24.11.2015 · IWW-Abrufnummer 182009
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 25.08.2015 – 12 Sa 500/14
Verschlechternder Eingriff in eine Versorgungsordnung durch das Aufstellen eines Antragserfordernisses
Tenor:
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.03.2014 - Az. 11 Sa 5134/13 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Kläger 3.651,97 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.04.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten der 1. Instanz haben die Kläger zu 85 % und die Beklagte zu 15 % zu tragen. Die Kosten der 2. Instanz haben die Kläger zu 84 % und die Beklagte zu 16 % zu tragen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Erblasser vom 01.12.2009 bis zum 16.02.2011 ein Anspruch auf Betriebsrente in Höhe von monatlich 1.560,79 € brutto zugestanden hat.
Der am 26.06.1951 geborene Erblasser war vom 21.02.1969 bis zum 30.09.2008 bei der D AG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde aufgrund eines Aufhebungsvertrages vom 28.04.2008/03.06.2008 einvernehmlich beendet. Am 11.04.2009 fusionierte die D AG mit der Beklagten und erlosch damit als Rechtsträger. Die Beklagte ist in alle Rechten und Pflichten der D AG eingetreten.
Am 19.12.2011 verstarb der Erblasser. Seine gesetzlichen Erben sind die Kläger.
Der Erblasser und die D AG schlossen neben dem Arbeitsvertrag einen Vertrag über die Gewährung einer Betriebsrente auf Basis der für die Betriebsrente der D AG gültigen Versorgungsordnung. Diese Versorgungsordnung wurde 1988 in die Versorgungsordnung 88 (nachfolgend: VO 88) überführt. Die VO 88 sieht unter anderem vor:
Am 23.07.2001 wurde die D AG von der A AG übernommen. Unter dem 02./05.12.2005 schlossen der Konzernbetriebsrat der A Inland sowie die A AG eine "Konzernbetriebsvereinbarung zur Harmonisierung der bestehenden Versorgungsordnungen in den beitragsorientierten Pensionsvertrag" (nachfolgend: KBV Harmonisierung), die eine Überleitung der Versorgungsordnungen der ehemaligen D AG, unter anderem auch der VO 88, in den beitragsorientierten Pensionsvertrag (nachfolgend: BPV) enthält (vgl. Anlage K 13, Bl. 121 d. A.) Die Konzernbetriebsvereinbarung zum beitragsorientierten Pensionsvertrag (nachfolgend: KBV BPV; vgl. Anlage K 14, Bl. 131 ff. d. A.) sieht unter § 17 Abs. 4 Folgendes vor:
Die allgemeinen Versicherungsbedingungen der A VVaG (nachfolgend: AVK) enthalten unter § 17 die folgende Regelung:
Unter dem 07.12.2005 (vgl. Anlage K 6, Bl. 110 f d. A.) und 24.02.2006 (Anlage K 7, Bl. 112 f d. A.) wurde der Erblasser über die Überleitung der VO 88 in den beitragsorientierten Pensionsvertrag informiert.
Am 05.11.2009 erkrankte der Erblasser schwer. Er stellte am 09.12.2009 einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Am 25.01.2011 wurde dem Erblasser rückwirkend ab 01.12.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt. Dabei wertete die D Rentenversicherung den Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 09.12.2009 als Rentenantrag. Ausweislich des Rentenbescheids begann die laufende Rentenzahlung der gesetzlichen Rentenversicherung im März 2011. Vom 01.12.2009 bis zum 15.12.2009 zahlte die Agentur für Arbeit an den Erblasser Arbeitslosengeld. Vom 16.12.2009 bis zum 13.01.2010 erhielt er Leistungen der Arbeitsgemeinschaft. Vom 14.01.2010 bis zum 04.02.2011 gewährte T Krankenkasse D dem Erblasser Krankengeld. Ausweislich des Bescheides der D Rentenversicherung Bund vom 18.02.2011 wurde auf den Rentennachzahlungsbetrag des Klägers ein Erstattungsanspruch der T Krankenkasse sowie der Agentur f ür Arbeit angerechnet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 18.02.2011 Bezug genommen (vgl. Bl. 348 d. A.).
Mit Schreiben vom 17.02.2011 beantragte der Erblasser gegenüber der Beklagten die Zahlung einer Erwerbsminderungsrente rückwirkend ab 01.12.2009. Mit Schreiben vom 12.04.2011 gewährte die Beklagte dem Kläger Rentenleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung BPV in Höhe von 1.560,79 € brutto ab 17.02.2011 (vgl. Anlage K 2, Bl. 11 d. A.).
