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  • 28.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223745

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 28.04.2021 – 2 K 2220/20 E

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
     
    1

    Tatbestand
    2

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Streitjahr 2019 hinsichtlich zweier  Grundstücke den Tatbestand privater Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt hat.
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    Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
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    Der Beklagte erließ am 20.03.2020 einen Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 2019. In diesem erfasste er u.a. sonstige Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften. In den Erläuterungen des Bescheides führte der Beklagte aus, dass das erste Objekt am 18.03.2009 ersteigert und am 31.01.2019 durch Zwangsversteigerung veräußert und das zweite Objekt am 17.03.2009 ersteigert und 23.01.2019 durch Zwangsversteigerung veräußert worden seien. Nachfolgend nahm der Beklagte eine Berechnung des Überschusses nach § 23 EStG vor, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig ist.
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    Gegen den Vorauszahlungsbescheid legten die Kläger am 25.03.2020 Einspruch ein und trugen zur Begründung des Einspruchs vor:
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    Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 23.07.2019 IX R 28/18 fehle es bereits an einem steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Nach den Grundsätzen des Urteils müsse die entgeltliche Übertragung des Grundstücks vom Willen des Steuerpflichtigen getragen sein. Diese Voraussetzung sei im Fall einer Zwangsversteigerung entsprechend den Gegebenheiten bei einer Enteignung generell nicht erfüllt. Vorliegend sei es ihm ‒ dem Kläger ‒ aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, welche u.a. durch die bestehenden Steuerschulden bedingt seien, auch objektiv unmöglich gewesen, die Zwangsversteigerung - etwa durch die Tilgung der gesamten bestehenden Schulden - abzuwenden. Aufgrund dessen habe es an der erforderlichen Möglichkeit zu einer Einflussnahme auf die Zwangsversteigerungsverfahren gefehlt.
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    Ferner betrage bei beiden Grundstücken der Zeitraum zwischen dem Erwerb und der Veräußerung mehr als zehn Jahre. Für die Berechnung der Fristen sei auf die Zeitpunkte der jeweiligen Zuschlagbeschlüsse abzustellen. Danach sei das erste Objekt am 26.03.2009 erworben und am 29.03.2019 veräußert bzw. das zweite Objekt am 17.03.2009 erworben und am 21.03.2009 veräußert worden. Die Daten der Zuschlagbeschlüsse seien auch für den Übergang der Einnahmen und Ausgaben zugunsten und zu Lasten des Erstehers maßgeblich.
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    In der Einspruchsentscheidung vom 24.08.2020 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte aus:
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    Die vom BFH im Urteil vom 23.07.2019 IX R 28/18 für Grundstücksenteignungen aufgestellten Rechtsgrundsätze seien auf Fälle der Abgabe eines Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren nicht anwendbar. Vielmehr bestätige der BFH in dem zitierten Urteil unter Rn. 21, dass eine willentliche wirtschaftliche Betätigung als Merkmal eines Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beispielsweise auch in der Abgabe eines Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren zu sehen sei. Der entscheidende Unterschied zwischen einer Enteignung und einer Zwangsversteigerung liege darin, dass der bisherige Eigentümer im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens die Möglichkeit behalte, sich gegen die Zwangsversteigerung durch Tilgung der Schulden oder eine anderweitige Vereinbarung mit dem betreibenden Gläubiger zu wenden.
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    Zudem werde das Vorbringen des Klägers, wonach er aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage gewesen sei, die Zwangsversteigerungsverfahren abzuwenden, bezweifelt. Trotz bestehender Steuerschulden in nicht unerheblicher Höhe sei der Kläger in der Vergangenheit häufig in der Lage gewesen, die Zwangsversteigerungen durch Umschuldung auf andere Banken abzuwenden oder Schulden durch private Darlehensaufnahmen zu befriedigen. Hierbei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin ebenfalls über Immobilienvermögen in nicht unerheblicher Höhe verfüge. Der Kläger sei darüber hinaus Anteilseigner von Kapitalgesellschaften, die ebenfalls über Immobilienvermögen verfügten. Eine Vermögensauskunft habe der Kläger bislang nicht abgegeben.
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    Für die Berechnung der Spekulationsfrist sei das obligatorische Rechtsgeschäft maßgeblich. Dies bedeute, dass nicht das Datum des Zuschlagbeschlusses, sondern das Datum der Abgabe des Meistgebotes, dessen Wirkung dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrages über das Grundstück entspreche, maßgeblich sei. Als Meistbietender habe der Kläger den Anspruch erworben, dass ihm das Grundstück durch Zuschlagbeschluss des Versteigerungsgerichts übertragen werde (§§ 81 Abs. 1, 90 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ‒ ZVG ‒).
