08.01.2010
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 27.10.1999 – 1 K 1495/97
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger mit seiner ab November 1987 begonnenen Tätigkeit unter der Bezeichnung „betriebswirtschaftliche und DV-technische Beratung; Strategie-, Organisation-, Systemberatung-, Projektmanagement und Leitung” der Gewerbesteuer unterliegt und/oder für die Erhebungszeiträume 1988 und 1989 Festsetzungsverjährung eingetreten bzw. der Steueranspruch verwirkt ist.
Der 1947 geborene Kläger – seit 1970 verheiratet – hatte nach Erlangung der Fachhochschulreife eine Lehre als Industriekaufmann und anschließend ein sechssemestriges Studium an der Betriebswirtschafts-Akademie e. V. (Status, vgl. Bl. 152 Nebenband – NB – I) mit Abschluß am 26. Oktober 1970 als „geprüfer Betriebswirt (BWA)” absolviert. Die Studien sollen ihn befähigt haben, „qualifizierte Dienste als kaufmännische Führungskraft zu leisten” (Abschlußzeugnis, Bl. 35; Urkunde, Bl. 36, Prüferhandakte I). Von 1965 bis Dezember 1971 – unterbrochen durch den gesetzlichen Grundwehrdienst – war der Kläger als Programmierer und „Assistent des Organisators”, später als Organisator bei den Stadtwerken … beschäftigt (vgl. klägerisches „Qualifikationsprofil”, Bl. 37, 41 Prüferhandakte I). Er wechselte dann (bis Juni 1977) zu einer Offset-Maschinenfabrik, wo er als Organisator im DV-Bereich tätig war. Von Januar 1977 bis Ende 1987 war der Kläger als Hauptabteilungsleiter EDV bei der Firma … in … angestellt. Im Oktober oder November 1987 machte sich der Kläger zunächst im Nebenberuf, ab 1. Januar 1988 in Gänze selbständig. In dem angesprochenen „Qualifikationsprofil” stellt sich der Kläger wie folgt vor:
„Ich besitze eine mehr als 20jährige Industrieerfahrung im Bereich Organisation und DV, davon mehr als 12 Jahre mit der Spezialisierung auf die Standardsoftware der SAP AG und war tätig als Programmierer, DV-Organisator, Systemanalytiker, Projekt-, Abteilungs- und Hauptabteilungsleiter sowie SAP-Berater in mehreren namhaften größeren Industriebetrieben. Seit Ende 1987 stelle ich die Summe meiner Erfahrungen als freiberuflicher Berater den SAP-Kunden zur Verfügung. In dieser Funktion unterstütze ich die Anwender bei der Einführung und beim erweiterten Einsatz nahezu aller SAP-Module entweder als Projektleiter, Supervisor (Promoter, Moderator, Controller) oder Anwendungsberater. Ich erarbeite und realisiere in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden betriebswirtschaftliche Organisationskonzepte für die Bereiche Produktion, Beschaffung, Vertrieb und Rechnungswesen in Ausrichtung auf die Standardsoftware der SAP und besitze viel Praxis in der Durchführung und Kontrolle von SAP-Projekten…”
Nach seinem diesbezüglichen Erläuterungsschreiben vom 26. März 1995 (Bl. 60, 64 Prüferhandakte I) umfaßt der Inhalt der klägerischen Beratungen die betriebswirtschaftliche, organisatorische und DV-technische Beratung, dazu gehören: Rahmenplanungen, Machbarkeitsstudien, Entwicklung von Pflichtenheften und Systemkonzepten, Erarbeiten von Kosten- und Nutzenanalysen, Konfigurieren der Anwendungen, Erstellung von Programmvorgaben für nicht im Standard vorhandene Funktionen und Dokumentationen, Integrationstests, Unterstützung bei der Systemeinführung inklusive Benutzerschulung; Programmieraufgaben führe er nicht aus.
In seinen Erklärungen zur Umsatz- und Einkommensteuer bezeichnet der Kläger sich seitdem als „Unternehmensberater”. Seinen einkommensteuerlichen Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs. 3 EStG; Gewerbesteuererklärungen gab er nicht ab. Bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre 1988 bis 1993 wurden die klägerischen Einkünfte aus der Unternehmensberatung erklärungsgemäß als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) angesetzt. Die ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzungen für 1988 (Datum unbekannt), 1989 vom 15. April 1991 (Bl. 32) bzw. 22. Juli 1994 (Bl. 40, jeweils ESt-Akte II) und 1992 vom 14. März 1994 (Bl. 34 ESt-Akte III) ergingen ohne Vorbehaltsvermerk; dagegen wurden die Bescheide 1990, 1991 und 1993 gemäß § 164 Abs. 1 AO unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt.
Im Anschluß an eine in der Zeit vom 20. Februar bis 25. Oktober 1995 durchgeführte Außenprüfung (Bericht vom 21. November 1995, Bl. 5 Bp-Akte), die mit Verfügungen vom 20. Februar und 20. Juli 1995 auf die Besteuerungsgrundlagen zur Gewerbesteuer für 1988 bis 1993 erweitert wurde, qualifizierte das Finanzamt die klägerischen Einkünfte aus der Unternehmensberatung als gewerblich und erließ erstmalige Gewerbesteuermeßbescheide am 27. März 1996 für die Erhebungszeiträume 1988 bis 1993 sowie am 25. Juni 1996 für den Erhebungszeitraum 1994 (Bl. 4 ff GewSt-Akte), die mit Einspruchsentscheidung vom 3. März 1997 (Bl. 73 Rechtsbehelfsakte) bestätigt wurden. Hiergegen hat der Kläger insoweit Klage erhoben, wie die Jahre 1988 bis 1993 betroffen sind.
