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  • 25.06.2021 · IWW-Abrufnummer 223154

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 16.06.2020 – 6 K 1449/18

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Rheinland-Pfalz
    6. Senat

    16.06.2020

    6 K 1449/18

    Tenor

    I. Die Klage wird abgewiesen.

    II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

    Tatbestand

    1

    Streitig ist die ermäßigte Besteuerung von Versorgungsbezügen.

    2

    Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Der am … geborene Kläger war vom … bis … beim Land Rheinland-Pfalz tätig. Aufgrund seines Ausscheidens aus dem Landesdienst zum … wurde der Kläger vom Land Rheinland-Pfalz bei der Deutschen Rentenversicherung nachversichert.

    3

    Vom … bis … war er Geschäftsführer einer Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft; in diesem Zeitraum wurden Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung führ ihn abgeführt.

    4

    Vom … bis … war der Kläger als kommunaler Wahlbeamter tätig. Als kommunaler Wahlbeamter wurde er versorgungsrechtlich dem Beamtenversorgungsgesetz zugeordnet.

    5

    Vom … bis … war er Vorsteher eines Verbandes, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Tätigkeit erfolgte im Angestelltenverhältnis aufgrund eines Dienstvertrages vom … . In diesem Vertrag verpflichtete der Verband sich, dem Kläger für den Versorgungsfall Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. In § 10 Abs. 1 des Vertrages wurde die Höhe der Versorgungsbezüge festgelegt; der Höchstsatz betrug 75%. In § 10 Abs. 5 wurde die Anrechnung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus Zusatzversicherungen und aus Anwartschaften nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) geregelt.

    6

    Am … erfolgte eine Ergänzung zum Dienstvertrag, mit der dem Kläger ein Wahlrecht eingeräumt wurde, ob er bei Eintritt des Versorgungsfalles die vereinbarten laufenden Leistungen in Anspruch nimmt oder diese nur zum Teil in Anspruch nimmt und für den verbleibenden Teil eine wertgleiche Kapitalleistung verlangt. Bei Wahl der Teil-Kapitalabfindung wurde geregelt, dass dem Kläger mindestens laufende Leistungen in Höhe des fiktiven Ruhegehalts eines Beamten des Landes Rheinland-Pfalz der Besoldungsgruppe … verbleiben müssen.

    7

    Ab dem … bezieht der Kläger laufende Versorgungsbezüge vom Verband. Er wählte die Variante der Teil-Kapitalauszahlung und erhielt eine Kapitalabfindung in Höhe von … €.

    8

    In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 beantragten die Kläger die ermäßigte Besteuerung der Kapitalabfindung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.

    9

    Mit Einkommensteuerbescheid vom 17.09.2013 lehnte das beklagte Finanzamt die ermäßigte Besteuerung der Kapitalabfindung ab unter Hinweis auf die BMF-Schreiben vom 31.03.2010, BStBl I 2010, 270, und vom 25.07.2013, Rz. 371, sowie das BFH-Urteil vom 12.04.2007 ‒ VI R 6/02, BStBl II 2007, 581. Danach sei nur dann von einer Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten auszugehen, wenn die Versorgungsleistungen in einer Summe als Kapitalleistung ausgezahlt würden.

    10

    Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 12.04.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, im Falle von Teil-Kapitalauszahlungen liege keine Zusammenballung von Einnahmen als Arbeitslohn für mehrere Jahre im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG vor. Mit Urteil vom 20.09.2016 ‒ X R 23/15, BStBl II 2017, 347 habe der BFH bestätigt, dass eine Kapitalabfindung eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG darstelle. Er verneine jedoch die Außerordentlichkeit der Einkünfte, die § 34 EStG voraussetze. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten seien nur dann außerordentlich, wenn die Zusammenballung nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der Einkünfteerzielung entspreche (BFH Urteil vom 23.10.2013 ‒ X R 3/12, BStBl II 2014, 58, Rz. 74 m.w.N.). Auch im Streitfall fehle es danach an der Außerordentlichkeit. Die für die Tarifbegünstigung erforderliche Atypizität werde nicht (das Gericht geht davon aus, dass das Wort „nicht“ hier versehentlich steht, denn so machen die Ausführungen keinen Sinn) schon dadurch ausgeschlossen, dass der Vertrag mit dem Verband ein Wahlrecht zwischen laufenden Bezügen und Kombination aus Teil-Kapitalisierung und laufenden Bezügen vorsehe. Damit habe der Arbeitgeber dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, einen Teil seiner Basisversorgung als Kapitalleistung zu erhalten. Wesentliche Merkmale der Basisversorgung seien nach der Rechtsprechung des BFH, dass die Renten erst bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze bzw. bei Erwerbsunfähigkeit gezahlt wurden und als Entgeltersatzleistung in der Grundkonzeption der Sicherung des Lebensunterhalts zugut kämen. Die tatsächliche Verwendung als Altersversorgung werde dadurch grundsätzlich sicher gestellt, dass die Rentenversicherungsansprüche nicht beleihbar, nicht veräußerbar, nicht übertragbar, nicht vererblich und nicht kapitalisierbar seien (BFH, Entscheidungen in BFH/NV 2010, 1275 und vom 14.07.2010 ‒ X R 37/08, BFHE 230, 361, BStBl II 2011, 628). Für den Bereich der Basisversorgung seien daher ausschließlich laufende Rentenzahlungen typisch (BFH, Urteil vom 23.10.2013 ‒ X R 3/12, BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58).

    11

    Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, das beklagte Finanzamt verkenne, dass im Streitfall keine Teil-Kapitalauszahlung vorliege. Bereits im Veranlagungsverfahren habe der Kläger darauf hingewiesen, dass es sich bei dem kapitalisiert ausgezahlten Betrag um die beim Verband erdiente Pensionsanwartschaft gehandelt habe.

    12

    Die Besonderheit des Falles liege darin, dass sämtliche Verpflichtungen aus Anwartschaften auf Altersversorgung, die der Kläger vorher erworben hatte, gemäß § 184 Abs. 2 Nr. 2 SGB IV auf den Verband übergegangen seien.

    13

    Der gesamte Versorgungsanspruch des Klägers zerfalle in drei eigenständige, von einander abzugrenzende Anwartschaften:

    · Rentenanspruch gegen die Deutsche Rentenversicherung einschließlich der Anwartschaften aus der Nachversicherung nach Ausscheiden aus dem Landesdienst
    · Ansprüche aus der Tätigkeit als kommunaler Wahlbeamter
    · Versorgungsansprüche aus dem Angestelltenverhältnis beim Verband

    14

    Nur letzterer sei durch die Kapitalleistung abgefunden worden. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des Rechtsanwalts B. vom 28.08.2013. Dort werde ausgeführt, dass der Kläger aus der Tätigkeit beim Verband einen Jahresversorgungsanspruch in Höhe von … € (2010: … €) erworben habe. Hieraus errechne sich der Kapitalisierungsbetrag von … €. Evtl. geringfügige Differenzen resultierten möglicherweise aus Abzinsungen.

    15

    Selbst wenn man von einer Teil-Kapitalabfindung ausgehe, unterliege diese der ermäßigten Besteuerung. Dies folge aus dem Urteil des BFH vom 23.10.2013 ‒ X R 3/12. Der BFH führe dort aus, dass das Kriterium der mehrjährigen Tätigkeit im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG jedes sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckende, der Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG dienende Verhalten sein könne. Dies sei vorliegend sowohl im Hinblick auf das Erdienen der Anwartschaften beim Verband, als auch im Hinblick auf die Vorauszahlung ansonsten mehrjährig zufließender Altersbezüge im Sinne der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 27.07.1970 ‒ VI R 66/67) gegeben.

    16

    Der BFH weise weiter darauf hin, das zur notwendigen Unterscheidung der außerordentlichen Einkünfte des § 34 EStG von den Einkünften, die der Regelbesteuerung unterliegen, alle Tatbestände des § 34 Abs. 2 EStG eine atypische Zusammenballung voraussetzten. Dies rechtfertige sich aus dem Zweck, Progressionsnachteile auszugleichen. Deshalb lägen außerordentliche Einkünfte grundsätzlich nur dann vor, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem einzigen Veranlagungszeitraum zu erfassen seien und durch die Zusammenballung erhöhte steuerliche Belastungen entstünden. Dies sei vorliegend der Fall.

    17

    Hinzu komme, dass ebenso wie im Fall des BFH-Urteils vom 23.10.2013 auch beim Kläger eine weitere Kapitalisierung der Versorgungsansprüche aus Rechtsgründen nicht möglich gewesen sei. Aus diesem Grund sei der einheitliche Versorgungsanspruch mit der Ergänzung des Dienstvertrages vom … getrennt worden. Auf dieser Grundlage erfolge nun auch die laufende Leistung nach der Besoldungsgruppe … entsprechend der Tätigkeit des Klägers vor der Aufnahme seiner Tätigkeit für den Verband.

    18

    Auch das weitere Kriterium, das der BFH in seinem Urteil vom 23.10.2013 verlange, dass die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspreche, liege im Streitfall vor. Bei typischem Ablauf wäre die Kapitalabfindung unterblieben. Das Wahlrecht sei erst mit der Ergänzung des Dienstvertrages eingeräumt und dann in voller Höhe ausgeübt worden.

    19

    Entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamts sei das Urteil des BFH vom 20.09.2016 ‒ X R 23/15 nicht vergleichbar. Dort sei es um eine von Anfang an vertraglich vereinbarte Kapitalauszahlung aus einem Pensionsfonds gegangen, die der BFH als nicht steuerbegünstigt beurteilt habe.

    20

    Der BFH führe in diesem Urteil (Rz. 33) aus, dass zwischen betrieblichen Altersversorgungen und der Basisversorgung zu differenzieren sei:
    „Die damit gegebene unbeschränkte Zulässigkeit solcher Kapitalwahlrechte, die schon im Zeitpunkt der Zusage der betrieblichen Altersvorsorge vereinbart worden sind, zeigt, dass Kapitalwahlrechte in der betrieblichen Altersversorgung ‒ anders als bei der Basisversorgung ‒ nicht atypisch sind. Einkünfte aus dem Zufluss solcher Einmalzahlungen sind daher nicht außerordentlich.“

    21

    Bei den zusammengeballten Einkünften des Klägers handele es sich nicht um sonstige Einkünfte, sondern um Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit. Einschlägig sei deshalb das Urteil des BFH vom 07.05.2015 ‒ VI R 44/13.

    22

    Der BFH habe in dieser Entscheidung klar gestellt, dass es bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit allein auf zwei Tatbestandsmerkmale ankomme. Es müsse sich zum einen um eine mehrjährige Zweckbestimmung der Vergütung handeln und es müssten zum anderen wirtschaftlich vernünftige Gründe für die zusammengeballte Entlohnung gegeben sein. Das Vorliegen beider Merkmale sei bereits im Einspruchsverfahren vorgetragen worden; hierauf werde Bezug genommen.

    23

    Bei den Einkünften des Klägers die Kapitalabfindung betreffend handele es sich um Einkünfte, die dieser während seines Dienstverhältnisses beim Verband erdient habe. Für diese sei anfänglich keine Kapitalisierung vorgesehen gewesen. Die Kapitalabfindung stelle die sich aus dem Dienstverhältnis ergebende Versorgung dar, die dem Kläger ansonsten auf Lebenszeit hätte ausgezahlt werden müssen. Die mehrjährige Zweckbestimmung ergebe sich somit sowohl auf der Seite des Erdienens, als auch auf der Seite der Auszahlung.

    24

    Auch das weitere Kriterium wirtschaftlich vernünftiger Gründe für die zusammengeballte Entlohnung liege vor. Diese Gründe könnten sowohl in der Person des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers vorliegen. Das Interesse des Klägers habe darin gelegen, das Risiko der Minderung der Versorgung seiner Familie im Falle seines vorzeitigen Ablebens zu minimieren. Der BFH habe dieses Interesse in seinem Urteil vom 23.07.1974 ‒ VI R 116/72 anerkannt. Bei Abschluss der Vertragsergänzung und Ausübung des Wahlrechts habe der Kläger seine gesundheitliche Verfassung eher ungünstig beurteilt.
    Ein weiteres Argument sei gewesen, eine Entwertung der Versorgungsbezüge durch Inflation bzw. durch die Entwicklung der Beamtenbezüge zu vermeiden.
    Auf Arbeitgeberseite hätten ebenfalls erhebliche Gründe vorgelegen. Der Verband habe keine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen. Die Verpflichtung zur laufenden Pensionszahlung hätte jährlich neu versicherungsmathematisch berechnet werden müssen. Aufgrund der anhaltend niedrigen Kapitalmarktzinsen sei der für die Kapitalisierung anzuwendende Zinssatz gesunken mit der Folge, dass der Kapitalwert der Versorgungsanwartschaft als Schuld des Verbandes jährlich angewachsen wäre. Zu beachten sei Absatz 5 der Ergänzungsvereinbarung, der regele, dass für den Fall, dass der Kläger sein Wahlrecht nicht oder nicht rechtzeitig ausgeübt hätte, dieses Wahlrecht auf den Verband übergegangen wäre.
    Ein Missbrauch aus steuerlichen Gründen sei somit nicht ersichtlich. Vielmehr handele es sich um eine ausgewogene Regelung.
    Bereits die Vereinbarung sei atypisch im Sinne des BFH-Urteils vom 20.09.2016. Die Möglichkeit des Verbandes, ebenfalls die Kapitalabfindung zu verlangen, zeige, dass der Streitfall mit dem Fall des Auszahlungswahlrechts bei einem standardisierten Pensionsfonds-Vertrag nicht vergleichbar sei.

    25

    Das Finanzamt könne das Urteil des BFH vom 23.10.2013 nicht zur Stützung seiner Rechtsauffassung heranziehen. Der BFH führe in diesem Urteil aus, dass auch bei einer Teil-Abfindung die ermäßigte Besteuerung in Betracht komme. Voraussetzung hierfür sei, dass es sich um Einkünfte für eine mehrjährige Tätigkeit handele und dass eine atypische Zusammenballung vorliege. Außerordentliche Einkünfte lägen dann vor, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem einzigen Veranlagungszeitraum zu erfassen seien und durch die Zusammenballung höhere steuerliche Belastungen anfielen. Dies sei vorliegend der Fall.

    26

    Das Urteil vom 20.09.2016 sei nicht einschlägig. Dort sei es um sonstige Einkünfte gem. § 22 EStG gegangen. Im Streitfall gehe es um Einkünfte gemäß § 19 EStG. Außerdem sei die Basisversorgung betroffen; in der Basisversorgung seien Kapitalwahlrechte grundsätzlich atypisch.

    27

    Die Kläger beantragen,
    den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 17. September 2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2018 dahin zu ändern, dass die Kapitalabfindung in Höhe von … € gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt besteuert wird.

