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  • 02.12.2020 · IWW-Abrufnummer 219274

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 22.10.2020 – 3 K 2699/17 F

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Der Bescheid vom 18.07.2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Wertes des Anteils an einer Kapitalgesellschaft nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG und des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2a ErbStG auf den 01.12.2013 in Gestalt des Bescheids vom 24.08.2016 und der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2017 wird dahingehend geändert, dass die seitens der Klägerin geleisteten Anzahlungen in Höhe von 3.243.361 Euro im Zusammenhang mit der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes und in Höhe von 626.673 Euro im Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsverkehr der Klägerin nicht als Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG berücksichtigt werden.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
     
    1

    Tatbestand
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    Die Beteiligten streiten darüber, ob geleistete Anzahlungen zum Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Erbschaftsteuergesetz (- ErbStG -) in der am 01.12.2013 geltenden Fassung (- ErbStG a. F. -) gehören.
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    Mit notariellem Vertrag vom 21.11.2013 übertrug der Beigeladene Herr V. F. einen Teilgeschäftsanteil über nominal 295.000 Euro (entspricht rd. 49,17 v. H. des Nennkapitals) an der Klägerin mit Wirkung zum 01.12.2013 schenkweise an seinen Sohn, den Beigeladenen Herrn N. F.. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin beschloss am gleichen Tag die Sitzverlegung von C-Stadt nach I-Stadt; eine neue Geschäftsanschrift der Klägerin wurde am 09.05.2014 ins Handelsregister eingetragen. Zum Vermögen der Klägerin gehörten unter anderem Beteiligungen an verschiedenen Tochtergesellschaften.
    4

    Am 28.04.2014 wurde beim Finanzamt N-Stadt eine Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts für nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften eingereicht. Darin wurde aufgrund eines im Ertragswertverfahren erstellten Gutachtens der gemeine Wert des Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft samt Tochtergesellschaften mit 18.165.563 Euro sowie des erworbenen Anteils an der Kapitalgesellschaft mit 8.931.401 Euro erklärt. In der Anlage Substanzwert zur Feststellungserklärung wurden unter der Überschrift „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“ geleistete Anzahlungen in Höhe von 185.000 Euro angegeben. Nach der als Anlage zur Erklärung beigefügten eigenen Berechnung zum „Verwaltungsvermögenstest nach § 13b Abs. 2 ErbStG“ ergab sich ein Verwaltungsvermögen (nach Berücksichtigung des Freibetrags in Höhe von 20 v. H. des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens) in Höhe von 826.138 Euro, was einer Verwaltungsvermögensquote von rund 4,5 v. H. entsprach.
    5

    Mit Bescheiden vom 03.06.2015 stellte der Beklagte gegenüber der Klägerin und den Beigeladenen unter anderem den Wert des Anteils an einer Kapitalgesellschaft nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Bewertungsgesetz (- BewG -) und die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2a ErbStG a. F. erklärungsgemäß gesondert fest. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
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    Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung D-Stadt führte bei der Klägerin aufgrund der Prüfungsanordnung vom 27.08.2015 und der Prüfungserweiterung vom 21.12.2015 eine Außenprüfung unter anderem über die Feststellung des gemeinen Werts des Anteils an der Kapitalgesellschaft und der Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens auf den 01.12.2013 durch. Dabei wurde zum einen der gemeine Wert des Anteils an der Kapitalgesellschaft in Höhe von 11.079.925 Euro ermittelt. Zum anderen vertrat die Betriebsprüfung die Auffassung, dass bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens bisher zu Unrecht der Ansatz von geleisteten Anzahlungen in Höhe von insgesamt 3.870.035 Euro unterblieben sei. Der Betrag setze sich zusammen aus Anzahlungen in Höhe von 3.243.361 Euro im Zusammenhang mit dem Verwaltungsneubau sowie in Höhe von 626.673 Euro im Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsbetrieb. Schließlich wurde ein gegenüber der Erklärung um 106.606 Euro höheres Geschäftsguthaben ermittelt, sodass sich die Finanzmittel vor Abzug von Schulden auf 27.142.715 Euro und das maßgebliche Verwaltungsvermögen auf 3.928.191 Euro erhöhten. Es wird Bezug genommen auf den Betriebsprüfungsbericht vom 01.06.2016, insbesondere auf Tz. 2.4 und Anlage 9 zum Bericht.
