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  • 08.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223372

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 30.03.2021 – 5 K 2442/17

    In den Fällen gewinn- oder umsatzabhängiger Kaufpreisforderungen ist keine stichtagsbezogene Ermittlung des Veräußerungsgewinn auf den Veräußerungszeitpunkt vorzunehmen. Die Kaufpreiszahlungen unterliegen erst im Veranlagungszeitraum des Zuflusses der Besteuerung


    Finanzgericht Rheinland-Pfalz

    Urteil vom 30.03.2021


    In dem Finanzrechtsstreit

    der M GmbH & Co. KG, vertr. dch. die pers. haftende
    Gesellschafterin M GmbH, diese vertr. dch. den Geschäftsführer R,
    - Klägerin -
    prozessbevollmächtigt: Rechtsanwalt
    ,
    gegen
    das Finanzamt
    - Beklagter -
    beigeladen:
    W GmbH & Co. KG
    prozessbevollmächtigt: Rechtsanwalt

    wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2010
    hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 5. Senat - ohne mündliche Verhandlung am
    30. März 2021 durch

    xxx
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    I.

    Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010 in der Änderungsfassung vom 21.02.2019 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts in Höhe von -219.806,80 € festgestellt werden.

    II.

    Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat der Beklagte zu tragen.

    III.

    Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    IV.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die zeitliche Zuordnung von auf Grundlage einer Earn-Out-Klausel geleisteten Kaufpreiszahlungen.

    Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin, einer im Jahr 1997 gegründete GmbH & Co. KG, ist die M GmbH, die am Vermögen der Klägerin nicht beteiligt ist. Alleinige Kommanditisten war die beigeladene W GmbH & Co. KG. Die Beigeladene hält zugleich 100 % der Anteile an der Komplementärin M GmbH, die dem Sonderbetriebsvermögen der Beigeladenen bei der Klägerin zugeordnet sind.

    Mit notariellem Vertrag vom 05.10.2010, auf den Bezug genommen wird, veräußerte die Beigeladene ihren Kommanditanteil an der Klägerin sowie sämtliche Geschäftsanteile an der Komplementärin M GmbH an die R GmbH. Der Verkauf erfolgte mit der Maßgabe, dass der Kommanditanteil im Wege der Sonderrechtnachfolge mit schuldrechtlicher Wirkung zum Ablauf des 30.06.2010 ("Übertragungsstichtag") auf die Käuferin übergeht. Die dingliche Übertragung des Kommanditanteils war aufschiebend bedingt durch Zahlung des Kaufpreises und die Eintragung der Käuferin als Kommanditistin im Wege der Sonderrechtsnachfolge in das Handelsregister. Die Veräußerung der Anteile an der Komplementärin M GmbH erfolgte wirtschaftlich zum Übertragungsstichtag.

    Als Kaufpreis für den Kommanditanteil und die Geschäftsanteile an der Komplementärin M GmbH wurde ein fester Kaufpreis in Höhe von 5.318.000 € (Ziffer 3.1 des Kaufvertrags) festgelegt, der - zwischen den Beteiligten unstreitig - in Höhe von 42.662,99 € auf die Geschäftsanteile der M GmbH entfällt. Der Kaufpreis war fällig am 15.10.2010, nicht jedoch vor Sicherstellung des Eintritts der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Käuferin als Kommanditistin in das Handelsregister.

    Zudem wurde folgende Vereinbarung hinsichtlich eines zusätzlichen variablen Entgelts getroffen (Ziffer 3.4 des Kaufvertrags):

    "Zusätzlich zum Kaufpreis nach Ziff. 3.1 erhält die Verkäuferin einen zusätzlichen Kaufpreis in Form eines variablen Entgelts. Grundlage der Ermittlung des variablen Entgelts ist die in den Geschäftsjahren 2011, 2012 und 2013 erzielte Rohmarge, wobei Rohmarge als Nettoumsatz abzüglich der Materialeinstandskosten definiert ist. Übersteigt die erzielte Rohmarge in einem der vorgenannten Geschäftsjahre den Betrag von EUR 10.000.000,00, so erhält die Verkäuferin für das betreffende Geschäftsjahr einen Betrag von EUR 533.000,00. Unterschreitet oder entspricht die Rohmarge in einem der vorgenannten Geschäftsjahre den bzw. dem Betrag von EUR 8.000.000,00, so erhält die Verkäuferin für das entsprechende Geschäftsjahr kein variables Entgelt. Im Bereich zwischen einer Rohmarge von EUR 8.000.000,00 und EUR 10.000.000,00 errechnet sich das variable Entgelt, welches die Verkäuferin erhält, linear zwischen EUR 0,00 und EUR 533.000,00. [...]."

    Unter Ziffer 6 enthielt der Kaufvertrag zu Steuern und Abgaben folgende Reglungen:

    "6.1 Soweit sich, insbesondere auch aufgrund von Betriebsprüfungen, Verbindlichkeiten der Gesellschaft hinsichtlich Steuern, Sozialabgaben und anderer öffentlicher Abgaben (jeweils einschließlich Zinsen, Strafen, Versäumniszuschlägen und andere Nebenleistungen) für vor oder am Übertragungsstichtag beendete Veranlagungszeiträume ergeben, wird die Verkäuferin diese Beträge an die Käuferin zahlen. [...]

    6.2 Die Käuferin wird an die Verkäuferin alle von der Gesellschaft nach dem Stichtag erhaltenen Erstattungen (einschließlich im Wege der Verrechnung), Steuern, Sozialabgaben und anderen Abgaben zahlen, die sich auf vor oder am Stichtag beendete Veranlagungszeiträume beziehen. [...]

    6.3 Die Verkäuferin hält die Käuferin und die Gesellschaft von jeder etwaigen auf den Veräußerungsgewinn anfallenden Steuer frei. Dies gilt ohne Einschränkungen im Übrigen insbesondere für eine etwaige Gewerbesteuerlast.

    6.4 Zahlungen nach Ziff. 6.1 und 6.2 gelten als nachträgliche Kaufpreisreduzierung oder -erhöhung."

    In der Folge kam es auf Grundlage der Vereinbarung unter Ziffer 3.4 des Kaufvertrages zu folgenden variablen Kaufpreiszahlungen:

    2011    136.424 €    
    2012    426.500 €    
    2013    252.895 €    gesamt: 815.819 €,
    die von der Beigeladenen in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen als laufende Einkünfte erfasst wurden.

    In der am 27.11.2011 eingereichten Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.173.419,75 €. Darin waren Gewinne aus der Veräußerung des Kommanditanteils in Höhe von 235.471,06 € und aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der Komplementärin M GmbH in Höhe von 17.098,40 € enthalten, die der Beigeladenen zugerechnet wurden.

    Die erklärten Einkünfte wurden im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010 vom 06.02.2012 ohne Abweichung festgestellt. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

    Im Januar 2016 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 2010 bis 2014 statt (vgl. Außenprüfungsbericht vom 26.02.2016, Bl. 1 ff. BP-Berichtsakte, auf den Bezug genommen wird). Der Außenprüfer gelangte zu der Auffassung, die auf Grundlage der Vereinbarung unter Ziffer 3.4 des Kaufvertrages in den Jahren 2011 bis 2013 geleisteten variablen Kaufpreiszahlungen in Höhe von insgesamt 815.819 € (Earn-Out) seien als nachträgliche Kaufpreiszahlungen gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO im Jahr der Veräußerung 2010 zu berücksichtigen (rückwirkendes Ereignis). Der Veräußerungserlös sei um die auf die Erhöhung entfallende Gewerbesteuer zu reduzieren, da dieser Betrag nach den Regelungen des Kaufvertrages von der Beigeladenen als Verkäuferin zu tragen sei. Zudem seien im Rahmen der Außenprüfung Beratungskosten im Zusammenhang mit der Veräußerung in Höhe von 141.651,26 € nachgewiesen worden, die ebenfalls den Veräußerungserlös minderten.

    Durch den Außenprüfer wurde - abweichend von der Erklärung der Klägerin - folgender Veräußerungsgewinn ermittelt (vgl. Tz. 1.3 Außenprüfungsbericht, Bl. 16 BP-Berichtsakte):

    Veräußerung Kommanditanteil    lt. Außenprüfung    lt. Erklärung
    Fester Kaufpreis    5.318.000,00    5.318.000,00
    abzgl. Kaufpreisanteil MKS GmbH (unstr.)    - 42.662,99    - 42.662,99
    zzgl. variable Kaufpreiszahlungen 2011-2014    + 815.819,00    ---
    abzgl. Kaufpreisrückzahlung (unstr.)    - 95.000,00    - 95.000,00
    abzgl. GewSt auf erklärten Veräußerungs- gewinn (unstr.)    - 19.275,00    - 19.275,00
    abzgl. GewSt auf laufenden Gewinn (unstr.)    - 67.013,15    - 67.013,15
    abzgl. GewSt auf Erhöhung Veräußerungsgewinn durch Außenprüfung    - 92.800,00    ---
    abzgl. Beratungskosten (unstr.)    - 141.651,26    ---
    Zwischensumme    5.675.416,60    5.094.048,86
    abzgl. Kapital (unstr.)    4.858.577,80    4.858,577,80
    Veräußerungsgewinn    816.838,80    235.471,06
    Veräußerung Anteile M GmbH (unstr.)        
    Kaufpreisanteil M GmbH (unstr.)    42.662,99    42.662,99
    Abzgl. Buchwert 30.09.2010 (unstr.)    25.564,59    25.564,59
    Veräußerungsgewinn (unstr.)    17.098,40    17.098,40
    Veräußerungsgewinne gesamt    833.936,80    252.569,46

    Am 26.07.2016 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010, in dem Einkünfte aus Gewerbebetrieb entsprechend der Feststellungen der Außenprüfung in Höhe von 2.754.786,29 € festgestellt wurden. Darin enthalten waren ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 833.936 € (Veräußerung Kommanditanteil: 816.838 €, Veräußerung Geschäftsanteile M GmbH: 17.098 €), die der Beigeladenen zugerechnet wurden. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

    Gegen diesen Änderungsbescheid legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 05.08.2016 Einspruch ein. Die Klägerin machte geltend, die Earn-Out-Zahlungen seien Kaufpreisraten, die erst mit Zufluss der einzelnen Zahlungen realisiert würden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Urteile vom 06.05.2020 IV R 52/08, BStBl II 2011, 261 [BFH 06.05.2010 - IV R 52/08] und vom 14.05.2002 VIII R 8/01, BStBl II 2002, 532) sei der Tatbestand der Veräußerung zwar grundsätzlich bereits mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums verwirklicht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stelle jedoch die Veräußerung gegen einen auch der Höhe nach gewinnabhängigen Kaufpreis oder Teilkaufpreis dar. In dieser Konstellation finde die Realisation des Veräußerungsgewinns tatsächlich erst mit Zufluss im laufenden Gewinn statt. Dies entspreche dem Grundsatz, dass Gewinne erst im Zeitpunkt ihrer Realisation ausgewiesen werden dürften. Zudem habe der Bundesfinanzhof entschieden, dass in diesem Fall die Earn-Out-Zahlungen als laufende Gewinne des Veräußerers zu behandeln und nicht im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung festzustellen und dem Veräußerer zuzurechnen seien.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 22.11.2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

    Setze sich ein Kaufpreis für die Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils i.S.v. § 16 EStG aus einem festen Grundkaufpreis und einem variablen Kaufpreisanteil zusammen, sei hinsichtlich des variablen Anteils zwischen einer klassischen Earn-Out-Klausel und einem gewinn- bzw. umsatzabhängigen Kaufpreisbestandteil zu unterscheiden.

    Durch Earn-Out-Klauseln solle eine positive wirtschaftliche Entwicklung des veräußerten Unternehmens zu einer nachträglichen Kaufpreiszahlung führen. Wirtschaftliche Parameter bei einer klassischen Earn-Out-Klausel seien die Festlegung von Erfolgsindikatoren (z.B. Umsatz, Rohertrag, Jahresüberschuss), die "Umrechnung" der Zielerreichung in Geld (Kaufpreis) und die Festlegung des Betrachtungszeitraums (in der Praxis bis zu drei Jahren). Entscheidend sei, ob die Parteien bei Vertragsabschluss dokumentierten, dass die Kaufpreisfindung nicht final sei, sondern die Unsicherheiten bei der Kaufpreisbemessung durch eine künftige Analyse der Bezugsparameter und darauf aufbauend eine entsprechende Nachzahlung aufgefangen werden sollten. In der Regel werde ein Betrag definiert, der mit Eintritt bestimmter wirtschaftlicher Parameter in der Zukunft zu zahlen sei und den Kaufpreis nachträglich erhöhe oder vermindere (Risikoabschlag bzw. -zuschlag). Die Anknüpfung an die künftige Gewinn- bzw. Umsatzentwicklung sei dabei lediglich ein Gradmesser dafür, inwieweit ein von vornherein vereinbarter Earn-Out-Kaufpreisanteil dann auch fällig werde oder nicht.

    Hiervon zu unterscheiden sei die Vereinbarung variabler Kaufpreiszahlungen, die ausschließlich gewinn- bzw. umsatzabhängige Bestandteile beinhalteten. Es handele sich dabei in der Regel um im Kaufvertrag niedergelegte Vereinbarungen, nach denen der Veräußerer auch an den künftigen Gewinnen und/oder Umsätzen des ihm nicht mehr gehörenden Unternehmens noch für eine bestimmte Zeit prozentual oder entsprechend einer genauen Berechnungsformel beteiligt sei. In diesem Fall werde das vereinnahmte Entgelt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht bereits mit der Veräußerung der entsprechenden Sachgesamtheit erzielt, sondern erst mit Eintritt der vereinbarten aufschiebenden Bedingung, so dass eine Rückbeziehung des gewinn- bzw. umsatzabhängigen Teils des Kaufpreises auf den Veräußerungszeitpunkt gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ausscheide.

    Im Streitfall handele es sich bei der vertraglichen Ausgestaltung des variablen Entgelts um eine klassische Earn-Out-Klausel. Die Vertragsparteien hätten sich bei Vertragsabschluss über die Höhe des Kaufpreises geeinigt, nämlich einen festen Kaufpreisanteil zuzüglich eines maximalen variablen Kaufpreises in Höhe von 1.599.000 €, der abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung der Rohmarge nach unten angepasst werden könne. Der variabel ausgestaltete Kaufpreisanteil habe den Zweck eines Risikoabschlags zugunsten des Käufers für den Fall, dass sich das erworbene Unternehmen nicht wie geplant wirtschaftlich entwickele. Das Ziel einer Teilhabe an einer positiven Entwicklung des veräußerten Unternehmens sei aus der Vertragsgestaltung nicht ersichtlich. Die variablen Kaufpreiszahlungen seien daher bereits im Jahr 2010 zu berücksichtigen.

    Am 22.12.2017 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erhoben. Zur Klagebegründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

    Der Veräußerungsgewinn sei, soweit er aus variablen Kaufpreisraten bestehe, nicht im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen im Jahr 2010 zu berücksichtigen. Bei einem umsatz- oder gewinnabhängigen Veräußerungsgewinn habe der Veräußerer das Entgelt zwingend als laufende nachträgliche Betriebseinnahme in der Höhe zu versteuern, in der die Summe der Entgelte das - gegebenenfalls um zusätzliche Einmalleistungen gekürzte - Kapitalkonto zuzüglich der Veräußerungskosten überschreite. Bei Vereinbarung gewinnabhängiger Kaufpreisraten würden lediglich aufschiebend bedingte Ansprüche begründet. Die Gewinnrealisierung sei davon abhängig, dass die Forderung wirtschaftlich entstanden sei. Dies wiederum erfordere, dass die für ihre Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen gesetzt seien und der Kaufmann mit der künftigen Erlangung des zivilrechtlichen Anspruchs fest rechnen könne. Dies sei bei gewinnabhängigen Kaufpreisraten erst mit Eintritt des Ereignisses im betreffenden Jahr der Fall.

    Der Erwerber habe aufgrund der bisherigen Entwicklung der Klägerin erhebliche Zweifel daran gehabt, ob das Ergebnis des Jahres 2009 - also des Jahres vor dem Erwerb - nachhaltig erzielbar sei. Die Klägerin habe erst im Jahre 2008 die Verlustzone verlassen und durch erhebliche Umsatzsteigerungen das Jahresergebnis 2009 in Höhe von 2.099.000 € erreicht. Darüber hinaus sei zu den allgemeinen Risiken, denen ein Unternehmen am Markt ausgesetzt sei, ein erhöhtes Risiko aufgrund des fast hälftigen Umsatzanteils mit einer Unternehmensgruppe hinzugekommen. Aus diesem Grund habe der Erwerber den Kaufpreisanteil in Höhe der variablen Kaufpreisraten nur zahlen wollen, wenn der wirtschaftliche Erfolg nachhaltig erzielbar sei. Darüber hinaus habe er den Gesamtbetrag des variablen Kaufpreisanteils begrenzt wissen wollen. Der Erwerber sei sich mithin der weiteren Entwicklung der Klägerin insgesamt unsicher gewesen.

    Am 02.11.2018 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Änderung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Dem lag Folgendes zugrunde:

    Im Rahmen eines unter dem Aktenzeichen 3-04 O 26/12 vor dem Landgericht geführten Klageverfahrens, in dem die Erwerberin R GmbH gegen die Beigeladene Schadenersatzansprüche aus verletzten Garantieversprechen im Zusammenhang mit der Veräußerung der Geschäftsanteile geltend machte, schlossen die Parteien am 08.02.2017 folgenden Vergleich, auf den Bezug genommen wird:

    "(2) Die Klägerin macht in dem Verfahren [...] geltend, ihr stünden aufgrund von Mängeln des Betriebs der M GmbH & Co. KG gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus verletzten Garantieversprechen zu; die Beklagte weist die Ansprüche in der geltend gemachten Form zurück. [...]

    (4) Der Beklagten steht ferner aus dem Kauf- und Übertragungsvertrag ein Earn-Out Anspruch in Höhe von EUR 50.000 netto gegen die Klägerin zu ("Earn-Out-Anspruch"); der Klägerin hingegen steht ggf. ein Anspruch auf Erstattung von Gewerbesteuern 2010 i.H.v. ca. EUR 115.000 netto zu, dessen Bestehen dem Grunde nach allein vom Ausgang eines Einspruchsverfahrens beim Finanzamt abhängig ist ("Gewerbesteuererstattungsanspruch"). Ferner berühmt sich die Klägerin weiterer Ansprüche [...] ("Behauptete Ansprüche IT-Leistungen"). Ansprüche und Rechte aus und im Zusammenhang mit dem Gewerbesteuererstattungsanspruch und mit den Behaupteten Ansprüchen IT-Leistungen sollen mit diesem Streitbeilegungsvertrag nicht abgegolten und erledigt werden.

    (5) Zum Zweck der gütlichen Beilegung der rechtlichen Auseinandersetzung und Beendigung des Verfahrens sowie zur Abgeltung und Erledigung des Earn-Out-Anspruchs beabsichtigen die Parteien den Abschluss dieses Streitbeilegungsvertrags in Form eines gerichtlichen Vergleichs. [...]

    § 1 Zahlungsverpflichtung

    (1) Die Beklagte verpflichtet sich im Wege des gegenseitigen Nachgebens zur Beseitigung der rechtlichen Auseinandersetzung dazu, an die dies annehmende Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 350.000,00 netto [in Worten...] zu bezahlen. Mit diesem Betrag wird der Earn-Out Anspruch verrechnet, so dass die Beklagte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 300.000 netto zu überweisen hat. [...]

    § 3 Generalbereinigung

    (1) [...] sind die rechtliche Auseinandersetzung und alle weiteren gegenseitigen Ansprüche oder sonstigen Rechte der Parteien (mit Ausnahme der in Abs. 2 genannten) aus oder im Zusammenhang mit dem am 5. Oktober 2010 beurkundeten Kauf- und Übertragungsvertrag gleich welcher Art, umfassend im Wege einer Generalbereinigung abgegolten und erledigt, insbesondere gleichgültig, ob etwaige Ansprüche oder sonstige Rechte bekannt oder unbekannt, fällig oder nicht fällig oder ob sie geltend gemacht wurden oder nicht ("Generalbereinigung").

    (2) Ausgenommen von der Generalbereinigung nach Abs. 1 sind sämtliche Ansprüche und Rechte der Parteien aus oder im Zusammenhang mit dem

    (a) Gewerbesteuererstattungsanspruch und

    (b) den Behaupteten Ansprüchen IT-Leistungen. [...]

    (5) Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben."

    Die Klägerin machte im Rahmen des Änderungsantrags geltend, die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 350.000 € wirke auf die Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Zeitpunkt der Veräußerung zurück. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010 sei daher nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung eines Verlusts aus der Veräußerung des Kommanditanteils in Höhe von -236.905,20 € festzustellen.

    Am 21.02.2019 erließ der Beklagte gestützt auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010, in dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 2.452.537,09 € festgestellt wurden. Darin enthalten war ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 531.686,80 € (Veräußerung Kommanditanteil: 514.588,80 €, Veräußerung Anteile M GmbH: 17.098,40 €), die der Beigeladenen zugerechnet wurden.

    Der Veräußerungsgewinn wurde wie folgt ermittelt:

    Veräußerung Kommanditanteil    lt. Änderungsbescheid vom 21.02.2019    lt. Änderungsantrag vom 02.11.2018
    Fester Kaufpreis    5.318.000,00    5.318.000,00
    abzgl. Kaufpreisanteil M GmbH (unstr.)    - 42.662,99    - 42.662,99
    zzgl. variable Kaufpreiszahlungen 2011-2014    + 815.819,00    ---
    abzgl. Kaufpreisrückzahlung (unstr.)    - 95.000,00    - 95.000,00
    abzgl. GewSt auf erklärten Veräußerungsgewinn    - 19.275,00    ---
    abzgl. GewSt auf laufenden Gewinn (unstr.)    - 67.013,15    - 67.013,15
    abzgl. Kaufpreisrückzahlung 2017 (unstr.)    - 350.000,00    - 350.000,00
    abzgl. GewSt auf (verbleibendende) Erhöhung Veräußerungsgewinn    - 45.050,00    ---
    abzgl. Beratungskosten (unstr.)    - 141.651,26    - 141.651,26
    Zwischensumme    5.373.166,60    4.621.672,60
    abzgl. Kapital (unstr.)    4.858.577,80    4.858.577,80
    Veräußerungsgewinn/-verlust    514.588,80    - 236.905,20
    Veräußerung Anteile M GmbH (wie bisher)        
    Kaufpreisanteil M GmbH (unstr.)    42.662,99    42.662,99
    Abzgl. Buchwert 30.09.2010 (unstr.)    25.564,59    25.564,59
    Veräußerungsgewinn (unstr.)    17.098,40    17.098,40
    Veräußerungsgewinne gesamt    531.686,80    - 219.806,80
    Der Änderungsbescheid wurde gemäß § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens.

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010 in der Änderungsfassung vom 21.02.2019 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts in Höhe von -219.806,80 € festgestellt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte hält weiterhin daran fest, dass es sich bei den variablen Entgeltzahlungen nicht um einen gewinn- bzw. umsatzabhängigen Kaufpreisbestandteil handele. Es sei über einen Gesamtkaufpreis verhandelt worden. Aufgrund des vom Erwerber befürchteten wirtschaftlichen Risikos sei sowohl ein fester als auch ein variabler Kaufpreisanteil vereinbart worden. Dies zeige deutlich die Unsicherheit in der Kaufpreisbemessung, die durch den variablen Kaufpreisanteil habe abgefangen werden sollen. Der in Ziffer 3.4 des notariellen Vertrags vom 05.10.2010 vereinbarte "zusätzliche Kaufpreis in Form eines variablen Entgelts" sei mit Blick auf die vereinbarte Rohmargenspanne als Risikoabschlag zu werten. Nur im Falle nachhaltiger Rohmargen über 10.000.000 € wären die Preisvorstellungen der Beigeladenen als Veräußerin vollständig erfüllt worden. Der vertraglich vereinbarte Festpreis sei demnach nicht final gewesen, sondern hätte durch eine künftige Analyse der Bezugsparameter und darauf aufbauend eine entsprechende Nachzahlung (Earn-Out) aufgefangen werden sollen. Die Anknüpfung an die Umsatzentwicklung (Rohmarge) habe dabei nur einen Gradmesser dafür dargestellt, inwieweit ein von vornherein vereinbarter Sollwert des Earn-Out-Kaufpreisanteils fällig werden sollte. Bei einem derart ausgestalteten variablen Entgelt handele es sich gerade nicht um einen gewinn- bzw. umsatzabhängigen Kaufpreis. Der später zugeflossene variable Kaufpreisanteil führe damit zu einer rückwirkenden Anpassung des Veräußerungsgewinns im Jahr der Veräußerung 2010.

