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  • 25.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142828

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 22.07.2014 – 8 K 1937/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG Köln

    22.07.2014

    8 K 1937/11

    Tenor:

    Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 25.03.2011 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 01.06.2011 dergestalt geändert, dass das zu versteuernde Einkommen um 1.544,03 € reduziert wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, den Klägern das Ergebnis der Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand

    Streitig ist zwischen den Beteiligten die Abzugsfähigkeit von nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, die im Zusammenhang mit Einnahmen aus Kapitalvermögen stehen, die vor dem 01.01.2009 zugeflossen sind.

    Die Kläger wurden im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung erklärten sie u.a. jeweils Kapitaleinkünfte, wobei der Kläger unter Kz. 15 seiner Anlage KAP Steuerberatungskosten i.H.v. 1.544,03 € als Werbungskosten geltend machte. Diese Aufwendungen stehen unstreitig im Zusammenhang mit Kapitalerträgen, die den Klägern vor dem 01.01.2009 zugeflossen sind und am 05.02., 05.05., 17.09. und 26.10.2009 bezahlt wurden. Mit Einkommensteuerbescheid vom 25.03.2011 wurden die Kläger zur Einkommensteuer veranlagt. Der Beklagte erkannte den geltend gemachten Werbungskostenabzug nicht an. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung wurden beim Kläger und bei der Klägerin jeweils ein Sparer-Pauschbetrag gemäß § 20 Abs. 9 Sätze 1 und 2 EStG i.H.v. jeweils 801 € berücksichtigt.

    Hiergegen legten die Kläger am 28.04.2011 Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass die geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit Einnahmen aus Kapitalvermögen stünden, die bis zum Jahr 2008 erzielt worden seien. Somit handele es sich um nachträgliche Werbungskosten zu Kapitaleinkünften, die noch der Regelbesteuerung nach dem bis zum 31.12.2008 gültigen Einkommensteuergesetz unterlägen und deshalb in voller Höhe zu berücksichtigen seien.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 01.06.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er unter Hinweis auf Rz. 322 und 323 des BMF-Schreibens vom 22.12.2009 (IV C 1 – S 2252/08/10004, 2009/0860687, BStBl I 2010, I S. 94) aus, dass ein Werbungskostenabzug bei Einkünften aus Kapitalvermögen seit Einführung der sog. Abgeltungssteuer gemäß § 20 Abs. 9 S. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – ausgeschlossen sei. Werbungskosten seien dabei dem Jahr zuzuordnen, in dem sie geleistet würden, so dass in 2009 geleistete Ausgaben dem Abzugsverbot auch dann unterlägen, wenn sie mit Kapitalerträgen der Vorjahre im Zusammenhang stünden. Abweichend hiervon sei es aus Billigkeitsgründen nicht zu beanstanden, wenn die durch das Abzugsverbot unberührt bleibende Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 2 S. 2 EStG noch für einen Zeitraum bis zum 31.01.2009 angewendet werde. Nach diesen Grundsätzen scheide ein Abzug der Steuerberatungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen vorliegend aus.

    Am 18.06.2011 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

    Sie machen geltend, dass nach der in § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG kodifizierten Übergangsregelung das in § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG normierte Abzugsverbot der tatsächlichen Werbungskosten nur für solche Werbungskosten gelte, die im Zusammenhang mit Kapitalerträgen stünden, die vor dem 01.01.2009 zugeflossen seien. Das Wort „Kapitalerträge“ sei dabei als Synonym für den Begriff „Einnahmen aus Kapitalvermögen“ zu verstehen, da sich die Einkünfte aus Kapitalvermögen erst aus der Differenz zwischen den Einnahmen und Werbungskosten ergäben. Ein generelles Abzugsverbot für alle nach dem 31.12.2008 abfließenden Werbungskosten können der Vorschrift nicht entnommen werden. Nichts anderes folge aus dem objektiven Nettoprinzip. Auch die Verwaltung habe Zweifel an ihrer Auffassung, was sich daran zeige, dass der Zehn-Tages-Zeitraum nach § 11 Abs. 2 S. 2 EStG im BMF-Schreiben vom 22.12.2009 auf einen Monat verlängert worden sei.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 25.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.06.2011 dergestalt zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung nachträglicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.H.v. 1544,03 € neu festgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist er vollumfänglich auf die Einspruchsentscheidung.

    Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2014 wird Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet.

    Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    I.

    Der Beklagte hat zu Unrecht den Abzug der Steuerberatungskosten i.H.v. 1.544,03 € als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Streitjahres 2009 abgelehnt. § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG schließt den Abzug der geltend gemachten Steuerberatungskosten als Werbungskosten nicht aus, denn die Vorschrift ist hierauf nicht anwendbar.

    1.

    Nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – sind die Einkünfte im Bereich der Überschusseinkunftsarten durch Abzug der Werbungskosten von den Einnahmen zu ermitteln. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 S. 1 und 2 EStG).

    Nach § 2 Abs. 2 S. 2 EStG i. d. F. des Unternehmenssteuerreformgesetzes vom 14.08.2007 (– UntStRefG –, Bundesgesetzblatt – BGBl. – I 2007, S. 1912) tritt bei Einkünften aus Kapitalvermögen § 20 Abs. 9 EStG vorbehaltlich der Regelung in § 32d Abs. 2 EStG an die Stelle der §§ 9 und 9a EStG. Nach § 20 Abs. 9 S. 1 EStG – ebenfalls i.d.F. des UntStRefG vom 14.08.2007 – ist bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ein Sparer-Pauschbetrag von 801 € abzuziehen; der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist ausgeschlossen. Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, wird ein gemeinsamer Sparer-Pauschbetrag von 1.602 € gewährt (§ 20 Abs. 9 S. 2 EStG).

    Der zeitliche Anwendungsbereich des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG bestimmt sich nach § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG. Nach dem Wortlaut der Norm ist § 20 Abs. 9 EStG i.d.F. des Art. 1 des Steuerbürokratieabbaugesetz vom 19.12.2008 (BGBl. I 2008, 2794) – JStG 2009 –, geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I 2010, 1768) – JStG 2010 –, erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden. Zwar regelt der Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG damit nicht die erstmalige Anwendung des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG. Denn einen § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2009 oder des JStG 2010 gibt es nicht. Die Fassung des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG geht auf das UntStRefG zurück und blieb sowohl durch das JStG 2009 als auch durch das JStG 2010 unberührt. Die Nichterwähnung der Fassung des UntStRefG beruht indes auf einem offenkundigen Redaktionsversehen des Gesetzgebers. § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG i.d.F. des UntStRefG ordnete an, dass § 20 Abs. 3 bis 9 EStG i.d.F. des UntStRefG erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden ist. Mit den Änderungen des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG i.d.F. des UntStRefG durch das JStG 2009 und durch das JStG 2010 dahin, dass auf § 20 Abs. 3 bis 9 EStG i.d.F. des JStG 2009, geändert durch das JStG 2010, abgestellt wird, wollte der Gesetzgeber nur bewirken, dass - neben den unverändert gebliebenen Regelungen in § 20 Abs. 3 bis 9 EStG i.d.F. des UntStRefG - auch § 20 Abs. 4a, Abs. 8 Satz 2 und Abs. 9 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2009 sowie § 20 Abs. 3a und Abs. 4a EStG i.d.F. des JStG 2010 erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden sind (vgl. BTDrucks 16/10189, 67; und 17/2249, 64 und Urteil des FG München vom 23.09.2013 7 K 3206/12, EFG 2013, 1915).

    2

    Bei zutreffender Auslegung des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG ist § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG auf die streitigen Steuerberatungskosten i.H.v. 1.544,03 € nicht anwendbar. Die Norm ist erst auf solche Aufwendungen anzuwenden, die mit Kapitaleinnahmen im Zusammenhang stehen, die nach dem 31.12.2008 zufließen und schränkt den Werbungskostenabzug im Streitfall daher nicht ein.

    a)

    Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG, nach dem § 20 Abs. 9 EStG erstmalig auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anwendbar ist. Mit dieser Formulierung stellt der Gesetzgeber nicht auf den Abfluss der potenziell als Werbungskosten abzugsfähigen Aufwendungen, sondern vielmehr darauf ab, wann die den Aufwendungen zuzuordnenden „Kapitalerträge“, was nur im Sinne von „Einnahmen aus Kapitalvermögen“ verstanden werden kann, zufließen (vgl. auch Urteil des FG Düsseldorf vom 14.11.2012 2 K 3893/11 E, EFG 2013, 926 und Urteil des FG Köln vom 17.04.2013 7 K 244/12, EFG 2013, 1328). Die hier fraglichen Steuerberatungskosten stehen jedoch mit Einnahmen im Zusammenhang, die bereits vor dem 01.01.2009 zugeflossen sind, und erfüllen diese Voraussetzung damit nicht.

    b)

    Die vom erkennenden Senat vorgenommene Auslegung bestätigt sich bei historischer Betrachtung. Denn nach der Begründung des Gesetzentwurfs des UntStRefG (vgl. Bundestags-Drucksache 16/4841, S. 57) ist beim Ausschluss des Abzugs der tatsächlichen Werbungskosten u.a. berücksichtigt worden, dass die Werbungskosten im Rahmen der Abgeltungssteuer u.a. mit dem relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 Prozent in den oberen Einkommensgruppen bereits mit abgegolten wurden. Diese Abgeltungswirkung kann bei systematischer Betrachtung aber nur dort greifen, wo korrespondierende Einnahmen bereits der Abgeltungssteuer unterlegen haben. Bei den hier vor dem 01.01.2009 zugeflossenen Einnahmen ist dies ersichtlich nicht der Fall (vgl. hierzu auch Urteil des FG Düsseldorf vom 14.11.2012 2 K 3893/11 E, EFG 2013, 926 und Urteil des FG Köln vom 17.04.2013 7 K 244/12, EFG 2013, 1328).

    2.

    Die geltend gemachten Aufwendungen waren auch nicht um den anteiligen, in Anspruch genommenen Sparer-Pauschbetrag zu kürzen. Zwar setzt sich dieser nach der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 16/4841, S. 57) aus dem bisherige Sparer-Freibetrag von 750 Euro und dem bisherigen Werbungskostenpauschbetrag von 51 Euro zusammen, so dass zu erwägen wäre, die tatsächlichen Werbungskosten in der Höhe zu kürzen, in denen der in Anspruch genommene Sparer-Pauschbetrag an die Stelle des bisherigen Werbungskostenpauschbetrags getreten ist. Eine derartige Auslegung ließe jedoch unberücksichtigt, dass der Sparer-Pauschbetrag – wenn er sich auch betragsmäßig teilweise durch den alten Werbungskostenpauschbetrag erklären lässt – letztlich eine neu geschaffene Typisierung darstellt, die das Abzugsverbot für tatsächliche Werbungskosten im System der Abgeltungssteuer kompensieren soll. Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine anteilige Anrechnung auf Werbungskosten, die mit Einnahmen zusammenhängen, welche nicht der Abgeltungssteuer unterlegen haben. Denn anderenfalls könnte der Sparer-Pauschbetrag nicht mehr in voller Höhe von den nach dem 31.12.2008 zugeflossenen Einnahmen abgezogen werden und würde die vom Gesetzgeber vorgesehene typisierende Abgeltungswirkung dann nicht mehr in vollem Umfang erfüllen.

    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    III.

    Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 11 Abs. 2 S. 2 EStG; § 20 Abs. 9 S. 1 EStG

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