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  • 07.01.2022 · IWW-Abrufnummer 226756

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 15.07.2021 – 7 K 603/19

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor

        Die Klage wird abgewiesen.

        Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

        Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

        Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Fahrtkosten als Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S.v. § 9 Abs. 4 EStG bzw. als Fahrten zu einer Auswärtsstätte.

        Der Kläger wohnt mit seiner Ehefrau in A Stadt und ist Beamter. Er arbeitet als Dozent an einer Hochschule des Landes Hessen.

        Mit Schreiben vom 27. Juni 2011 ordnete der Dienstherr des Klägers, den Kläger mit Wirkung vom 01. August 2011 für die Dauer von sechs Monaten vom seiner bisherigen Dienststelle an die Hochschule zur Verwendung als Dozent ab. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 verlängerte der Dienstherr die Abordnung bis auf weiteres. Am 03. März 2013 versetzte der Dienstherr den Kläger von seiner bisherigen Dienststelle an eine andere Dienststelle. Auf die laufende Abordnung hatte die Versetzung keine Auswirkung. Der Kläger arbeitete im streitentscheidenden Veranlagungszeitraum 2017 durchgängig als Dozent an der Hochschule. Er suchte die Hochschule im streitentscheidenden Veranlagungszeitraum an 158 Arbeitstagen und die Dienststelle an einem Arbeitstag auf. In den Vorjahren 2013 bis 2016 suchte der Kläger die Dienststelle insgesamt an acht Arbeitstagen auf ‒ an zwei Arbeitstagen in 2013, 2014 und 2016 sowie an einem Arbeitstag in 2015 und 2017. Daneben suchte er die Dienststelle an sechs Arbeitstagen in 2013 auf. Die Hochschule suchte er in den Vorjahren 2013 bis 2016 unter Berücksichtigung von Übernachtungen und Unterrichtsfreizeiten an insgesamt 587 Arbeitstagen auf ‒ an 93 in 2013, 158 in 2014, 165,5 in 2015 und 170,5 in 2016, wobei die hälftigen Werte aus Übernachtungen stammen.

        Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2017 erklärte der Kläger Werbungskosten für Fahrtkosten zur Hochschule i.H.v. XXX € (158 Tage × XXX Kilometer × 0,30 €/km × 2). Der Beklagte erließ am 25. Juli 2018 den Einkommensteuerbescheid für 2017, erläuterte, dass die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte 0,30 € je Entfernungskilometer betrage und berücksichtigte aufgerundet XXX € (158 Tage × XXX km × 0,30 €).

        Gegen den Bescheid legte der Kläger mit E-Mail vom 10. August 2018 fristgerecht Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 25. März 2019 als unbegründet zurückwies.

        Der Kläger hat fristgerecht mit Schreiben vom 12. April 2019, eingegangen am 16. April 2019, Klage vor dem Hessischen Finanzgericht erhoben.

        Der Kläger ist der Ansicht, dass die Fahrtkosten zur Hochschule nach Reisekostengrundsätzen und nicht im Rahmen der Entfernungspauschale zu berücksichtigen seien, da seine erste Tätigkeitsstätte die Dienststelle wäre.

        Nach der Neuregelung des Reisekostenrechts sei bei der Bestimmung der „ersten Tätigkeitsstätte“ vorrangig auf die arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen (Direktionsrecht des Arbeitsgebers) sowie die diese ausfüllenden arbeits oder dienstrechtlichen Weisungen/Verfügungen abzustellen, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien. Sein Arbeitgeber habe ihn dauerhaft der Dienststelle zugeordnet, weil er am 03. März 2013 dorthin unbefristet versetzt wurde. Aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass weitere Kriterien, wie die Nähe zur Wohnung oder der Schwerpunkt (Mittelpunkt) der beruflichen Tätigkeit durch Anwesenheits- und Dienstzeiten, nur herangezogen werden könnten, wenn keine eindeutige dauerhafte Zuordnung durch den Arbeitgeber vorläge. In seinem konkreten Einzelfall habe der Arbeitgeber indes eine eindeutige Zuordnungsentscheidung zur Dienststelle getätigt und diese durch eindeutige Dokumentation, bestehend aus Versetzungsverfügung, Personalakte, Zuordnung zur Planstelle in der neuen Dienststelle und dem Personallenkungssoll (PLS), niedergelegt. Eine Beurteilung der Tätigkeitsstätte nach dem Einsatz und dem Umfang der Diensterbringung an der Hochschule sei nicht zulässig, weil diese Beurteilung subsidiär ist und nur dann vorzunehmen wäre, wenn es ‒ anders als hier ‒ keine eindeutige dienst- und arbeitsrechtliche Festlegung gäbe.

        Ihm gäbe die Formulierung in der letzten Abordnungsverfügung „bis auf weiteres“ nicht die darauf üblicherweise zu folgernde Gewissheit, denn viele Abordnungen endeten oft sehr kurzfristig; sei es durch Versetzungen auf anderen Stellen oder durch Rückkehr auf die bisherige Stelle. Er könne folglich seinen Familienlebensmittelpunkt nicht an den Ort der Hochschule verlegen, da er nicht dorthin versetzt sei und ihm auch dort keine Planstelle zugewiesen ist. Derzeit seien ca. XX Dozenten an der Hochschule eingesetzt, von denen ca. XX im Abordnungswege dozieren. Sollten entsprechend den politischen Planungen die Einstellungszahlen nach 2020 erheblich sinken, würde der Dozentenstand wieder erheblich abgebaut und eine Vielzahl der Abordnungen enden.

        Der Kläger beantragt sinngemäß,

        unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2019 den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 25. Juli 2018 dergestalt abzuändern, dass weitere Fahrtkosten i.H.v. XXX € als Werbungskosten berücksichtigt werden.

        Der Beklagte beantragt,

        die Klage abzuweisen.

        Der Beklagte ist der Ansicht, dass die beantragten Fahrtkosten im Rahmen der Entfernungspauschale zu berücksichtigen seien, denn die erste Tätigkeitsstätte sei vom Arbeitgeber an der Hochschule festgelegt worden. Die Abordnung des Klägers sei zunächst auf eine Dauer von 6 Monaten befristet und anschließend „bis auf weiteres“ verlängert worden. Damit habe der Arbeitgeber eine Zuordnung ohne Befristung und somit dauerhaft getroffen. Bei der Abordnung handele es sich auch nicht um eine sog. Kettenabordnung, sodass hinsichtlich des Klägers eine dauerhafte Zuordnung erfolgt sei, die auch nach den Grundsätzen des BMF (Bundesministerium der Finanzen) - Schreiben vom 24. Oktober 2014 eine neue erste Tätigkeitsstätte begründe. An die Weisungen in den BMF-Schreiben sei der Beklagte gebunden; aus diesem Grunde sei es auch nicht weiter erforderlich, in der Einspruchsentscheidung auf die Argumentation des Klägers detaillierter einzugehen.

        Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Gerichtsakte verwiesen. Dem Gericht hat ein Band Einkommensteuerakten vorgelegen.

    Entscheidungsgründe

        1. Die zulässige Klage ist unbegründet.

        Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 25. Juli 2018 und die Einspruchsentscheidung vom 25. März 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

        Der Beklagte hat die beantragten Werbungskosten für Fahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung und der Hochschule zu Recht als Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit den Entfernungskilometern und nicht als Auswärtsfahrten mit den tatsächlich gefahrenen Kilometern berücksichtigt.

        Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 EStG, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1, 2 EStG).

        Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung im Sinne des Satzes 1 wird gem. § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Von einer dauerhaften Zuordnung ist nach § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine erste Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG die erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft (1.) typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder (2.) je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll. Dabei regelt § 9 Abs. 4 Satz 5 EStG, dass der Arbeitnehmer je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte hat. Liegen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 für mehrere Tätigkeitsstätten vor, ist diejenige Tätigkeitsstätte erste Tätigkeitsstätte, die der Arbeitgeber bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 6 EStG). Fehlt es an dieser Bestimmung oder ist sie nicht eindeutig, ist nach § 9 Abs. 4 Satz 7 EStG die der Wohnung örtlich am nächsten liegende Tätigkeitsstätte die erste Tätigkeitsstätte.

        Da zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist, dass sowohl die Dienststelle als auch die Hochschule ortsfeste betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers des Klägers, sind, kommt es lediglich auf die Frage der dauerhaften Zuordnung an. Diese Frage beantwortet das erkennende Gericht zugunsten der Hochschule.

        a) Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt.

        aa) Der durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) neu eingeführte und in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG definierte Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" tritt an die Stelle des bisherigen unbestimmten Rechtsbegriffs der "regelmäßigen Arbeitsstätte". Nach der gesetzlichen Konzeption ‒ und der die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts prägenden Grundentscheidung ‒ wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits(vertrag)- oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien (vgl. Bundestagsdrucksache -BT-Drs.- 17/10774, Seite 15; ebenso BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014, IV C 5 S 2353/14/10002, BStBl I 2014, 1412; Niermann, DB 2013, 1015; Isenhardt, DB 2014, 1316; Thomas, DStR 2014, 497; Krüger in: Schmidt, EStG, 40. Auflage 2021, § 9, Rd. 303; Oertel in: Kirchhof/Seer, EStG, 20. Auflage 2021, § 9, Rd. 54; Köhler in: Bordewin/Brandt, EStG, 437. Ergänzungslieferung 2021, § 9 EStG, Rd. 1402; kritisch Bergkemper, FR 2013, 1017; ders. in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 304. Ergänzungslieferung 2021, § 9 EStG, Rd. 546).

        bb) Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen (vgl. BT Drs. 17/10774, Seite 15). Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts (bspw. im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers oder Dienstherrn vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese Zuordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht vielmehr auch steuerrechtlich maßgebend. Deshalb bedarf es neben der arbeitsrechtlichen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung keiner gesonderten Zuweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerrechtliche Zwecke. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts auch das Auseinanderfallen der arbeitsrechtlichen von der steuerrechtlichen Einordnung bestimmter Zahlungen als Reisekosten verringern (BT-Drs. 17/10774, Seite 15). Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der ex-ante-Sicht nach den arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte.

        cc) Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (a.A. BMF Schreiben vom 24. Oktober 2014, BStBl I 2014, 1412, Rd. 10). Eine Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu entnehmen. Die Feststellung einer entsprechenden Zuordnung ist vielmehr durch alle nach der FGO zugelassenen Beweismittel möglich und durch das FG im Rahmen einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. So entspricht es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll.

        dd) Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeits- oder dienstrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an (BT-Drs. 17/10774, Seite 15; BMF Schreiben vom 24. Oktober 2014, BStBl I 2014, 1412, Rd. 8; Niermann, DB 2013, 1015; Bergkemper, FR 2013, 1017; Krüger in: Schmidt, EStG, 40. Auflage 2021, § 9, Rd. 303; Oertel in: Kirchhof/Seer, EStG, 20. Auflage 2021, § 9, Rd. 54; Köhler in: Bordewin/Brandt, EStG, 437. Ergänzungslieferung 2021, § 9 EStG, Rd. 1402; kritisch Bergkemper FR 2013, 1017; ders. in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 304. Ergänzungslieferung 2021, § 9 EStG, Rd. 546).

        b) Darüber hinaus muss die Zuordnung auch dauerhaft erfolgen.

        Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll (vgl. BFH, Urteil vom 04. April 2019, VI R 27/17, DStR 2019, 1507; Krüger in: Schmidt, EStG, 40. Auflage 2021, § 9, Rd. 303). Die Zuordnung „bis auf Weiteres” soll nach Ansicht der Finanzverwaltung eine Zuordnung ohne Befristung und damit dauerhaft sein (vgl. BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014, BStBl I 2014, 1412, Rd. 13). Dagegen ist die Zuordnung einer Tätigkeitsstätte lediglich befristet, wenn die Verwendungsprognose ergibt, dass die Zuordnung zu einem bestimmten Zeitpunkt endet (vgl. Küttner, Personalbuch, 28. Auflage 2021, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Rn. 22). Auch der BFH spricht sich dafür aus, dass die Zuordnung unbefristet i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG ist, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt; die (jederzeitige) Möglichkeit einer Versetzung als solche führt noch nicht zu einer lediglich befristeten Zuordnung (vgl. BFH, Urteil vom 30. September 2020, VI R 11/19, BFHE 270, 470). Dagegen wird bei vorübergehender bzw. befristeter Abordnung die neue Tätigkeitsstätte beim selben Arbeitgeber in der Regel nicht zur ersten Tätigkeitsstätte (vgl. Bergkemper in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 304. Ergänzungslieferung 2021, § 9 EStG, Rn. 454).

        c) Ferner muss der Steuerpflichtige an der ersten Tätigkeitsstätte in noch hinreichendem Umfang Tätigkeiten erledigen.

        Aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG und dem Wortsinn des Tatbestandsmerkmals der „Tätigkeitsstätte“ lässt sich das Erfordernis ableiten, dass der Kläger ‒ zumindest im geringen Umfang ‒ auch tatsächlich an der ersten Tätigkeitsstätte tätig wird (vgl. BFH, Urteil vom 04. April 2019, VI R 27/17, DStR 2019, 1507). Denn ein Ort, an dem der Steuerpflichtige nicht tätig wird (oder für den Regelfall nicht tätig werden soll), kann nicht als Tätigkeitsstätte angesehen werden. Dies ist Ausfluss des objektiven Nettoprinzips, denn anderenfalls bestimmt sich die Steuerlast nicht ‒ gleichheitsrechtlich geboten ‒ nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern nach dem Belieben des Arbeitgebers (vgl. BFH, Urteil vom 11. April 2019, VI R 36/16, BStBl II 2019, 543). Was als hinreichender Umfang jeweils erforderlich ist, bestimmt sich danach, welche ausgeführten Tätigkeiten vom Steuerpflichtigen individuell-arbeitsvertraglich geschuldet sind und typischerweise zu dem Berufsbild der von ihm ausgeübten Berufstätigkeit gehören; nicht erforderlich ist, dass sich an der ersten Tätigkeitsstätte auch der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit befindet (vgl. BFH, Urteil vom 30. September 2020, VI R 11/19, BFHE 270, 470).

        d) Diese Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall angewendet, kommt das erkennende Gericht zur Auffassung, dass auch die Abordnung des Klägers neben der Versetzung eine dauerhafte Zuordnung durch den Arbeitgeber darstellt, sodass eine nicht eindeutige Festlegung i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG vorliegt (dazu unter aa). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger in der Dienststelle jedoch nicht in einem noch hinreichenden Umfang nach § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG tätig wird, ist seine erste Tätigkeitsstätte nur an der Hochschule begründet (dazu unter bb).

        aa) Sowohl Abordnung als auch Versetzung sind dienstrechtliche Festlegungen des Dienstherrn in seiner Funktion als Arbeitgeber, die im konkreten Einzelfall zu gegenläufigen Entscheidungen und damit zu einer nicht eindeutigen Festlegung i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG führen.

        Dem Kläger ist für die Begründung seiner Rechtsauffassung zugute zu halten, dass er lediglich im Rahmen einer beamtenrechtlichen Abordnung versetzt ist. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Hessisches Beamtengesetz (HBG) können Beamtinnen und Beamte aus dienstlichen Gründen vorübergehend ganz oder teilweise zu einer ihrem Amt entsprechenden Tätigkeit an eine andere Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn abgeordnet werden. Daneben können Beamtinnen und Beamte im Wege der Versetzung auf ihren Antrag oder aus dienstlichen Gründen in ein anderes Amt einer Laufbahn versetzt werden, für die sie die Befähigung besitzen (§ 26 Abs. 1 Satz 2 HBG). Damit ist das Tätigwerden eines Beamten an einer anderen Dienststelle im Wege der Versetzung oder der Abordnung möglich. Während die Versetzung eine auf Dauer angelegte Übertragung eines anderen Amtes darstellt (vgl. Klingspor in: BeckOnline-Kommentar BeamtenR Hessen, 15. Ergänzungslieferung 2021, HBG, § 26, Rd. 2), ist die Abordnung die vorübergehende Übertragung einer dem Amt der Beamtin oder des Beamten entsprechenden Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn unter Beibehaltung der Zugehörigkeit zur bisherigen Dienststelle (vgl. Klingspor in: BeckOnline-Kommentar BeamtenR Hessen, 15. Ergänzungslieferung 2021, HBG, § 25, Rd. 2). Grundsätzlich soll nach der beamtenrechtlichen Konzeption der Einzelne entweder im Rahmen einer kurzfristigen, vorübergehenden Abordnung eingesetzt werden oder durch eine dauerhafte Versetzung Rechtssicherheit für den Beamten geschaffen werden. In der Praxis ist die vorgesehene gesetzliche Trennung zwischen den beamtenrechtlichen Rechtsinstituten aber nicht immer eingehalten, sodass es ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ auch zu unbefristeten Abordnungen „bis auf Weiteres“ kommt. Dabei tritt das Interesse des Dienstherrn an größtmöglicher Flexibilität in der Einsetzung seiner Bediensteten diametral dem Interesse der Bediensteten an Planungssicherheit entgegen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die beamtenrechtliche Konzeption, die grundsätzlich zwischen dauerhaft und vorübergehend unterscheidet und eine Abordnung als vorübergehendes Rechtsinstitut begreift, auch dann auf die steuerrechtliche Beurteilung durchschlägt, wenn der Bedienstete ‒ entgegen der ursprünglichen Konzeption ‒ bis auf weiteres abgeordnet wird. Denn anders als bei einer befristeten Abordnung, ist in der Abordnung „bis auf Weiteres“ ein Ende der Tätigkeit gerade nicht angelegt, sodass es keine Verwendungsprognose gibt, die einen bestimmten Zeitpunkt des Endes der Zuordnung bestimmt. Da für steuerliche Sachverhalte nicht die Papierform entscheidend ist, sondern was tatsächlich der Lebenswirklichkeit entspricht, hat der Arbeitgeber durch die Abordnung „bis auf Weiteres“, die mangels klarer Befristung eher wie eine Versetzung wirkt, zwei gegenläufige Zuordnungen getroffen: die Zuordnung zur Dienststelle durch seine Versetzungsanordnung und die Zuordnung zur Hochschule durch seine Abordnungsanordnung. Beide stehen aus steuerrechtlicher Perspektive betrachtet nebeneinander, weswegen auch Teile der Literatur (vgl. Haufe, TvÖD Office Professional, Stand: 15. Juli 2021, Reisekosten / 25.3.2.4 Dauerhafte Zuordnung im öffentlichen Dienst) es dahinstehen lassen, ob ohne zeitliche Befristung eine Abordnung oder eine Versetzung erfolgt. Beide Zuordnungen sind ferner durch die schriftlichen Verfügungen als dienstliche Weisungen auch ausreichend fixiert und dokumentiert.