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    Gegen die Einspruchsentscheidung haben die Kläger am 03.09.2020 Klage erhoben und tragen unter Einbeziehung ihres Vorbringens im Einspruchsverfahren ergänzend vor, dass für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung nach der ständigen Rechtsprechung grundsätzlich der Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen Vertrages maßgeblich sei. Der Normzweck setze voraus, dass die entsprechenden schuldrechtlichen Vertragserklärungen des Verkäufers und des Erwerbers innerhalb der Spekulationsfrist abgegeben und der Vertrag wirksam geworden sei. Aufgrund dessen komme es für die Bestimmung des zehnjährigen Zeitraums entscheidend auf das Datum des Zuschlagbeschlusses an, der gemäß § 89 ZVG erst mit seiner Verkündung wirksam werde.
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    Im Laufe des Klageverfahrens hat der Beklagte am 09.12.2020 aus vorliegend nicht im Streit stehenden Gründen einen geänderten Vorauszahlungsbescheid zur Einkommensteuer für das Jahr 2019 erlassen. Der Bescheid enthält eine Herabsetzung der Vorauszahlungen.
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    Die Kläger beantragen,
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                  den Vorauszahlungsbescheid zur Einkommensteuer für das Jahr 2019 vom
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    20.03.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.08.2020 sowie
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    des Bescheides vom 09.12.2020 dahingehend zu ändern, dass die Voraus-
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    zahlungen zur Einkommensteuer für das Jahr 2019 ohne den Ansatz von
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    Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften festgesetzt werden.
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    Der Beklagte beantragt,
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                  die Klage abzuweisen.
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    Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen im Einspruchsverfahren Bezug.
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    Ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 ist bislang nicht erlassen worden.
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    Der Senat hat im Verfahren 2 V 2664/20 A(E) mit Beschluss vom 26.11.2020 einen Antrag der Kläger auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides 2019 abgelehnt. Auf den Inhalt des Beschlusses wird verwiesen.
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    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die dem Gericht überlassenen Steuerakten Bezug genommen.
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    Entscheidungsgründe
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    Die Klage ist nicht begründet.
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    Die Kläger sind durch den Vorauszahlungsbescheid zur Einkommensteuer für das Jahr 2019 vom 20.03.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.08.2020 sowie des Bescheides vom 09.12.2020 nicht in ihren Rechten verletzt(§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO -).
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    I. Der vorliegend angefochtene Vorauszahlungsbescheid in seiner geänderten Fassung ist weiterhin wirksam. Ein Jahressteuerbescheid zur Einkommensteuer 2019, der den Vorauszahlungsbescheid ersetzen und aufgrund dessen in entsprechender Anwendung des § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens würde (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 26.11.2008 ‒ X B 3/08, Sammlung aller Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‒ BFH/NV - 2009, 410, Rn. 7), ist bislang nicht ergangen.
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    II. Die durch Vorauszahlungsbescheid festzusetzenden Vorauszahlungen bemessen sich grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge bei der letzten Veranlagung ergeben hat (§ 37 Abs. 3 Satz 2 EStG). Gemäß § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 EStG kann das Finanzamt bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden 15. Kalendermonats zudem die Vorauszahlungen an die Einkommensteuer anpassen, die sich für den Veranlagungszeitraumvoraussichtlich ergibt.
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    Vorliegend ist der Vorauszahlungsbescheid zur Einkommensteuer 2019 in der ursprünglichen Form am 20.03.2020 ergangen und somit innerhalb der Frist von 15 Monaten nach Ablauf des Veranlagungszeitraums 2019.
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    III. Der Beklagte hat zu Recht sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften bei der Bemessung der Höhe der Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019 zugrunde gelegt.
