ihren Handels- und Steuerbilanzen jeweils zum Rückzahlungsbetrag (Nennwert) und bildete in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Anleihewert ohne Optionsrecht und dem Ausgabepreis – d.h. in Höhe der verdeckten Aufgelder – einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten („Disagio auf die Anleihen”). Für die Bestimmung des Marktwerts der Anleihen stellte die AG dabei auf den Zeitpunkt ab, zu dem ihr Vorstand über die Anleihebedingungen entschieden hatte. Auf dieser Grundlage ermittelte die AG den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten wie folgt:
Anleihe A | Anleihe B | |
Kurswert in % | 75,67 | 72,19 |
Kurswert in DM | 151.348.356 | 144.385.236 |
verdecktes Aufgeld: | 48.651.644 | 55.614.764 |
offenes Aufgeld: | 20.000.000 |
Danach errechnete sich der aktive Rechnungsabgrenzungsposten (in Höhe der verdeckten Aufgelder) mit 104.266.408 DM.
Die auf die Optionsrechte entfallenden offenen und verdeckten Aufgelder in Höhe von insgesamt 124.266.408 DM stellte die AG in ihrer Handelsbilanz in die Kapitalrücklage ein und erfasste die Beträge auch in der Steuerbilanz als Eigenkapital.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA–) folgte zunächst den auf dieser Grundlage eingereichten Steuererklärungen der AG. Die Steuerbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Bei einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass für den Marktwert der Anleihen – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Vorstand der AG über die Anleihebedingungen, sondern auf die Marktverhältnisse im Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihen abzustellen sei. Auf dieser Grundlage errechnete das FA einen gegenüber dem Ansatz der AG höheren Marktwert der Anleihen, so dass sich das auf das Optionsrecht entfallende verdeckte Aufgeld und damit zugleich das Disagio auf die Anleihen entsprechend minderte. Im Einzelnen ergab sich folgendes Bild:
Anleihe A | Anleihe B | |
Kurswert in % | 77,64 | 74,84 |
Kurswert in DM: | 155.280.000 | 149.680.000 |
verdecktes Aufgeld: | 44.720.000 | 50.320.000 |
Als Folge der Minderung des Disagios, das als Aufwand auf die Laufzeit der Anleihe zu verteilen ist, ergab sich eine Gewinnerhöhung (und zwar für 1986 um 2.488.573 DM, für 1987 um 3.080.325 DM und für 1988 um 2.516.163 DM). Darüber hinaus vertrat das FA im Rahmen der Außenprüfung die Auffassung, dass das Aufgeld als Entgelt für das Optionsrecht steuerrechtlich nicht als Einlage zu behandeln sei, weil es nur im Hinblick auf eine mögliche spätere Gesellschafterstellung gezahlt werde. Um dem Schwebezustand bis zu einer etwaigen Ausübung der Option oder bis zum Ablauf der Optionsfrist ohne Ausübung der Option Rechnung zu tragen, sei ein Passivposten „Anzahlung” zu bilden. Erst bei Ausübung der Option werde die „Anzahlung” auch steuerrechtlich Eigenkapital. Laufe die Optionsfrist dagegen ab, ohne dass die Option ausgeübt worden sei, sei der Passivposten „Anzahlung” gewinnerhöhend aufzulösen. Das FA ermittelte den Passivposten mit 115.040.000 DM (der Summe aus offenem und verdecktem Aufgeld). Gleichzeitig verminderte das FA das Eigenkapital der AG um das von dieser eingestellte verdeckte und offene Aufgeld in Höhe von zusammen 124.266.408 DM. Mit dieser Sachbehandlung folgte das FA den Grundsätzen des damaligen Entwurfs eine BMF-Schreibens (nunmehr: Verfügung der OFD München/Nürnberg vom 22. August 2000, Betriebsberater – BB– 2000, 2628). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 24. Oktober 1991 Bezug genommen.
Das FA erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende Steuerbescheide.
Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, das Entgelt für das Aktienbezugsrecht, das zugleich als Disagio auf die Anleihen aktiv abzugrenzen sei, sei in die Kapitalrücklage einzustellen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Höhe dieses Entgelts sei der Tag der Beschlussfassung durch den Vorstand.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, bei der Emission von Optionsanleihen würden zwei Rechtsverhältnisse zwischen Emittent und Investor begründet, und zwar zum einen ein Kapitalüberlassungsverhältnis und zum anderen ein Bezugsrechtsverhältnis (Option). Handelsrechtlich sei dabei der Betrag, der bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielt werde, gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) als Kapitalrücklage auszuweisen. Dies gelte nicht für die steuerbilanzielle Erfassung der Optionsanleihe. Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angeordnete Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz erstrecke sich nur auf das nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisende Betriebsvermögen. In der Literatur würden die in §§ 264 f HGB getroffenen Regelungen für Kapitalgesellschaften vielfach nicht als Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung angesehen. Darüber hinaus enthalte das Steuerrecht in § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG einen eigenständigen Einlagebegriff, für den § 5 Abs. 6 EStG die Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes anordne und der auch auf Kapitalgesellschaften Anwendung finde (§ 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes –KStG–). Da der steuerrechtliche Einlagebegriff auf die wahre wirtschaftliche Verursachung als das durch die Gesellschafterleistung auslösende Moment abstelle, könne die steuerliche Einordnung der Aufgelder nicht nach dem Maßgeblichkeitsprinzip beantwortet werden. Nach Verwaltungsauffassung (OFD München vom 22. August 2000, a.a.O.) sei bei Ausgabe einer Optionsanleihe die Schuldverschreibung bei der emittierenden Kapitalgesellschaft mit dem Rückzahlungsbetrag (Nennwert) zu passivieren. Dies gelte auch im Fall einer niedrig verzinslichen Optionsanleihe. Allerdings sei in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Rückzahlungsbetrag (Nennwert) und dem Emissionskurs der Schuldverschreibung ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden und während der Laufzeit der Schuldverschreibung entsprechend der Zinseszinsberechnung für die abgelaufene Laufzeit gewinnmindernd aufzulösen. Dabei sei entgegen der Auffassung der AG auf den Emissionskurs im Ausgabezeitpunkt abzustellen. Erst in diesem Zeitpunkt ergebe sich durch die Marktlage für die minder verzinsliche Anleihe das Disagio auch der Höhe nach. Daneben sei das ausgegebene Optionsrecht mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Rückzahlungsbetrag (Nennwert) und dem Emissionskurs der Schuldverschreibung (verdecktes Aufgeld) in der Steuerbilanz als „Anzahlung” zu behandeln. Steuerrechtlich liege bei Ausgabe der Optionsanleihe keine Einlage vor, weil das Entgelt für das Optionsrecht von einem Nichtgesellschafter gezahlt werde. Eine Einlage könne deshalb erst dann angenommen werden, wenn das Optionsrecht ausgeübt worden sei. Auch der Auffassung, dass durch Einräumung des Bezugsrechts gegen Zahlung eines Aufgeldes die Altgesellschafter ihre eigenen Mitgliedschaftsrechte verwerteten und demzufolge die vereinnahmte Optionsprämie als Einlage der Altgesellschafter anzusehen sei, könne nicht gefolgt werden. Insoweit handle es sich um eine reine Fiktion, da der Anleihezeichner das Bezugsrecht nicht vom Aktionär erwerbe. Die Auffassung des FA werde auch in der Literatur vertreten (Häuselmann in BB 2000, 139). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2001 verwiesen.
Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die durch das Aufgeld erzielte Vermögensmehrung der Kapitalgesellschaft beruhe aktienrechtlich nicht auf einem unternehmerisch erzielten Gewinn, sondern stelle eine Kapitalerhöhung dar. Das Handelsrecht greife die vom Aktiengesetz (AktG) vorgegebene Einordnung des Aufgeldes als Einlage auf. Es unterscheide zunächst die einzelnen Komponenten der Optionsanleihe, die aus einer Schuldverschreibung und dem in einem Optionsschein verbrieften Optionsrecht bestehe. Daher habe der Emittent einer Optionsanleihe (hier die Klägerin) die Anleiheschuld und das Entgelt für das Optionsrecht in der Handelsbilanz getrennt abzubilden. Der Betrag, der für das auf den Erwerb der Anteile gerichtete Optionsrecht erzielt worden sei, sei gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB bereits im Zeitpunkt der Ausgabe der Bezugsrechte als Kapitalrücklage auszuweisen. Diese handelsrechtliche Einordnung des Aufgeldes als Einlage sei maßgeblich für die Steuerbilanz. Es gebe keine steuerliche Vorschrift, die eine andere Wertung vorschreibe. Daher komme auch die Anwendung des § 5 Abs. 6 EStG nicht in Betracht, der die Anwendung einkommensteuerlicher Spezialvorschriften auf Einlagen anordne. Auch nach den Zielsetzungen des Handelsrechts sei eine Abgrenzung von Betriebseinnahme und Kapitalzuführung erforderlich. Dem folge das Steuerrecht im Prinzip, es sei denn, eine Vorschrift – was hier nicht der Fall sei – schreibe ausdrücklich etwas anderes vor. Im Übrigen zahle der Optionsrechtsinhaber das Aufgeld, weil er Aktionär werden wolle, so dass ohne Bedeutung sei, ob er eines Tages tatsächlich Gesellschafter werde. In spiegelbildlicher Anwendung der BFH-Rechtsprechung, wonach verdeckte Gewinnausschüttungen an zukünftige Gesellschafter möglich seien, müssten auch Einlagen durch einen zukünftigen Gesellschafter möglich sein. Selbst wenn man die Zahlung des Aufgeldes nicht als „durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst” ansehen würde, läge steuerrechtlich eine Einlage vor. In diesem Fall müsste das Entgelt für das Optionsrecht als Zahlung eines Anwärters auf eine Mitgliedschaft verstanden werden. Durch das Optionsrecht werde eine solche Anwartschaft begründet, weil sie ein einseitig nicht mehr entziehbares Recht auf den Bezug von Aktien gewähre. Auch wenn man den Maßgeblichkeitsgrundsatz im vorliegenden Fall nicht anwende, die Zahlung des Aufgeldes als Zahlung eines Nichtgesellschafters ansehe und die Anwartschaft auf eine Mitgliedschaft nicht der Mitgliedschaft gleichsetze, müsse die Zahlung des Aufgeldes als mittelbare Einlage der Altaktionäre angesehen werden. Übten die Optionsrechtsinhaber ihr Bezugsrecht aus, gehe dies letztlich zu Lasten der Altgesellschafter, die aus diesem Grund der Ausgabe der Optionsrechte auch zustimmen müssten.
Im Übrigen sei für Zwecke der Feststellung des Emissionskurses der Anleihen der Monat maßgeblich, in dem der Vorstand der Klägerin über die Anleihekonditionen entschieden habe. Das Gesetz schreibe keinen Zeitpunkt vor, zu dem der Emissionskurs einer Anleihe zu bestimmen sei. Es kämen verschiedene Bezugszeitpunkte in Betracht. Die Finanzverwaltung habe in ihrem Entwurf eines Schreibens zur „einkommensteuerlichen Behandlung von Optionsanleihen” vom November 1994 ausdrücklich festgestellt, dass der Emissionsmonat als Bezugszeitpunkt nur dann maßgeblich sei, wenn der Steuerpflichtige keinen für ihn günstigeren Wert nachweise. Die Klägerin habe nachgewiesen, dass bei Abstellen auf die Emissionsrendite von Schuldverschreibungen mit gleicher Laufzeit im Monat der Beschlussfassung über die Anleihekonditionen ein höherer aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden sei.
Die Klägerin beantragt,
die bei der Ausgabe von Optionsanleihen vereinnahmten Aufgelder als nicht steuerbare Einlagen zu berücksichtigen und diese Aufgelder in der Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals dem EK 04 zuzuordnen sowie den Emissionskurs der Optionsanleihen auf der Basis der Umlaufrendite von in der Laufzeit vergleichbaren Schuldverschreibungen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Anlagekonditionen zu ermitteln.
