08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 13.09.2002 – VI 87/01
Haben Ehegatten - durch Aus- und Wegzug - die eheliche Gemeinschaft beendet, kann ein Versöhnungsversuch i. S. v. § 1567 Abs. 2 BGB dazu berechtigen, sie als „nicht dauernd getrennt lebend” anzusehen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger und die Beigeladene für 1998 zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen sind.
Der Kläger und die Beigeladene haben 1993 die Ehe geschlossen. Bis Ende Juni 1997 lebten sie zusammen in dem von ihnen durch Vertrag vom 10. Dezember 1993 erworbenen, ca. 200 m2 großen Einfamilienhaus im X-Weg in B. Dann zog die Klägerin mit dem gemeinsamen, am ...1993 geborenen Sohn A und ihrer Tochter aus erster Ehe in ein gemietetes Haus in der X-Straße in B. Der Kläger zog sodann ebenfalls aus dem X-Weg aus und mietete von einem Kollegen eine ca. 40 m2 große, spartanisch eingerichtete möblierte Wohnung im Y-Weg in Hamburg an; seine Möbel wurden eingelagert. Das Grundstück X-Weg wurde noch in 1997 veräußert.
Die Eheleute wurden am 28. Januar 1998 rechtskräftig vor dem Amtsgericht B geschieden. Über die Scheidungsfolgen verglichen sie sich.
Am 22. September 2000 reichten der Kläger und die Beigeladene die Einkommensteuererklärung für 1998 ein, nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 31. Juli 2000 ein Zwangsgeld angedroht hatte. Mit der von beiden unterschriebenen Erklärung wurde Zusammenveranlagung beantragt. Für den Kläger wurden u.a. Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ca. ... DM zuzüglich ermäßigt zu besteuernder Entschädigungen von ... DM, ein Verlust aus selbständiger Arbeit in Höhe von 47.899,95 DM sowie ein Verlust aus einer gewerblichen Beteiligung von 220.000 DM erklärt. Die Beigeladene hatte einen Verlust aus selbständiger Tätigkeit als Rechtsanwältin in Höhe von 23.915 DM ermittelt.
Mit Schreiben vom 11./12. Oktober 2000 beantwortete der Kläger eine Anfrage des Beklagten dahin, dass er und die Beigeladene in der Zeit vom 23. Dezember 1997 bis 5. Januar 1998 versucht hätten, wieder zusammenzuleben. Die Beigeladene bestätigte den Versöhnungsversuch vom 23. Dezember 1997 bis 5. Januar 1998 mit Schreiben vom 18. Mai 2001, weigerte sich aber zunächst, auf Einzelheiten einzugehen.
In der Einkommensteuerakte befindet sich eine vom Kläger und der Beigeladenen am 15. August 1999 unterschriebene Anlage U für 1998, mit der ein Abzug von 27.000 DM Unterhaltsleistungen beim Kläger beantragt wird; mit Schreiben vom 23. November 2000 führte die offenbar von der Beigeladenen beauftragte Steuerberatungsgesellschaft S aus, aufgrund eines familiären Ausgleichs sei für das Kalenderjahr 1998 keine Anlage U abzugeben.
Am 8. Dezember 2000 lehnte der Beklagte dem Kläger und der Beigeladenen gegenüber die Zusammenveranlagung ab, weil die vom 23. Dezember 1997 bis 5. Januar 1998 gemeinsam verbrachte Zeit das dauernde Getrenntleben nicht unterbrochen habe. Dagegen legte der Kläger am 15. Dezember 2000 Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2001 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Einspruchsentscheidung wurde sowohl dem Kläger als auch der Beigeladenen bekanntgegeben. Am 30. Mai 2001 erhob der Kläger Klage. Eine Einkommensteuerveranlagung für 1998 hat bisher nicht stattgefunden.
Der Kläger trägt - in Übereinstimmung mit der Beigeladenen - vor, nach der Trennung im Sommer 1997 habe sich das Verhältnis zur Beigeladenen entspannt. Beide hätten deshalb mit dem Ziel einer Rettung der Ehe vom 23. Dezember 1997 bis 5. Januar 1998 in der X-Straße zusammen gelebt. Seine Kleidung und die Stereoanlage habe er dorthin mitgenommen. Die Wohnung im Hamburger Y-Weg sei nicht gekündigt worden, aus dem Mietvertrag wäre er aber jederzeit kurzfristig herausgekommen.