Der Kläger gehört dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e. V. (BDU) in Bonn an. Im Beraterverzeichnis BDU 94/95 (Bl. 28 Prüferhandakte I) heißt es:
zur „Unternehmensphilosophie” des Klägers:
betriebswirtschaftlich-organisatorische und DV-technische Beratung mit der Spezialisierung auf die Standardsoftware der SAP-Aktiengesellschaft, Walldorf zur kontinuierlichen Ertragsverbesserung beim Kunden.
Ziele in der Zusammenarbeit mit dem Kunden:
Unterstützen bei Problemlösungen, Empfehlen des Vorgehensmodells und Mitarbeiten beim Umsetzen der Konzepte Einhalten von Leistungs-, Kosten- und Terminvorgaben Vermeiden von Fehlentscheidungen
Aufzeigen von Rationalisierungspotentialen Herbeiführen effizienter Projektarbeit Finden der Akzeptanz für die organisatorischen Lösungen
Beratungsgebiete:
DV-Beratung und Systemintegration
Planung und Fortschreibung der Informationsstrategie im Unternehmen
Organisations- und Systemberatung sowie Durchführungsanalysen Projektmanagement inklusive instrumenteller Hilfen…
Beratungsschwerpunkte:
ganzheitlicher Einsatz der SAP-Komponenten in den betrieblichen Teilbereichen Vertrieb, Beschaffung, Produktion, Finanz- und Rechnungswesen.
Der Softwarehersteller SAP verwendet folgende Abkürzungen für folgende Software-Systeme (vgl. „SAP-Kurzinformation, Bl. 114 ff NB I):
RM | = | Logistik; Gesamtkonzept zur Materialwirtschaft, Produktionsplanung – Steuerung und Abwicklung der Instandhaltung mit den folgenden Untertiteln: RM-PPS = Produktionsplanung und -steuerung; RM-MAT = Materialwirtschaft; |
RV | = | Vertrieb = Gesamtlösung für alle Funktionen des Vertriebs; |
RF | = | Finanzbuchhaltung; |
RA | = | Anlagebuchhaltung; |
RK | = | Kostenrechnung; |
RK-P | = | Projektplanung und -kontrolle. |
I. Zu Beginn seiner selbständigen Tätigkeit arbeitete der Kläger aufgrund eines am 28. Februar 1987 mit der Firma Menger und Partner KG – EDV und Wirtschaftsberatung – (im folgenden: Menger) in Frankfurt/Main geschlossenen „Dienstvertrag” (Bl. 1 NB II) als „Subunternehmer”, und zwar von Oktober/November 1987 bis September bzw. Dezember 1991. Zu der klägerischen Tätigkeit wird im Vertrag ausgeführt: „Herr … wird als freier Mitarbeiter mit der Führung von Organisations- und DV-Projekten in der Industrie beauftragt; im Detail: Planung, Koordination und Überwachung von Aktivitäten zur Erarbeitung und Einführung organisatorischer DV-Systeme. Mehr als zwei Projekte sollen nicht gleichzeitig geführt werden. Programmierarbeiten führt Herr … nicht aus … Herr Röder wird eine Beschäftigung von 1.500 Stunden/Jahr garantiert, die mit 130,– DM/Stunde vergütet werden. Urlaubszeiten von Herrn …, die in die Arbeitszeit des Kunden fallen, werden mit 8 Stunden/Tag in Abzug gebracht… Herr … hat im Rahmen der Projektaufträge das fachliche Weisungsrecht für zugeteilte Nichtkunden-Projektmitarbeiter… Herr … kann die Arbeits- und Urlaubzeit im Rahmen der Projektaufträge und in Abstimmung mit der Arbeitszeit beim Kunden selbst festlegen. Die Berichterstattung gegenüber … erfolgt nur in besonderen Fällen. Eine Mitarbeiterbesprechung findet nur sporadisch in der Regel nicht mehr als einmal im Jahr statt…”
Im wesentlichen sind folgende Projekte erarbeitet worden, und zwar bei:
Firma … (frühere Arbeitgeberin des Klägers)
Die klägerische Tätigkeit dürfte bis März 1988 gedauert haben (vgl. Honorarabrechnungen und Tätigkeitsnachweise, Bl. 130 ff NB II). Das Projekt wurde als „SAP-Einsatz” bezeichnet.
Firma … …, Einsatz von Dezember 1987 bis Dezember 1990
Es handelt sich um einen Automobilzulieferer. In den klägerischen Abrechnungen wird gleichfalls „SAP-Einsatz” genannt. Hierzu hat der Kläger in seinem „Qualifikationsprofil” (Bl. 37) sowie in seinem Erläuterungsschreiben vom 26. März 1995 (Bl. 60, Prüferhandakte I) dargelegt, daß er die dortige Hauptabteilung „Informationssysteme” sowohl bei der Gestaltung der Informations- und Kommunikationsstruktur (DV-Rahmenplanung) im Unternehmen als auch weitere Projektteams aus Fach- und DV-Bereichen – zeitweise auch den Finanz- und Vertriebsvorstand – im Einsatz der SAP-Software betriebswirtschaftlich, organisatorisch und methodisch beraten und Machbarkeitsstudien erstellt habe.
Schlagwortartig:
„Beratung/Mitarbeit beim Einsatz von RV”, nämlich „Einsatzplanung, -kontrolle, Beratung und Mitarbeit für folgende SAP-Projekte: Einkauf, Finanz- und Rechnungswesen, Instandhaltung, Kostenrechnung, Materialbestandsführung und Lagerverwaltung, Produktionsplanung und Steuerung (u. a.), Erarbeitung eines Konzepts zur Handhabung von Minusbeständen bei Fertigungszugang mit Retrograder, Abbuchung der Einsatzmaterialien, Projekte, Vertrieb.
Das Finanzamt meint hierzu, daß es sich um das typische Tätigkeitsfeld eines (gewerblichen) EDV-Beraters im Bereich der Anwendersoftware gehandelt habe.