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    In Umsetzung des Betriebsprüfungsberichts wurden die Bescheide des Klägers und der Beigeladenen am 18.07.2016 entsprechend geändert. Die Quote des Verwaltungsvermögens wurde nunmehr mit 17,43 v. H. mitgeteilt. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben.
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    Mit ihrem Einspruch vom 20.07.2016 wandte sich die Klägerin zum einen gegen die Berücksichtigung der Anzahlungen als Verwaltungsvermögen und zum anderen gegen eine unzutreffend berücksichtigte Wertfeststellung bei einer Tochtergesellschaft.
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    Hinsichtlich der Wertfeststellung bei einer Tochtergesellschaft half der Beklagte dem Einspruch mit geänderten Bescheiden vom 24.08.2016 ab. Aufgrund des auf 10.982.059 Euro korrigierten Werts des Anteils an der Kapitalgesellschaft erhöhte sich die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens, die nunmehr auf 3.968.007 Euro festgestellt wurde. Die Quote des Verwaltungsvermögens wurde mit 17,76 v. H. mitgeteilt. Wegen der Berücksichtigung von Anzahlungen als Verwaltungsvermögen wurde der Einspruch mit der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2017 als unbegründet zurückgewiesen.
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    Mit ihrer am 30.08.2017 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin weiter gegen die Einstufung der geleisteten Anzahlung als Verwaltungsvermögen.
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    Der hier maßgebliche unbestimmte Rechtsbegriff des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a. F. „andere Forderungen" sei dahingehend auszulegen, dass nur auf Geld gerichtete Forderungen umfasst seien. Hierfür sprächen sowohl die übrigen in Satz 1 genannten Begriffe der „Zahlungsmittel, „Geschäftsguthaben“ und „Geldforderungen“, als auch die Bereichsausnahmen für Kreditinstitute und interne Finanzierungsgesellschaften der Sätze 2 und 3. Auch nach der Gesetzesbegründung ergänze die Regelung den Katalog des nicht begünstigten Verwaltungsvermögens um nicht betriebsnotwendige Geldforderungen und andere Finanzmittel. Die Klägerin weist zudem darauf hin, dass auch die Finanzverwaltung in den maßgeblichen gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.2013 den Anwendungsbereich dahingehend einschränke, dass die anderen Forderungen „auf Geld gerichtet" sein müssten.
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    Geleistete Anzahlungen stellten hingegen keine auf Geld gerichteten Forderungen und damit kein schädliches Verwaltungsvermögen dar. Der die Anzahlung Leistende habe vielmehr einen Anspruch auf Lieferung oder Leistung. Diesen Anspruch habe er unter dem Posten „geleistete Anzahlungen" zur wertmäßigen Abbildung des Sachleistungsanspruchs zu bilanzieren. Anzahlungen seien Vorleistungen eines Vertragsteils auf schwebende Geschäfte, bei denen die von dem anderen Vertragsteil zu erbringende Lieferung und Leistung noch ausstehe. Im Werkvertragsrecht würden die Anzahlungen bis zu einer Abnahme des Werks vorläufige Zahlungen auf der Grundlage vorläufiger Berechnungen darstellen und nicht etwa eine (Teil-)Abnahme bewirken.
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    Sofern der Beklagte darauf hinweise, dass ein auf Geld gerichteter Rückforderungsanspruch entstehen könne, sofern die vertraglich vereinbarte Leistung nicht erfüllt würde, verweist die Klägerin auf die im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht gebotene stichtagsbezogene Betrachtung. Im hier maßgeblichen Stichtag habe kein Rückforderungsanspruch der Klägerin bestanden, sodass die Erwägungen des Beklagten insofern unerheblich seien.
