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  • 08.03.2022 · IWW-Abrufnummer 227928

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 07.12.2021 – 15 K 3144/20 U

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster


    Tenor

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    1
    Tatbestand

    2
    Streitig ist, ob die erfolgreiche Durchsetzung einer Anfechtung einer Einfuhrumsatzsteuerzahlung im Insolvenzverfahren zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs führt.

    3
    Die Klägerin ist die operativ tätige Holdinggesellschaft der Y-Gruppe. Mit Antrag vom 00. Januar 2019 stellte die Klägerin beim zuständigen Amtsgericht C einen Insolvenzantrag und beantragte Eigenverwaltung. Das Amtsgericht C bestellte am gleichen Tag Herrn Rechtsanwalt N aus M zum vorläufigen Sachwalter und ordnete an, dass die Klägerin berechtigt sei, unter der Aufsicht des vorläufigen Sachwalters ihr Vermögen weiter zu verwalten.

    4
    Für die Monate Januar und Februar 2019 setze das Hauptzollamt C entstandene Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in Höhe von xxx EUR gegen die Klägerin fest. Die EUSt wurde von der Klägerin beglichen und für den Anmeldezeitraum Januar und Februar 2019 von ihr als Vorsteuer bei den Umsatzsteuervoranmeldungen in Abzug gebracht.

    5
    Am 00. April 2019 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren unter dem Aktenzeichen 00 IN 000/19 eröffnet. Das Insolvenzgericht ordnete Eigenverwaltung i.S.v. § 270 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) an und bestellte wiederum Herrn Rechtsanwalt N zum Sachwalter. Der Sachwalter zog nicht die Kassenführung an sich.

    6
    Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde die Zahlung der EUSt nach § 129 ff. InsO angefochten und vom Hauptzollamt C im Oktober 2019 an die Insolvenzmasse zurückerstattet. Sodann wurde die Forderung vom Hauptzollamt zur Insolvenztabelle angemeldet und vom Sachwalter festgestellt. Im Jahr 2019 erfolgten nach der Insolvenzanfechtung keine ‒ auch keine teilweisen ‒ Zahlungen auf diese EUSt.

    7
    Der Beklagte kürzte mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 den Vorsteuerabzug für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2019 in Höhe der zurückerstatteten EUSt um xxx EUR. Der Bescheid erging unter dem 19. Dezember 2019 gegenüber der Klägerin. Ein weiterer, im Übrigen inhaltsgleicher Bescheid erging unter dem 19. Dezember 2019 zudem gegenüber dem Rechtsanwalt N in seiner Eigenschaft als Sachwalter der Insolvenzmasse der X AG n.I. Letztgenannter Bescheid ist vorliegend nicht streitgegenständlich.

    8
    Die Klägerin legte mit Schreiben vom 20. Januar 2020 Einspruch ein.

    9
    Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2020 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorzunehmen sei. Die Vergütung der Vorsteuer bezwecke die Entlastung von einer Belastung. Wenn die Belastung entfalle, sei auch die Entlastung rückgängig zu machen. Bezüglich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

    10
    Am 12. November 2020 hat die Klägerin Klage zum Finanzgericht erhoben.

    11
    Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die insolvenzrechtliche Anfechtung mit entsprechender Rückzahlung der EUSt nicht nach § 17 Abs. 3 UStG zu einer Korrektur der Vorsteuer führe. Der in § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG verwendete Begriff der „Erstattung“ sei im Sinne von § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu verstehen und setze voraus, dass die Zahlung rechtsgrundlos erfolgt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Die vorgenommene insolvenzrechtliche Anfechtung führe nicht dazu, dass der Rechtsanspruch auf die Zahlung der EUSt entfallen sei. Lediglich die Durchsetzung der Forderung sei durch die Regeln der Insolvenzordnung beschränkt. Die erfolgreiche Anfechtung führe nach § 144 Abs. 1 InsO zum Wiederaufleben der Forderung. Die Forderung bleibe weiterhin bestehen und sei dementsprechend auch vom Hauptzollamt zur Insolvenztabelle angemeldet worden.

    12
    Seit einer Gesetzesänderung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG im Jahr 2013 setze ein Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht mehr die Entrichtung, sondern nur noch die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer voraus. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass auch nach erfolgter Zahlung die Rückzahlung der bereits erbrachten Einfuhrumsatzsteuer nicht zum Wegfall der Vorsteuerabzugsberechtigung führe, solange der Rechtsgrund für die Steuer unverändert bestehen bleibe.

    13
    Dieses Verständnis sei vom Wortlaut des § 17 Abs. 3 UStG getragen. Eine analoge Anwendung sei nicht möglich.

    14
    Die Klägerin beantragt,

    15
    den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Oktober 2019 vom 19. Dezember 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2020 dahingehend zu ändern, dass die Streichung des Vorsteuerabzugsbetrags in Höhe von xxx € rückgängig gemacht und die Umsatzsteuervorauszahlung für Oktober 2019 entsprechend niedriger festgesetzt wird,

    16
    hilfsweise im Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

    17
    Der Beklagte beantragt,

    18
    die Klage abzuweisen,

    19
    hilfsweise im Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

    20
    Nach dem Normzweck sei eine Anpassung des Vorsteuerabzugs bei Minderung der Belastung mit EUSt vorgesehen. Die Vergütung der Vorsteuer bezwecke die Entlastung von einer Belastung, nicht die Bereicherung (Subventionierung) des Unternehmers. Entsprechendes gelte bei der Rückgängigmachung von Anzahlungen oder Umsätzen (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 und 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG) sowie für die Abziehbarkeit der EUSt (§17 Abs. 3 UStG). Es komme nicht auf die Gründe für die Herabsetzung, den Erlass oder die Erstattung an. Die Vorschrift bringe eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, die aus dem Zweck des Vorsteuerabzugs folge, den Unternehmen von der Belastung mit Umsatzsteuer auf der Eingangsseite zu entlasten. Entfalle diese Belastung, so sei auch die Entlastung rückgängig zu machen. Alleiniges Kriterium für eine Berichtigung nach § 17 Abs. 3 UStG sei, ob der Steuerpflichtige mit EUSt belastet worden sei.

    21
    Im Laufe des Klageverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über die Klägerin zum 00. Dezember 2020 aufgehoben.

    22
    Der Senat hat am 7. Dezember 2021 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen. Das Gericht hat die Steuerakten beigezogen.

    23
    Entscheidungsgründe

    24
    I. Die Klage ist unbegründet. Der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Oktober 2019 vom 19. Dezember 2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    25
    Der Beklagte hat zu Recht eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorgenommen, weil der Klägerin die EUSt, die sie zuvor als Vorsteuer in Abzug gebracht hatte, erstattet worden ist. Der Beklagte hat den Bescheid nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung i.S.v. § 270 Abs. 1 InsO richtigerweise gegenüber der Klägerin erlassen (1). Der Begriff „erstattet“ im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG meint den tatsächlichen Vorgang der Rückzahlung. Auf den Grund für die Rückzahlung kommt es nicht an (2). Der Korrektur des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG steht kein betragsmäßig übereinstimmender (erneuter) Vorsteuerabzug gegenüber, weil im Anwendungsbereich von § 17 Abs. 3 UStG eine erneute Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen ist (3). Das Ergebnis entspricht den Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung (4). Der Anspruch auf Vorsteuerabzug ist erst dann erneut zu berichtigen, wenn die Einfuhrumsatzsteuer gezahlt wird (5).

    26
    1. Der angefochtene Bescheid ist zutreffend an die Klägerin selbst als Inhaltsadressatin bekannt gegeben worden. Durch die Anordnung der Eigenverwaltung verblieben die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei der Klägerin, die selbst weiterhin rechtsgeschäftlich mit Verfügungsbefugnis handeln konnte und steuerlich weiterhin als Vertreterin der Insolvenzmasse i.S.v. §§ 34, 35 AO anzusehen war. Der Sachwalter konnte demgegenüber nur Kontroll- und Aufsichtspflichten ausüben.

    27
    2. Im Streitzeitraum war der Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG zu berichtigen.

    28
    a) Nach dieser Vorschrift hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen, falls Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden ist. Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 UStG ist § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) entsprechend anzuwenden, wonach die Berichtigung für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen ist, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist.

    29
    b) Unionsrechtlich beruhen diese Vorschriften auf Art. 184, 185 sowie Art. 90 und Art. 168 Buchst. e der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird gem. Art. 184 MwStSystRL berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war. Eine Berichtigung erfolgt dabei insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten (Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL). Ein solcher Faktor ist auch die Rückerstattung der nach Art. 168 Buchst. e MwStSystRL als Vorsteuer in Abzug gebrachten EUSt. Da für den Insolvenzfall keine unionsrechtliche Harmonisierung der sich hierfür im Mehrwertsteuerrecht ergebenden Rechtsfolgen besteht, obliegt es den Mitgliedsstaaten im Rahmen der ihnen durch Art. 184 und Art. 273 MwStSystRL eingeräumten Regelungsbefugnisse diese zu bestimmen, wobei die Entscheidung über die dabei zu treffenden Auslegungsfragen des geltenden Rechts der Rechtsprechung obliegt. Der erkennende Senat berücksichtigt dabei, dass Art. 273 MwStSystRL u.a auch dazu dient, die genaue Erhebung der Steuer in Insolvenzfällen sicherzustellen (BFH-Urteil vom 27. September 2018 V R 45/16, BStBl II 2019, 356, Rn. 22 zu Art. 90 MwStSystRL und § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG).

    30
    c) Der Begriff „erstattet“ im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass der tatsächliche Vorgang der Rückzahlung gemeint ist.

    31
    Diese Auslegung wird getragen vom Wortsinn. Der Begriff „erstattet“ bedeutet danach „Rückgewährung“ oder „Rückzahlung“. Der Grund für die Erstattung ist dem Begriff selbst nicht zu entnehmen.

    32
    Die Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG wird auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift getragen. Die Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG bezweckt grundsätzlich, das Gleichgewicht zwischen Steuer und Vorsteuer zu gewährleisten. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG, wenn die Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist. Hierdurch wird erreicht, dass der Unternehmer von der Belastung mit Umsatzsteuer auf der Eingangsseite entlastet wird. Damit korrespondiert die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG, wonach der Vorsteuerabzug berichtigt wird, wenn die Einfuhrumsatzsteuer erstattet wird. Denn wenn die Belastung mit der Einfuhrumsatzsteuer entfällt, ist auch die Entlastung rückgängig zu machen. Auf die Gründe für die Herabsetzung, den Erlass oder die Erstattung kommt es nicht an (Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, 196. Lieferung 10.2021, § 17 UStG, Rn. 529). Die Vergütung der Vorsteuer bezweckt die Entlastung von einer Belastung, nicht die Bereicherung (Subventionierung) des Unternehmers (Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, 196. Lieferung 10.2021, § 17 UStG, Rn. 10; siehe auch Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, 196. Lieferung 10.2021, § 16 UStG, Rn. 252).

    33
    Anders als die Klägerin meint, ist der Begriff „erstattet“ nicht im Sinne von § 37 Abs. 2 AO zu verstehen und setzt demnach nicht voraus, dass die Zahlung rechtsgrundlos erfolgt sein muss. Die Auslegung des einzelstaatlichen Steuergesetzes, das Unionsrecht umsetzt, ist richtlinienkonform vorzunehmen. Die Auslegung hat sich, soweit wie möglich, am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten und muss die dazu ergangenen Erkenntnisse des EuGH berücksichtigen (siehe BFH, Urteil vom 2. April 1998, V R 34/97, BFHE 185, 536, Rn. 21 m.w.N.). Das bedeutet, dass zur Auslegung eines Begriffs nicht auf die nationale Rechtsordnung zurückgegriffen werden kann, die dem verwendeten Begriff an anderer Stelle (z. B. im Zivilrecht oder im nationalen Verfahrensrecht) eine bestimmte Bedeutung beimisst. Eine an dem jeweiligen national vorgeprägten Verständnis orientierte Auslegung würde das Ziel verfehlen, zu einer einheitlichen Anwendung der Vorgaben der MwStSystRL innerhalb der Europäischen Union zu gelangen.

    34
    Durch diese Auslegung wird auch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität am besten zur Geltung verholfen. Nach diesem Grundsatz gewährleistet das gemeinsame Mehrwertsteuersystem völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Umsatzsteuer unterliegen (siehe z. B.: EuGH, Urteil vom 29. Oktober 2009, NCC Construction Danmark, C‑174/08, EU:C:2009:669, Rn. 27). Der Grundsatz garantiert einerseits, dass der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Umsatzsteuer entlastet wird. Andererseits muss der Grundsatz auch garantieren, dass der Unternehmer nicht durch doppelte Entlastung von der Umsatzsteuer bzw. Einfuhrumsatzsteuer gegenüber seinen Wettbewerbern übervorteilt wird.

    35
    d) Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte zu Recht eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei der Klägerin vorgenommen. Der Klägerin ist ‒ nach insolvenzrechtlicher Anfechtung ‒ die Einfuhrumsatzsteuer zurückerstattet worden. Sie ist dadurch von der ursprünglichen Belastung wieder entlastet worden. Weil der Grund für die Rückerstattung unerheblich ist, ist es auch nicht von Bedeutung, ob die insolvenzrechtlichen Voraussetzungen für die Anfechtung erfüllt waren und die Anfechtung nach § 144 Abs. 1 InsO zum Wiederaufleben der Forderung führt (siehe zur Notwendigkeit einer inzidenten Prüfung der insolvenzrechtlichen Voraussetzungen: FG Düsseldorf, Urteil vom 11. November 2020, 4 K 1109/19 Z, juris, Rn. 27, 29).

