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  • 07.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102042

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 29.01.2010 – 10 K 2720/09

    1. Vom Finanzamt geleistete Erstattungszinsen unterliegen der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da auch eine erzwungene Kapitalüberlassung zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen kann.



    2. Erstattungszinsen stellen keine außerordentlichen Einkünfte i. S. v. § 34 Abs. 1 und 2 EStG dar, da sie Entgelt für vorenthaltenes Kapital und keine Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 EStG für entgangene Zinsen sind, die mit dem vorenthaltenen Kapital hätten erzielt werden können.



    3. Erstattungszinsen sind keine Nutzungsvergütungen i. S. des § 24 Nr. 3 EStG.



    4. Die Besteuerung von Erstattungszinsen ist verfassungsgemäß.


    FG Baden-Württemberg v. 29.01.2010

    10 K 2720/09

    Tatbestand
    Streitig ist, ob die ermäßigte Besteuerung des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – auf die im Streitjahr 2006 zugeflossenen Erstattungszinsen gemäß § 233a AO Anwendung findet.

    Die Kläger sind seit dem Jahr 1963 verheiratet. Der Ehemann ist Rentner, die Ehefrau Rentnerin. Für das Streitjahr wurden sie, gemäß der am 23. August 2007 abgegebenen Einkommensteuererklärung, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.

    Die Klägerin entrichtete am 9. Juli 1997 gemäß dem Einkommensteuerbescheid 1995 vom 5. Mai 1997 eine Einkommensteuernachzahlung in Höhe von 725.144,49 DM. Der für die Nachzahlung benötigte Betrag war als Sparguthaben bei der Kreissparkasse X angelegt. Die Nachzahlung entfiel auf den Ansatz eines Veräußerungsgewinns gemäß § 16 EStG. Die Klägerin war Kommanditistin der Firma C KG. Im Jahr 1995 wurde die Kommanditbeteiligung für einen Kaufpreis von rund 3,47 Mio. DM veräußert. Der Veräußerungszeitpunkt war der 31. Dezember 1995. Im Streitjahr stellt sich heraus, dass der Veräußerungsgewinn endgültig ausgefallen ist. Der Beklagte änderte daher auf Grund des geänderten Grundlagenbescheids vom 9. Mai 2006 durch das Finanzamt Y den Einkommensteuerbescheid 1995 mit Ansatz eines Veräußerungsgewinns von 0 Euro und unter Festsetzung von Erstattungszinsen.

    Der erstmalige Einkommensteuerbescheid 2006, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, erging mit Datum vom 8. November 2007. Die Einkommensteuer wurde mit dem Betrag von 38.400,00 EUR, die evangelische Kirchensteuer mit 3.076,00 EUR und der Solidaritätszuschlag mit 2.112,00 EUR festgesetzt. Bei der Steuerfestsetzung wurden bei den Einnahmen aus Kapitalvermögen der Ehefrau Erstattungszinsen gem. § 233a der Abgabenordnung – AO – in Höhe von 118.101 EUR berücksichtigt. Diese resultierten aus einer Einkommensteuererstattung für das Jahr 1995 und entfallen auf einen Zeitraum von 109 Monaten.

    Gegen diesen Bescheid haben die Kläger, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 21. November 2007, eingegangen beim Beklagten am 26. November 2007, form- und fristgerecht Einspruch erhoben.

    Dieser richtete sich u.a. gegen die Besteuerung von Erstattungszinsen für einen Zeitraum von 109 Monaten als laufende Einkünfte. Sofern im zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten seien, sei nach Ansicht der Klägervertreter gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG, die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach den Sätzen 2 bis 4 dieser Vorschrift zu berechnen, so genannte Fünftelregelung. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehörten nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch die Zinsen, die vom Finanzamt für Steuererstattungen gezahlt werden. Im Streitjahr seien der Klägerin Zinsen in Höhe von 119.172,00 EUR für einen Zeitraum von 109 Monaten zusammengeballt ausgezahlt worden. Die Zinszahlung sei auf eine Einkommensteuererstattung für den Veranlagungszeitraum 1995 zurückzuführen. Die Zinsen nach § 233 a AO würden nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift als Entschädigung für einen etwaigen Zinsnachteil gezahlt und seien somit als Ersatz für entgangene Einnahmen anzusehen. Das zu versteuernde Einkommen der Kläger habe in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen den Tabelleneingangsbetrag nicht überschritten. Im Streitjahr sei durch die zusammengeballte Auszahlung der Zinsen ein erheblicher Progressionsnachteil entstanden, der über die Vorschrift der so genannten Fünftelregelung abgefedert werden solle. Die Zinsen seien als Entschädigung nach § 24 EStG somit begünstigt zu besteuern.