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    Ferner liege auch eine vom Beklagten angenommene doppelte Begünstigung durch eine doppelte Minderung der Zahlungsmittel nicht vor. Die mit der Anzahlung verbundene Minderung der Zahlungsmittel führe automatisch im Sinne eines Aktivtauschs zu einer Erhöhung der Anzahlungen. Dies sei jedoch nur folgerichtig und stelle keine doppelte Begünstigung dar, wenn ‒ wie von der Klägerin vertreten ‒ Anzahlungen nicht zum Verwaltungsvermögen zählten.
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    Die Klägerin beantragt,
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    den Bescheid vom 18.07.2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Wertes des Anteils an einer Kapitalgesellschaft nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG und des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2a ErbStG auf den 01.12.2013 in Gestalt des Bescheides vom 24.08.2016 und der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2017 dahingehend zu ändern, dass die seitens der Klägerin geleisteten Anzahlungen in Höhe von 3.243.361 Euro im Zusammenhang mit der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes und in Höhe von 626.673 Euro im Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsverkehr der Klägerin nicht als Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG berücksichtigt werden.
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    Der Beklagte beantragt,
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    die Klage abzuweisen,
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    hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
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    Zur Begründung verweist der Beklagte auf die für ihn bindenden gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.2013, wonach sonstige auf Geld gerichtete Forderungen aller Art, zu denen insbesondere geleistete Anzahlungen gehören würden, zu den Finanzmitteln des Verwaltungsvermögens zählen würden.
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    Der Senat hat in der Sache am 22.10.2020 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift hingewiesen.
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    Entscheidungsgründe
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    Die Klage ist begründet.
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    Der angefochtene Bescheid in der Fassung des Bescheides vom 24.08.2016 und der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (- FGO -).
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    1. Der ‒ nach § 152 Nr. 2 BewG zuständige ‒ Beklagte hat die geleisteten Anzahlungen in Höhe von 3.243.361 Euro im Zusammenhang mit der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes und in Höhe von 626.673 Euro im Zusammenhang mit der laufenden Geschäftstätigkeit der Klägerin zu Unrecht bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a. F. als andere Forderungen im Sinne dieser Vorschrift und damit als Verwaltungsvermögen berücksichtigt.
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    a. Auf die vorliegende Übertragung am 01.12.2013 ist § 13b ErbStG a. F. nach Maßgabe des § 37 Abs. 8 ErbStG anzuwenden, weil die Steuer nach dem 06.06.2013 entstanden ist.
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    b. Zum Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a. F. gehört der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 v. H. des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt. Nach den Sätzen 2 und 3 gelten hier nicht einschlägige Ausnahmen für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Gesellschaften, deren Hauptzweck in der Finanzierung einer gewerblichen Tätigkeit von verbundenen Unternehmen besteht.
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    Der Begriff der anderen Forderungen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a. F. ist nicht näher definiert und daher auslegungsbedürftig.
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    Dabei sind aus systematischen Gründen zunächst solche Forderungen vom Anwendungsbereich der Nr. 4a auszuschließen, die bereits von Nr. 4 erfasst sind. Dies betrifft die in Nr. 4 genannten Wertpapiere und damit vergleichbare Forderungen, über die keine Urkunden ausgegeben wurden, die aber nach § 2 Abs. 1 Wertpapierhandelsgesetz zu den Wertpapieren zählen, wie etwa stückelose Staatsanleihen oder Inhaberschuldverschreibungen von Kreditinstituten (BFH, Vorlagebeschluss vom 27.09.2012, II R 9/11, BFHE 238, 241).