Wegen der Einzelheiten der Klagebegründung und der gestellten Anträge wird auf die Schriftsätze vom 25. Februar 2002 sowie vom 24. Juni 2002 verwiesen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auf den Schriftsatz vom 17. Mai 2002 wird Bezug genommen.
Am 04. Februar 2004 fand mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung statt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Gründe
II.
1. Die Klage ist auch insoweit zulässig, als sie auf die Zuordnung des Aufgeldes zum EK 04 gerichtet ist. Dazu ist allerdings davon auszugehen, dass für den Feststellungsbescheid über das verwendbare Eigenkapital die Steuerbilanz zugrunde zu legen ist (§ 29 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes –KStG– in der für die Streitjahre anzuwendenden Fassung). So gesehen betrifft der Streit über die zutreffende Bilanzierung des Aufgeldes letztlich die von der Außenprüfung vorgenommene Korrektur des in Frage stehenden Bilanzpostens. Die Unrichtigkeit eines Bilanzansatzes kann mit der Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid geltend gemacht werden. In diesem Sinn ist das Klagebegehren daher auch zu verstehen. Zwar ergeben sich aus der Bilanzkorrektur durch das FA für die Klägerin in den Streitjahren keine steuerlichen Nachteile. Gleichwohl fehlt es ihrem Begehren nicht an der Beschwer. Dafür reicht es auch, wenn der im Streit stehende Bilanzansatz in späteren Jahren mit Nachteilen verbunden sein kann (vgl. Gräber/von Groll, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung – FGO–, 5. Aufl., § 40 Anm. 90). Dies ist hier der Fall.
2. Die danach zulässige Klage ist aber nicht begründet.
Zu Recht hat das FA das offene wie das verdeckte Aufgeld nicht als Einlage behandelt. In Höhe dieser Beträge sind Verbindlichkeiten auszuweisen, die erst bei Ausübung oder Verfall der Option auszubuchen sind.
Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz).
Wenn –wie hier– nichts Abweichendes vereinbart ist, werden bei der Emission von Optionsanleihen zwischen Emittent und Investor zwei Rechtsverhältnisse begründet, und zwar ein Kapitalüberlassungsverhältnis (Anleihe bzw. Schuldverschreibung) und ein Bezugsrechtsverhältnis (Option; vgl. BFH-Urteil vom 01. Juli 2003 VIII R 9/02 BStBl II 2003, 883, 885 unter 4.). Beide Rechtsbeziehungen sind bilanziell getrennt voneinander abzubilden (vgl. Häuselmann, BB 2000, 139, 141). Von einer solchen Gestaltung gehen die Beteiligten für den Streitfall auch übereinstimmend aus.
Das Bezugsrechtsverhältnis beinhaltet, dass der Erwerber des Optionsrechts die den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildenden (jungen) Aktien innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu einem festen Kurswert beziehen kann. Die Gegenleistung dafür kann – wie im Streitfall – in einem über dem Nennbetrag der Anleihe liegenden Ausgabekurs (offenes Aufgeld) und daneben auch in einer unter dem Kapitalmarktzins liegenden Verzinsung der Anleihe bestehen. Im letzteren Fall liegt der Marktwert der Anleihe unter dem einheitlichen Ausgabepreis. Der Unterschiedsbetrag entfällt als sog. „verdecktes Aufgeld” auf das Optionsrecht.
Als Beträge, die „bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielt” werden, sind das offene wie das verdeckte Aufgeld handelsrechtlich gemäß § 272 Abs. 2 Ziffer 2 HGB in die Kapitalrücklage einzustellen und bilden somit Eigenkapital (vgl. Baumbach/Duden/Hopt, Kommentar zum HGB, 28. Aufl., § 272 Anm. 2). Der Grund dafür wird darin gesehen, dass der auf das Optionsrecht geleistete Betrag eine mitgliedschaftlich bedingte Vermögensmehrung darstelle. Ferner bedeute die Einräumung des Optionsrechts die Verwertung der Mitgliedschaftsrechte durch die Altgesellschafter, die nach § 221 Abs. 1 AktG der Ausgabe der Optionsrechte zustimmen müssen (vgl. Häuselmann a.a.O. mit zahlreichen Literaturnachweisen). Aus handelsrechtlicher Sicht ist das Optionsgeschäft bereits Teil des Bezugs der neuen Aktien.