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, dass ein Anspruch auf Betriebsrente bereits ab 01.12.2009 bestanden habe. Da nach der VO 88 der vom Versicherungsträger festgestellte Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls auch für die betriebliche Altersversorgung maßgeblich sei, müsse dies auch für den Betriebsrentenanspruch des Erblassers gelten. Dem Erblasser sei eine wertgleiche Neuregelung und eine Sicherung seines Besitzstandes durch die Überleitung auf den BPV der A AG zugesagt worden. Indem nunmehr eine Antragstellung eingeführt werde, sei es zu einem verschlechternden Eingriff in die bereits erworbenen Betriebsrentenansprüche des Erblassers gekommen. Darauf hätten man den Erblasser konkret hinweisen müssen.
Die Kläger haben mit ihrer am 30.11.2012 zugestellten Klage beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dem Anspruch der Kläger stehe das in § 17 AVK geregelte Antragserfordernis entgegen. Es sei auch zu keinem verschlechternden Eingriff in die Betriebsrentenansprüche des Erblassers gekommen. Die durch die KBV Harmonisierung erfolgte Überleitung des Betriebsrentenanspruchs des Klägers in den BPV halte einem kollektiven Günstigkeitsvergleich stand. Darüber hinaus seien die Arbeitnehmer im Rahmen der BPV-Überleitung umfassend über die Änderungen informiert worden. Ein ausdrücklicher Hinweis in Bezug auf das Antragserfordernis sei nicht erforderlich gewesen.
Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 18.03.2014 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die VO 88 in der Fassung von Juli 1993 sei wirksam durch die BPV abgelöst worden. Dabei seien auch die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit eingehalten worden. Es liege bereits kein Entzug des erdienten Teilbetrages, der entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG ermittelt werde, vor. Der Anspruchsbeginn werde vielmehr nur von einer Antragstellung abhängig gemacht. Für die Änderungen des Rentenbeginns stehe der Beklagten auch ein sachlicher Grund zur Seite. Der BPV sehe abweichend von der VO 88 eine Entkopplung der Rente wegen Berufsunfähigkeit von den Voraussetzungen der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente vor. Da die Anspruchsvoraussetzungen andere seien, sei der Rentenbescheid des Sozialversicherungsträgers nicht mehr erforderlich. Zudem stelle die Einführung einer Berufsunfähigkeitsrente eine Verbesserung für die betroffenen Arbeitnehmer dar, da die Berufsunfähigkeitsrente nach dem BPV geringere Voraussetzungen als die gesetzliche Erwerbsminderungsrente habe.
Auch bestehe kein Schadensersatzanspruch wegen Falschinformation oder unterlassener Aufklärung. Eine Falschinformation sei bereits nicht erkennbar. Die Beklagte habe zudem keine Aufklärungspflichten verletzt. Den von der Beklagten zur Verfügung gestellten Informationen sei das Erfordernis der Antragstellung zu entnehmen. Auch sei nicht ersichtlich, dass dem Erblasser durch die mangelnde Aufklärung ein Schaden entstanden sei. Es sei nicht erkennbar, dass der Erblasser bei entsprechender Information einen Betriebsrentenantrag gleichzeitig mit dem Sozialversicherungsrentenantrag gestellt hätte. Schließlich habe der Erblasser am 09.12.2009 keine Erwerbsminderungsrente, sondern Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt. Dem geltend gemachten Anspruch der Kläger auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten stehe bereits § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen.
Gegen das den Klägern am 07.05.2014 zugestellte Urteil haben sie am 10.06.2014 Berufung eingelegt, die - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.08.2014 - mittels eines am 04.08.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatzes begründet wurde.
Die Kläger sind der Auffassung, dass durch das Antragserfordernis in die bereits erdiente Rentenleistung eingegriffen werde. Auch fordere die mit der Überleitung beabsichtigte Harmonisierung nicht die Einführung eines Antragserfordernisses. Würde man der Auffassung der Beklagten folgen, müsste ein lang erkrankter Arbeitnehmer quasi ins Blaue hinein Ansprüche bei der Beklagten anmelden. Auch die Entkopplung der Berufsunfähigkeitsrente von den Voraussetzungen der gesetzlichen Erwerbsminderung veranlasse zu keiner anderen Beurteilung. Im Falle der rückwirkenden Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente liege gerade eine Verschlechterung vor.
Jedenfalls bestehe der Anspruch unter Schadensersatzgesichtspunkten. In den Informationsschriften der Beklagten sei kein Hinweis auf diese wesentliche Änderung enthalten. Es habe für den Erblasser auch keine Veranlassung bestanden, entsprechende Recherchen anzustellen.
Der Geltendmachung einer rückwirkenden Rentenzahlung stehe auch nicht die Regelung in Ziffer 5 Abs. 3 Satz 4 der VO 88 entgegen. Da die D Rentenversicherung Bund Erstattungsansprüche der Krankenkasse erfüllt habe, könne nicht von einer Krankengeldzahlung im Sinne der Verordnung ausgegangen werden. Das Gleiche gelte für die Arbeitslosengeldzahlung. Dass bei dem Erblasser eventuell Differenzen zwischen den von der Krankenkasse und der Agentur für Arbeit zunächst gezahlten Beträgen verblieben sei, ändere nichts daran, dass die Zahlungsansprüche des Erblassers durch die rückwirkende Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nachträglich entfallen seien.
Die Kläger haben beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Erblasser nicht weniger Rente erhalten habe, als er bis zum Ablösungsstichtag erhalten hätte. Es sei keine wertmäßige Reduzierung des Betriebsrentenanspruchs erfolgt. Vielmehr sei die streitgegenständliche Rechtsposition deutlich verbessert worden, da die Berufsunfähigkeitsrente nach den Regularien der Beklagten nunmehr nicht mehr an eine Leistungsfähigkeit von weniger als drei Stunden pro Tag anknüpfe, sondern bereits gezahlt werde, wenn die Leistungsfähigkeit weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Kollegen betrage. Zudem sehe § 17 AVK ausdrücklich das Ruhen des Anspruchs für die Zeiträume vor, in denen der Erblasser Arbeitslosengeld und damit auch Arbeitslosengeld II erhalten habe. Die Leistungen auf Arbeitslosengeld nach SGB III und SGB II stünden gleichrangig nebeneinander. Jedenfalls dürfte die verzögerte Antragsstellung des Klägers nach Bekanntgabe des Rentenbescheides nicht der Beklagten zugerechnet werden.
Mangels eines Informationsgefälles sei auch kein Schadensersatzanspruch gegeben. Dieses begründe nur dann eine Haftung, wenn der andere Teil eine Aufklärung habe erwarten dürfen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Kläger ist teilweise begründet.
A. Die Berufung der Kläger ist nach § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft. Die Kläger haben die Berufung gegen das ihnen am 07.05.2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Köln fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG am 10.06.2014 eingelegt. Die Berufungsfrist verlängerte sich aufgrund der Pfingstfeiertage bis zum 10.06.2014 (§ 222 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 525 Satz 2 ZPO). Die Berufung ist auch ordnungsgemäß und fristwahrend gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO begründet worden.
B. Die Berufung ist teilweise begründet.
Die Kläger habe einen Anspruch auf Zahlung von 3.651,97 € als Erben des Betriebsrentners B Auch wenn man zu Gunsten der Beklagten annimmt, die VO 88 sei formell wirksam durch die KBV Harmonisierung abgelöst worden, hält die Neuregelung einer Überprüfung am Maßstab der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes nicht stand, soweit sie auch bei einer rückwirkenden Bewilligung einer gesetzlichen Erwerbsminderungsrente aufgrund eines Antrages auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben einen ausdrücklichen Antrag des Versorgungsempfängers auf Leistungen nach dem Versorgungswerk der Beklagten verlangt.
I. Vertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer auf Sozialleistungen, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen, können im Grundsatz nicht gegen den Willen der begünstigten Arbeitnehmer eingeschränkt werden. Solche Ansprüche sind vertragliche Ansprüche. Für das Verhältnis vertraglicher Ansprüche zu den Normen einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung gilt das Günstigkeitsprinzip. Dieses steht jedoch wegen des kollektiven Bezugs einheitsvertraglicher Regelung einer Einschränkung einzelner Ansprüche dann nicht entgegen, wenn die neuere Regelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger ist. Maßgebend ist insoweit ein kollektiver Günstigkeitsvergleich (BAG, 16.09.1986, GS 1/82, [...] Randziffer 25). Daneben können vertraglich begründete Ansprüche von Arbeitnehmern auf Sozialleistungen, die auf eine Gesamtzusage zurückgehen auch dann durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung abgelöst werden, wenn der Arbeitgeber sich bei der Zusage eine Abänderung durch Betriebsvereinbarung vorbehalten hat. Ein derartiger Änderungsvorbehalt kann sich, ohne ausdrücklich formuliert zu sein, auch aus den Gesamtumständen ergeben, z. B. aus dem Hinweis, dass die Leistung auf mit dem Betriebsrat abgestimmten Richtlinien beruhe. Dies legt bei dem Erklärungsempfänger die Folgerung nahe, dass die vom Arbeitgeber zu erbringenden Leistungen in Abstimmung mit dem Betriebsrat umgestaltet werden können (BAG, 15.02.2011, 3 AZR 365/09, [...] Randziffer 45; BAG, 15.02.2011, 3 AZR 196/09, [...] Randziffer 51 ff.; BAG, 17.04.2012, 3 AZR 400/10, [...] Randziffer 53 und 54; Reinecke, AuR 2015, 256, 258).
Eine solche Verschlechterung der durch Gesamtzusage begründeten Rechte durch eine Betriebsvereinbarung kommt ausnahmsweise auch dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber sich den Widerruf der Gesamtzusage vorbehalten hat. Da die Arbeitnehmer in einem solchen Fall stets mit einer Abänderung ihrer individualvertraglichen Position rechnen müssen, bestehen keine Bedenken dagegen, die auf der arbeitsvertraglichen Regelung beruhenden Ansprüche auf eine inhaltsgleiche kollektiv-rechtliche Grundlage zu stellen (BAG, 15.02.2011, 3 AZR 365/09, [...] Randziffer 49).
II. Jedoch berechtigen weder eine Jeweiligkeitsklausel noch eine Zeitkollisionsregel die Betriebspartner zu beliebigen Eingriffen in die Besitzstände der Arbeitnehmer. Sowohl der Gebrauch eines Änderungsvorbehaltes als auch spätere Betriebsvereinbarungen, die Ansprüche aus einer früheren Betriebsvereinbarung einschränken, unterliegen der Rechtskontrolle. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit dürfen nicht verletzt werden. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass die Gründe, die den Eingriff rechtfertigen sollen, umso gewichtiger sein müssen, je stärker der Besitzstand ist, in den eingegriffen wird. Für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften hat das Bundesarbeitsgericht die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert (BAG, 12.02.2013, 3 AZR 636/10, [...] Randziffer 62):
1. In den unter der Geltung der bisherigen Ordnung und im Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdienten und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelten Teilbetrag kann allenfalls aus zwingenden Gründen eingegriffen werden. Derartige zwingende Gründe können insbesondere bei einer Störung der Geschäftsgrundlage der bisherigen Versorgungszusage vorliegen.
Rentensteigerungen in der Zukunft, die nicht von der weiteren Betriebszugehörigkeit abhängen (erdiente Dynamik), können aus triftigen Gründen geschmälert werden. Bei der erdienten Dynamik, die auf dem erdienten Teilbetrag aufbaut, folgt der Wertzuwachs der Anwartschaft allein der künftigen Entwicklung variabler Berechnungsfaktoren. Eine solche Dynamik ist im Zeitpunkt der Veränderung einer Versorgungszusage bereits im Umfang der bis dahin geleisteten Betriebszugehörigkeit anteilig erdient, denn insoweit hat der Arbeitnehmer die von ihm geforderte Gegenleistung bereits erbracht.
Die geringsten Anforderungen sind an Eingriffe in künftige und damit noch nicht erdiente dienstzeitabhängige Zuwächse zu stellen. Dafür sind grundsätzlich sachlich-proportionale Gründe erforderlich, aber auch ausreichend. Sachlich-proportionale Gründe können auf einer wirtschaftlichen ungünstigen Entwicklung des Unternehmens oder einer Fehlentwicklung der betrieblichen Altersversorgung beruhen (BAG, 12.02.2013, 3 AZR 636/10, [...] Randziffer 60 ff.; BAG, 09.12.2014, 3 AZR 323/13, [...] Randziffer 21; Reinecke, AuR 2015, 256, 259).
Darüber hinaus hat der darlegungs- und beweisbelastete Arbeitgeber grundsätzlich auch darzulegen, dass die Eingriffe in die Versorgungsrechte in der konkreten Situation verhältnismäßig sind, dass also die Abwägung seiner Interessen und einer Änderung des Versorgungsweges gegenüber den Interessen des Arbeitnehmers an der Beibehaltung des ursprünglichen Versorgungszustands im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Dabei müssen der Regelungszweck und das Mittel der Kürzung in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen (BAG, 12.02.2013, 3 AZR 636/10, [...] Randziffer 70). Dies gilt auch bei anderen nicht die Höhe der Anwartschaft betreffenden Eingriffen (Reinecke, AuR 2015, 256, 259).
Ob eine spätere Betriebsvereinbarung in Besitzstände eingreift und deshalb eine Überprüfung anhand des dreistufigen Prüfungsschemas erforderlich ist, kann nur im jeweiligen Einzelfall und auf das Einzelfallergebnis bezogen, festgestellt werden. Dazu ist es erforderlich, die Versorgungsansprüche bzw. -anwartschaften nach den beiden unterschiedlichen Versorgungsordnungen zu berechnen und einander gegenüberzustellen (BAG, 09.12.2014, 3 AZR 323/13, [...] Randziffer 22).
2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze besteht für einen Großteil des geltend gemachten Anspruchzeitraums bereits kein Eingriff. Schon die VO 88 sah vor, dass ein Betriebsrentenanspruch nicht besteht, wenn der Betriebsrentner Krankengeld oder Arbeitslosengeld erhalten hat. , dass eine Bankrente ruht, solange nach Entstehen des Rentenanspruchs noch Gehalt, Gehaltsersatz oder gehaltsähnliche Leistungen gezahlt wurde(n) und/oder Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss bestand.
a. Nach ihrem Sinn und Zweck sollen solche Klauseln vermeiden, dass Doppelzahlungen erfolgen und Anspruchsübergänge in der Folge nach sich ziehen (LAG Köln, 21.11.2003, 4 Sa 923/03, [...] Randziffer 29). Die Regelungen zu den Anspruchsvoraussetzungen und der Zahlungsbeginn des Ruhegeldes nach der VO 88 sind auf das gesetzliche Renten- und Krankenversicherungsrecht abgestimmt. Nach Punkt A. 3. Abs. 2 der VO 88 tritt der Versorgungsfall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit unter denselben Voraussetzungen und im selben Zeitpunkt wie in der gesetzlichen Rentenversicherung ein. Das Ruhegeld ist jedoch nicht stets ab Eintritt des Versorgungsfalls zu zahlen. Die Voraussetzung für das Bestehen eines Ruhegeldanspruches und der Zahlungsbeginn sind voneinander zu unterscheiden (vgl. dazu schon BAG, 17.10.2000, 3 AZR 359/99, [...] Randziffer 10; BAG, 08.06.1999, 3 AZR 113/98, [...] Randziffer 36). Der Zahlungsbeginn ist in B. 5. Abs. 2 Satz 3 VO 88 geregelt, wonach das Ruhestandsverhältnis mit dem Kalendermonat beginnt, der auf den Monat folgt, in dem der Versicherungsfall laut Rentenbescheid der gesetzlichen Rentenversicherung oder amtsärztlichen Attest eingetreten ist. Ferner ist in diesem Zusammenhang vorgesehen, dass die Bankrente ruht, solange nach Entstehen des Rentenanspruchs noch gehaltsähnliche Leistungen gezahlt werden. Damit können nur solche Zahlungen gemeint sein, die der Versorgungsberechtigte nicht zurückerstatten muss. Nur eine dem Versorgungsberechtigten verbleibende anderweitige Leistung rechtfertigt es, das Ruhen des Rentenanspruchs anzuordnen (vgl. dazu auch schon BAG, 17.10.2000, 3 AZR 359/99, [...] Randziffer 12).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend für die tatsächliche Zahlung von Krankengeld sowie Arbeitslosengeld nach § 50 SGB V bzw. nach § 145 Abs. 3 SGB III in Verbindung mit § 156 Abs. 2 Satz 2 SGB III erfüllt. Bei einer rückwirkenden Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente endet nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V sowie nach § 145 Abs. 3 Satz 1 SGB III in Verbindung mit § 156 Abs. 2 Satz 2 SGB III mit Beginn dieser Rente der Anspruch auf Kranken- bzw. Arbeitslosengeld. Der rückwirkende Ausschluss des Krankengeldanspruchs bzw. des Arbeitslosengeldanspruches löst aber für den Überschneidungszeitraum keine Erstattungspflicht des Arbeitnehmers, sondern nach § 103 Abs. 1 SGB X lediglich eine Erstattungspflicht des Rentenversicherungsträgers gegenüber der Krankenkasse bzw. der Agentur für Arbeit aus. Deren Höhe ist nach § 103 Abs. 2 SGB X durch das begrenzt, was der erstattungspflichtige Rentenversicherungsträger selbst hätte erbringen müssen. Der Krankengeld- bzw. Arbeitslosengeldbezieher erleidet durch die rückwirkende Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente keine finanzielle Einbuße. Die Krankenkasse kann nach § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V den Betrag, um den das Krankengeld die Erwerbsunfähigkeitsrente übersteigt, nicht zurückverlangen. Dies gilt gleichermaßen nach § 145 Abs. 3 Satz 2 SGB III für den Arbeitslosengeldbezieher, da dieser das Arbeitslosengeld nur dann zurückzuerstatten hat, wenn die gesetzliche Rentenversicherung mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosengeldempfänger oder einen Dritten gezahlt hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
b. Ausgehend von dieser Rechtslage stellt der Ruhenstatbestand des Punkt B 5. Abs. 3 Satz 4 VO 88 auch nicht auf den Bestand des Krankengeldanspruches oder des Arbeitslosengeldanspruches ab, sondern ausdrücklich auf die Zahlung eines Gehaltsersatzes oder einer gehaltsähnlichen Leistung. Ob der Krankengeld- oder Arbeitslosengeldanspruch durch die rückwirkende Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente nachträglich ganz oder teilweise weggefallen ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer das von der Krankenkasse gewährte Krankengeld sowie das von der Agentur für Arbeit gewährte Arbeitslosengeld unabhängig von der Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente verbleibt (vgl. dazu BAG, 17.10.2000, 3 AZR 359/99, [...] Randziffer 15).
c. Punkt B. 5. Abs. 4 VO 88 sieht auch nicht lediglich eine Anrechnungsvorschrift vor. Es wird ausdrücklich formuliert, dass die Bankrente ruht, solange Gehalt, Gehaltsersatz oder gehaltsähnliche Leistungen gezahlt werden. Die insoweit andere Formulierung in Bezug auf den Krankengeldzuschuss spielt keine Rolle, da es sich dabei nicht um das Krankengeld an sich handelt, sondern um einen vom Arbeitgeber zusätzlich zum Krankengeld zu zahlenden Zuschuss aus einer arbeitsvertraglichen Sonderregelung.
d. Die Versorgungsordnung sieht erst nach Ablauf der gehaltsähnlichen Zahlung einen Versorgungsbedarf, der die Gewährung von Ruhegeld geboten erscheinen lässt. Solange der Versorgungsberechtigte Kranken- oder Arbeitslosengeld erhält und dieses nicht zurückerstatten muss, verbleiben ihm soziale Leistungen, mit denen sich auch ein aktiver Arbeitnehmer begnügen muss. Es entspricht dem Zweck einer Zusatzversorgung, auf den Versorgungsbedarf abzustellen. Dementsprechend ist es sachgerecht, dass die betriebliche Altersvorsorge solange nicht einsetzt, wie der Versorgungsbedarf anderweitig ausreichend gedeckt ist.
e. Es führt auch nicht zu einem unbilligen Ergebnis, wenn der Bezug typischer Lohnersatzleistungen, die auf beiderseitigen Versicherungsbeiträgen beruhen, aber typischerweise nur vorübergehend gezahlt werden, wie beispielsweise Kranken- oder Arbeitslosengeld, zu einem vorübergehenden Aufschub der tatsächlichen Rentenzahlung bei Erwerbsunfähigkeitsrente führt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Erwerbsunfähigkeitsrenten typischerweise rückwirkend bewilligt werden und der Arbeitnehmer in diesen Fällen ohnehin bereits von den Lohnersatzleistungen gelebt hat (vgl. LAG Köln, 21.11.2003, 4 Sa 923/03, [...] Randziffer 29).
f. Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch die Regelung des § 17 Abs. 1 AVK, die ausdrücklich vorsieht, dass die Rente frühestens beginnt, wenn die tatsächliche Zahlung eines Krankengeldes, Übergangsgeldes, Arbeitslosengeldes oder ähnliche Einkünfte auf Grund gesetzlicher Vorschriften beendet ist. Darüber hinaus regelt § 17 Abs. 1 AVK, dass eine Verrechnung der Leistung der Sozialversicherungsträger keinen früheren Beginn der AVK-Rentenleistung begründet.
Bezogen auf den konkreten Einzelfall hat insoweit kein Eingriff in den Besitzstand des Erblassers stattgefunden. Denn auch nach der Altregelung stand dem Erblasser keine Betriebsrente für den Zeitraum zu, in dem er tatsächlich Krankengeld und Arbeitslosengeld bezogen hatte.
3. Demgegenüber ruhte der Rentenanspruch nach Punkt B. 5. Abs. 3 Satz 4 VO 88 nicht in dem Zeitraum vom 16.12.2009 bis zum 13.01.2010, in dem der Erblasser Leistungen der Arbeitsgemeinschaft bezog. Denn das vom Erblasser erhaltene Arbeitslosengeld II ist nicht als Gehaltsersatz oder eine gehaltsähnliche Leistung einzuordnen. Es handelt sich vielmehr um eine Leistung, die nicht vom bisherigen Einkommen abhängig ist, sondern nach § 20 SGB II bedarfsabhängig ausgestaltet ist (BSG, 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, [...] Randziffer 33). Anders als die nach § 195 AFG a. F. geregelte Arbeitslosenhilfe handelt es sich bei dem Arbeitslosengeld II um eine Fürsorgeleistung, deren Höhe sich nicht nach dem zuletzt bezogenen Entgelt richtet.
§ 17 Abs. 1 AVK schiebt auch entgegen der Auffassung der Beklagten den Zahlungsbeginn nicht für den Fall der Zahlung von Arbeitslosengeld II hinaus. Für diese Auslegung führt zwar die Beklagte den Wortlaut der Regelung an. Ausgehend vom Sinn und Zweck dieser Vorschrift können aber unter dem Begriff "Arbeitslosengeld" nicht die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II subsumiert werden. Sie sind nicht geeignet sicherzustellen, dass der Versorgungsbedarf anderweitig ausreichend gedeckt ist. Anders als Krankengeld, Übergangsgeld und Arbeitslosengeld (I) können die Leistungen nach dem SGB II auch ergänzend neben einer Entgeltzahlung gewährt werden, während es sich bei den erstgenannten um klassische Entgeltersatzleistungen handelt, die an die Stelle des bisherigen Entgelt treten.
4. Darüber hinaus hätte dem Erblasser nach der VO 88 auch für den Zeitraum nach Beendigung der tatsächlichen Krankengeldzahlung (hier: 04.01.2011) ein Anspruch auf Zahlung seiner Betriebsrente zugestanden, da die Rentenzahlung mit dem Kalendermonat beginnt, der auf den Monat folgt, in dem der Versicherungsfall laut Rentenbescheid eingetreten ist (vgl. dazu Punkt B. 5. Abs. 2 Satz 3 VO 88).
Für diese beiden Zeiträume ist nunmehr zu prüfen, ob das von der Beklagten erstmalig aufgestellte Antragserfordernis den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprochen hat. Grundsätzlich ist das Erfordernis eines Antrags für die Zahlung einer arbeitgeberfinanzierten Betriebsrente mit der Folge, dass die Leistung erst ab der Antragstellung gewährt wird, nicht schlechterdings unmöglich (vgl. dazu LAG Düsseldorf, 22.08.2012, 12 Sa 1040/12, [...] Randziffer 53 ff.). Dabei ist zu beachten, dass die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 99 SGB VI grundsätzlich auch Antragsleistungen sind.
Im vorliegenden Fall ist die erfolgte Abänderung in der konkreten Situation jedoch nicht verhältnismäßig. Der Arbeitgeber hat nicht dargelegt, dass die Abwägung seiner Interessen an der Änderung des Versorgungswerkes gegen über den Interessen des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der ursprünglichen Versorgungszusage nicht zu beanstanden ist.
a. Die Beklagten hat nicht dargetan, dass das aufgestellte Antragserfordernis im Zuge der Harmonisierung der Versorgungsordnungen erforderlich gewesen wäre. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Antragserfordernis nicht ausnahmslos aufgestellt wurde. Zwar sieht § 7 Abs. 1 AVK eine grundsätzliche Antragsstellung für alle Rentenzahlungen und Kapitalauszahlungen vor. § 13 Abs. 2 AVK enthält diesbezüglich aber in Bezug auf die Altersrente bereits eine Ausnahme.
b. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellen würde, das Antragserfordernis sei zur Harmonisierung erforderlich gewesen, ist nicht erkennbar, dass es angemessen zur Erreichung diese Ziels eingesetzt wurde, da der rentenversicherungsrechtlichen Sondertatbestand des § 116 Abs. 2 SGB VI nicht berücksichtigt wurde. Nach § 116 Abs. 2 SGB VI kann ein Rehabilitationsantrag als Rentenantrag gewertet werden kann. Dies führt bei Vorliegen der dortigen Voraussetzungen dazu, dass alleine aufgrund der Stellung eines Antrages auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation eine Rente bewilligt werden kann. Im Zeitpunkt der Antragstellung der Leistungen der medizinischen Rehabilitation konnte der jeweilige Arbeitnehmer jedoch noch nicht wissen, dass eine Erwerbsminderung bereits in einem Umfang eingetreten ist, die eine Erwerbsunfähigkeitsrente nach sich ziehen würde. Stellt man in einem solchen Fall ausschließlich auf den Antrag ab, den der Arbeitnehmer erst nach Bewilligung der rückwirkenden Rentenzahlung durch die gesetzliche Rentenversicherung gestellt hat, wird man der konkreten Situation nicht gerecht.
c. Auch das von der Beklagten vorgetragene Argument der Entkopplung der Berufsunfähigkeitsrente nach ihrer Versorgungsordnung von den Voraussetzungen einer gesetzlichen Erwerbsminderungsrente kann die Verhältnismäßigkeit der Abänderung nicht begründen. Zwar ist der Beklagte zunächst zuzugestehen, dass die Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeitsrente nach dem BPV gegenüber der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente abgesenkt sind. Nach § 7 Abs. 2, 2. Unterabsatz AVK lässt die Beklagte jedoch als Nachweis der Berufsunfähigkeit die Vorlage eines Rentenbescheids der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung ausreichen. Dem entspricht auch die praktische Handhabung der Beklagten, wie der vorliegende Fall zeigt. Damit wird deutlich, dass es sich nicht um zwei völlig unterschiedliche Versorgungskonzepte handelt, sondern dass die von der Beklagten versprochene Berufsunfähigkeitsrente über große Überschneidungen mit der Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung verfügt.
Auch der grundsätzliche Sinn und Zweck eines Antragserfordernisses, rückwirkende Leistungen zu vermeiden, wird nicht schrankenlos aufgeweicht. Zum einen ist die rückwirkende Gewährung bereits dadurch begrenzt, dass auch Leistungen der medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben eines Antrages bedürfen. Zum anderen sehen gerade auch für die vorliegende Fallkonstellation sowohl die alte als auch die neue Versorgungsordnung der Beklagten umfangreiche Ruhensvorschriften vor, die den Interessen der Beklagten ausreichend Rechnung tragen.
5. Indem die Abänderung der Versorgungsordnung bezogen auf den konkreten Einzelfall in diesem Punkt einen unverhältnismäßigen Eingriff darstellt, hat der Erblasser einen Anspruch auf Zahlung der in der Höhe unstreitigen Berufsunfähigkeitsrente in der Zeit vom 16.12.2009 bis zum 13.01.2010 in Höhe von 1.460,09 € sowie vom 05.01.2011 bis zum 16.02.2011 in Höhe der geltend gemachten 832,48 €. Da sich bereits die Abänderung der Versorgungsordnung als unverhältnismäßig erweist, kommt es auf die Frage, wann dem Kläger der Bescheid tatsächlich zugegangen ist und wann er diesen der Beklagten hätte vorlegen können, nicht an. Nach der Altregelung der VO 88 beginnt die Rentenzahlung mit dem Kalendermonat, der auf den Monat folgt, in dem der Versicherungsfall laut Rentenbescheid eingetreten ist (vgl. dazu Punkt B. 5. Abs. 2 Satz 3 VO 88).
6. Der Zinsanspruch ist aus dem Gesichtspunkt des Verzugs gerechtfertigt, § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 288 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB.
C. Es bestehen keine ausreichenden Gründe dafür, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wiederzueröffnen.
I. Es liegen keine Wiedereröffnungsgründe gemäß § 156 Abs. 2 ZPO vor.
Gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO besteht ein Zwang zur Wiedereröffnung einer geschlossenen Verhandlung u.a. dann, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295 ZPO), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt. Dies ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht behauptet.
Auch die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO liegen nicht vor. Die Beklagte trägt nachträglich schon keine Tatsachen vor, sondern vertieft insbesondere ihre Rechtsansichten unter Aufrechterhaltung schon zuvor vorgetragener Behauptungen. Auch ist kein Richter zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung ausgeschieden.
II. Die Wiedereröffnung ist auch nicht gemäß § 156 Abs. 1 ZPO nach billigem Ermessen geboten. In denen nicht von § 156 Abs. 2 ZPO erfassten Fällen steht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Für die Entscheidung muss die Konzentrationsmaxime mit ihrem Ziel eines schnellen Abschlusses der Instanz bedacht werden. Auf der anderen Seite ist in die Abwägung einzustellen, dass ein nachfolgendes Rechtsbehelfsverfahren vermieden werden kann, das erst recht zur Verfahrensverzögerung führt (Stein/Jonas/Roth § 156 ZPO Rn. 10; Zöller/Greger § 156 ZPO Rn. 5; BAG, 06.09.2007, 2 AZR 264/06, [...], Rz. 52). Die Beklagte vertieft mit ihrem Schriftsatz vom 05.08.2015 ihre bisherigen Rechtsansichten. Da dies keine abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zur Folge hat, ist im Interesse der Konzentrationsmaxime keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geboten.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei war aufgrund des unterschiedlichen Streitwertes in der ersten und der zweiten Instanz eine unterschiedliche Kostenquote auszuweisen. Der Klageantrag zu 2) wurde in der Berufungsinstanz nicht weiter aufrechterhalten.
E. Die Revision war zuzulassen, da es sich um eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung handelt.