Hingegen bringt der Kläger vor, daß seine Arbeit ausschließlich im Bereich eines betriebswirtschaftlichen Organisationsberaters angesiedelt gewesen sei. So habe er u. a. die „Richtlinie für den DV-Anwenderausschuß – Anwendungsplanung” (Bl. 3; im folgenden: jeweils Beiakte zur Prozeßakte) erstellt sowie die absehbaren organisatorischen und personellen Konsequenzen, die sich für die EDV-Abteilung aus den Marktveränderungen in Europa ergeben, etc. (Bl. 7), eine „Aufgabenbeschreibung für die Funktion DV-Koordinator Einkauf” (Bl. 13) sowie den „Ist-Ablauf Lagerverwaltung” (Bl. 15) ausgearbeitet. Es habe sich u. a. um betriebswirtschaftliche Systemanalysen zur Optimierung der Unternehmensabläufe in zahlreichen Unternehmensbereichen wie Vertrieb, Fertigungssteuerung, Arbeitsvorbereitung, Qualitätskontrolle, Lager, Einkauf, Instandhaltung etc. gehandelt.
… … Telekom-Netze (von April 1988 bis Juni 1991)
Der klägerischen Tätigkeit für die vorgenannte Hasler AG (Hasler) lag ein zwischen dieser und … abgeschlossener „Dienstleistungsvertrag” zugrunde (auszugsweise, Bl. 148 NB I). Hiernach sollte der Kläger von Menger der Firma … „für die Anwendungsberatung und -einführung des SAP-Moduls RV im Projekt P70 KAB (= Kundenauftragsbearbeitung) zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen dieses Projekts sollte der Kläger den Projektleiter von … bezüglich „Vorgehens- und Einsatzpläne” unterstützen und beraten, organsatorische und betriebswirtschaftliche Beratung erbringen, die Installation für die SAP-Software unterstützen, die Projektmitarbeiter von Hasler schulen, analysieren und implementieren sowie – gegebenenfalls – notwendige Systemanpassungen durchführen oder unterstützen. Stichworte nach klägerischem „Qualifikationsprofil”: Beratung/Mitarbeit beim Einsatz von RV und RM und dynamische Verfügbarkeitsprüfung für zwei Geschäftsbereiche inklusive der Schnittstellen zu den COPICS-Programmen MPSP (Produktionsplanung für Endprodukte) und MRP (Materialbedarfsplanung). Einsatzvorbereitungen für die RM-Anwendung Primärbedarfsverwaltung in Integration mit RV. Ergänzend wird im klägerischen Schreiben vom 26. März 1995 ausgeführt, daß zwei Geschäftsbereiche im vertriebsseitigen Einsatz der SAP-Software beraten worden seien. Es seien die kommerziellen Vertriebsvorgänge der Geschäftsbereiche, die der Logistik, der Administration und des Rechnungswesens zu unterstützen gewesen.
Das Finanzamt wertet – mit Ausnahme der „betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Beratung” auch diese Tätigkeiten als typisch für den EDV-Anwendersoftwareberater. Sie seien nach dem Vertrag prägend. Denn der Vertragsgegenstand werde als Anwendungsberatung und Einführung des SAP-Moduls RV beschrieben.
Demgegenüber führt der Kläger aus, daß es um die Unterstützung des Vertriebs unter Nutzung der – ohne Zutun des Klägers – bereits eingesetzten SAP-Software gegangen sei. Natürlich hätten auch die Möglichkeiten der Software berücksichtigt werden müssen. Das Finanzamt habe nicht – wozu es aber verpflichtet gewesen wäre – die klägerischen Arbeitsnachweise gewürdigt. Die betriebswirtschaftliche Beratungstätigkeit ergebe sich aus den Tätigkeitsnachweisen vom 20. Januar 1989 (Bl. 84; im folgenden jeweils: NB II), nämlich aus den dort ausgeführten Arbeiten: „Kommunikation, Schulung Projektteam, Soll-Konzept, Methoden und Verfahren, Gesamtvorgehensplan” sowie für März 1989 (Bl. 78) mit den Schlagworten: „Vorführungen (PR), Schulung Projektteam, Kommunikation, Stufen A, B und C „Allgemein”, Produktionsplan, allgemeine Aufgaben, RV-Texte”. Die weiteren Tätigkeitsnachweise enthielten entsprechende Angaben. Außerdem habe der Kläger dem Finanzamt mit Schreiben vom 20. September 1996 Arbeitsablaufpläne für … vorgelegt, die klar erkennen ließen, daß es sich um betriebswirtschaftliche Organisationsstudien bzw. -analysen gehandelt habe (Hinweis: in den Steuerakten nicht vorhanden; die Unterlagen wurden im Termin vorgelegt: Anlage Proz.Akte). Alles dies habe das Finanzamt nicht gewürdigt.
Firma … … Tätigkeit von Mai 1988 bis November 1988)
Über seine diesbezügliche Tätigkeit hatte der Kläger weder im „Qualifikationsprofil” noch im Schreiben vom 26. März 1995 Ausführungen getätigt. In der Klageschrift wird dargelegt, daß die Beratung und Begleitung der mit einer Schwachstellenanalyse beauftragten unternehmensinternen Arbeitsgruppen der GmbH und die diesbezügliche Auswertung der „Ist-Aufnahme” Auftragsgegenstand gewesen sei. Es soll um eine Überprüfung und Neuorganisation der Unternehmensabläufe des Produktionsbereichs Kunststoffmaschinen („K-Bereich”) gegangen sein (im einzelnen: vgl. „Soll-Konzept”, Bl. 17 ff Beiakte zur Prozeßakte).
Firma … … Januar 1991)
Im „Qualifikationsprofil” wird genannt: „Einweisung in die Funktionalität des SAP-Moduls RK-Projekte für die Verfolgung von Investitionsprojekten”. Der Kläger will – so sein Schreiben vom 26. März 1995 – einen Mitarbeiter von … „beim Erarbeiten einer Entscheidungsvorlage für das Management” über das Thema „Verfolgung von Investitionsprojekten mit SAP” beraten haben. Die Vorlage soll er vor Ort präsentiert haben. In der Klageschrift wird dahin präzisiert, daß hierbei Fragen des Einsatzes eines bestimmten Softwareprodukts nicht zur Debatte gestanden hätten; vielmehr habe der Kläger eine völlig abstrakte, von einem konkreten Einsatzbezug weit entfernt liegende Studie für … angefertigt.