Die Feiertage hätten sie mit ihrem gemeinsamen Sohn zu dritt verbracht. Weder seien sie ausgegangen, noch hätten sie Besuch gehabt. Seine - des Klägers - Anwesenheit in der X-Straße vom 23. Dezember 1997 bis 5. Januar 1998 könne deshalb von Dritten nicht bestätigt werden. Als die Tochter der Beigeladenen am 8. oder 9. Januar von ihrem in Bayern lebenden Vater wiedergekommen sei, sei er bereits ausgezogen gewesen. Da er im fraglichen Zeitraum - unstreitig - ein einmonatiges Fahrverbot gehabt habe, könne seine Anwesenheit auch nicht dadurch belegt werden, dass ein Nachbar oder der nebenan wohnende Vermieter seinen Wagen vor dem Haus gesehen habe. Weitere objektive Indizien für seine Anwesenheit in B - z.B. Belege über Bargeldabhebungen mit Scheckkarte, Kreditkarten- oder Scheckzahlungen, Einzelnachweise über Telefongespräche aus der X-Straße o.ä. - existierten nicht.
Die zeitliche Nähe zum Scheidungstermin am 28. Januar 1998 spreche nicht gegen die Annahme eines Versöhnungsversuches. Denn dieser Termin habe zunächst nur der Höhe des Trennungsunterhaltes dienen sollen. Die Scheidung sei dann auf Anregung des Richters, mit dem sie persönlich bekannt gewesen seien, nach kurzfristigem Entschluss beantragt und ausgesprochen worden.
Der Kläger beantragt, den Ablehnungsbescheid vom 8. Dezember 2000 und die Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn mit der Beigeladenen zusammen zu veranlagen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, der Kläger habe den Versöhnungsversuch nicht bewiesen. Es sei nicht glaubhaft, dass niemand vom Versöhnungsversuch gewusst habe. Das Fehlen von Kontoauszügen, aus denen sich Geldabhebungen oder Kartenzahlungen des Klägers in B ergeben würden, spreche gegen die Darstellung des Klägers. Selbst wenn der Versöhnungsversuch aber wie geschildert stattgefunden hätte, wäre durch ihn das dauernde Getrenntleben nicht unterbrochen worden, weil mehrtägige Besuche oder gemeinsame Urlaubsreisen nach der Rechtsprechung und Kommentarliteratur noch keine Lebensgemeinschaft begründeten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insbesondere auf die Niederschrift über den Erörterungstermin am 27. Juni 2002 verwiesen. Dem Gericht hat ein Band Einkommensteuerakten nebst zwei Heftern vorgelegen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Entscheidung ergeht gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig (vgl. BFH v. 08.10.1997, XI R 20/97, BFH/NV 1998, 701), aber unbegründet, denn der Senat kann nicht feststellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zusammenveranlagung des Klägers und der Beigeladenen erfüllt sind.
Die Zusammenveranlagung von Ehegatten erfordert gem. § 26 Abs. 1 EStG, dass sie zu einem beliebigen Zeitraum im Veranlagungszeitraum nicht dauernd getrennt leben. Dauerndes Getrenntleben in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft endgültig aufgehoben worden ist (BFH v. 18.07.1996, III R 90/95, BFH/NV 1997, 139). Haben Ehegatten - wie vorliegend durch Aus- und Wegzug aus der Ehewohnung - die eheliche Gemeinschaft beendet, kann ein Versöhnungsversuch i. S. v. § 1567 Abs. 2 BGB dazu berechtigen, sie als „nicht dauernd getrennt lebend” i. S. von § 26 EStG anzusehen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Versöhnungsversuch zur Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft führt, sind nicht allgemein zu bestimmen. Da grundsätzlich bereits das Zusammenleben an einem Tage im Veranlagungszeitraum für die Zusammenveranlagung genügt, so dass eine Heirat am 31. Dezember zur Zusammenveranlagung im abgelaufenen Jahr und eine Trennung der Ehegatten am 1. Januar die Zusammenveranlagung im neuen Jahr ermöglicht, kommt es weniger auf die Dauer des Versöhnungsversuchs an. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Eheleute die vorangegangene Trennung rückgängig machen und die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer wiederherstellen wollen. Gelegentliche gemeinsame Übernachtungen, mehrtägige Besuche oder auch gemeinsame Urlaubsreisen begründen deshalb noch keine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft und unterbrechen mithin das Getrenntleben nicht.