Der Streit zwischen den Beteiligten betrifft in erster Linie die Frage, ob der daraus folgende handelsrechtliche Ausweis der für die Einräumung des Optionsrechts gezahlten Beträge als Einlage nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz für die Steuerbilanz bindend ist.
In der Literatur werden die in den §§ 264 ff. HGB getroffenen Regelungen für Kapitalgesellschaften vielfach nicht als Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung angesehen. Nach dieser Auffassung sollen dazu nur die Bestimmungen des ersten Abschnitts des dritten Buchs des HGB „Vorschriften für alle Kaufleute” (§§ 238 ff. HGB) gehören. Danach erstreckt sich der Maßgeblichkeitsgrundsatz nicht auf die hier in Frage stehende Vorschrift des § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB. Darüber hinaus wird die Norm auch als bloße Ausweisvorschrift („als Kapitalrücklage auszuweisen”) ohne eigenständigen materiell-rechtlichen Regelungsgehalt verstanden. Zudem enthalte das Steuerrecht in § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG einen eigenständigen Einlagebegriff, für den § 5 Abs. 6 EStG die Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes anordne und der auch auf Kapitalgesellschaften Anwendung finde (Häuselmann, a.a.O., 143 mit zahlreichen Nachweisen). Steuerrechtlich setze die Annahme einer Einlage ein bestehendes Gesellschaftsverhältnis voraus, das mit dem Erwerb des Optionsrechts aber (noch) nicht begründet werde.
Der Auffassung, wonach eine Bindung der Steuerbilanz an den handelsrechtlichen Bilanzausweis des Aufgeldes als Einlage nicht besteht, ist zu folgen.
In der neueren Rechtsprechung werden bei der Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes zunehmend die unterschiedlichen Sachgesetzlichkeiten zwischen Handels- und Steuerrecht hervorgehoben. Das Handelsrecht wird wesentlich von Gläubigerschutzinteressen beeinflusst; die Handelsbilanz ist Ausschüttungsbilanz. Demgegenüber geht die Zielsetzung des Steuerrechts auf der Grundlage des objektiven Nettoprinzips dahin, den „wirklichen” Gewinn als Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu ermitteln (Schmidt/Weber-Grellet, Kommentar zum EStG, 22. Aufl., § 5 Anm. 27; Wassermeyer, Der Betrieb – DB– 2001, 1053, jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine solche Gewinnermittlung gebieten auch der Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung sowie die Rechtssicherheit (vgl. auch BFH-Beschluss vom 7. August 2000 GrS 2/99, BStBl II 2000, 633, 638). Aus der unterschiedlichen Zielsetzung zwischen Handels- und Steuerrecht können sich auch Unterschiede in Bezug auf die Behandlung eines Vorgangs als Einlage ergeben. Davon geht auch § 5 Abs. 6 EStG aus, wonach dem steuerlichen Einlagebegriff der Vorrang eingeräumt wird. Es ist anerkannt, dass der handelsrechtliche Begriff der Einlage sich nicht notwendig mit dem steuerrechtlichen Begriff deckt (Streck, Kommentar zum KStG, 5. Aufl., § 8 Anm. 38). Danach kann ein handelsrechtlicher Ertrag steuerrechtlich als Einlage zu beurteilen sein (vgl. BFH-Urteil vom 29. Mai 1996 I R 118/93 BStBl 1997, 92). Entgegen der Auffassung der Klägerin schließt dies nicht aus, dass eine handelsrechtliche Einlage nach dem eigenständigen steuerrechtlichen Einlagebegriff abweichend zu behandeln ist.
