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  • 04.02.2020 · IWW-Abrufnummer 213947

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 18.09.2019 – 12 K 234/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Baden-Württemberg

    Urteil vom 18.09.2019


    In dem Finanzrechtsstreit
    Klin
    - Klägerin -
    gegen
    Familienkasse
    - Beklagte -

    wegen Kindergeld (Einstellung der Zwangsvollstreckung und Stundung bis zum 01.01.2020)

    hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 18. September 2019 durch
    Vorsitzenden Richter am Finanzgericht
    Richterinnen am Finanzgericht
    Ehrenamtliche Richter
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Der Bescheid über die Ablehnung der Stundung der Rückforderung von Kindergeld für das Kind S für August 2014 bis Februar 2015 in Höhe von 1.296 € zuzüglich Säumniszuschläge vom 12. September 2018 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2018 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
    2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
    3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.
    Tatbestand

    Die Klägerin ist die Mutter der Kinder S, geboren am xx.xx. 1992, und T, geboren am xx.xx. 1996. Für diese Kinder hatte die Klägerin Kindergeld beantragt. Dieses wurde bewilligt und ausgezahlt. Die Klägerin ist als Arbeitnehmerin beschäftigt.

    Sodann hob die Familienkasse A mit Bescheid vom 19. November 2015 die Festsetzung von Kindergeld für das Kind S von Februar 2012 bis Februar 2015 und für das Kind T ab Juni 2014 auf und forderte die Rückzahlung von Kindergeld i.H.v. 8.292 €. Die Aufhebung wurde damit begründet, dass das Ende der Ausbildungszeit trotz mehrfacher Anforderung nicht mitgeteilt worden und damit das Bestehen eines Kindergeldanspruchs für die genannten Zeiträume nicht nachgewiesen worden sei. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.

    Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 änderte die Familienkasse A den Bescheid vom 19. November 2015. Sie entschied, dass Kindergeld für das Kind S bis Juli 2014 zu Recht gezahlt worden und der zurückgeforderte Betrag i.H.v. 5.520 € nicht mehr zu erstatten sei. Etwaige weitere Forderungen blieben hiervon unberührt. Mit Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2016 wegen Kindergeld für das Kind S wies die Familienkasse A im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück. Kindergeld sei lediglich bis Juli 2014 zu Recht bezahlt worden. Das Kind S habe im Juli 2014 seine Ausbildung beendet. Dadurch mindere sich der Rückforderungsbetrag für überzahltes Kindergeld ab August 2014 auf 1.288 €.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2016 wies die Familienkasse A den Einspruch wegen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Kind T ab Juni 2014 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Die Klage war beim Finanzgericht Baden-Württemberg unter dem Az. 10 K 479/16 anhängig. Während des Klageverfahrens reichte die Klägerin ergänzende Unterlagen ein. Mit Bescheid vom 16. Juni 2016 setzte die Familienkasse A Kindergeld für das Kind T für den Zeitraum Juni 2014 bis einschließlich Januar 2015 fest und führte u.a. aus, das Kindergeld für das Kind T sei zu Recht gezahlt worden. Der zurückgeforderte Betrag i.H.v. 1.476 € sei nicht zu erstatten.

    Nach Mahnung vom 19. Januar 2016 hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch Rückstände i.H.v. 2.772 € zuzüglich Säumniszuschlägen. Dieser Betrag wurde um 1.476 € gemindert und das Vollstreckungsersuchen zurückgezogen und die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber der Bank mit Schreiben vom 17. Mai 2016 aufgehoben. Die Beklagte mahnte daraufhin die Zahlung des Restbetrags i.H.v. 1.296 € zuzüglich Säumniszuschlägen u.a. mit Schreiben vom 12. Dezember 2017, vom 18. Mai 2018, vom 5. Juni 2018, vom 21. September 2018, vom 8. Oktober 2018, vom 26. November 2018 und vom 10. Dezember 2018 erfolglos an.

    Mit Schreiben vom 2. Januar 2018 zeigte die Klägerin der Agentur für Arbeit B Inkasso-Service an, dass ein Verfahren wegen Kindergeld beim Finanzgericht Baden-Württemberg unter dem Az. 10 K 479/16 anhängig und die Forderung als erledigt erklärt worden sei. Das Kind S sei vom 13. September 2010 bis 3. Juli 2014 und T vom 12. September 2011 bis 12. Januar 2015 in Ausbildung gewesen.