    28

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    29

    Er verweist ergänzend zur Begründung der Einspruchsentscheidung auf das BMF-Schreiben vom 06.12.2017, BStBl I 2018, 147, Rz. 149.

    30

    Ergänzend wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 FGO).

    31

    Das Gericht hat den Klägern mit Verfügung vom 27.07.2018 eine Frist gemäß § 79b Abs. 1 FGO bis zum 07.09.2018 gesetzt; auf die Folgen einer Fristversäumnis wurde hingewiesen. Die Verfügung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 03.08.2018 zugestellt. Am 07.09.2018 beantragten die Kläger Fristverlängerung mit der Begründung, die Akteneinsicht habe erst am 28.08.2018 stattfinden können und der Prozessbevollmächtigte müsse mit den Klägern noch Rücksprache halten. Mit Verfügung vom 12.09.2018 wurde die Fristverlängerung abgelehnt, da das Fristversäumnis nicht hinreichend entschuldigt worden sei. Die Klagebegründung wurde am 18.09.2018 eingereicht.

    32

    Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

    Entscheidungsgründe

    33

    Die Klage ist nicht begründet.

    I.

    34

    Die Kläger sind nicht wegen des Versäumnisses der Frist gemäß § 79b Abs. 1 FGO mit ihrem Vortrag präkludiert.

    35

    Wenn es in dem Rechtsstreit ausschließlich um Rechtsfragen geht und auch in der Klagebegründung und den weiteren Schriftsätzen nur Rechtsausführungen gemacht werden, kommt eine Präklusion mangels Verzögerung des Rechtsstreits nicht in Betracht.

    36

    Der Akteninhalt hat ‒ nicht entscheidungserhebliche ‒ Sachverhaltsunklarheiten aufgeworfen. Da seit der Fristsetzung gemäß § 79b Abs. 1 FGO über 18 Monate vergangen waren, hat das Gericht dennoch mit Verfügung vom 29.04.2020 (Bl. 103 PA) eine Auskunft eingeholt, die mit Schriftsatz der Kläger vom 02.06.2020 (Bl. 113 ‒ 127 PA) beantwortet wurde.

    II.

    37

    1. Es liegt eine Teil-Kapitalisierung vor.

    38

    Der Kläger erhält von der ppa eine laufende Pension ausgezahlt als Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Eine Rente von der DRV bezog er daneben im Streitjahr noch nicht. Die Pensionsanwartschaft, die der Kläger als kommunaler Wahlbeamter erworben hatte, wurde vom Verband übernommen, bzw. sie kommt nicht zum Zuge, da der Kläger die Höchstgrenze für die Versorgung bereits beim Verband erdient hatte.

    39

    Der Dienstvertrag vom …1999 war zunächst befristet bis … 2005. Vor diesem Hintergrund ist auch die Pensionszusage zu werten. Der Kläger wäre zu diesem Zeitpunkt 55 Jahre alt gewesen und hätte gemäß der Regelung der §§ 9 Abs. 2 lit. a),10 des Dienstvertrages ab dem … 2005 Ruhegehalt in Höhe von 75% seiner Aktivbezüge erhalten. § 9 des Dienstvertrages kann nicht entnommen werden, dass die Pension erst ab Vollendung des 63. Lebensjahres gezahlt werden sollte. Bestätigt wird dies durch die Vertragsverlängerung bis zum … 2011 und das anschließende Ausscheiden des Klägers in den Ruhestand. Am … 2011 vollendete der Kläger das 62. Lebensjahr, war also im Zeitpunkt seines Ausscheidens 61 Jahre alt.

    40

    In § 1 Abs. 3 der Ergänzungsvereinbarung vom … 2009 wurde der nicht kapitalisierbare Teil der Versorgung ermittelt in Anlehnung an die Besoldungsgruppe … als Bezüge für die Tätigkeit als kommunaler Wahlbeamter (siehe Erläuterung Bl. 52 ESt-Akte). Hierbei handelt es sich nicht um eine gesetzliche Vorgabe, sondern eine vertragliche Vereinbarung (siehe Ausführungen im Schreiben vom 06.06.2013, Bl. 53/54 ESt-Akte).

    41

    Für die Berechnung der Kapitalabfindung wurde der Anspruch auf Ruhegehalt in der Weise gesplittet, dass die Versorgung nach… laufend gezahlt wird (ab 2014 gekürzt um die gesetzliche Rente) und der in der Zeit als Präsident des Verbandes erdiente darüber hinaus gehende Anspruch kapitalisiert wurde. Im Ergebnis erhält der Kläger damit von der ppa im Auftrag des Verbandes eine laufende Versorgung, die seinem Pensionsanspruch als kommunaler Wahlbeamter entspricht, während der darüber hinaus gehende Teil der Versorgungszusage, der allein durch die Tätigkeit als Präsident des Verbandes erdient wurde, unter das Kapitalisierungswahlrecht fiel.

    42

    Es ist aufgrund der rein rechnerischen Aufteilung nicht von voneinander trennbaren Teilen der Versorgung auszugehen. Damit liegt eine Teil-Kapitalisierung vor. Die rechnerische Splittung in …-Versorgung und Versorgung als Präsident des Verbandes reicht nicht aus, um bei fehlender klarer Vereinbarung auch eine rechtliche Splittung zu begründen.

    43

    Soweit die Kläger sich auf das Schreiben des Rechtsanwalts B. vom 28.08.2013 (Bl. 105 ff. ESt-Akte) beziehen, in dem dieser auf S. 4/5 darauf abstellt, dass beamtenrechtlich sog. Verwendungseinkommen vorliege, ist hierzu festzustellen, dass die Versorgung an den Kläger nicht auf öffentlich-rechtlicher Grundlage gezahlt wird, sondern auf einer privatrechtlichen Zusage beruht. Alleiniger Leistungsverpflichteter ist der Verband; ein interner Ausgleich mit der Stadt … findet nicht statt und wäre auch nicht relevant. Soweit der beamtenversorgungsrechtliche Grundsatz, dass bei einem Dienstherrenwechsel stets der letzte Dienstherr die Versorgungsbezüge auszahlt, nichts daran ändert, dass die Anwartschaften bei verschiedenen Dienstherren erworben wurden, ist dies ungeachtet dessen, dass es im Streitfall um eine privatrechtliche Versorgungszusage geht, auf den Streitfall nicht übertragbar, weil der Kläger seine Anwartschaft insgesamt durch seine Tätigkeit beim Verband erworben hat.

    44

    2. Steuerliche Behandlung einer Teil-Kapitalisierung

    45

    2.1. Verwaltungsauffassung

    46

    Nach Auffassung der Finanzverwaltung setzt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes in den Fällen des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG bei Einkünften, die nicht solche aus nichtselbständiger Arbeit sind, zusätzlich voraus, dass eine Zusammenballung von Einkünften eintritt, die nicht dem vertragsgemäßen oder dem typischen Ablauf entspricht (R 34.4 Abs. 1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 2012).

    47

    Rz. 371 des BMF-Schreibens vom 25.07.2013 (BStBl I 2013, 1022 ff.) bezieht sich auf Versorgungsleistungen des Arbeitgebers aufgrund einer Direktzusage und Versorgungsleistungen einer Unterstützungskasse und bestimmt: „Werden solche Versorgungsleistungen nicht fortlaufend, sondern in einer Summe gezahlt, handelt es sich um Vergütungen (Arbeitslohn) für mehrjährige Tätigkeiten im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, die bei Zusammenballung als außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG zu besteuern sind. Die Gründe für eine Kapitalisierung von Versorgungsbezügen sind dabei unerheblich. Im Falle von Teilkapitalauszahlungen ist dagegen der Tatbestand der Zusammenballung nicht erfüllt; eine Anwendung des § 34 EStG kommt daher für diese Zahlungen nicht in Betracht.“

    48

    Bestätigt wird dies in Rz. 149 des BMF-Schreibens vom 06.12.2017, wo unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 20.09.2016 ‒ X R 23/15 (BStBl II 2017, 347) ausgeführt wird: „Im Fall von Teil- bzw. Einmalkapitalauszahlungen handelt es sich nicht um außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG. Daher kommt eine Anwendung der Fünftelregelung des § 34 EStG auf diese Zahlungen nicht in Betracht.“

    49

    2.2. Literaturmeinungen

    50

    Die ‒ wenigen ‒ Äußerungen in der Literatur werden im Urteil des BFH vom 11.06.2019 ‒ X R 7/18 (BFHE 265, 175, BStBl II 2019, 583), dort Rz. 22, wie folgt dargestellt:

    51

    Soweit sich die Kommentarliteratur mit dieser Frage befasst, wird die Verwaltungsauffassung teils zustimmend (Graf in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 34 Rz 112; Bleschick in Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner, 4. Aufl., § 34 EStG Rz 95; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, § 34 EStG Rz 67), teils lediglich referierend (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 34 Rz 28) zitiert.

    52

    2.3. BFH-Rechtsprechung

    53

    Im Urteil des BFH vom 12.04.2007 - VI R 6/02 (BFHE 217, 547; BStBl II 2007, 581) ging es um die Übertragung des Ablösebetrages auf einen Dritten, von dem die Pensionsverpflichtung übernommen wurde. Der Zufluss von Arbeitslohn in Höhe des Ablösebetrages wurde bejaht, der Tatbestand der ermäßigten Besteuerung ebenfalls.
    Für die Anwendung des § 34 EStG bei Teil-Kapitalisierung lässt sich daraus nichts herleiten, da diese nicht Gegenstand der Entscheidung war.
    Das Urteil enthält die allgemeine Aussage, dass eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit bei Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit vorliegt, wenn die Vergütung auf dem Arbeitsverhältnis beruht, für mehrere Jahre erbracht wird und aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgt. Hierzu gehören auch Zahlungen, die zur Ablösung von Pensionsanwartschaften geleistet werden.

    54

    Das Urteil vom 23.10.2013 - X R 3/12 (Juris) betrifft Kapitalleistungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, die gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a aa EStG besteuert werden und die gem. § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt besteuert werden können. Das Kapitalisierungswahlrecht betraf nur die Leistungen, die auf Beitragszahlungen vor dem 01.01.2005 beruhten. Der BFH stellt darauf ab, dass die berufsständische Versorgung ein auf öffentlich-rechtlicher Grundlage beruhendes Ersatzsystem zur gesetzlichen Rentenversicherung ist.
    Der BFH macht sodann Ausführungen zur Basisversorgung, zu der die gesetzliche Rente oder Leistungen aus einem Ersatzsystem gehören; die Basisversorgung ist nicht kapitalisierbar (Rz. 27, 28).
    Der BFH führt weiter aus, dass die kapitalisierte Versorgungsleistung auf einem sich über mehrere Jahre erstreckenden, der Erzielung von Einkünften dienenden Verhalten (Beitragsleistungen) beruht und damit unter § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG fällt (Rz. 69, 70).
    § 34 EStG setzt zusätzlich eine atypische Zusammenballung voraus (Rz. 71, 72). Die Zusammenballung darf nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entsprechen (Rz. 74).
    In dem vom BFH entschiedenen Fall wurde nur der Teil der Rente kapitalisiert, der auf Beitragszahlungen vor 2005 beruhte. Diese Art von Teil-Kapitalisierung erachtete der BFH für die Anwendung des § 34 EStG als unschädlich (Rz. 73).
    Den Ausführungen in Rz. 75, 76 kann entnommen werden, dass die Zusammenballung grundsätzlich nicht atypisch ist, wenn Vertrag oder Satzung ein Kapitalisierungswahlrecht vorsehen. Die atypische Zusammenballung wird gleichwohl bejaht, soweit hiervon die Basisversorgung betroffen ist, da für diese nur laufende Rentenzahlungen typisch sind. Im Streitfall war die Kapitalisierung nur deshalb möglich, weil die Leistungen auf vor 2005 geleisteten Beiträgen beruhten.

    55

    Aus diesem Urteil folgt:
    Auch die Beamtenversorgung ist ein Ersatzsystem und zählt damit zur Basisversorgung, die nicht kapitalisierbar ist.
    Im Unterschied zu dem BFH-Fall fällt die Beamtenpension allerdings nicht unter § 22 EStG, sondern unter § 19 EStG.
    Gleiches gilt für die Versorgungszusage. In beiden Fällen fehlt es an der sich über mehrere Jahre erstreckenden Beitragszahlung zum Zwecke der Erzielung von Renteneinkünften. Andererseits wird aber in den Jahren der Erdienung Arbeitsleistung erbracht. Insofern liegt kein signifikanter Unterschied vor, der der Übertragbarkeit der Grundsätze des Urteils entgegen stehen würde.
    Im Streitfall wurde die Beamtenpension nach der Besoldungsgruppe … als Basisversorgung behandelt und nicht kapitalisiert. Anders als in dem vom BFH entschiedenen Fall wurde im Streitfall nicht ein Teil der Basisversorgung, sondern nur die darüber hinaus gehende Versorgung kapitalisiert und zwar aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung. Damit ist eine atypische Zusammenballung im Streitfall im Gegensatz zu dem vom BFH entschiedenen Sachverhalt zu verneinen.
    Die Teil-Kapitalisierung steht der Anwendung der Steuerermäßigung nach diesem Urteil allerdings möglicherweise nicht entgegen (entgegen der Verwaltungsauffassung).

    56

    In dem mit Urteil vom 07.05.2015 ‒ VI R 44/13 (BFHE 249, 523, BStBl II 2015, 890) entschiedenen Fall wurde laufender Arbeitslohn einvernehmlich ausnahmsweise statt über 12 Monate über 14 Monate verteilt. Der BFH bejahte die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Wirtschaftlich vernünftige Gründe für die Streckung auf 14 Monate waren bejaht worden.
    Es ging dort also um laufenden Arbeitslohn. In Abgrenzung zu Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit führt der BFH aus, dass es bei Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit keiner Sondertätigkeit bedarf, sondern die Zahlung des regulären Gehalts über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ausreicht. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen in Rz. 15
    „Dem entsprechend ist beim Arbeitnehmer jede Vergütung für eine Tätigkeit, die sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst, atypisch zusammengeballt und damit außerordentlich i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG.“ nicht ohne weiteres auf andere Sachverhaltsgestaltungen zu übertragen.
    Die Zweckbestimmung der Entlohnung für mehrjährige Tätigkeit muss allerdings vorliegen und es müssen wirtschaftlich vernünftige Gründe für die Zusammenballung gegeben sein.

    57

    Der mit Urteil vom 07.05.2015 entschiedene Sachverhalt ist nicht vergleichbar. Deshalb kann den Ausführungen in Rz. 15 nicht entnommen werden, dass der BFH von dem Grundsatz, dass die Vereinbarung der Kapitalisierung die atypische Zusammenballung ausschließt, abweichen wollte.
    Wirtschaftlich vernünftige Gründe für die Kapitalisierung sind auch im Streitfall zu bejahen; die diesbezüglichen Ausführungen der Kläger sind einleuchtend.
    Für die Frage, ob § 34 EStG bei der Teil-Kapitalabfindung von Pensionsanwartschaften anwendbar ist, gibt das Urteil nichts her.

    58

    Mit Urteil vom 20.09.2016 - X R 23/15 (BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 347) hat der BFH entschieden, dass ein Kapitalwahlrecht in der ursprünglichen Versorgungszusage der Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG entgegen steht.
    In dem entschiedenen Fall ging es um Leistungen einer Pensionskasse gem. § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG.
    Allgemein stellt der BFH fest, dass § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG für alle Einkunftsarten anwendbar ist (Rz. 20).
    Weiter stellt er fest, dass die Kapitalabfindung einer Rente eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit ist (Rz. 21).
    Es fehlte für den entschiedenen Fall jedoch am Merkmal der Außerordentlichkeit, da die Geltendmachung der Kapitalabfindung vertragsgemäß war (Rz. 24). Soweit im Urteil vom 23.10.2013 - X R 3/12 eine atypische Zusammenballung bejaht worden sei, handele es sich um einen Ausnahmefall, da es um eine eng begrenzte und auslaufende Ausnahmeregelung gegangen sei (Rz. 26, 27).
    Weiter wird festgestellt, dass die fehlende Kapitalisierbarkeit nur bei der Basisversorgung zu den Wesensmerkmalen gehört (Rz. 30). Bei anderen Versorgungsformen sind Kapitalwahlrechte hingegen nicht atypisch (Rz. 33).
    Zur Frage der nachträglichen Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts musste der BFH nicht Stellung nehmen. Er hat gleichwohl in Rz. 32 angedeutet, dass die nachträgliche Vereinbarung möglicherweise nicht zwingend genauso zu behandeln ist wie ein von Anfang an vereinbartes Kapitalwahlrecht.

    59

    In seinem Urteil vom 11.06.2019 ‒ X R 7/18 (BFHE 265, 175, BStBl II 2019, 583) führt der BFH aus:

    60

    Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes erfordert jedoch sowohl nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 EStG als auch nach dem Einleitungssatz des § 34 Abs. 2 EStG zusätzlich die "Außerordentlichkeit" dieser Einkünfte. Dies dient der Einschränkung des eher weit geratenen Wortlauts des § 24 Abs. 2 Nr. 4 EStG (Rz. 21).
    Für den Bereich der Altersbezüge hat der BFH bereits entschieden, dass Kapitalauszahlungen der Basisversorgung, die ein inländisches Versorgungswerk übergangsweise gewährt und die auf Beiträgen beruhen, die in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) am 1. Januar 2005 geleistet worden waren, schon dann nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG begünstigt sind, wenn die Geltendmachung einer solchen Abfindung zwar vertrags- bzw. satzungsgemäß, im Hinblick auf die Charakteristik der Basisversorgung (erste Schicht des sog. Drei-Schichten-Modells) aber gleichwohl atypisch ist (BFH-Urteile vom 23. Oktober 2013 - X R 3/12, BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58, Rz 74 ff., und vom 23. Oktober 2013 - X R 21/12, BFH/NV 2014, 330, Rz 40). Zum selben Ergebnis ist der BFH für eine satzungsgemäße Kapitalauszahlung aus einer ausländischen Pensionskasse der Basisversorgung gekommen (Urteil vom 23. Oktober 2013 - X R 33/10, BFHE 243, 332, BStBl II 2014, 103, Rz 65 ff.). Dem hat sich auch der I. Senat des BFH angeschlossen (Urteil vom 16. September 2015 - I R 83/11, BFHE 253, 527, BStBl II 2016, 681, Rz 19). Dem gegenüber sind nach dem BFH-Urteil vom 20.09.2016 - X R 23/15 (BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 347, Rz 22 ff.) die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG nicht erfüllt, wenn ein inländischer Pensionsfonds der betrieblichen Altersversorgung (Teil der zweiten Schicht des Drei-Schichten-Modells) ein unbeschränktes Kapitalwahlrecht bereits im ursprünglichen Vertrag vorsieht und zusätzlich vorgetragen wird, dieses Kapitalwahlrecht sei für die Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung unbedingt erforderlich (Rz. 23).
    Damit hat der BFH in den genannten Entscheidungen letztlich das Kriterium der Atypik in den Vordergrund seiner Überlegungen gestellt. Ob darüber hinaus in dem konkreten Vertrag die Möglichkeit einer Kapitalabfindung bereits von Anfang an vorgesehen war oder nicht, stellt sich danach als ein Indiz dar, das allenfalls gewisse Rückschlüsse darauf zulassen mag, ob eine Kapitalabfindung im betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich typisch oder atypisch ist, aber nicht von allein entscheidender Bedeutung ist (Rz. 24).
    Diese Auslegung des Gesetzes führt zu einem Gleichklang mit der -bereits langjährigen- Rechtsprechung zur Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit und vermeidet damit sachlich nicht gebotene Differenzierungen zwischen den Einkunftsarten. Für Einkünfte aus § 18 EStG wird die Begünstigung nur dann gewährt, wenn der Steuerpflichtige sich während mehrerer Jahre ausschließlich der einen Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem einzigen Veranlagungszeitraum erhalten hat oder wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar ist und nicht zum regelmäßigen Betrieb gehört, in einem einzigen Veranlagungszeitraum entlohnt wird (BFH-Urteile vom 22. Mai 1975 - IV R 33/72, BFHE 116, 136, BStBl II 1975, 765, unter 1. vor a, und vom 30. Januar 2013 - III R 84/11, BFHE 240, 156, BStBl II 2018, 696, m.w.N.). Es kommt daher nur auf die Atypik des Vorgangs für den betreffenden Lebens- und Wirtschaftsbereich an (so auch Blümich/Lindberg, § 34 EStG Rz 49); ob der zusammengeballte Zufluss der Vergütung hingegen vertragsgemäß war, ist nicht von entscheidender Bedeutung (Rz. 25).
    Ebenso hat der VIII. Senat des BFH (Urteil vom 12. November 2013 - VIII R 36/10, BFHE 243, 506, BStBl II 2014, 168, Rz 40) bei der Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen nur darauf abgestellt, ob die Einkünfte "für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnlich" -also atypisch- sind (Rz. 26).

    61

    Damit stellt der BFH klar, dass die Äußerungen in Rz. 32 des Urteils vom 20.09.2016 - X R 23/15 (BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 347) nicht dahin zu verstehen sind, dass die nachträgliche Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts anders zu behandeln sei als ein von Anfang an vereinbartes Kapitalwahlrecht.

    62

    Bestätigt hat der BFH diese Rechtsprechung mit Urteil vom 06.11.2019 ‒ X R 39/17 (BFHE 266, 230, BStBl II 2020, 217):

    63

    „Der Senat hat in einem Parallelverfahren mit Urteil vom 11.06.2019 - X R 7/18 (, BFHE 265, 175, Rz 21 ff.) entschieden, dass in Fällen wie dem vorliegenden zwar grundsätzlich von einer Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten auszugehen ist, die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes aber zusätzlich die "Außerordentlichkeit" dieser Einkünfte erfordert und dies in den Fällen, in denen es um die Begünstigung einer Einmalzahlung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG geht, voraussetzt, dass eine solche Einmalzahlung -hier: die Kapitalisierung laufender Ansprüche auf Altersbezüge- für den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch ist. Ob darüber hinaus in dem konkreten Vertrag die Möglichkeit einer Kapitalabfindung bereits von Anfang an vorgesehen war oder nicht, stellt sich danach als ein Indiz dar, das allenfalls gewisse Rückschlüsse darauf zulassen mag, ob eine Kapitalabfindung im betreffenden Lebens- oder Wirtschaftsbereich typisch oder atypisch ist, aber nicht von allein entscheidender Bedeutung ist“ (Rz. 49).

    2.4.

    64

    Das Gericht sieht ‒ insbesondere vor dem Hintergrund der Urteile vom 11.06.2019 und vom 06.11.2019 ‒ keinen Grund, zwischen der ursprünglichen Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts und der nachträglichen Vereinbarung zu unterscheiden. In beiden Fällen fehlt es an der Atypik.

    65

    Hingegen dürfte der Verwaltungsauffassung hinsichtlich der Teil-Abfindung nicht zu folgen sein, denn aus dem angeführten Urteil des BFH vom 20.09.2016 folgt dies so nicht. In dem dort entschiedenen Fall war nicht über eine Teil-Abfindung zu entscheiden. Aus dem Urteil X R 3/12 lässt sich möglicherweise die Begünstigung auch einer Teil-Abfindung ableiten.

    66

    Wenn jedoch die atypische Zusammenballung zu verneinen ist, ist die Anwendung der Steuerermäßigung gleichwohl zu versagen, da die Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen.

    67

    Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Kapitalabfindung ist somit im Streitfall nicht möglich, weil es aufgrund der Ergänzungsvereinbarung vom … 2009 nach der Rechtsprechung des BFH an der Atypik der Zusammenballung von Einkünften fehlt.

    3.

    68

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    69

    Die Revision wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Die den Streit entscheidende Rechtsfrage, ob eine atypische Zusammenballung von Einkünften auch bei nachträglicher Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts zu verneinen ist, ist aufgrund der BFH-Urteile vom 11.06.2019 und vom 06.11.2019 als geklärt anzusehen. Die Rechtsfrage, ob die Steuerermäßigung auch bei einer Teil-Abfindung anwendbar sein kann, war nicht entscheidungserheblich.

    70

    Die Berichterstatterin hat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 79a Abs. 3 und 4, 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entschieden.

    RechtsgebieteEStG 2009, EStG VZ 2011Vorschriften§ 34 Abs. 1 EStG 2009, § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG 2009, § 19 EStG 2009, EStG VZ 2011

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