Das Finanzamt meint, daß es sich um eine typische Tätigkeit eines Beraters für Anwendersoftware gehandelt habe.
Firma … Mai 1990; zunächst noch als Subunternehmer für … und ab November 1991 bis Juni 1993 aufgrund von Einzelaufträgen zwischen … und dem Kläger)
Im „Qualifikationsprofil” sind folgende Stichworte genannt: „Beratung/Mitarbeit beim Einsatz der RM-Erzeugniskalkulation mit Stücklisten und Arbeitsplänen; Beratung/Mitarbeit beim Einsatz der RM-Nachkalkulation für PPS-Aufträge inklusive Abrechnung (u. a. Erarbeitung eines Konzepts zur monatlichen Inventur in den Produktionslagerorten und nachträgliche Verrechnung der Inventurdifferenzen in die verursachenden PPS-Fertigungsaufträge); Beratung/Mitarbeit beim Einsatz der RM-Materialbestandsführung inklusive Inventurabwicklung; Beratung des PPS-Projektes bei der Gestaltung RK-gerechter Abläufe (aufbauend auf eine im Vorfeld vom Kläger angefertigten Studie über die Datenqualität der RM-PPS-Anwendungen); Beratung beim Einsatz von RM-MAT im Einkauf und in der Disposition; Erstellung eines Konzepts für die Bedarfsermittlung, Disposition und die Auslieferung von Roh- und Packstoffen im Umfeld der RM-Lohnherstellerabwicklung, -Disposition und -Bestandsführen)”.
Nach seinem Erläuterungsschreiben vom 26. März 1995 will der Kläger die Direktionsbereiche Unternehmensplanung und Controlling, Produktionsplanung und Steuerung sowie Materialwirtschaft und Lager im Einsatz der SAP-Software beraten haben. An speziellen Aufgaben wurden u. a. benannt bei:
Unternehmensplanung und Controlling
Beratung bei der Ablösung der Materialabrechnung und Erstellung eines diesbezüglichen Pflichtenheftes; Vorbereitung des Einsatzes der SAP-RK-Anwendungen; Analyse des bestehenden SAP-Programms zur Abrechnung von PPS-Aufträgen; Erweiterung der Analyse; Einarbeitung in die Milupa-Konzeption „Absatzplanung”; maschinelle Unterstützung für die Inventuren etc.; Aufgaben- und Tätigkeitsanalysen für bestimmte Sachgebiete; Analyse der Belange des Controllings bezüglich der Einrichtung eines Vertriebswerks im SAP-System.
Produktplanung und Steuerung
Erstellung einer Studie bezüglich SAP-PPS (vgl. Bl. 146, NB I); Konzept zur Ausschußermittlung und -verrechnung; Unterstützung bei Gestaltung der Abläufe der Kostenrechnung; PPS-Analyse.
Materialwirtschaft
Beratung in allen Fragen des organisatorischen und DV-technischen Einsatzes des Moduls RM-Materialwirtschaft von SAP; Unterstützung bei der Anwendungsbetreuung…; Analyse/Konzeption für eine monatliche Preisfortschreibung.
Der Kläger hat hierzu Rechnungsunterlagen und Tätigkeitsnachweise eingereicht (NB I, Bl. 1–108), auf die Bezug genommen wird. Er meint, daß nur wenige Tätigkeiten dem Bereich „EDV-Beratung” zugerechnet werden könnten. Der ganz überwiegende Schwerpunkt seiner Tätigkeit habe auf Organisationsberatungsleistungen gelegen. Seine Aufgabe habe darin bestanden, unter Nutzung der bereits vorhandenen SAP-Software die Organisation des Unternehmens umzustrukturieren.
Hingegen vertritt das Finanzamt die Auffassung, daß die klägerischen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Einführung/Anwendung diverser SAP-Methoden gestanden hätten. Die hierbei vorgenommenen betriebswirtschaftlichen Beratungen hätten lediglich der Optimierung der SAP-Programme gedient.
II. Nach Beendigung seiner Subunternehmertätigkeit für Menger und nach Abwicklung seiner Aufträge für … der Kläger ab Juli 1993 für die
Firma … in … tätig, und zwar – nach „Qualifikationsprofil” – in „Beratung/Mitarbeit/Teilprojektleitung bei der Überführung der Baugeräteabwicklung und Anlagenbuchhaltung nach SAP-System 5.0…”. Er präzisiert im Schreiben vom 26. März 1995 dahin, daß er die Mitarbeiter von Wayss beraten habe, die im Unternehmen entwickelten SAP-Anwendungen „Baugeräteabwicklung” und „Anlagenbuchhaltung” auf einen neuen „SAP-Releasestand zu migrieren”. Seine Arbeiten basierten auf einem von ihm erstellten Fachkonzept mit Zeit- und Aufwandschätzung.
Das Finanzamt meint, daß die ab Oktober 1991 entwickelte Tätigkeit des Klägers nach dem Gesamtbild der Verhältnisse mit seiner für … geleisteten Arbeiten inhaltsgleich seien. In allen Fällen seien seine Tätigkeiten die eines gewerblichen EDV-Beraters.