    Das Gericht hat mit Beschluss vom 04.02.2021 die frühere Kommanditistin der Klägerin, die W GmbH & Co. KG, zum Verfahren beigeladen.

    Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist begründet.

    Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010 in der Änderungsfassung vom 21.02.2019, der nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht die in den Jahren 2011 bis 2013 zugeflossenen Kaufpreiszahlungen in Höhe von insgesamt 815.819 € bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung des Kommanditanteils und der Anteile an der Komplementärin M GmbH im Jahr 2010 berücksichtigt.

    I. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), erzielt werden. Die Gewinne, die ein Gesellschafter aus der Veräußerung seines Anteils an einer Personengesellschaft (einschließlich Sonderbetriebsvermögen, vgl. BFH-Urteil vom 19.03.1991 VIII R 76/87, BFHE 164, 260, BStBl II 1991, 635) erzielt, sind in die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO einzubeziehen (BFH-Urteil vom 29.04.1993 IV R 107/92, BFHE 171, 23, BStBl II 1993, 666).

    1. Veräußerungsgewinn ist nach § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt.

    a) Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest wirtschaftliche Eigentum an dem veräußerten Mitunternehmeranteil auf den Erwerber übergegangen ist, unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Veräußerungserlöse dem Veräußerer tatsächlich zufließt. Der Veräußerungsgewinn ist daher regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln (BFH-Urteile vom 04.02.2020 IX R 7/18, BFH/NV 2020, 967; vom 19.12.2018 I R 71/16, BFHE 264, 115, BStBl II 2019, 493 unter Hinweis auf Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.07.1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897). Die punktuelle Ermittlung des Veräußerungsgewinns und seine Abgrenzung vom laufenden Gewinn gebieten es, im Interesse einer sachgerechten, an der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten, Besteuerung auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen.

    b) Hat der Erwerber seine Gegenleistungspflicht noch nicht erbracht, sind sämtliche Änderungen zwischen der Begründung der Forderung auf die Gegenleistung und deren Erfüllung bei der Ermittlung des Veräußerungspreises zu berücksichtigen. Dabei ist es unerheblich, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des tatsächlich erzielten Kaufpreises maßgeblich waren (BFH-Urteile vom 21.12.1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648; vom 11.05.2010 IX R 26/09, BFH/NV 2010, 2067; vom 13.10.2015 IX R 43/14, BFHE 251, 326, BStBl II 2016, 212; vom 23.05.2012 IX R 32/11, BFHE 237, 234, BStBl 2012, 675).

    c) Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises grundsätzlich nicht mehr. Anders ist dies nur, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war (BFH-Urteile vom 04.02.2020 IX R 7/18, BFH/NV 2020, 967; vom 13.10.2015 IX R 43/14, BFHE 251, 326, BStBl II 2016, 212). Dementsprechend kann ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung u.a. anzunehmen sein, wenn die nachträgliche Veränderung des zunächst geschuldeten Kaufpreises auf einem dem Veräußerungsvorgang selbst anhaftenden Mangel, wie z.B. einer Leistungsstörung, beruht (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19.04.2005 VIII R 68/04, BFHE 209, 476, BStBl II 2005, 762; vom 14.06.2005 VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15; vom 06.12.2016 IX R 49/15, BFHE 256, 470, BStBl II 2017, 673; BFH-Beschluss vom 25.06.1998 VIII B 45/97, BFH/NV 1999, 33). Dies gilt auch dann, wenn der Kaufpreis infolge Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage zurückgezahlt werden muss (BFH-Urteil vom 28.10.2009 IX R 17/09, BFHE 227, 349, BStBl II 2010, 539). Der erforderliche Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang kann zudem auch dann vorliegen, wenn die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Übertragung einer Beteiligung keine abschließende Einigung über die Höhe des Kaufpreises erzielt haben und dieser erst nachträglich (z.B. im Rahmen eines Vergleichs) klargestellt wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14.06.2005 VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15). Auch der Eintritt einer auflösenden Bedingung kann ein rückwirkendes Ereignis sein, und zwar unabhängig davon, ob der Kaufpreis bereits (teil-)entrichtet und damit zurück zu gewähren ist oder noch in vollem Umfang geschuldet wird (BFH-Urteil vom 19.08.2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107). Ist die nach Erfüllung des Erwerbsgeschäfts geleistete Zahlung jedoch Gegenstand eines selbständigen Rechtsgeschäfts, das nicht in sachlichem Zusammenhang mit der Veräußerung steht, wirkt diese nicht auf den Veräußerungszeitpunkt zurück (BFH-Urteile vom 04.10.2016 IX R 8/15, BFHE 255, 436, BStBl II 2017, 316; vom 04.02.2020 IX R 7/18, BFH/NV 2020, 967).

    d) Für den Fall gewinn- oder umsatzabhängiger Kaufpreisabreden macht die Rechtsprechung eine Ausnahme vom dargestellten Grundsatz der stichtagsbezogenen Betrachtung auf den Veräußerungszeitpunkt und stellt für diesen Sonderfall auf die Realisation des Veräußerungsentgelts im Zeitpunkt des Zuflusses ab (BFH-Urteile vom 19.12.2018 I R 71/16, BFHE 264, 115, BStBl II 2019, 493 zu § 8b KStG; vom 27.10.2015 VIII R 47/12, BFHE 252, 80, BStBl II 2006, 600 mit Hinweis auf BFH-Urteile vom 17.07.2013 X R 40/10, BFHE 242, 58, BStBl 2013, 883 und vom 14.05.2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532). Die Sofortversteuerung in Fällen gewinn- oder umsatzabhängiger Kaufpreisleistungen stünde nicht nur im Widerspruch zur Systematik der §§ 16, 34 EStG sowie dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, sondern wäre auch nicht mit dem handelsrechtlichen Realisationsprinzip (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB) vereinbar. Es handelt sich insoweit um aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche (vgl. § 158 Abs. 1 BGB), da im Zeitpunkt der Veräußerung weder feststeht, ob in den Folgejahren eine Kaufpreisforderung entsteht noch wie hoch diese sein wird. Damit ist eine Gewinnrealisierung nach allgemeinen Grundsätzen davon abhängig, dass die Forderung wirtschaftlich entstanden ist. Dies erfordert wiederum, dass die für ihre Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen gesetzt sind und der Kaufmann mit der künftigen Erlangung des zivilrechtlichen Anspruchs fest rechnen kann, mit anderen Worten das Entstehen des Anspruchs so gut wie sicher ist. Hieran und an der für die Annahme der Gewinnrealisierung erforderlichen Bestimmtheit der Kaufpreisforderung fehlt es im Regelfall bereits mit Rücksicht auf die Unwägbarkeiten sowohl der allgemeinen zukünftigen Entwicklung als auch im Hinblick auf die Stellung des einzelnen Unternehmens am Markt (BFH-Urteile vom 27.10.2015 VIII R 47/12, BFHE 252, 80, BStBl II 2006, 600 [BFH 23.05.2006 - VI R 21/03]; vom 14.05.2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532).

    Als gewinn- bzw. umsatzabhängig hat der Bundesfinanzhof u.a. Kaufpreisforderungen angesehen, die auf der Abtretung von künftigen Gewinnanteilen aus dem Gewinnbezugsrecht des Erwerbers (BFH-Urteil vom 27.10.2015 VIII R 47/12, BFHE 252, 80, BStBl II 2006, 600 [BFH 23.05.2006 - VI R 21/03]), auf der Vereinbarung der Zahlung eines prozentualen Anteils des auf die veräußerte Beteiligung entfallenden Gewinnanteils auf Lebenszeit (BFH-Urteil vom 14.05.2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532) oder auf der Vereinbarung eines variablen Kaufpreises, der von der tatsächlich verkauften Anzahl eines Produkts in einem festgelegten Zeitraum abhängig ist (BFH-Urteil vom 19.12.2018 I R 71/16, BFHE 264, 115, BStBl II 2019, 493), beruhten.

    2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die der Beigeladenen in den Jahren 2011 bis 2013 zugeflossenen Earn-Out-Zahlungen in Höhe von insgesamt 815.819 € nicht in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Jahr 2010 einzubeziehen. Bei der im Vertrag vom 05.10.2010 unter Ziffer 3.4 getroffenen Vereinbarung eines zusätzlichen variablen Entgelts handelt es sich um eine umsatzabhängige Kaufpreisabrede mit der Folge, dass die Kaufpreiszahlungen erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu besteuern sind.

    Nach der vertraglichen Vereinbarung ist Grundlage der Ermittlung des variablen Entgelts die in den Geschäftsjahren 2011, 2012 und 2013 erzielte Rohmarge (Nettoumsatz abzüglich Materialeinstandskosten). Die Beigeladene sollte im Falle, dass die erzielte Rohmarge in einem der Geschäftsjahre den Betrag von 10.000.000 € übersteigt, für das betreffende Geschäftsjahr einen Betrag in Höhe von 533.000 € erhalten. Für den Fall, dass die Rohmarge einen Betrag von 8.000.000 € unterschreitet oder diesem entspricht, sollte die Beigeladene für das entsprechende Geschäftsjahr kein variables Entgelt erhalten. Im Bereich zwischen einer Rohmarge von 8.000.000 € und 10.000.000 € sollte das variable Entgelt linear zwischen 0,00 € und 533.000,00 € betragen.