    Schriftwechsel mit diversen Familienkassen folgten.

    Mit Schreiben vom 10. Juni 2018 informierte die Familienkasse A die Klägerin darüber, dass in Bezug auf die Klage 10 K 479/16 wegen Kindergeld für T während des Klageverfahrens die für die Feststellung des Anspruchs erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden seien und es daher zu einer Abhilfe gekommen sei. Das Klageverfahren sei nunmehr abgeschlossen. Der Forderungsbetrag von 1.296 € habe jedoch nichts mit der Klage wegen Kindergeld für das Kind T zu tun. Vielmehr sei ebenfalls mit Bescheid vom 19. November 2015 die Kindergeldfestsetzung für das Kind S ab Februar 2012 aufgehoben und überzahltes Kindergeld für die Monate Februar 2012 bis Februar 2015 in Höhe von insgesamt 6.816 € zurückgefordert worden. Als Nachweis für die durchgeführte Ausbildung des Kindes S sei innerhalb der Einspruchsfrist ein Ausbildungszeugnis vorgelegt worden und das entsprechende Schreiben als Einspruch ausgelegt worden. Aus dem Datum des Abschlusszeugnisses habe sich ergeben, dass das Kind S bereits im Juli 2014 seine Ausbildung beendet habe. Somit habe bis Juli 2014 ein Anspruch auf Kindergeld bestanden, ab August 2014 hingegen nicht mehr. Kindergeld gezahlt worden sei aber bis Februar 2015. Daher werde für den Zeitraum August 2014 bis Februar 2015 überzahltes Kindergeld zu Recht zurückgefordert. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 sei zunächst ein Abhilfebescheid für den Zeitraum Februar 2012 bis Juli 2014 ergangen und dadurch der Rückforderungsbetrag gemindert worden. Mit Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2016 sei der Einspruch für die Zeit von August 2014 bis Februar 2015 als unbegründet zurückgewiesen worden. Hiergegen sei keine Klage erhoben und der Bescheid bestandskräftig geworden. Daher werde ein Betrag in Höhe von 1.296 € zurückgefordert. Auf das Entstehen von Säumniszuschlägen wurde hingewiesen.

    Mit Mail vom 21. Juni 2018 teilte Frau K, Bearbeiterin bei der Familienkasse A, der Agentur für Arbeit B Inkasso-Service auf Anfrage mit, dass entgegen den Ausführungen der Klägerin der offene Betrag aus einer anderen Forderung eines anderen Kindes betreffend entstanden sei. Da diesbezüglich keine Klage erhoben worden sei, sei Bestandskraft eingetreten und es könne vollstreckt werden.

    Mit Schreiben vom 12. Juli 2018 schrieb die Klägerin an die Familienkasse A, dass sie die Kontoauszüge von September 2014 bis Februar 2015 kontrolliert habe und den Zahlungseingang des Kindergelds für den Sohn S bestätige. Erst infolge der detaillierten Informationen mit Schreiben von Juni 2018 seien für sie die Vorgänge nachvollziehbar.

    Die Klägerin beantragte eine Ratenzahlung. Sie führte u.a. aus, dass sie noch mehrere Ratenzahlungen leiste. Die Verbindlichkeiten seien infolge ihrer Scheidung und während der Ehe aufgenommener Kredite entstanden. Ihr Ex-Ehemann bezahle hieran nichts.

    Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 bat die Agentur für Arbeit B Inkasso-Service die Klägerin um ergänzende Unterlagen wegen ihres Antrags auf Ratenzahlung. Die Agentur für Arbeit B Inkasso-Service wies die Klägerin darauf hin, dass für die Dauer der Stundung Stundungszinsen erhoben werden und bis zu einer Stundung weiterhin Säumniszuschläge anfielen. Sie erläuterte, dass es sich bei der Forderung um steuerrechtliches Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) handle. Grundsätzlich sei eine Steuerschuld bei Fälligkeit in einer Summe zu zahlen. Die beantragte Stundung unterliege den Maßstäben der Abgabenordnung (AO) und könne u.a. nur bei Vorliegen einer erheblichen Härte bewilligt werden. Die in jeder Einziehung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis liegende Härte sei dabei keine erhebliche Härte im Sinne der AO. Grundsätzlich seien zur Begleichung der Steuerschuld die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel einzusetzen und Kreditmöglichkeiten auszuschöpfen. Entsprechende Nachweise seien beizufügen.