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    Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Diese umfassen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unter anderem Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen unterliegt das in dieser Weise vollzogene Veräußerungsgeschäft in den durch § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG bestimmten Grenzen der Einkommensbesteuerung, ohne dass es nach der gesetzlichen Definition auf den Grund der Betätigung des Steuerpflichtigen (Spekulationsabsicht, Krankheit, drohende Enteignung, sonstiger Zwang usw.) ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 16.01.1973 ‒ VIII R 96/70, Bundessteuerblatt ‒ BStBl - II 1973, 445).
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    1. Unter den Begriff der Anschaffung und Veräußerung fallen nach der ständigen Rechtsprechung nicht nur Kaufverträge, sondern auch wirtschaftlich gleichzustellende Vorgänge, da nach Sinn und Zweck des § 23 EStG realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden sollen, soweit sie auf der entgeltlichen “Anschaffung“ und der entgeltlichen “Veräußerung“ des nämlichen Wirtschaftsgutes innerhalb der maßgeblichen Haltefrist beruhen (vgl. BFH-Urteile vom 15.01.1974 - VIII R 63/68, BStBl II 1974, 606; vom 13.12.1983 - VIII R 16/83, BStBl II 1984, 311; vom 08.11.2017 ‒ IX R 25/15, BStBl II 2018, 518; vom 23.07.2019 - IX R 28/18, BStBl II 2019, 701).
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    Bedingt durch den Wortlaut der Regelung des § 23 EStG, die im Einleitungssatz ein “Veräußerungsgeschäft“ fordert, ist erforderlich, dass der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung des nämlichen Wirtschaftsgutes auf eine andere Person wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen und mithin Ausdruck einer “wirtschaftlichen Betätigung“ sind (vgl. BFH-Urteil vom 23.07.2019 - IX R 28/18, a.a.O., m.w.N.). An einem willentlichen Erwerb bzw. einer willentlichen Übertragung auf eine andere Person fehlt es, wenn die Begründung oder der Verlust des Eigentums an dem Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet. Aufgrund dessen liegt nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 23.07.2019 - IX R 28/18, a.a.O.) in Fällen einer Enteignung kein Veräußerungsvorgang i.S. des § 23 EStG vor. Von der Enteignung sind jedoch die Fälle einer Veräußerung unter Zwang zu unterscheiden, weil es für die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäftes ‒ wie bereits ausgeführt ‒ nicht darauf ankommt, aus welchem Beweggrund die Veräußerung erfolgt (Musil in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 302. Lieferung 02.2021, § 23 EStG Rn. 75).
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    Die Voraussetzung einer willentlichen wirtschaftlichen Betätigung ist im Falle der Abgabe eines Meistgebots bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks sowohl bei der Anschaffung durch Ersteigerung als auch bei der Wiederversteigerung erfüllt. Die Abgabe des Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren entspricht in ihrer Wirkung dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrags zwischen Eigentümer und Meistbietendem (vgl. BFH-Urteile vom 28.06.1977 - VIII R 30/74, BStBl II 1977, 827; vom 18.12.2015 - IX B 101/15, BFH/NV 2015, 400; vom 23.07.2019 ‒ IX R 28/18, BStBl II 2019, 701; Musil in: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 23 EStG Rn. 76). Der Meistbietende erwirbt mit der Abgabe des Meistgebots nach §§ 81 Abs. 1, 90 Abs. 1 ZVG den Anspruch, dass ihm das Eigentum an dem versteigerten Grundstück durch Zuschlagbeschluss des Versteigerungsgerichts übertragen wird (vgl. BFH-Urteile vom 29.03.1989 ‒ X R 4/84, BStBl II 1989, 652; vom 27.08.1997 ‒ X R 26/95, BStBl II 1998, 135; BFH, vom 23.07.2019 ‒ IX R 28/18, a.a.O.).
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    Der Eigentumsverlust im Wege einer Zwangsversteigerung entspricht entgegen der Auffassung der Kläger nicht einem Eigentumsverlust im Wege einer Enteignung. Es dürfte sich im Falle einer Zwangsversteigerung zwar regelmäßig um einen Eigentumsverlust unter Zwang handeln. Dies rechtfertigt im Vergleich mit einem Eigentumsverlust durch eine Enteignung jedoch nicht den Schluss auf das Fehlen einer willentlich wirtschaftlichen Betätigung. Maßgeblich für diese Beurteilung ist das dem Schuldner nach§ 30a Abs. 1 ZVG eingeräumte Recht, eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung zu beantragen, um dadurch eine Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens durch eine Befriedigung der Gläubiger zu verhindern. Diese Möglichkeit bietet eine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass das Zwangsversteigerungsverfahren als willentliche wirtschaftliche Betätigung zu bewerten ist und sich nicht als Übertragungsvorgang darstellt, der ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet. Jede andere Beurteilung hätte eine nicht gerechtfertigte Einschränkung des in § 23 EStG geregelten Tatbestandes zur Folge, wonach dem Grund für die wirtschaftliche Betätigung keine Bedeutung beizumessen ist, solange eine willentliche Betätigung des Steuerpflichtigen nicht in Gänze ausgeschlossen ist.