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    Zusätzlich ist der Begriff der anderen Forderungen im Sinne der Nr. 4a auf solche Forderungen einzuschränken, die auf Geld gerichtet sind (gl. A. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.10.2017, 2 K 2201/15, EFG 2018, 136, rechtskräftig, wohl im Ausgangspunkt auch gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.2013, BStBl. I 2013, 1272, Tz 2.1). Diese Auffassung wird von der überwiegenden Auffassung in der Literatur geteilt (Stalleiken, in: von Oertzen/Loose, ErbStG, 2. Aufl. 2020, § 13b Rn. 184; Esskandari, in: Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, 150. Erg.-Lfg. August 2020, § 13b ErbStG, Rn. 176; Kirnberger, in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 109. Erg-Lfg. Juni 2018, § 13b ErbStG Rn. 84 („alle Rechte …, die auf die Übereignung von Zahlungsmitteln oder vergleichbarer Wirtschaftsgüter gerichtet sind“); Wachter, in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 6. Aufl. 2017, § 13b Rn. 551; Erkis/Mannek/van Lishaut, FR 2013, 245; Weber/Schwind ZEV 2013, 369; Eisele, NWB 2013, 2292; Milatz/Herbst, GmbHR 2014, 18; Pfeifer/Hinkers, DStZ 2013, 729; a. A. Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, 85. Erg.-Lfg. August 2020, § 13b Rn. 145; Hannes/Holtz, in: Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Aufl. 2018, § 13b Rn. 72; differenzierend Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 50. Erg.-Lfg. April 2016, § 13b Rn. 318, der danach unterscheidet, ob die Anzahlung im Zusammenhang mit Betriebs- oder Verwaltungsvermögen steht).
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    Für diese einschränkende Auslegung spricht bereits der Vergleich mit den übrigen in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a. F. genannten Vermögensposten (Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben und Geldforderungen). Diesen ist gemein, dass sie ebenfalls auf Geld gerichtete Forderungen darstellen, dem Inhaber also einen Anspruch auf Zahlung von Geld vermitteln. Dies lässt den Schluss zu, dass mit dem Begriff der „anderen Forderungen“ nicht sämtliche sonstige Forderungen, sondern nur solche mit Bezug zu einem Zahlungsmittel, mithin auf Geld gerichtete Forderungen, gemeint sein sollen.
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    Das Ergebnis findet seine Stütze zudem in der Gesetzeshistorie und dem Zweck des Gesetzes. Die Nr. 4a wurde mit Art. 30 des Gesetzes vom 26.06.2013 (BGBl. I 2013, 1809) in den Katalog des schädlichen Verwaltungsvermögens des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG a. F. aufgenommen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/13033, Seite 112) ergänzt die Nr. 4a den Katalog des für sich genommen nicht begünstigten Verwaltungsvermögens ausdrücklich um „Geldforderungen und andere Finanzmittel, soweit diese nicht betriebsnotwendig sind“. Bei den anderen Forderungen soll es sich daher nach Auffassung des Gesetzgebers ebenfalls um Geldforderungen und andere Finanzmittel, mithin um auf Geld gerichtete Forderungen, handeln. Ferner verweist die Gesetzesbegründung darauf, dass durch die Einführung der Nr. 4a insbesondere Gestaltungen zur sog. Cash-Gesellschaft verhindert werden. Darunter ist ein steuerliches Gestaltungsmodell zu verstehen, bei dem eine Kapitalgesellschaft oder gewerblich geprägte Personengesellschaft mit (steuerlich nicht begünstigtem) privatem Geldvermögen ausgestattet wurde, welches dadurch als (gewillkürtes) Betriebsvermögen zu begünstigungsfähigem Vermögen wurde. Aus dem Zweck der Regelung, diese Verschiebung von Finanzmitteln auf die betriebliche Ebene der Kapitalgesellschaft zu verhindern, folgt im Umkehrschluss, dass mit den anderen Forderungen im Sinne der Nr. 4a auch nur solche auf Geld gerichtete Forderungen gemeint sind.
    33

    c. Nach diesen Maßgaben unterfallen die geleisteten Anzahlungen ‒ anders als der Beklagte auf der Grundlage der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.2013 (BStBl. I 2013, 1272, Tz 2.1) annimmt ‒ nicht den „anderen Forderungen“ im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG a. F. Die Klägerin war nicht berechtigt, die geleisteten Anzahlungen zurückzufordern, sodass sie keine auf Geld gerichtete Forderung innehatte. Die geleisteten Anzahlungen verkörpern vielmehr Sachleistungsansprüche und stellen damit entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung keine auf Geld gerichteten Forderungen dar.