    Mit Schreiben vom 28. November 2007 teilte der Beklagte dem Steuerberater mit, dass der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 29. September 1981 VIII R 39/79, Bundessteuerblatt – BStBI – II 1982, 113 hinsichtlich Verzugszinsen entschieden habe, dass steuerrechtlich in Zinsform zu leistender Schadenersatz als Zinsentgelt für die erzwungene Kapitalüberlassung und nicht, wie zivilrechtlich, als Entschädigung anzusehen sei.

    Am 11. Dezember 2007 erging wegen eines weiteren Einspruchsbegehrens ein geänderter Einkommensteuerbescheid 2006, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Die Einkommensteuer wurde nunmehr mit dem Betrag von 38.136,00 Euro, die evangelische Kirchensteuer mit 3.054,88 Euro und der Solidaritätszuschlag mit 2.097,48 Euro festgesetzt. Der Änderungsbescheid wurde zum Gegenstand des Verfahrens. Die Klägervertreter erwiderten mit Schreiben vom 27. Februar 2008, Grundlage für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG sei das Vorliegen von Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG. Dies sei bei Erstattungszinsen gemäß § 233a AO der Fall. Zinsen nach § 233a AO entstünden, um den typisierend angenommenen Zinsvorteil des Zahlungsverpflichteten und – wie hier – den Zinsnachteil des Zahlungsempfängers auszugleichen. Es handele sich folglich begrifflich um Ersatz des durch die verspätete Erstattung entstandenen Zinsschadens und damit um Ersatz für entgangene Zinseinnahmen gemäß § 24 Nr. 1a EStG. Das vom Finanzamt benannte Urteil des BFH sei zu Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB ergangen. Derartige Zinsen würden nur für die Zeit des Zahlungsverzugs des Schuldners entstehen. Voraussetzung sei gemäß § 286 Abs. 1 BGB die Fälligkeit der Forderung. Damit liege ein grundlegend abweichender Sachverhalt vor. Die Entstehung von Zinsen gemäß § 233a AO erfolge vollständig unabhängig von der Fälligkeit der festgesetzten Abgabennachzahlung bzw. – erstattung. Die Frage des Ob der Entstehung und der Höhe von Zinsen nach § 233a AO richte sich gemäß § 233a Abs. 2 AO allein nach dem Zeitpunkt, in dem der Festsetzungs- und Abrechnungsbescheid ergehe. Zinsen nach § 233a AO würden demnach einen von Verzugszinsen abweichenden rechtlichen Charakter besitzen. Die Grundsätze des benannten Urteils des BFH seien daher auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar.

    Mit Schreiben vom 14. April 2008 stellten die Kläger, vertreten durch ihre Klägervertreter, ergänzend zum Einspruch den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO. Es wurde gebeten, bei der Entscheidung über den Einspruch auch über eine Herabsetzung der Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen mit zu entscheiden. Diesbezüglich wurde auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. November 2007 VIII R 36/05, verwiesen, das unter den Urteilsgründen auch Billigkeitserwägungen für erforderlich halte.