Es ist Sinn der steuerlichen Einlageregelung, Vermögensmehrungen, die ihre Ursache im privaten Bereich des Unternehmers bzw. bei einer Kapitalgesellschaft im Gesellschaftsverhältnis haben, bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen. Dafür hat die Rechtsprechung insbesondere für die hier in Frage stehende Einlage in eine Kapitalgesellschaft bestimmte Kriterien entwickelt. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung müssen auch die hier streitigen Leistungen (das Aufgeld) nach diesen Vorgaben beurteilt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es somit nicht an steuerrechtlichen Vorschriften, die eine vom Handelsrecht abweichende steuerliche Beurteilung erforderlich machen können.
In steuerlicher Hinsicht ist die Annahme der Veranlassung einer Leistung durch das Gesellschaftsverhältnis und damit einer Einlage dann ausgeschlossen, wenn der betreffenden Leistung eine steuerlich anzuerkennende schuldrechtliche Rechtsbeziehung zugrunde liegt. Insoweit gilt für die Einlage nichts anderes als für den spiegelbildlichen Fall der verdeckten Gewinnausschüttung.
Das Bezugsrechtsverhältnis, das den Rechtsgrund für die in Frage stehenden Leistungen (das Aufgeld) bildet, stellt ein steuerlich anzuerkennendes Schuldverhältnis dar. Damit kann die Annahme einer Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis als Voraussetzung der Einlage nicht in Betracht kommen.
Durch das Bezugsrechtsverhältnis erwirbt der Erwerber der Option das Recht, die den Gegenstand der Option bildenden (jungen) Aktien zum vereinbarten Kurs zu erwerben. Dem entspricht die Verpflichtung der Kapitalgesellschaft, die Ausübung der Option zu dulden, sich zur Erfüllung der Leistungspflichten bezüglich des Gegenstandes der Option bereitzuhalten. Das Aufgeld ist Gegenleistung für diese Verpflichtung; es handelt sich um ein Entgelt, das der Entschädigung für die Bindung dient. Insoweit unterscheiden sich die Rechtsbeziehungen nicht von einer Kaufoption, die eine Bindung des aus der Option Verpflichteten (sog. Stillhalters) dahin begründet, dass er den Gegenstand des Optionsgeschäfts innerhalb der Optionsfrist zu einem bestimmten Preis verkaufen muss. Für die Kaufoption hat die Rechtsprechung ausdrücklich ausgesprochen, der Optionsvertrag als Grundlage des Bindungsentgelts bedeute eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, die losgelöst von dem etwa nachfolgenden Erwerbsgeschäft zu beurteilen sei. Bei der Einräumung einer Kaufoption folge ein Veräußerungsgeschäft nämlich nicht notwendigerweise nach. Der aus dem Optionsgeschäft verpflichtete Stillhalter rechne vielmehr gerade damit, dass die Option nicht ausgeübt werde. Darin liege nämlich seine Gewinnchance. Einen Veräußerungs- oder veräußerungsähnlichen Vorgang begründe der Optionsvertrag nicht (BFH-Urteile vom 28. November 1990 X R 197/87, BStBl II 1991, 300 und vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BFHE 201, 234, BFH/NV 2003, 702).
Für die steuerrechtliche Beurteilung kann es keinen Unterschied machen, ob die Einräumung des Optionsrechts als eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts die Duldung zum Abschluss eines (schuldrechtlichen) Kaufvertrags oder den (dem Gesellschaftsverhältnis zuzuordnenden) Erwerb von jungen Aktien durch Ausübung des Bezugsrechts betrifft. Wenn bei der Kaufoption das Optionsgeschäft weder rechtlicher noch wirtschaftlicher Bestandteil eines etwa nachfolgenden Anschaffungsgeschäfts ist, kann für das Verhältnis zwischen dem die Bindung der Aktiengesellschaft begründenden Bezugsrechtsverhältnis und dem späteren Bezug der Aktien nichts anderes gelten. Denn ein solcher folgt dem Optionsgeschäft nicht zwingend nach. Dass der Bezug der neuen Aktien seine Grundlage im Gesellschaftsverhältnis (Begründung einer Mitgliedschaft) hat, ändert daher nichts am schuldrechtlichen Charakter des Bindungsentgelts, das seine Rechtsgrundlage in dem die Bindung begründenden (gegenüber einem etwa späteren Bezug rechtlich und wirtschaftlich verselbständigten) Bezugsrechtsverhältnis hat. Das zur Duldung der Ausübung verpflichtende Geschäft (hier das Bezugsrechtsverhältnis) ist in jedem Fall schuldrechtlicher Natur und nicht schon Teil des Bezugs neuer Aktien. So gesehen ist es ein Geschäft zwischen fremden Dritten, das auch steuerlich ohne weiteres anzuerkennen ist.