Der Kläger vertritt den Standpunkt, daß eine Gewerblichkeit erst im Laufe des Jahres 1994 angenommen werden könne, da sich im Verlauf des Projekts … die Aufgabenstellung von einer betriebswirtschaftlichen zu einer EDV-orientierten gewandelt habe. Bis einschließlich 1993 sei der Kläger als beratender Betriebswirt anzusehen. Dies gelte auch für den Beginn der Tätigkeit für … da der Kläger bis ins Jahr 1994 hinein betriebswirtschaftliche Analysen und Studien erstellt habe, die sich auf die unterschiedlichsten betriebswirtschaftlichen Fachgebiete bezogen hätten. Denn in allen Streitjahren habe die Auftragsstellung gelautet: „Optimierung der Organisation eines Unternehmens in dessen Auftrag unter Einbeziehung der EDV, letztendlich zur Kostensenkung”, und nicht: „Klärung der Möglichkeiten des Einsatzes eines Softwareprodukts, letztlich im Auftrag oder zum Nutzen eines Softwareherstellers zur Verbesserung der Vermarktungsmöglichkeiten des Produkts”.
Abgesehen von der klägerischen Qualifikation als beratender Betriebswirt müßten die Gewerbesteuermeßbescheide für die Streitjahre 1988 und 1989 schon deshalb aufgehoben werden, weil Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Jedenfalls aber sei der Steueranspruch verwirkt. Denn die Einkommensteuerbescheide 1988 und 1989, in denen die klägerischen Einkünfte als Einkünfte als freiberuflicher Tätigkeit behandelt worden seien, seien bestandskräftig geworden und nicht mehr änderbar. Der Beklagte hätte aufgrund der Eintragungen in dem dem Kläger unter dem 4. Januar 1988 zugesandten Fragebogen für Gewerbeanmeldung – Einzelunternehmen und natürliche Personen – (Bl. 22 USt-Akte) von Anfang an Anlaß gehabt, Gewerbesteuererklärungen anzufordern. Aufgrund der Beschreibung der klägerischen Tätigkeit. im Fragebogen hätte der Beklagte Anlaß gehabt, konkrete Ermittlungen zur klägerischen Tätigkeit anzustellen. Da er dies unterlassen habe, sei jedenfalls für die Veranlagungszeiträume 1988 und 1989 Verwirkung eingetreten. Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärung bildeten ein ineinandergreifendes wechselseitiges System. In der einkommensteuerlichen Erklärung „Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit” läge gleichzeitig die gewerbesteuerliche Erklärung „keine gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit”. Diese Erklärung hätte der Beklagte auf Richtigkeit zu prüfen gehabt. Aus dem Umstand, daß keine Aufforderung zur Abgabe von Gewerbesteuererklärungen erfolgt sei, lasse sich entweder die Folgerung ziehen, der Beklagte habe sich bewußt gegen die Gewerbesteuerpflicht entschieden, oder er hätte eine aktenkundige Tatsache außer acht gelassen. Im ersten Fall wäre Verjährung, im zweiten Fall Verwirkung eingetreten. Der Kläger selbst habe nicht von sich aus eine Gewerbesteuererklärung einreichen können, weil er davon ausgegangen sei, nicht der Gewerbesteuerpflicht zu unterliegen. Eine entsprechende Entscheidung des Finanzamts sei auch darin zu sehen, daß es den Kläger nicht zur Buchführung aufgefordert habe.
Der Kläger beantragt,
die Gewerbesteuermeßbescheide 1988 bis 1993 vom 27. März 1996 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 3. März 1997 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, daß weder Festsetzungsverjährung noch Verwirkung eingetreten sei. Der Kläger habe in allen Streitjahren eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die von dem Kläger in allen Streitjahren entwickelte Tätigkeit als „Unternehmensberater” bzw. als „Betriebswirtschaftliche und DV-technische Beratung” erfüllt die Merkmale eines gewerblichen Unternehmens im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i. V. m. § 15 Abs. 2 EStG; der Kläger unterliegt daher der Gewerbesteuer. Festsetzungsverjährung bzw. Verwirkung des Steueranspruchs liegt auch für die Streitjahre 1988 und 1989 nicht vor.
Der Kläger übte seine vorgenannte Tätigkeit insbesondere – was auch unter den Beteiligten unstreitig ist – selbständig aus. Selbständig ist, wer auf eigene Rechnung und Gefahr tätig ist und demzufolge das Ergebnis seiner Arbeit frei bestimmen kann (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BStBl 1991 II S. 66 m. w. N.). Dagegen ist derjenige unselbständig, wer auf Rechnung und Weisung eines Arbeitgebers tätig ist, d. h. wer – innerhalb eines sozialen Abhängigkeitsverhältnisses und eingebunden in den geschäftlichen Organismus eines Arbeitgebers – fremdbestimmte Arbeit weisungsgebunden zu verrichten hat.
Im Streitfall sind Anhaltspunkte für eine etwaige Unselbständigkeit des Klägers im vorgenannten Sinne nicht ersichtlich. Der Umstand, daß der Kläger bis Ende 1991 allein im Auftrag der Firma …, und zwar als Subunternehmer, tätig war spricht nicht für eine etwaige Unselbständigkeit. Für eine Selbständigkeit spricht hingegen, daß der Kläger im Rahmen seiner Subunternehmeraufträge, aber auch im Verhältnis zu …, für die fach- und fristgerechte Fertigstellung der an ihn vergebenden Arbeiten voll verantwortlich war. Hierfür erhielt er von … ein erfolgsorientiertes (Pauschal-)Honorar. In einem nicht vorgegebenen zeitlichen Rahmen konnte der Kläger auch selbst entscheiden, wann er die einzelnen Leistungen erbrachte. Er war daher in der Bestimmung seiner Arbeitszeit weitgehend frei. Zu beachten ist auch, daß der Kläger – bedingt durch den Umstand, daß seine Vergütung erfolgsorientiert bestimmt war – das Ausfallrisiko wegen Krankheit seiner Person selbst trug und für etwaige Mängel des Werkes haftete. Des weiteren fehlt es – was für eine Unselbständigkeit sprechen würde – an einer Weisungsgebundenheit des Klägers. In den betrieblichen Organismus von … war er ebensowenig eingebunden wie in die Organisation der … Vertragspartner.