    In der am 28. Mai 2009 ergangenen Einspruchsentscheidung wurde infolge vorliegend nicht streitgegenständlicher Sachverhalte unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2006 vom 11. Dezember 2007 die Einkommensteuer auf 37.516 Euro, die evangelische Kirchensteuer auf 3.005,12 Euro und der Solidaritätszuschlag auf 2.063,38 Euro herabgesetzt und Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von 39 Euro erstmalig festgesetzt. Hinsichtlich der begehrten ermäßigten Besteuerung der Erstattungszinsen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung der Einspruchsentscheidung wird ausgeführt, dass die Erwägungen des BFH in den Urteilen zu Verzugs- und Prozesszinsen auf Grund der Vergleichbarkeit des Entschädigungsgedankens auch auf Erstattungszinsen übertragen werden könnten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2009 verwiesen. Soweit eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen begehrt werde, handele es sich nach Ansicht des Beklagten um ein separates Verfahren. Gemäß dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung – AEAO – zu § 163 Nr. 2 stelle die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme einen selbständigen Verwaltungsakt dar. Dies ergebe sich auch aus dem von den Klägervertretern angeführten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. November 2007, Aktenzeichen VIII R 36/05. Eine Einspruchsentscheidung darüber ist bis zum Zeitpunkt der Sitzung des erkennenden Senats nicht ergangen.

    Gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 11. Dezember 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2009 erhoben die Kläger mit Schriftsatz vom 24. Juni 2009, eingegangen bei Gericht am 26. Juni 2009, Klage.

    Die Kläger tragen vor, § 34 EStG sei auf die Erstattungszinsen anzuwenden. Denn die Erstattungszinsen nach § 233a AO beinhalteten eine Entschädigung für entgangene Zinseinnahmen i.S. des § 24 Nr. 1a EStG und stellten mithin außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG dar. Der Gesetzgeber habe mit der allgemeinen Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen einen Ausgleich dafür schaffen wollen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen – aus welchen Gründen auch immer – zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig werden. Der Zinsanspruch des Steuerpflichtigen bzw. des Fiskus werde mithin jeweils durch den Verlust von Zinseinnahmen ausgelöst und erfülle damit den Begriff der „Entschädigung” im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG. Denn die Auslösung des Zinsanspruchs durch den Verlust von Zinseinnahmen sei entscheidende Voraussetzung für das Vorliegen einer derartigen Entschädigung. Die Kläger verwiesen hierfür auf das Urteil des BFH vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BStBl. II 1995, 121 unter Ziffer II. 4. a). Die streitgegenständlichen Erstattungszinsen sollten mithin dem Grunde nach den Verlust der Zinseinnahmen ausgleichen, die die Klägerin durch die Auflösung des Festgeldes bzw. Tagesgeldes bzw. Sparguthaben in dem Jahr 1996 bzw. durch die Unmöglichkeit anderweitiger zinsbringender Anlagen bis zum Jahr 2006 erlitten habe. Dass die Erstattungszinsen sich der Höhe nach nicht am tatsächlich eingetretenen Zinsverlust der Klägerin orientierten, sondern fest mit 6% ermittelt worden seien, führe nicht zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung.

    Mit Schriftsatz vom 9. November 2009, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, beantragten die Klägervertreter Aussetzung des Klageverfahrens im Hinblick auf die ihrer Auffassung nach vorgreifliche Entscheidung im anhängigen Revisionsverfahren VIII R 33/07. Hilfsweise wird in dem Schreiben beantragt, den Rechtsstreit auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz – GG – dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Denn für die einkommensteuerrechtliche Ungleichbehandlung von Erstattungszinsen einerseits und von Nachzahlungszinsen andererseits gebe es nach Ansicht der Kläger keine sachliche Rechtfertigung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Kläger vollumfänglich Bezug genommen.

    Die Kläger beantragen sinngemäß:

    Der Bescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer, und Solidaritätszuschlag 2006 vom 11. Dezember 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2009 wird dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer, die auf die außerordentlichen Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 118.101 Euro entfällt, nach dem Tarif für außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG bemessen und die bisherige Festsetzung von 37.516 Euro auf 21.210 Euro herabgesetzt wird.

    Hilfsweise, die Einkommensteuer 2006 auf den Betrag herab zu setzen, der sich ergibt, wenn die Erstattungszinsen mit 0 Euro angesetzt werden.

    Das Klageverfahren bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs in dem Revisionsverfahren VIII R 33/07 gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung – FGO – auszusetzen.

    Höchsthilfsweise zu 3., den Rechtsstreit auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

    Hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte verweist hinsichtlich Sachverhalt und Gründe auf die Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2009. Auf die Einspruchsentscheidung wird vollumfänglich Bezug genommen. Nach Ansicht des Beklagten sei das anhängige Revisionsverfahren VIII R 33/07 für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Die Erfassung von Erstattungszinsen bei den Einnahmen aus Kapitalvermögen sei nicht strittig. Die diesbezüglich vorliegende Rechtsprechung sei eindeutig. In dem beim Bundesfinanzhof anhängigen Verfahren gehe es lediglich um die Frage, ob aufgrund der Erfassung von Erstattungszinsen auf der Einnahmeseite nicht Nachzahlungszinsen entsprechend steuerlich absetzbar sein müssten.

    Am 23. Oktober 2009 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten ausführlich erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 23. Oktober 2010 Bezug genommen. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 18. Januar 2010, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, wurden die Beteiligten auf das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 2. September 2008 VIII R 2/07, Sammlung der nicht amtlich veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2009, 264 hingewiesen. Beide Parteien haben schriftsätzlich das Einverständnis mit der Entscheidung des erkennenden Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt. Es wird vollumfänglich auf die Finanzamtsakten, die Gerichtsakten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.



    Entscheidungsgründe
    1. Die zulässige Klage ist hinsichtlich Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.

    Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – kann das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid nur dann aufheben oder ändern, wenn dieser rechtswidrig und die Kläger dadurch in ihren Rechten verletzt sind. Der Senat kann den angefochtenen Bescheid im Streitfall allerdings nicht als rechtswidrig beanstanden.

    Der Beklagte hat zu Recht angenommen, dass die im Jahr 2006 gezahlten Erstattungszinsen keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – darstellen, und daher nicht mit einem ermäßigten Steuersatz besteuert werden können. Der Hauptantrag ist daher unbegründet. Die Anträge auf Aussetzung des Verfahrens lehnt der erkennende Senat ab.

    a) Dass vom Finanzamt geleistete Erstattungszinsen der Steuerpflicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegen, hat der Bundesfinanzhof – BFH – bereits mehrfach entschieden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 175, 439, BStBl 1995 II S. 121 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 14. April 1992 VIII B 114/91, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 1993, 165; in diesem Sinne auch FG München, Beschluss vom 7. November 2001 13 V 3786/01, juris; FG Düsseldorf, Urteil vom 16. Dezember 2002 7 K 6126/01 E, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2003, 461, und Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2004 3 K 252/02, EFG 2004, 1213). Auch Schrifttum und Finanzverwaltung gehen übereinstimmend davon aus, dass eine erzwungene Kapitalüberlassung zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen kann (Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 28. Aufl. 2009, § 20 Rz. 124; Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach – HHR –, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 20 EStG Anm. 850, Stichwort Erstattungszinsen bzw. Prozesszinsen; Harenberg/Irmer, Die Besteuerung privater Kapitaleinkünfte, 3. Aufl., S. 476; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 20 EStG Rz. 298; Loose, EFG 2004, 501; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Vor § 233 AO Tz. 17; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler – HHSp –, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Vor §§ 233 bis 239 AO Rz. 16; Schreiben des Bundesministerium der Finanzen – BMF – vom 20. November 2000 IV B 4 – S 1300-222/00, Ertragsteuerliche Erfassung der Zinsen auf Steuernachforderungen und Steuererstattungen gemäß § 233a AO, BStBl I 2000, 1508; Oberfinanzdirektion – OFD – Magdeburg, Behandlung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen, Verfügung vom 27. August 2003 – S 2252-68-St 214, Der Betrieb – DB – 2003, 2040).

    b) Die Erstattungszinsen stellen keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 34 Abs.1 und 2 EStG dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der einzelnen Alternativen des § 34 Abs. 2 EStG sind nicht gegeben.

    aa) Die Erstattungszinsen sind keine Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG.

    § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt Entschädigungen voraus, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Die Zinsansprüche der Klägerin sind indes nicht an die Stelle anderer Ansprüche getreten (vgl. BFH-Urteil vom 20. Mai 1980 VIII R 64/78, BFHE 131, 297, BStBl II 1981, 6; BFH-Urteil vom 22. April 1966 VI 142/65, BFHE 85, 453, BStBl III 1966, 462). Sie sind nicht durch den Verlust von Zinseinnahmen ausgelöst worden. Die Auslegung des § 24 Nr.1 Buchst.a EStG darf sich nicht an den besonderen Voraussetzungen orientieren, die § 34 EStG als Tarifvorschrift für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zusätzlich verlangt, also vor allem die Zusammenballung von Einkünften und die damit verbundene höhere Besteuerung infolge der Progression des Einkommensteuertarifs als Merkmal für außerordentliche Einkünfte (vgl. BFH-Beschluss vom 14. April 1992 VIII B 114/91, BFH/NV 1993, 165, 166 m.w.N.).

    Der BFH hat in dem Urteil vom 29. September 1981 VIII R 39/78, BStBl. II 1982, 113 ausgeführt, dass bei Verzugszinsen keine ermäßigte Besteuerung in Betracht komme. Derartige Zinsen würden Entgelt für dem Gläubiger vorenthaltenes Kapital darstellen. Es könne nicht mehr – entsprechend der zivilrechtlichen Betrachtung – unterstellt werden, dass diese eine Entschädigung für die Zinsen seien, die der Gläubiger bei einer Kreditgewährung mit dem vorenthaltenen Kapital hätte erzielen können. Somit entfalle die Möglichkeit der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes.

    Hinsichtlich des Entschädigungsgedankens ist nach Ansicht des erkennenden Senatseine Vergleichbarkeit von Verzugszinsen und Erstattungszinsen gegeben. Durch beide soll ein entstandener Nachteil ausgeglichen werden. Des Weiteren liegt in beiden Fällen eine erzwungene Kapitalüberlassung vor, für die ein Entgelt in Form von steuerpflichtigen Zinsen gezahlt wird. Es wäre darüber hinaus widersprüchlich, wenn die Erstattungszinsen einerseits als Einnahmen i.S. des § 20 Abs.1 EStG und anderseits gleichzeitig als Entschädigung für entgangene Einnahmen i.S. des § 24 Nr.1 Buchst. a EStG angesehen werden würden. Sind die Erstattungszinsen, wie dargelegt, Entgelt i.S. des § 20 Abs.1 Nr. 7 EStG, kann nicht mehr unterstellt werden, dass die Erstattungszinsen eine Entschädigung für die Zinsen sind, die der Gläubiger bei einer Geldanlage mit dem vorenthaltenen Kapital hätte erzielen können (ebenso zu Verzugszinsen vgl. BFH-Urteil vom 29. September 1981 VIII R 39/78 , BStBl. II 1982, 113 [Ziffer 5 der Entscheidungsgründe]). Ohne die Annahme einer Entschädigung i.S. des § 24 Nr.1 Buchst. a EStG entfällt die Möglichkeit einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG.

    Im Übrigen hat der BFH auch hinsichtlich der ebenfalls vergleichbaren Prozesszinsen so entschieden. Mit Urteil vom 25.10.1994 VIII R 79/91, BStBl. II 1995, 121 hat er seine diesbezügliche Rechtsprechung bestätigt. Hiernach sind auch Prozesszinsen mit dem normalen Steuerersatz zu besteuern. Die Ausführungen des Urteils sind entsprechend auf Erstattungszinsen gemäß § 233 a AO anzuwenden.

    Der VIII. Senat des BFH hat sich wiederholt mit den gegen die steuerrechtliche Erfassung von Prozess- und Verzugszinsen vorgebrachten Einwänden auseinandergesetzt (vgl. Beschluss vom 14. April 1992 VIII B 114/91, BFH/NV 1993, 165, 166; Urteil vom 9. Mai 1989 VIII R 184/82, BFH/NV 1990, 283, 284 m.w.N.). Es besteht keine Veranlassung, die Besteuerung von Erstattungszinsen abweichend zu beurteilen. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch stellt eine Kapitalforderung dar und die Erstattungszinsen sind das Entgelt dafür, dass der Steuerpflichtige dem Steuerfiskus ein Kapital überlassen hat, zu dessen Leistung er nicht verpflichtet war (vgl. Kirchhof/Söhn, EStG, Kommentar, § 20 I 13, 11).