    Im August 2018 antwortete die Bundesagentur für Arbeit Familienkasse A der Agentur für Arbeit B Inkasso-Service auf Anfrage, dass die Forderung durch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht entstanden sei. Die Einspruchsentscheidung bezüglich des Kinds S datiere vom 4. Januar 2016 und die des Kinds T vom 1. Februar 2016.

    Die Klägerin teilte der Agentur für Arbeit B Inkasso-Service mit, dass ihr bis zur Rückmeldung der Familienkasse A nicht bekannt gewesen sei, dass noch Rückstände bestehen. Ein neuer Kredit sei nicht möglich. Sie legte ihre Einkommensverhältnisse dar. Sie habe diverse Verbindlichkeiten und Zahlungsvereinbarungen mit anderen Gläubigern getroffen, so mit der Bank und drei weiteren Gläubigern. Ratenzahlungen zwischen 50 und 100 € monatlich seien vereinbart worden. Derzeit könnten keine weiteren monatlichen Zahlungen geleistet werden. Sicherheiten könnten keine angeboten werden. Den Wohnraummietvertrag in Kopie legte sie vor.

    Die Agentur für Arbeit B Inkasso-Service lehnte den Antrag auf Stundung der Forderungen in Höhe von (1.296 € Kindergeld + 405 € Säumniszuschläge berechnet bis 4. Juni 2018 =) 1.701 € mit Bescheid vom 12. September 2018 ab, da die Forderung aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflicht entstanden sei. Eine Stundungswürdigkeit liege somit nicht vor. Daher brauche auf die Stundungsbedürftigkeit als weitere Voraussetzung für eine Billigkeitsmaßnahme nicht weiter eingegangen werden. Eine Stundung komme daher nach pflichtgemäßem Ermessen nicht in Betracht. Dem Zahlungsangebot könne daher nicht nachgekommen werden. Die Forderung bleibe weiterhin fällig. Sofern die geforderte Einmalzahlung ausbleibe, würden Vollstreckungsmaßnahmen über das Hauptzollamt eingeleitet. Unter bestimmten Voraussetzungen bestehe die Möglichkeit eines Vollstreckungsaufschubs. Der Antrag hierfür sei im Falle der Vollstreckung an das Hauptzollamt zu richten.

    Die Klägerin legte Einspruch ein. Sie führte aus, sie habe nachgewiesen, dass ihr derzeit eine Ratenzahlung nicht möglich sei. Sie widerspreche dem Vorwurf der Verletzung der Mitwirkungspflicht. Ein Aussetzen der aktuellen Ratenzahlungen sei nicht möglich. Derzeitige Gläubiger akzeptierten dies nicht.

    Am 30. Januar 2018 teilte die Familienkasse A der Agentur für Arbeit B Inkasso-Service Familienkasse auf Anfrage hin mit, dass die noch offene Forderung i.H.v. 1.296 € das Kind S für den Zeitraum August 2014 bis Februar 2015 betreffe.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2018 wies die beklagte Familienkasse C den Einspruch als unbegründet zurück. § 68 Abs. 1 EStG verpflichte die Klägerin Änderungen in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich seien, der Familienkasse mitzuteilen. Dies sei nicht geschehen. Sie habe nicht rechtzeitig das Ende der Ausbildung des Kinds S mitgeteilt. Daher sei es zur Überzahlung von Kindergeld gekommen. Gegen die Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2016 sei keine Klage erhoben und die Entscheidung bestandskräftig geworden. Infolgedessen sei die Rückforderung allein auf ihr, der Klägerin, Verschulden zurückzuführen. Die Klägerin habe nicht vorgetragen und es sei auch nicht nachgewiesen, dass sämtliche Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden seien. Erlassbedürftigkeit sei auch nicht anzunehmen. Die Schuldnerin beziehe Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II und sei durch die Pfändungsfreigrenzen geschützt. Ihr Existenzminimum sei gesichert und vor Vollstreckungseingriffen geschützt. Vorliegend könne im Rahmen einer Interessenabwägung weder eine Stundungswürdigkeit noch eine Stundungsbedürftigkeit der Einspruchsführerin angenommen werden. Eine Stundung der Forderung komme nicht in Betracht.