    36
    3. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin steht der Korrektur des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG kein betragsmäßig übereinstimmender (erneuter) Vorsteuerabzug der durch die Insolvenzanfechtung nach § 144 Abs. 1 InsO wieder aufgelebten EUSt gegenüber. Denn im Anwendungsbereich von § 17 Abs. 3 UStG ist eine erneute Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG nicht möglich. Nur eine solche Sperrwirkung des § 17 UStG gegenüber einer erneuten Anwendung des § 15 UStG entspricht dem beschriebenen Sinn und Zweck des § 17 UStG, das Gleichgewicht zwischen Steuer und Vorsteuer zu gewährleisten. § 17 UStG beinhaltet ein in sich abgeschlossenes Regelungssystem, das erst dann zur Anwendung kommt, wenn Änderungen der Bemessungsgrundlage für versteuerte Umsätze bzw. in Anspruch genommene Vorsteuerabzüge in nachfolgenden Voranmeldungszeiträumen eintreten. Bei der Berichtigung nach § 17 UStG handelt es sich um einen selbständigen Tatbestand, der sich nicht in der bloßen Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs erschöpft, da zusätzliche Voraussetzungen, wie im Streitfall die Rückerstattung der EUSt, vorliegen müssen (vgl. BFH, Urteil vom 15. Dezember 2016, V R 26/16, BFHE 256, 571, Rn. 25). Diese Eigenständigkeit des § 17 UStG zeigt sich zudem im besonderen Maße im Rahmen des § 17 Abs. 1 und 2 UStG. So hat der Gesetzgeber die Änderung der Bemessungsgrundlage auf Seiten des Leistungserbringers in § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG und die korrespondieren Änderung des Vorsteuerabzugs in § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG geregelt. Ebenso hat der Gesetzgeber für die nachträgliche Vereinnahmung eines zunächst uneinbringlich gewordenen Entgelts in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG eine eigenständige Regelung zur erneuten Korrektur des Steuer- und des Vorsteuerbetrages geschaffen. Diese Regelungen betreffend die Veränderungen des Vorsteuerabzugs wären nicht erforderlich gewesen, wenn ‒ wie bei den zugrunde liegenden Vorschriften im Unionsrecht ‒ § 15 UStG neben § 17 UStG anwendbar bliebe. Denn dann würde die Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 UStG unmittelbar zu einer Veränderung der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG gesetzlich geschuldeten Steuer führen. Der Gesetzgeber hätte sich dann auf die Regelung des Zeitpunkts der Vorsteuerberichtigung, § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung), beschränken können.

    37
    4. Dass der nationale Gesetzgeber hiermit von der Regelungsstruktur des Unionsrechts abweicht, begegnet im vorliegenden Fall keinen Bedenken. Denn die vorgefundene Auslegung stimmt im Ergebnis überein mit der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zu den dem Vorsteuerabzug zugrunde liegenden unionsrechtlichen Vorschriften.

    38
    Die nationale Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG beruht unionsrechtlich auf Art. 168 Buchst. e MwStSystRL, wonach (…) der Steuerpflichtige berechtigt ist, die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen (…) geschuldet wird oder entrichtet worden ist, als Vorsteuer abzuziehen. Der EuGH hat den Begriff „geschuldet“ im Sinne dieser Vorschrift in seiner Rechtsprechung weiter dahingehend konkretisiert, dass er sich auf eine rechtlich durchsetzbare Steuerschuld bezieht und voraussetzt, dass der Steuerpflichtige zur Zahlung des Mehrwertsteuerbetrags, den er als Vorsteuer in Abzug bringen möchte, verpflichtet ist (EuGH, Urteil vom 29. März 2012, Veleclair,C-414/10, ECLI:EU:C:2012:183, Rn. 20 mit Verweis auf den Schlussantrag der Generalanwältin Kokott vom 17. November 2011, C-414/10, ECLI:EU:C:2011:748, Rn. 56-58).

    39
    Bei einer Anwendung des Unionsrechts auf den vorliegenden Sachverhalt würde auch kein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehen. Denn in Fällen, in denen Zwangsvollstreckungen durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ‒ wie vorliegend ‒ während der Dauer des Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse oder in das sonstige Vermögen des Schuldners unzulässig sind (§ 89 Abs. 1 InsO), sind die Steuerschulden für den Fiskus (hier: Hauptzollamt) nicht rechtlich durchsetzbar.

    40
    5. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass eine erneute Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach entsprechender Anwendung von § 17 UStG dann vorzunehmen ist, wenn und soweit die Einfuhrumsatzsteuerschuld durch die Klägerin (erneut) gezahlt wird oder zumindest rechtlich gegen sie durchsetzbar ist. Eine erneute Zahlung der EUSt ist im Streitzeitraum nicht geschehen; auch war der Anspruch auf Zahlung der EUSt aufgrund der Restriktionen durch das laufende Insolvenzverfahren im Streitzeitraum gegenüber der Klägerin nicht rechtlich durchsetzbar.

    41
    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    42
    III. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

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