    Auch Zinserträge aus anderen Kapitalanlage unterfallen nicht § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG, z. B. aus Bundesschatzbriefen Typ B. Zinserträge aus der Anlageform Bundesschatzbriefe Typ B fallen nicht jährlich, sondern am Ende der Laufzeit nach sieben Jahren auf einmal an. Dies genügt nicht, um sie als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 EStG zu qualifizieren.

    Dass Erstattungszinsen nach § 233a AO keine Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG darstellen, kann zudem aus dem Umkehrschluss zu § 34 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 24 Nr. 3 EStG abgeleitet werden. In § 34 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 24 Nr. 3 EStG wird der Begriff Zinsen durch den Gesetzgeber ausdrücklich verwendet und lediglich im Zusammenhang mit den Fallkonstellationen des § 24 Nr. 3 EStG werden Zinsen im Rahmen des § 34 Abs. 2 EStG als außerordentliche Einkünfte erfasst. Der Gesetzgeber differenziert mit seiner Wortwahl in § 34 Abs. 2 EStG zwischen Veräußerungsgewinnen, Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG sowie Nutzungsvergütungen und Zinsen im Sinne des § 24 Nr. 3 EStG. Zinsen und Entschädigungen können daher im Rahmen dieser Norm nicht gleichgesetzt werden.

    bb) Die Erstattungszinsen sind auch keine Nutzungsvergütungen und Zinsen im Sinne des § 24 Nr. 3 EStG (vgl. § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG). Gegenstand des § 24 Nr. 3 EStG sind lediglich Nutzungsvergütungen für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke sowie Zinsen auf solche Nutzungsvergütungen und auf Entschädigungen, die mit der Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke zusammenhängen. Die im Streitfall infolge der Herabsetzung des Veräußerungsgewinns aus der Kommanditbeteiligung und der daraus resultierenden reduzierten Einkommensteuerschuld geleisteten Erstattungszinsen erfüllen die Voraussetzungen offensichtlich nicht.

    cc) Bei den Erstattungszinsen handelt es sich ferner nicht um Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.

    Im Hinblick auf die Erstattungszinsen nach § 233a AO folgt dies bereits daraus, dass diese keine Vergütung für eine Tätigkeit der Kläger, sondern eine Vergütung für eine Kapitalüberlassung darstellen. Die Zinsen sind nach der besonderen Vorschrift des § 233a AO seitens des Beklagten für die Vorenthaltung des Kapitals in dem Zeitraum zwischen der ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzung und der korrigierten Steuerfestsetzung zu zahlen. Hinzu kommt, dass im Rahmen gewerblicher Einkünfte Änderungen bei dem anzusetzenden Veräußerungserlös und – gewinn nicht außergewöhnlich sind, sondern, etwa nach einer Betriebsprüfung oder Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers, nicht selten vorkommen und daher schwankende Einkünfte immanent sind.

    c) Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.

    Wie oben unter 1. a) mit Hinweis auf zahlreichen Fundstellen dargestellt worden ist, unterliegen die vom Finanzamt geleistete Erstattungszinsen der Steuerpflicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Dies hat der BFH mehrfach entschieden [ausführliche Nachweise siehe oben 1. a)]. Auch Schrifttum und Finanzverwaltung gehen übereinstimmend davon aus, dass Erstattungszinsen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen [ausführliche Nachweise siehe oben 1. a)].