Bei den Voraussetzungen der Zusammenveranlagung handelt es sich um steuermindernde Tatsachen, für die die objektive Beweislast bei den Steuerpflichtigen liegt (BFH vom 12.6.1991, III R 106/87, BStBl II 1991, 806). Da der Beweis für die behauptete Zusammenleben vom 23. Dezember 1997 bis 5. Januar 1998 vorliegend nicht erbracht ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob das vom Kläger und der Beigeladenen behauptete Zusammenleben als bloßer Besuch zu werten wäre oder ausreichen würde, um die durch den Auszug der Beigeladenen in die X-Straße und den nachfolgenden Wegzug des Klägers nach Hamburg eingetretene dauernde Trennung zu unterbrechen.
Der Senat sieht von einer Beteiligtenvernehmung (§ 82 FGO i.V.m. § 450 ZPO) des Klägers oder der Beigeladenen, die gem. § 57 Nr. 3 FGO auch Beteiligte und von der Beweisfrage selbst betroffen ist (vgl. BFH v. 04.06.1992 - IV R 79/91, BFH/NV 1992, 809), ab. Denn die Beteiligtenvernehmung ist als letztes Hilfsmittel angebracht, wenn schon ein gewisser Beweis erbracht ist, sie dient aber nicht dazu, den Beteiligten Gelegenheit zu geben, ihre eigenen Behauptungen zu bestätigen und ggf. zu beeiden. Demnach kann sie unterbleiben, wenn ansonsten nichts an Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens erbracht ist (BFH v. 22.06.1999 - III B 92/98, nv; BFH v. 02.07.1998, IV R 39/97, BFHE 186, 299, BStBl II 1999, 28; BFH v. 23.11.1994, I B 78/94, BFH/NV 1995, 793; BFH v. 27.09.1991 - VI R 1/90, BFHE 166, 61, BStBl II 1992, 195).
Die Schilderung des Zusammenlebens durch den Kläger und die Beigeladene war zwar in sich widerspruchsfrei, der Senat hält den behaupteten Ablauf für möglich. Andererseits haben sich trotz intensiver Nachfrage des Gerichtes keine objektiven Anhaltspunkte für das behauptete Zusammenleben ergeben. Das vollständige Fehlen derartiger Indizien ist auffällig: Der Kläger und die Beigeladene haben keine Zeugen benennen können, die den angeblich immerhin 14 Tage währenden Aufenthalt des Klägers in dem Anwesen X-Straße bestätigen könnten (z. B. Nachbarn, Freunde oder Verwandte - abgesehen von dem damals erst fünf Jahre alten gemeinsamen Sohn, dessen Vernehmung weder in Betracht kam noch beantragt wurde). Es erstaunt, dass keine Terminkalender vorgelegt wurden, weil diese angeblich nicht aussagekräftig sein sollen. Da sich viele - zumal gut verdienende Bürger - über die Feiertage „etwas leisten” (Delikatessen, Champagner) oder die Muße zum Einkaufen (z.B. Geschenke, bereits herabgesetzte hochwertige Textilien) nutzen, erscheint es auch ungewöhnlich, dass der Kläger angeblich zwischen dem 23. Dezember und dem 5. Januar in B weder Geld bei einem Bankautomaten oder einer Bankfiliale abgehoben noch in einem Geschäft mit Euroscheck- oder Kreditkarte bezahlt hat. Zweifel ergeben sich weiter daraus, dass der Kläger erst nach dem Erörterungstermin erinnerte, Fahrverbot gehabt zu haben. Zum einen werden derartige ungewöhnliche Begebenheiten meist gut erinnert, und zum anderen ergibt sich daraus die offen gebliebene Frage, wie der Kläger mit Kleidung und Stereoanlage aus Hamburg zur X-Straße in B gelangte (Taxi, Bahn, wurde er von der Beigeladenen abgeholt?).
Der Senat kann danach nicht ausschließen, dass der Ablauf vom Kläger und der Beigeladenen unzutreffend beschrieben wurde und der Versöhnungsversuch tatsächlich bereits vor dem 1. Januar 1998 endete.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 4 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).