    Aufgrund dieser vertraglichen Ausgestaltung ist nicht nur die Entstehung des Anspruchs auf das zusätzliche variable Entgelt dem Grunde nach umsatzabhängig, gleiches gilt auch für die Höhe des variablen Entgelts.

    Ein Anspruch auf ein zusätzliches variables Entgelt entsteht dem Grunde nach nur, wenn die Rohmarge im betreffenden Geschäftsjahr einen Betrag in Höhe von 8.000.000 € übersteigt. Ob in den Jahren 2011 bis 2013 überhaupt eine zusätzliche Kaufpreisforderung entstehen würde, stand damit im Zeitpunkt der Veräußerung noch nicht fest. Gleiches gilt für die Höhe der zusätzlichen Kaufpreisforderung. Für den Fall der Überschreitung der Rohmarge von 8.000.000 € ist das variable Entgelt der Höhe nach in Abhängigkeit von der Rohmarge linear bis zu einem Höchstbetrag von 533.000 € je Geschäftsjahr gestaffelt, der entsteht, wenn die Rohmarge einen Betrag von 10.000.000 € überschreitet. Die mögliche Spanne des zusätzlichen variablen Entgelts liegt damit je Geschäftsjahr zwischen 0,00 € und maximal 533.000 € bzw. insgesamt zwischen 0,00 € und maximal 1.599.000 €. Damit war die Entstehung eines zusätzlichen Kaufpreisanspruchs im Zeitpunkt der Veräußerung im Jahr 2010 weder dem Grund noch der Höhe nach "so gut wie sicher", so dass unter Beachtung des Realisationsprinzips eine Berücksichtigung bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010 nicht im Betracht kommt. Denn das Veräußerungsentgelt wird durch die Beigeladene insoweit erst im Zeitpunkt des Zuflusses in den Jahren 2011, 2012 und 2013 realisiert.

    3. Im Übrigen sind die Beteiligten hinsichtlich des am 08.02.2017 vor dem Landgericht geschlossenen Vergleichs, mit dem sich die Beigeladene zur Beseitigung der rechtlichen Auseinandersetzung wegen durch die Erwerberin R GmbH geltend gemachter Schadenersatzansprüche aus verletzten Garantieversprechen im Zusammenhang mit der Veräußerung der Geschäftsanteile zu einer Zahlung in Höhe von 350.000 € verpflichtet hat, die in Höhe von 50.000 € mit einem Earn-Out-Anspruch verrechnet wurde, zu Recht übereinstimmend davon ausgegangen, dass es sich insoweit um ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO handelt.

    4. Der im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2010 zu berücksichtigende Veräußerungsverlust ermittelt sich damit wie folgt:

    Veräußerung Kommanditanteil    
    Fester Kaufpreis    5.318.000,00
    abzgl. Kaufpreisanteil M-GmbH (unstr.)    - 42.662,99
    abzgl. Kaufpreisrückzahlung (unstr.)    - 95.000,00
    abzgl. GewSt auf laufenden Gewinn (unstr.)    - 67.013,15
    abzgl. Kaufpreisrückzahlung 2017 (unstr.)    - 350.000,00
    abzgl. Beratungskosten (unstr.)    - 141.651,26
    Zwischensumme    4.621.672,60
    abzgl. Kapital    4.858.577,80
    Veräußerungsverlust    - 236.905,20
    Veräußerung Anteile M GmbH (wie bisher)    
    Kaufpreisanteil M GmbH    42.662,99
    Abzgl. Buchwert 30.09.2010    25.564,59
    Veräußerungsgewinn    17.098,40
    Veräußerungsverlust gesamt    - 219.806,80
    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten (§ 139 Abs. 4 FGO), da diese keine Sachanträge gestellt oder anderweitig das Verfahren wesentlich gefördert hat.

    III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    IV. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. In der Rechtsprechung ist noch nicht abschließend geklärt, ob derartige Earn-Out-Klauseln als gewinn- bzw. umsatzabhängige Kaufpreisabreden einzustufen sind, die erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu einer Besteuerung führen oder ob auf Grundlage derartiger Vereinbarungen geleistete Zahlungen - wie es zum Teil in der Literatur vertreten wird (vgl. z.B. Geiger/Kurrle, Ubg 2013, 495; Ettinger/Schmitz, GmbHR 2016, 966) - bei der stichtagsbezogenen Ermittlung des Veräußerungsgewinns auf den Veräußerungszeitpunkt zu berücksichtigen sind.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 16 Abs. 2 EStG