    Der Ansatz von Erstattungszinsen gemäß § 233a AO als Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist rechtmäßig. In dem beim Bundesfinanzhof anhängigen Verfahren VIII R 33/07 geht es zum einen lediglich um die vorliegend nicht streitgegenständliche Frage, ob aufgrund der Erfassung von Erstattungszinsen auf der Einnahmeseite nicht Nachzahlungszinsen entsprechend steuerlich absetzbar sein müssten. Zum anderen hat der BFH mit Urteil vom 2. September 2008 VIII R 2/07, BFH/NV 2009, 264 bereits entschieden, dass gegen die Regelung des § 12 Nr. 3 EStG keine verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, insbesondere auch nicht im Hinblick auf das objektive Nettoprinzip. Das objektive Nettoprinzip gebiete allein den Abzug der mit der Einkünfteerzielung zusammenhängenden Aufwendungen, lasse jedoch den Grundsatz unberührt, dass Vorgänge in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen – wie die Einkommensverwendung durch Zahlung von Steuern und Nebenleistungen – einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden. Der erkennende Senat teilt diese Ansicht. Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG vermag der Senat nicht zu erkennen.

    d) Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen des anhängigen Revisionsverfahrens VIII R 33/07 wird abgelehnt. Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Der Senat sieht bereits keine Vorgreiflichkeit des Revisionsverfahren VIII R 33/07 auf den vorliegenden Rechtsstreit. Zum einen liegt dem anhängigen Revisionsverfahren ein vom Streitfall abweichender Sachverhalt zugrunde. Zum anderen hat der BFH im Verfahren VIII R 2/07 (siehe soeben unter c) zu der Frage im Verfahren VIII R 33/07 bereits Stellung genommen. Gemäß dem Urteil des BFH vom 2. September 2008 VIII R 2/07, BFH/NV 2009, 264 schließt § 12 Nr. 3 EStG den Abzug von Nachzahlungszinsen i.S. des § 233a AO als Werbungskosten unabhängig davon aus, ob der Steuerpflichtige den nachzuzahlenden Betrag vor der Nachzahlung zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen eingesetzt hat. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 12 Nr. 3 EStG hat der BFH ebenso wie der erkennende Senat nicht. Selbst wenn eine Vorgreiflichkeit gegeben wäre, kommt der erkennende Senat im Rahmen der Ermessensausübung bei Abwägung der prozessökonomischen Gesichtspunkte und den Interessen der Beteiligten zu dem Ergebnis, dass vorliegend vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Stellungnahme des BFH im Urteil vom 2. September 2008 VIII R 2/07, BFH/NV 2009, 264 und der eindeutigen, wiederholt bestätigten Rechtsprechung, dass Erstattungszinsen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen, eine Aussetzung des Verfahrens abzulehnen ist.

    e) Auch darüber hinaus hat der erkennende Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Steuerpflicht der geleisteten Erstattungszinsen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und die Nichtanwendung der Fünftelregelung auf die streitgegenständlichen Erstattungszinsen. Bei der ermäßigten Besteuerung gemäß § 34 EStG handelt es sich um vom Gesetzgeber vorgegebene Ausnahmetatbestände von der Anwendung des normalen Tarifs. Den Grundsatz stellt die Anwendung des normalen, nicht ermäßigten Steuersatzes dar. So liegt auch der Streitfall. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Regelung des § 34 EStG seinen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Gründe für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sind für den erkennenden Senat nicht ersichtlich. Eine Aussetzung des Verfahrens, um nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht die Norm des § 34 Abs. 2 EStG vorzulegen, kommt daher nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG sind nicht gegeben.

    e) Ob die erstatteten Zinsbeträge im Billigkeitswege ermäßigt besteuert werden können und ob ggf. weiterreichende Billigkeitserwägungen anzustellen sind, ist im Verfahren wegen der Steuerfestsetzung nicht zu prüfen (vgl. BFH-Beschluss vom 14. April 1992 VIII B 114/91, BFH/NV 1993, 165, 167; BFH-Urteile vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BFHE 168, 500, BStBl II 1993, BStBl 1993 II S. 3, BStBl 1993 II S. 5, und vom 13. April 1989 IV R 196/85, BFHE 156, 489, BStBl II 1989, 614, 616).

    2. Die Kläger tragen gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

    3. Die Revision war nicht zuzulassen, da im Streitfall Gründe im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

    4. Der Senat hat gemäß § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden.

    RechtsgebieteAO, EStgVorschriftenAO § 233a EStG § 34 Abs. 1 EStG § 34 Abs. 2 EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG § 24 Nr. 1 EStG § 24 Nr. 3 GG Art. 3

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