Zu Recht hat das Finanzamt die hiernach selbständig ausgeübte Tätigkeit des Klägers als gewerblich qualifiziert. Der Kläger übte keinen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Berufe, insbesondere nicht den eines Ingenieurs oder eines beratenden Betriebswirts oder eine diesen Berufsbildern ähnliche Tätigkeit aus. Eine sonstige selbständige Arbeit im Sinne des § 18 EStG kommt gleichfalls nicht in Betracht. Nach dem Gesamtbild der hier vorliegenden Verhältnisse ist der Kläger unter Berücksichtigung seiner EDV-orientierten und von dieser geprägten Tätigkeit als Unternehmensberater vielmehr einem gewerblichen EDV-Berater gleichzustellen.
Vorweg ist festzuhalten, daß der Kläger unstreitig kein Ingenieur ist, da er aufgrund der insoweit vorgeschriebenen Berufsausbildung nicht berechtigt ist, die Berufsbezeichnung „Ingenieur” zu führen (vgl. insoweit auch BFH-Urteile vom 3. Dezember 1981 IV R 79/80, BStBl 1982 II S. 267, 268 re.Sp.: 1. Oktober 1986 I R 121/83, BStBl 1987 II S. 116, jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Seine Berufstätigkeit ist auch nicht der eines Ingenieurs ähnlich. Dies wäre im Bereich des hier einschlägigen Oberbegriffs „Datenverarbeitung” (im weiteren Sinne) nur dann der Fall, wenn der Kläger Systemsoftware bzw. dahingehende mathematische Modelle entwickelte bzw. anfertigte zur Lösung betriebswirtschaftlicher Fragestellungen für den Einsatz von Datenverarbeitung (vgl. Glanegger/Güroff GewStG, 4. Aufl., § 2 Anm. 98 „Datenverarbeitung”; Schmidt, EStG, 18. Aufl., § 18 Rz. 155 „EDV-Berater”; BFH-Urteil vom 7. November 1991 IV R 17/90, BStBl 1983 II S. 324, jeweils mit weiteren Nachweisen). Dies liegt hier unstreitig nicht vor. Im übrigen war der Kläger im Hinblick auf seine Vorbildung und seine berufliche Tätigkeit hierzu offensichtlich auch nicht in der Lage.
Der Kläger übte in den Streitjahren auch nicht die Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus. Er verfügt zwar über einen entsprechenden Abschluß als „geprüfer Betriebswirt (BWA)”; er war jedoch nicht als solcher tätig. Prägend für die Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts ist es nämlich, daß dieser seinen Auftraggeber auf der Grundlage der von ihm aufgrund eines einschlägigen Studiums bzw. autodidaktisch erworbener betriebswirtschaftlichen Kenntnisse in unternehmerischen Entscheidungen berät. Hierbei muß der Schwerpunkt der Beratung auf typischen Gebieten der Betriebswirtschaft liegen, also auf den Feldern u. a. der Produktion, des Absatzes, der Investitionen, der Unternehmensführung, der Finanzierung oder des betrieblichen Rechnungswesens (vgl. Schmidt, a. a. O., § 18, Rz. 107). Unerheblich ist allerdings, ob der Berater die Ergebnisse seiner Tätigkeit auf elektronische Medien niederlegt. Entscheidend bleibt aber die persönliche – wenn auch mediengestützte – Beratungsleistung unter Einsatz – zumindestens in einem Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre – von Breite und Tiefe des fachlichen Wissens. Im Streitfall war über die klägerische Tätigkeit nicht primär auf computergestützte betriebswirtschaftliche Entscheidungsberatung, sondern auf den rationellen Einsatz der Datenverarbeitung als solche ausgerichtet. Sie entspricht daher in allen Streitjahren den Aktivitäten eines EDV-Beraters und ist daher als gewerblich zu qualifizieren.
Der Beruf des EDV-Beraters ist steuerrechtlich als eigenständiger Beruf zu verstehen. Seine Tätigkeit ist mit der eines beratenden Betriebswirts nicht vergleichbar (BFH-Urteil vom 24. August 1995 IV R 60-61/94, BStBl 1995 II S. 888 mit Hinweis auf die insoweit umfangreiche BFH-Rechtsprechung). Der EDV-Berater unterscheidet sich vom beratenden Betriebswirt dadurch, daß die Zweckrichtung der vom Auftraggeber geforderten Beratung regelmäßig unterschiedlich ist. Während beim beratenden Betriebswirt die im Vordergrund stehende Dienstleistung die Beratung auf einem Hauptgebiet der Betriebswirtschaftslehre ist, wird vom EDV-Berater primär die Anwendung der von ihm beherrschten Informatikkenntnisse gegebenenfalls unter gleichberechtigtem bzw. helfendem Einsatz von Kenntnissen im jeweiligen fachspezifischen Anwendungsgebiet, wie etwa der Betriebswirtschaftslehre, gefordert (vgl. auch Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 6. August 1996, EFG 1997, 421).
Wie bereits erwähnt, war die Tätigkeit des Klägers im Streitfall auf den rationellen Einsatz der noch einzurichtenden bzw. bereits vorhandenen Datenverarbeitung ausgerichtet. Dies ergibt sich aus der Zweckrichtung der ausgeführten Aufträge. Die Tätigkeiten waren immer darauf gerichtet, Unternehmen beim Einsatz von SAP-Programmen und -komponenten zu beraten und den entsprechenden Einsatz zu optimieren. Hierzu sind zwar betriebswirtschaftliche Analysen und Kenntnisse Voraussetzung. Dies ist aber bei einer Tätigkeit auf dem Gebiet betrieblich genutzter Anwendungssoftware regelmäßig der Fall (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 IV R 90/89, BFH/NV 1991, 515). Für den klägerischen Einsatz prägend war aber nach den vorgelegten Unterlagen immer der optimale Einsatz des Programms. Darauf kam es dem Auftraggeber an; die Analysen dienten nur der Verwirklichung dieses Ziels.
Dies zeigt sich zunächt klar in der Aufgabenbeschreibung des mit Menger geschlossenen Subunternehmervertrags, wonach der Kläger zur „Planung, Koordination und Überwachung von Aktivitäten zur Erarbeitung und Einführung organisatiorischer DV-Systeme” berufen wurde. Die Vertragsformulierung ist entgegen klägerischer Darlegung nicht so zu verstehen, daß sich ein Bezug zu EDV-Systemen nur aus deren Fernwirkung auf die Ebene der Planung, Koordination und Überwachung ergeben sollte. Vielmehr erfolgte nach der Festlegung im Vertrag die Planung, Koordination und Überwachung zur Erarbeitung und Einführung der Systeme. Ziel war demnach die Erarbeitung und Einführung der DV-Systeme – hierauf war die Tätigkeit des Klägers vertragsgemäß ausgerichtet.
Die vorgenannte Aufgabe hat der Kläger als „SAP-Einsatz” bei den Firmen … entsprechend verwirklicht. Klar im Vordergrund stand jeweils die Einführung von SAP-Projekten bzw. die Optimierung bereits vorhandener SAP-Programme zur Anpassung an die jeweiligen unternehmensspezifischen Belange. Diese Belange waren vorgegeben; der Kläger war lediglich dazu berufen, die DV den bereits getroffenen unternehmerischen Entscheidungen entsprechend anzupassen und diese Vorgaben mit Hilfe der EDV zu optimieren. Die „Anwendungsplanung” für … zeigt dies deutlich. Hier wurden nicht die zuvor erfolgte Beratung bzw. persönliche Entscheidungshilfen elektronisch niedergelegt; vielmehr wurden die Vorteile der EDV dargestellt und deren Abläufe im Anwenderbereich festgeschrieben. Diese Tätigkeit entspricht aber dem (relativ neuen) Berufsbild des gewerblichen Organisationsberaters für Datenverarbeitung (vgl. auch BFH in BStBl 1977 II S. 34; II 1986, 484). Dasselbe gilt für die klägerische Tätigkeit zugunsten … Der zwischen … geschlossene Dienstleistungsvertrag besagt klar, daß der Kläger „Anwendungsberatung und -einführung des SAP-Moduls RV” zu realisieren habe. Dies allein stellte seine Aufgabe dar. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob hier auch „betriebswirtschaftliche Organisationsstudien” bzw. „-analysen” durchgeführt wurden. Denn auch dies zählt zur Tätigkeit eines Organisationsberaters für DV, dessen Aufgabe gerade in der Optimierung von DV-Anlagen im Betriebsablauf zu sehen sind. Hierzu rechnen die Anwendungsberatung hinsichtlich des Programms wie auch die Personalschulung (BFH, BStBl 1995 II S. 888 unter Hinweis auf BFH/NV 1991, 515). Wie das diesbezügliche „Soll-Konzept” zeigt, ging es auch bei der Firma … vornehmlich um Fragen des DV-Einsatzes im Produktionsbereich. Die „Auswertung” der „Ist-Aufnahme” stellt keine betriebswirtschaftliche Beratungsleistung zur Entscheidungsfindung dar. Es wurden u. a. EDV-gesteuerte inner- und außerbetriebliche Muster bzw. Formulare u. a. von Ablaufprogrammen, der Angebotsabwicklung, der Verkaufsabfrage, der Kundenstammverwaltung sowie Standardtexte entwickelt. Wie hier, so handelte es sich auch bei der Tätigkeit für Hösch um gewerbliche EDV-Beratung. Denn die vom Kläger als „Studie” bezeichneten Aktivitäten umfaßten – so auch das „Qualifikationsprofil” – die Einweisung in die Funktionalität des SAP-Moduls „RK-Projekte” (= Kostenrechnung), also EDV-gesteuerte Kostenrechnung. So ging es auch bei dem Projekt … um den Einsatz der SAP-Software. Dies belegen die klägerischen Ausführungen im „Qualifikationsprofil” wie auch der Inhalt des Bestätigungsschreibens … vom 13. Januar 1992 (Bl. 30 Prüferhandakte I). Im letztgenannten wird nämlich eine erfolgreiche Einführung der SAP-Komponenten genannt. Der Kläger selbst stellt in seinem „Qualifikationsprofil” den Einsatz der SAP-Software-Systeme „RM”, „RM-MAT”, „RM-PTS” in den Vordergrund. Letztlich belegen dies auch die diesbezüglichen Rechnungsunterlagen und Tätigkeitsnachweise. Auch die Umstrukturierung bzw. Anpassung vorhandender Software stellt EDV-Organisationsberatung dar. Letztendlich gilt vorstehendes auch für die klägerischen Arbeiten bei Wayss. Denn das Migrieren vorhandener Software auf einen neuen SAP-Releasestand ist letztlich Entwicklung von Anwendersoftware.
Verfahrensrechtlich war der Beklagte berechtigt und verpflichtet auch für die Streitjahre 1988 und 1989 Gewerbesteuermeßbescheide zu erlassen.
Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) war bei Erlaß der streitigen Meßbescheide am 27. März 1996 noch nicht abgelaufen. Sie begann für das älteste Jahr (1988) gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 AO mangels Abgabe einer Gewerbesteuererklärung mit Ablauf des Jahres 1991 und wäre am 31. Dezember 1995 vollendet. Ihr Ablauf – wie im übrigen auch der Ablauf der Festsetzungsfrist für den Meßbescheid 1989 – wurde durch den Beginn der Außenprüfung in 1995, die sich infolge der Anordnung vom 20. Juli 1995 auch auf Gewerbesteuer ab 1988 erstreckte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt.