Aus dieser steuerlichen Gleichbehandlung des für die Einräumung des Optionsrechts auf den Bezug junger Aktien geleisteten Aufgeldes mit der für eine Kaufoption gezahlten Optionsprämie folgt zugleich, dass nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 201, 234 in Höhe des Aufgeldes eine Verbindlichkeit auszuweisen ist, die erst bei Ausübung oder Verfall der Option auszubuchen ist.
Im Streitfall kann die steuerliche Behandlung des Aufgeldes als Einlage somit nicht auf die Erwägung gestützt werden, dass es in Erwartung der (künftigen) Beteiligung an der Kapitalgesellschaft geleistet wird. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung kann die Veranlassung des Aufgeldes durch das Gesellschaftsverhältnis auch nicht damit begründet werden, dass die dem Optionsinhaber eingeräumte Möglichkeit zum Aktienbezug zu einem unter dem aktuellen Wert liegenden Optionskurs den Wert der Gesellschafteraktien der Altaktionäre beeinträchtigt (weshalb die Altaktionäre nach § 221 Abs. 1 AktG der Ausgabe der Optionsrechte zustimmen müssen). Das Aufgeld muss auch nicht – wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht – deshalb (dem Handelsrecht folgend) steuerlich als Einlage behandelt werden, weil seine Verwendung bei der Klägerin Beschränkungen unterliege. Solche Beschränkungen könnten allenfalls die Frage aufwerfen, ob mit dem Erhalt des Aufgeldes bei der Klägerin bereits eine Vermögensmehrung eingetreten ist. Dies ist zu bejahen. Andernfalls könnte auch eine Einlage nicht angenommen werden. Zwar lässt die Behandlung des Aufgeldes in der Handelsbilanz als Einlage nicht erkennen, dass sich daraus in der Zukunft möglicherweise steuerliche Belastungen ergeben können. Indes kann dies im Interesse des Gläubigerschutzes kein Grund sein, die handelsrechtliche Einlage auch steuerlich anzuerkennen und damit von vornherein auf die Besteuerung zu verzichten. Etwaigen künftigen steuerlichen Belastungen ist handelsrechtlich durch die Bildung entsprechender Rückstellungen Rechnung zu tragen. Im Rechtsverkehr ist es Aufgabe dieses Bilanzpostens, Aufschluss über die zu erwartenden Belastungen zu geben. Daran ändert nichts, wenn die Voraussetzungen für die Rückstellungsbildung (noch) nicht gegeben sind. Nach der gesetzlichen Wertung ist in einem solchen Fall der Ausweis im Interesse des Gläubigerschutzes (noch) nicht veranlasst.
Entscheidend für die steuerliche Beurteilung des Aufgeldes ist somit – wie bereits ausgeführt – allein, dass die Rechtsgrundlage für das gezahlte Aufgeld das Bezugsrechtsverhältnis als eine schuldrechtliche Rechtsbeziehung zwischen fremden Dritten bildet. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung müssen Vermögensmehrungen einer Kapitalgesellschaft, die – wie hier das Aufgeld – auf einer solchen Rechtsbeziehung beruhen, steuerlich nach den dafür geltenden Grundsätzen erfasst werden. Wenn das Handelsrecht das Bezugsrechtsverhältnis von vornherein als Teil des Erwerbs der neuen Aktien versteht, und damit das Aufgeld von Anfang an wie den Ausgabepreis selbst behandelt, beruht dies allein auf handelsrechtlichen Wertungen, ohne dass dadurch der eigenständige schuldrechtliche Charakter des Bezugsrechtsverhältnisses in Frage gestellt würde. Das Handelsrecht ist darin frei, auch einen schuldrechtlichen Leistungsaustausch zwischen fremden Dritten unter handelsrechtlichen Gesichtspunkten einer Einlage gleichzustellen. Die dafür maßgeblichen Überlegungen müssen für das Steuerrecht aber außer Betracht bleiben. Dies gilt jedenfalls solange, als – wie im Streitfall – vom Optionsrecht kein Gebrauch gemacht wurde und das Aufgeld auch später seinen Charakter als bloßes (schuldrechtliches) Bindungsentgelt (im Verhältnis zwischen fremden Dritten) behalten hat.
Die Klage hat auch insoweit keinen Erfolg, als die Klägerin den Ansatz eines höheren (auf die Laufzeit der Anleihe zu verteilenden) Disagios – ausgehend von der Feststellung des Emissionskurses des Monats, in dem über die Anleihekonditionen entschieden worden ist – begehrt. Insoweit betrifft der Streit zwischen den Beteiligten das Kapitalüberlassungsverhältnis (die Anleihe). Neben dem aus dem Bezugsrechtsverhältnis folgenden Optionsrecht erwirbt der Erwerber der Optionsanleihe – wie dargelegt – eine niedrig verzinsliche (abgezinste) Anleihe. Der Unterschiedsbetrag zwischen Rückzahlungs- und Ausgabebetrag ist wie auch sonst bei einem Kapitalüberlassungsverhältnis als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten in die Bilanz aufzunehmen. Bei der Optionsanleihe besteht die Besonderheit, dass die Ausgabe zu einem einheitlichen Preis erfolgt, der sowohl die Anleihe als auch das Optionsrecht umfasst. Zur Bestimmung des auf die Anleihe entfallenden Preises (und damit auch für die Höhe des anzusetzenden Disagios) bedarf es daher der Aufteilung des einheitlichen Ausgabebetrages. Nach der Rechtsprechung ist ein Gesamtpreis im Zweifel nach dem Teilwert bzw. Verkehrswert der veräußerten Gegenstände aufzuteilen (BFH-Urteil vom 13. April 1989 IV R 204/85 BFH/NV 1990 S. 34).
Für die Bestimmung des Verkehrswerts der (zusammen mit dem Optionsrecht) veräußerten Anleihe (Schuldverschreibung) ist davon auszugehen, dass für den Ausgabepreis einer Anleihe und damit ihren Verkehrswert allein der Kapitalmarktzins im Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihe maßgeblich ist. Ändert sich beispielsweise dieser Zins in der Zeit zwischen dem Antrag auf Genehmigung einer Emission und dem effektiven Ausgabetermin ist dem durch eine Anpassung des Ausgabebetrags Rechnung zu tragen. Der für die Anleihe am Markt erzielbare Preis kann sich – wie auch sonst bei Veräußerung eines Wirtschaftsguts – nur nach den Verhältnissen in dem Zeitpunkt richten, in dem dieses am Markt angeboten wird. Insoweit gilt bei der (Erst-)Ausgabe einer Anleihe nichts anderes als bei einem späteren Zweiterwerb. Dies verdeutlicht, dass es für den im Rahmen der Aufteilung des einheitlichen Ausgabekaufpreises anzusetzenden Verkehrswert der Anleihe allein auf den Kapitalmarktzins im Zeitpunkt der Ausgabe ankommen kann. Dieser ist zugleich der auf die Anleihe entfallende Teil des einheitlichen Ausgabepreises. Mangels geeigneter Kriterien scheidet nämlich (von dem hier nicht gegebenen Fall der Börsennotierung des Optionsrechts abgesehen) eine eigenständige Ermittlung des Verkehrswertes für das Optionsrecht als Grundlage für eine Aufteilung des Gesamtpreises aus (vgl. auch Groh, DB 2002, 860, 861 Fn. 10 und 11).
Das FA ist auch in dieser Weise verfahren. Den Ausgabebetrag der Anleihe hat es zutreffend nach dem Marktwert im Zeitpunkt der Emission festgestellt; das anzusetzende Disagio ergibt sich aus dem Unterschied zwischen diesem Betrag und dem Rückzahlungsbetrag.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.