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    Bei geleisteten Anzahlungen handelt es sich um Vorleistungen im Rahmen eines schwebenden Geschäfts auf eine von dem anderen Vertragspartner zu erbringende Lieferung oder Leistung (BFH, Urteile vom 03.07.1980, IV R 138/76, BFHE 131, 57; vom 14.03.1986, III R 179/82, BFHE 146, 541). Die Anzahlungen werden als Vorauszahlungen auf eine erst später fällige Verbindlichkeit gezahlt und dienen im Werkvertragsrecht beispielsweise dazu, den grundsätzlich vorleistungs- und damit vorfinanzierungspflichtigen Werkunternehmer wirtschaftlich zu entlasten (Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 632a Rn. 2). Sie sind nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht sogleich den Herstellungskosten des bestellten Vermögensgegenstands zuzurechnen, sondern zunächst als Forderung zu aktivieren, die den Anspruch auf die zu erbringende Lieferung oder Leistung wiedergibt; nur sofern die erwartete Lieferung oder Leistung nicht erbracht wird, ist der Anspruch auf Rückzahlung gerichtet (vgl. § 266 Abs. 2 HGB; BFH, Beschluss vom 04.07.1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466; Urteil vom 16.05.1973, I R 186/71, BFHE 110, 325). Solange kein Rückforderungsanspruch besteht, bildet der Bilanzposten „geleistete Anzahlungen“ den Sachleistungsanspruch des Auftraggebers in der Bilanz wertmäßig ab. Die Bilanzierung zum Nennwert dient der erfolgsneutralen Erfassung des schwebenden Geschäfts (Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 5 Rn. 270 zu „Anzahlungen“). Aktiviert wird dabei grundsätzlich der Sach- oder Dienstleistungsanspruch aus dem zugrunde liegenden schwebenden Geschäft (Schubert/F. Huber, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 247 HGB, Rn. 545; Mannek, ErbStB 2013, 343).
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    Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht damit begründen, dass die geleistete Anzahlung gewissermaßen geldähnlich als Guthaben beim anderen Vertragspartner zur Verrechnung mit dessen später fällig werdenden Vergütungsanspruch zur Verfügung steht, da der die Anzahlung Leistende keine Möglichkeit hat, dieses Guthaben anderweitig einzusetzen, und dem Guthaben mithin die prägende Umlauffähigkeit fehlt.
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    Dass der andere Vertragspartner die geleisteten Anzahlungen unter Umständen ‒ für die im Streitfall nichts ersichtlich ist ‒ nicht dauerhaft behalten darf, sondern (gegebenenfalls teilweise) zurück zu gewähren hat, wenn er seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt oder eine Überzahlung vorliegt, sodass nach Ansicht des FG Hessen (Urteil vom 26.02.2019, 4 K 2033/17, juris; ähnlich FG Hamburg, Urteil vom 11.04.2011, 6 K 245/09, EFG 2011, 1957: „(schwebendes) Kreditgeschäft“ im Rückforderungsfall) im Fall der Nichterfüllung ein darlehensähnlicher Rückforderungsanspruch zu aktivieren sei, kann vorliegend aufgrund des für das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht maßgeblichen Stichtagsprinzips nicht berücksichtigt werden. Am maßgeblichen Stichtag 01.12.2013 bestand allein der durch die geleisteten Anzahlungen bilanziell abgebildete Sachleistungsanspruch. Ein Rückforderungsanspruch bestand nicht. Dass ein solcher nach dem maßgeblichen Stichtag hätte entstehen können, ist wegen der gebotenen stichtagsbezogenen Betrachtung jedenfalls unbeachtlich.
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    2. Die Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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    Den Beigeladenen, die in dieser Eigenschaft keinen Antrag gestellt haben, waren nach § 135 Abs. 3 FGO keine Kosten aufzuerlegen; ihre außergerichtlichen Kosten sind nach § 139 Abs. 4 FGO nicht erstattungsfähig.
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    3. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Dem steht nicht entgegen, dass § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a. F. auslaufendes Recht betrifft, da sich die Frage der Auslegung des Begriffs „andere Forderungen“ auch für den nunmehr geltenden § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG stellt.

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