Die Pflicht zur Abgabe von Gewerbesteuererklärungen ergibt sich aus §§ 14a GewStG, 25 GewStDV, da der Gewerbeertrag die damalige Freibetragsgrenze von 36.000,– DM bzw. – ab 1993 – 48.000,– DM durchgängig überstieg. Die genannten Vorschriften enthalten selbst unmittelbar die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärungen; eine Maßnahme des Beklagten zur Konkretisierung war nicht erforderlich (vgl. Frotscher in Schwarz – Praxiskommentar –, AO, Stand: März 1999, § 170 Rdnr. 6). Für das Hinausschieben des Beginns der Festsetzungsfrist kommt es nicht darauf an, ob die verspätete Abgabe der Erklärung bzw. die Nichtabgabe auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist oder das Finanzamt eine Aufforderung zur Abgabe pflichtwidrig unterlassen hat (vgl. Rüsken in Klein, AO, 6. Aufl., § 170 Anm. 2a mit Hinweis u. a. auf das BFH-Urteil vom 15. September 1994 XI R 59/93, BFH/NV 1995, 647, 648). Es ist deshalb unerheblich, ob sich der Kläger als Gewerbetreibender und damit als gewerbesteuerpflichtig angesehen hat oder nicht.
In der Abgabe von Einkommensteuererklärungen unter der Einkünftequalifikation „selbständige Arbeit” kann keine Einreichung von Steuererklärungen für die Gewerbesteuer gesehen werden, die geeignet wären, den Anlauf der Frist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 AO zu verwirklichen. Das Gewerbesteuergesetz sieht nämlich eine eigenständige Pflicht zur Abgabe von Gewerbesteuererklärungen vor. Die Abgabe einer Einkommensteuererklärung bedeutet daher nicht gleichzeitig die Abgabe einer entsprechenden Gewerbesteuererklärung. Zudem handelt es sich bei der Einkommensteuer und bei der Gewerbesteuer um unterschiedliche Steuerarten, die in keiner Abhängigkeitsbeziehung zueinander stehen. Schon die Bemessungsgrundlagen der Steuerarten sind unterschiedlich: hier: zu versteuerndes Einkommen; dort: Gewerbeertrag; sie werden aus unterschiedlichen Besteuerungsgrundlagen hergeleitet. Im übrigen muß auch die Gewerbesteuererklärung der gesetzlich geforderten Form und dem gesetzlich festgelegten Inhalt genügen (vgl. Frotscher, a. a. O., § 170 Rdnr. 13). Die Steuererklärung ist nach § 150 Abs. 1 AO auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck zu fertigen. Diesem Erfordernis entsprechen die Einkommensteuererklärungen für die Gewerbesteuer nicht.
Das Finanzamt hat die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erlassen dürfen; insbesondere liegt keine „Verwirkung”, die nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden kann (vgl. Klein, AO, 6. Aufl., § 4 Anm. 5i mit umfangreichen Nachweisen), vor. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 24. Juni 1998 III R 177/85, 20. Juli 1988 I R 81/88 und 21. Juli 1988 V R 97/93, BFH/NV 1989, 351, 78 und 356, jeweils mit weiteren Nachweisen) reicht ein Untätigbleiben der Finanzbehörde allein für die Annahme einer Verwirkung grundsätzlich nicht aus. Denn die zeitlichen Grenzen für die Festsetzung bzw. die Erhebung eines Steueranspruchs sind in den Verjährungsvorschriften abschließend festgelegt. Hinzutreten muß vielmehr ein einen Vertrauenstatbestand schaffendes Verhalten des Finanzamts dergestalt, daß nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung des Anspruchs als illoyale Rechtsausübung empfunden wird. Dies liegt im Streitfall nicht vor.
Die rechtliche Qualifikation von Einkünften in einem Einkommensteuerbescheid begründet grundsätzlich keine Bindung des Finanzamts für die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteil vom 24. August 1995 IV R 112/94, BFH/NV 1996, 449 m. w. N.). Eine solche Bindungswirkung kommt nur Grundlagenbescheiden zu. Diese Qualität hat der Einkommensteuerbescheid gegenüber dem Gewerbesteuermeßbescheid für die Einordnung der Einkünfte mangels entsprechender gesetzlicher Regelung nicht (vgl. auch § 171 Abs. 10 AO). Ein vertrauensbildendes Verhalten der Finanzbehörde kann hinsichtlich der Festlegungen bei der Einkommensteuerveranlagung in bezug auf die Festsetzung des Gewebesteuermeßbetrags außerhalb einer Zusage, die hier nicht vorliegt, nur dann erfolgen, wenn gerade die Qualifikation der Einkunftsart streitig ist und Gewerbesteuervorauszahlungen nach Prüfung dieser Frage auf 0,– DM festgesetzt wurden und auch aus späteren Einkommensteuerveranlagungen deutlich zu erkennen ist, daß das Finanzamt die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als freiberuflich beurteilt (BFH-Urteil vom 5. März 1970 IV 213/65, BStBl 1970 II S. 793 m. w. N.). An dieser gefestigten Rechtsprechung hat der BFH in späteren Urteilen festgehalten (vgl. insoweit BFH-Urteile vom 14. März 1991 IV R 135/90, BStBl 1991 II S. 769; BFH in BFH/NV 1996, 449; auch: Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 11. März 1994, EFG 1994, 900; Pump in: Die steuerliche Betriebsprüfung 1995, 39 mit umfangreichen Nachweisen). In einem hinsichtlich der Einkünftequalifikation fehlerhaften Einkommensteuerbescheid liegt hinsichtlich der Gewerbesteuer weder ein Freistellungsbescheid noch eine Zusage der Gewerbesteuerfreiheit. Unerheblich ist auch, ob die entsprechende Einkommensteuerveranlagung noch geändert werden kann.
Im Streitfall liegt ein vertrauensbildendes Verhalten des Finanzamts nicht vor. Vielmehr hat es die einkommensteuerlichen Erklärungen des Klägers hinsichtlich der Einkünftequalifikation ohne nähere Prüfung übernommen. Eine Vorsprache des Klägers beim Finanzamt hinsichtlich der Klärung dieser Frage ist nicht erfolgt.
Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens gemäß § 135 Abs. 1 FGO zu tragen.