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    Im Falle einer Enteignung ist demgegenüber eine Möglichkeit zur Abwendung des Eigentumsverlustes regelmäßig ausgeschlossen. Die “Veräußerung“ wird dem Steuerpflichtigen durch den staatlichen Hoheitsakt kraft Gesetzes aufgezwungen, was zur Folge hat, dass die Annahme eines einem Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG gleich zu setzenden Vorgangs ausscheidet.
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    Im Hinblick auf die vorstehenden Grundsätze ist die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob der Kläger wirtschaftlich zu einer Ablösung der den Zwangsversteigerungen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten in der Lage gewesen wäre, für die Entscheidung unerheblich. Ungeachtet dessen ist eine wirtschaftliche Zwangslage des Klägers weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung substantiiert dargelegt worden. Gegen eine solche Zwangslage spricht zudem der aus der Höhe der Einkünfte ersichtliche sehr günstige “Verkauf“ der Grundstücke.
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    2. Der Zeitraum zwischen den Anschaffungen und den Veräußerungen beträgt jeweils auch nicht mehr als zehn Jahre.
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    Für die Berechnung der Veräußerungsfristen ist nach der ständigen Rechtsprechung das obligatorische Anschaffungsgeschäft und nicht der dingliche Vollzug maßgebend (vgl. BFH-Urteile vom 04.06.2003 - X R 49/01, BStBl II 2003, 751; vom 13.12.2005 - IX R 14/03, BStBl II 2006, 513; vom 12.05.2011 - IV R 37/09, BFH/NV 2012, 41; vom 08.04.2014 - IX R 18/13, BStBl II 2014, 826; vom 23.07.2019 - IX R 28/18, BStBl II 2019, 701). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sich der Steuerpflichtige Werterhöhungen von Wirtschaftsgütern innerhalb einer bestimmten Frist schon mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts wirtschaftlich zuführt (vgl. BFH-Urteil vom 26.08.1975 - VIII R 61/72, BStBl II 1976, 64; Musil in: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 23 EStG, Rn. 51). Der dingliche Vollzug muss zwar nachfolgen, er muss aber nicht innerhalb der “Spekulationsfrist“ nachfolgen (Kube in: Kirchhof, EStG, 19. Aufl. 2020, § 23 EStG Rn. 17). Unerheblich für die Beurteilung ist aufgrund dessen der Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Lasten im Rahmen einer Grundstücksübertragung, der regelmäßig an die Zahlung des Kaufpreises anknüpft.
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    Übertragen auf die Vorgänge im Rahmen einer Zwangsversteigerung ist der für die Fristberechnung maßgebliche “obligatorische“ Vorgang bereits mit der Abgabe des Meistgebots erfüllt. Die Abgabe des Meistgebots entspricht in ihrer Wirkung dem Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrages über ein Grundstück und erfüllt damit den Anschaffungstatbestand i.S. des § 23 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 28.06.1977 - VIII R 30/74, a.a.O.; vom 15.12.1993 ‒ X R 49/91, BStBl II 1994, 687, Rn. 20). Der nachfolgende Zuschlagbeschluss des Vollstreckungsgerichts steht allein im Zusammenhang mit dem “dinglichen“ Eigentumserwerb des Meistbietenden. Maßgeblich für diese Beurteilung ist die rechtliche Ausgestaltung des Zwangsversteigerungsverfahrens durch das ZVG. Der Meistbietende erwirbt durch die Abgabe seines Gebots nach § 81 Abs. 1 ZVG einen Anspruch auf Erteilung des Zuschlags. Es handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf den Zuschlag. Umgekehrt ist der Meistbietende an sein Gebot gebunden (Bachmann in: Depré, ZVG, 2. Aufl. 2018, § 81 ZVG, Rn. 7). Der dem Meistgebot nachfolgende Zuschlag ist ein staatlicher Hoheitsakt, durch den der Ersteher nach § 90 Abs. 1 ZVG originär das Eigentum an dem Grundstück erwirbt (Bachmann in: Depré, a.a.O., § 81 ZVG, Rn. 18). Der dem Meistgebot nachfolgende Zuschlag bewirkt mithin die Entstehung des Eigentums beim Meistbietenden. Der Zuschlag ist aufgrund dessen der “dingliche“ Akt der Eigentumsübertragung.
    43

    Nach diesen Grundsätzen sind für die Fristberechnungen die Zeitpunkte der Abgabe der Meistgebote maßgeblich. Nach dem Akteninhalt sind die Meistgebote am 18.03.2009 bzw. 31.01.2019 und am 17.03.2009 bzw. 23.01.2019 abgegeben worden. Dies hat zur Folge, dass die Zeiträume zwischen der “Anschaffung“ und der “Veräußerung“ jeweils nicht mehr als zehn Jahre betragen.
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    3. Einwendungen zur Höhe des vom Beklagten berechneten Spekulationsgewinns haben die Kläger nicht erhoben. Solche sind nach dem Inhalt der Akten auch nicht ersichtlich.
    45

    IV. Auch im Übrigen liegen keine Gesichtspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheides vor. Die Kläger haben zu den weiteren im Vorauszahlungsbescheid angesetzten Besteuerungsgrundlagen keine Einwendungen erhoben.
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    V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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