        bb) Jedoch wird der Kläger in seiner Dienststelle nicht in einem noch ausreichenden Umfang tätig, weshalb von den beiden widerstreitenden Zuordnungen lediglich die Zuordnung zur Hochschule eine Tätigkeitsstätte qua aktiver Tätigkeit i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG und damit erste Tätigkeitsstätte des Klägers begründet.

        Denn während der Kläger als Dozent zwar nicht typischerweise arbeitstäglich an der Hochschule unterrichtet, sondern diese im Streitjahr an 158 Tagen aufgesucht hat, ist ein Einsatz in der Dienststelle ohne Aufsuchen der Arbeitsstätte oder der zu prüfenden Unternehmen nicht möglich und auch gar nicht durch den Kläger vorgetragen. Auch die erforderliche Vor- und Nachbereitung seiner Unterrichtseinheiten kommt seiner Tätigkeit als Dozent zu Gute, weshalb er ‒ unabhängig von den konkreten Tagen je Arbeitswoche ‒ eine vollständige regelmäßige Arbeitszeit an der Hochschule oder in Vorbereitung darauf im HomeOffice verbringt.

        Dagegen erbringt der Kläger in der Dienststelle keine Tätigkeiten im noch hinnehmbaren Umfang. Unter Einbeziehung der Vorjahre, die wegen der ex-ante-Betrachtung durchaus eine Rolle spielen, suchte der Kläger die Dienststelle insgesamt an lediglich acht Arbeitstagen, nämlich an jeweils zwei Arbeitstagen in 2013, 2014 und 2016 sowie an einem Arbeitstag in 2015 und 2017, auf. Unter Berücksichtigung seiner dienstrechtlichen Verpflichtungen dem Dienstherrn gegenüber, die den Beamten zum vollen persönlichen Einsatz verpflichten, war er objektiv nicht in der Lage, einer anderweitigen Tätigkeit nachzugehen. Der Kläger hat auch weder dargelegt noch ist insoweit ersichtlich, dass er in der Dienststelle jemals beruflich tätig geworden wäre. Die geringe Anzahl der Fahrten zur Dienststelle, die der Kläger in den Veranlagungszeiträumen 2014-2016 selbst als Reisekosten deklariert hat, deutet darauf hin, dass er die Dienststelle lediglich zu organisatorischen Zwecken, nicht aber zur Ausübung seiner Tätigkeit aufgesucht hat. Dies reicht zur Begründung einer Tätigkeitsstätte nicht aus, weshalb die dienstrechtliche Versetzung i.S.d. § 26 HBG im konkreten Einzelfall inhaltsleer ist.

        2. Die Kostenregelung folgt § 135 Abs. 1 FGO.

        3. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Soweit erkennbar, hat sich der BFH bisher nicht mit der ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen einer beamtenrechtlichen Abordnung befasst.