    Die Klägerin erhob am 21. Januar 2019 Klage und macht im Wesentlichen geltend, mit sofortiger Wirkung sei die Zwangsvollstreckung einzustellen und Stundung bis zum 1. Januar 2020 zu gewähren. Die Familienkasse N habe ursprüngliche eine Forderung vom 8.292 € gestellt, obwohl Ausbildungszeugnis und IHK Zeugnis vorgelegen hätten. Daher sei ihr keine Mitwirkungspflichtverletzung vorzuwerfen. Nach erstem Rechtsstreit und erneuter Stellung aller Nachweise sei die Kindergeldforderung in Bezug auf ihre Tochter T komplett storniert worden. Die Unterlagen von S hätten 2015 nicht zur Diskussion gestanden. Gegen die Restforderung von 1.296 € sei erstmals am 2. Januar 2018 Stellung genommen worden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei ihr nach dem Urteil mit dem Az. 10 K 479/16 nicht nachvollziehbar gewesen, dass eine Restforderung noch bestehe. Im Übrigen habe S entgegen den Ausführungen der Familienkasse seine Ausbildung nicht abgebrochen, sondern seine Ausbildung im gleichen Betrieb um ein Jahr verlängert. Auch insoweit liege keine Verletzung der Mitwirkungspflicht vor. Erst seit 19. Juni 2018 sei ihr klar gewesen, dass die Rückstände berechtigt seien. Dies habe sie mit Schreiben vom 12. Juli 2018 an Frau K bestätigt. Die fehlende Mitwirkungspflicht sei der Familienkasse N und nicht ihr vorzuwerfen. Im Übrigen beziehe sie keine Leistungen zur Grundsicherung und habe bereits mit Schreiben vom 12. Juli 2018 mitgeteilt, dass sich ihre finanziellen Verhältnisse sehr verschlechtert hätten. Sie sei derzeit nicht in der Lage, die Rückstände auf einmal oder in Raten zu begleichen. Daher habe sie eine Stundung bis zum 1. Januar 2020 beantragt. Aufgrund alter Zwangsvollstreckungen könnten keine neuen Kredite aufgenommen werden, da Negativeinträge in der SCHUFA vorlägen. Sie habe bereits Einkommensnachweise an das Inkasso-Büro in B übersandt und dargelegt, dass nach Abzug aller Kosten (Miete, Nebenkosten, Ratenzahlung, etc.) nicht einmal der Mindestsatz an Lebenshaltungskosten zur Verfügung stehe und sie keine Vermögenswerte habe. Derzeit müsse sie an fünf Gläubiger 375 € monatlich bezahlen sowie wegen der schlechten SCHUFA den Dispo-Kredit zurückführen mit monatlich 80 €. Ab 1. Januar 2020 könnte sie mit den bestehenden Gläubigern kleinere Ratenzahlung vereinbaren. Bis dahin hätten sich ihre Schulden an diese verringert und sie könnte sodann die Familienkasse bedienen.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    die Aufhebung der Ablehnung der Stundung und eine Stundung der Restforderung bis zum 1. Januar 2020.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf ihre Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2018 geltend, dass der Antrag auf Stundung der Forderung i.H.v. 1.701 € (1.296 € Kindergeld + 405 € Säumniszuschläge) zu Recht abgelehnt worden sei.

    Die Beklagte erklärte sich mit Schreiben vom 29. März 2019 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, die Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 2019.

    Die Klägerin legte während des Klageverfahrens die Forderungsaufstellung der Bank, die Rückführung des Dispos sowie die Forderungsaufstellung mit Raten an R sowie P vor.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO)).

    Die Klage ist zulässig. Sie wurde innerhalb der Rechtsbehelfsfrist erhoben und richtet sich gegen die Behörde, die die angefochtene Einspruchsentscheidung erlassen hat. Die Beklagte ist passiv legitimiert, da sie die Einspruchsentscheidung erlassen und dadurch den ablehnenden Verwaltungsakt, Ablehnung der Stundung, bestätigt hat. Für diese Auslegung spricht auch die Rechtsbehelfsbelehrung. Nach Ziff. 2.4 des Beschlusses des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit vom 14. April 2016 ist geregelt, dass die Familienkasse C im Bereich des steuerlichen Kindergelds für die Bearbeitung von Rechtsbehelfen gegen die Entscheidungen des Inkasso Service zuständig ist. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die funktionale Zuständigkeit von der Ermächtigung in § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 S. 4 FVG gedeckt ist (vgl. Finanzgericht (FG) Düsseldorf vom 14. Mai 2019 10 K 3317/18 AO (Juris; Revision anhängig beim Bundesfinanzhof (BFH) III R 36/19).

    Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid über die Ablehnung der Stundung der Kindergeldrückforderung der Familienkasse C ist trotz § 102 FGO aufzuheben. Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist rechtswidrig. Die Beklagtehat die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens nach § 5 AO überschritten und vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Eine Ermessensausübung ist im Streitfall entscheidungserheblich. § 102 FGO begrenzt die gerichtliche Prüfungskompetenz auf Ermessensfehler. Liegt wie im Streitfall keine Ermessensreduktion auf Null vor, verpflichtet das Gericht die Beklagte, die Klägerin nach Maßgabe der Entscheidungsgründe neu zu bescheiden.

    Die Gewährung von Stundung ist nach dem Wortlaut der Norm § 222 AO ("können") eine Ermessensentscheidung. Im Streitfall liegen Ermessensfehler vor, da die Beklagte die gesetzlich gezogenen Grenzen des Ermessens infolge Ermessensunterschreitung nicht eingehalten hat. Die Beklagte unterschreitet ihr Ermessen, wenn sie von fehlerhaften Tatsachen ausgeht. Die Klägerin bezieht entgegen den Ausführungen der Beklagten keine Leistungen zur Grundsicherung. Infolgedessen ist eine Einziehung der Forderung möglich und die Einziehung kann eine erhebliche Härte für die Schuldnerin, die Klägerin, bedeuten, da die Einziehung dazu führen kann, dass die Klägerin die mit anderen Gläubigern vereinbarten Ratenzahlungen bis Ende 2019 nicht mehr erfüllen kann. Der Anspruch erscheint durch eine Stundung auch nicht dauerhaft gefährdet, da der Klägerin ab 1. Januar 2020 nach Tilgung anderweitiger Verbindlichkeiten Mittel zur Rückzahlung von Kindergeld zur Verfügung stehen werden. Berücksichtigt die Beklagte diese Umstände im Einzelfall nicht, setzt sie sich nicht hinreichend mit dem Sinn und Zweck der Norm § 222 AO auseinander. Eine Stundung dient dazu, den Einzug der Forderung zeitweilig, aber nicht dauerhaft hinauszuschieben. Im Streitfall liegt aus den genannten Gründen kein Fall dauerhafter Zahlungsunfähigkeit vor. Persönliche Stundungsgründe können indes vorliegen, da eine Stundung die wirtschaftliche Existenz der Klägerin ermöglichen kann. Die Beklagte stellt ausschließlich darauf ab, dass die Klägerin das Ausbildungsende des Kinds nicht rechtzeitig mitgeteilt habe und es dadurch zu einer Rückforderung gekommen ist, die sich anhand des geführten Schriftwechsels nachvollziehen lässt und zwar schon vor dem finanzgerichtlichen Verfahren wegen Kindergeld für die Tochter. Dies reicht jedoch nicht aus, um die Stundungswürdigkeit zu verneinen (vgl. Gräber/Rüsken, AO, § 222 Rn. 28) und auf eine Prüfung der Stundungsbedürftigkeit zu verzichten. Im Streitfall kommt hinzu, dass nach Aktenlage nicht ausgeschlossen ist, dass bei Mitteilung des Ausbildungsbeginns das Ausbildungsende erkennbar gewesen ist und infolgedessen die für die Festsetzung für Kindergeld zuständige Familienkasse schon früher nach dem Ausbildungsende nachfragen hätte können bzw. in Kenntnis des voraussichtlichen Endes Kindergeld möglicherweise zu Unrecht weiterbezahlt hat.

    Aus den genannten Gründen kann dahin gestellt bleiben, ob die Ablehnung der Stundung durch die Agentur für Arbeit B sowie die Einspruchsentscheidung der Beklagten jeweils von der örtlich und sachlich zuständigen Familienkasse erlassen worden sind. Denn nach FG Düsseldorf vom 14. Mai 2019 10 K 3317/18 AO (Juris; Revision anhängig beim BFH III R 36/19) ist die Agentur für Arbeit B sachlich unzuständig, nach Sächsischem FG vom 7. März 2018 8 K 1527/17 (Kg) (Juris; Revision anhängig beim BFH III R 21/18) ist die Beklagte örtlich unzuständig.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens nach § 135 Abs. 1 FGO.

    Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung.