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  • 04.01.2021 · IWW-Abrufnummer 219632

    Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 11.09.2019 – 3 K 59/18

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Thüringen

    Urteil vom 11.09.2019


    In dem Rechtsstreit

    1.
    2.
    - Kläger -
    zu 1 und 2 prozessbevollmächtigt:
    gegen Finanzamt
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer 2016

    hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung am 11. September 2019 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Streitig ist, ob eine Photovoltaikanlage mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde und damit der Verlust in Höhe von 261 € im Jahre 2016 berücksichtigungsfähig ist oder ob es sich beim Betrieb der Anlage um eine steuerrechtliche Liebhaberei handelt.

    Die Kläger sind zusammenveranlagte Eheleute. Die Klägerin erzielt als Verwaltungsangestellte brutto rund 51.000 €, der Kläger brutto rund 44.000 €. Die Klägerin erwarb im Oktober 2013 eine Photovoltaikanlage (PVA) der Firma A mit einem Leistungsvermögen von 4,5 KW zu Anschaffungskosten in Höhe von 13.904 € netto. Der Hersteller gewährt eine lineare Leistungsgarantie von 25 Jahren (Blatt 88 FG-Akte) mit einem maximalen Leistungsabfall von 0,6 Prozent pro Jahr.

    Zudem erwarb die Klägerin einen privat finanzierten, nicht im Anlagevermögen befindlichen Stromspeicher für ca. 6.000 €. Die Kläger nutzen in ihrem Haus eine Gasheizung.

    In 2013 ergab sich, u.a. wegen der Umsatzsteuer, ein Verlust von 3.313 €, in 2014 ein Gewinn von 2.716 €, zum größten Teil die Vorsteuererstattung. In 2015 betrug der Verlust 783 €, im Streitjahr 2016 belief er sich auf 261 €, in 2017 auf rund 328 € und in 2018 auf rund 140 €.

    Der Beklagte erkannte den Verlust nicht an, da sich die Anschaffung der Anlage angesichts der Abschreibung und der geringen Einspeisevergütung (zunächst 0,1427 €, ab 09/2019 0,1033 €) niemals lohnen könne und daher eine sogenannte "steuerrechtliche Liebhaberei"vorläge. Der Einspruch blieb erfolglos.

    Die Kläger tragen vor, sie hätten selbstverständlich sehr wohl die Absicht, Gewinne zu erzielen. Sie hätten mit Bedacht eine besonders hochwertige Anlage ausgewählt, die deutlich länger als 20 Jahre Strom produzieren werde. Der Hersteller garantiere zudem einen maximalen Leistungsabfall von 0,6 Prozent pro Jahr, üblich seien 2 v.H. pro Jahr. Das Fraunhofer-Institut gehe bei vergleichbaren Anlagen von einer Lebensdauer von bis zu 40 Jahren aus. Allerspätestens nach 20 Jahren, wenn keine AfA mehr berücksichtigt werde, käme es zu Gewinnen.

    Der Strom werde zwar auch eigengenutzt, aber schließlich versteuert. Die Entnahmen durch selbstgenutzten Strom betrügen im Zeitraum von 2014 bis 2017 im Durchschnitt 54,3 % (Anlage 1 der Klageschrift vom 29.01.2018).

    Zudem würden die Strompreise sicherlich stark ansteigen. Für private Haushalte hätten sie sich von Januar 2000 bis August 2014 nahezu verdoppelt (Blatt 22 FG-Akte Quelle: Statistisches Bundesamt, Daten zur Energiepreisentwicklung). Bei einer damit belegten Preissteigerung von rund 6,13 v.H. pro Jahr ergäbe sich mutmaßlich ein Gewinn in Höhe von 1.670 € (Blatt 15 FG).

    Die Gewinnprognosen des Beklagten (z.B. Prognose Vorblatt Bilanz-Heft sowie die im Klageverfahren nachgereichten) überzeugten nicht. Niemand könne die Strompreisentwicklung sicher vorhersehen, aber erhebliche Preissteigerungen seien äußerst wahrscheinlich. Die Kläger hätten als Aufwand nur die Abschreibung und die Versicherung. Sie hätten auch keine weiteren Kosten in den betrieblichen Bereich verlagert, weitere Einsparmöglichkeiten bestünden mithin nicht, nur die Vergütung für den Steuerberater könne man sparen. Sie müssten gegebenenfalls die Anlage demontieren und mit Verlust verkaufen. Angesichts der Einkommensverhältnisse der Kläger sei auch die mutmaßliche Steuerersparnis sehr gering. Diese sei keineswegs die Motivation für die Anschaffung der Anlage, denn selbstverständlich hätten beide erwartet, langfristig Gewinne zu erzielen.

    In vielen Zeitungen, Zeitschriften und im Internet werde seit Jahren und auch heute noch damit geworben, dass man mit solchen Anlagen Gewinne mache.

    Aktuell sei eine Erweiterung der Anlage um 1,3 kW beabsichtigt. Diese koste 938,49 € netto. Die Montage solle in Eigenleistung erfolgen. Die Materialkosten für die Montage seien im Angebot bereits enthalten. Es entstünden nur noch Kosten für das Anschließen an die bestehende Anlage. Die Anschaffung solle erfolgen, wenn der Handwerker hierfür Zeit habe. Auch erwäge die Klägerin künftig als Kleinunternehmerin tätig zu sein.

    Vor dem Kauf der streitgegenständlichen Anlage habe ein Ingenieurbüro als Vermittler eine andere Photovoltaikanlage angeboten und hierzu auch eine Prognose über die Erträge erstellt. Diese habe die Klägerin jedoch nicht aufgehoben. Hieraus hätten sich auf jeden Fall Gewinne ergeben. Da es sich jedoch um eine auswärtige Firma gehandelt habe, hätten sie sich gegen dieses Angebot entschieden.

    Die Anschaffung des Stromspeichers sei durch Zuschüsse gefördert worden, die PVA selbst sei ohne Kredit finanziert worden.

    Die Klägerin weist darauf hin, sie habe Strom zusätzlich aus dem öffentlichen Netz für rund 22,68 Cent netto bezogen. Besondere ökologische Motive für die Anschaffung lägen nicht vor.

    Die Kläger beantragen,

    den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom 03.08.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.01.2018 dahingehend zu ändern, dass Verluste aus Gewerbebetrieb aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage in Höhe von 261 € steuermindernd berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise

    die Revision zuzulassen.

    Er stützt sich auf die Einspruchsentscheidung und mehrere Prognoseberechnungen über einen Zeitraum von 20 Jahren. Er geht von einem Totalverlust aus.

    Der von den Klägern geltend gemachte Gesamtverluste in den Jahren 2013 bis 2018 betragen bereits rund 2.110 €

    Die Kläger hätten keine vor dem Erwerb der Anlage erstellte Gewinnprognose vorlegen können. Es fehle ein vernünftiges betriebswirtschaftliches Konzept.

    Wegen der geringen Einspeisevergütung sei nicht mehr automatisch von einer Gewinnerzielungsabsicht auszugehen. Den Klägern gehe es um eine eigene Stromersparnis und Versorgungssicherheit, nur deswegen sei auch der private Stromspeicher angeschafft worden.

    Ein wirtschaftliches Betreiben einer - in großer Zahl vorkommenden - Kleinstanlage bis 10 KW sei wegen der hohen Anschaffungskosten strukturell schlichtweg ausgeschlossen.

    Nach der Art und Weise des Betriebes sei ein Totalgewinn unmöglich, auch eine Anlaufphase sei nicht zu berücksichtigen

    Ein Restwert nach der Abschreibungszeit sei allenfalls gering, es müssten im Gegenteil eher noch Entsorgungskosten gegengerechnet werden, so dass nach Ablauf der Nutzungszeit möglicherweise noch weitere Kosten entstünden.

    Der Beklagte ermittelte aus 4 Varianten einer Prognose Verluste zwischen 2.604 € und 6.243 €, doch seien die Verluste vermutlich eher noch höher.

    Die Hinnahme eines beständigen Verlustes sei bei einem rational denkenden Geschäftsmann nur durch private Motive erklärbar. Die Anlage könne auch aus ökologischen Gründen und wegen der Stromersparnis, mithin aus privaten Gründen angeschafft worden sein.

    Der vom FG Baden-Württemberg entschiedene Fall (Urteil vom 09.02.2017, 1 K 841/15, EFG 2017, 913) sei nicht vergleichbar, denn dort sei es um eine Anlage in einem Solarpark gegangen und die Steuerpflichtigen seien betrogen worden. Zudem hätten die dortigen Kläger keinen Eigenverbrauch versteuert. Im vorliegenden Fall decke die Klägerin zum großen Teil den eigenen Strombedarf ab.

    Die Sache wurde am 26.02.2019 erörtert und am 11.09.2019 mündlich verhandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Protokolle Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet, die Verluste der Klägerin sind berücksichtigungsfähig, denn es handelt sich bei dem Betrieb der PVA nicht um eine steuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei, sondern um ein mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenes Gewerbe.

    I. Die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung eines gewerblichen Verlustes kann nur beansprucht werden, wenn dieser aus einem Gewerbebetrieb i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erwachsen ist. Dies erfordert nach § 15 Abs. 2 EStG eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird. Eine durch die Betätigung verursachte Minderung der Steuern vom Einkommen ist nach § 15 Abs. 2 Satz 2 EStG kein Gewinn in diesem Sinne. Fehlt eine solche Gewinnerzielungsabsicht, liegt eine steuerlich unbeachtliche private Tätigkeit und damit ein sog. Liebhabereibetrieb vor.

    Die Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal eines gewerblichen Unternehmens i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns im Sinne des Gesamtergebnisses des Betriebs von der Gründung bis zur Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation. Dies erfordert eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung, wobei alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 juris Rn. 179 ff., BFHE 141, 405, BStBl. II 1984, 751).

    Als innere Tatsache lässt sich die Gewinnerzielungsabsicht nur anhand äußerer Umstände feststellen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405 [BFH 25.06.1984 - GrS 4/82], BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c der Gründe). Diese Feststellung liegt im Wesentlichen auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung und obliegt insoweit dem Finanzgericht.

    Längere Verlustperioden in der Vergangenheit können gegen eine Gewinnerzielungsabsicht sprechen. Aus einer solchen objektiv negativen Gewinnprognose kann jedoch nicht ohne weiteres gefolgert werden, der Steuerpflichtige habe auch subjektiv nicht beabsichtigt, einen Totalgewinn anzustreben. Ein solcher vom Steuerpflichtigen widerlegbarer Schluss ist jedoch gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen. Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden (BFH-Urteil vom 12. September 2002 IV R 60/01 juris Rn. 15, BFHE 200, 284, BStBl II 2003, 85).

    Im Falle einer längeren Verlustperiode spricht vor allem das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, für sich genommen schon dafür, dass langjährige Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 43/10, BFH/NV 2013, 408, unter II.1., m.w.N.).

    Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind in einem solchen Fall an die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz der Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, keine hohen Anforderungen zu stellen (BFH-Urteile vom 29. März 2007 IV R 6/05, BFH/NV 2007, 1492, unter II.2.c; vom 19. März 2009 IV R 40/06, BFH/NV 2009, 1115, unter II.2.b; in BFH/NV 2013, 408 [BFH 20.09.2012 - IV R 43/10]). Es muss die Feststellung möglich sein, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (BFH-Urteile vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063, unter II.3.a; vom 17. November 2004 X R 62/01, BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336, unter II.1.b aa). Wenn die Feststellung persönlicher Gründe außerhalb des sog. Hobbybereichs möglich sein muss, muss auch festgestellt werden, dass und welche persönlichen Gründe möglicherweise gegeben sind. Die Anforderungen an diese Feststellung sind mit der Maßgabe "keine hohen Anforderungen" zwar abgesenkt; die Feststellung wird damit aber nicht vollkommen entbehrlich (vgl. auch BFH, Urteil vom 23. August 2017, X R 27/16, BFH/NV 2018, 36).

    II. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt sich, dass die Klägerin mit Gewinnerzielungsabsicht handelte.

    1. Zunächst ist festzustellen, dass objektiv nicht sicher prognostiziert werden kann, wie sich die Ertragssituation während der Abschreibungsdauer der Anlage entwickeln wird. Eine Prognose über zwanzig Jahre hinweg ist notwendigerweise mit sehr vielen spekulativen Erwägungen behaftet. Bereits geringe Veränderungen des Strompreises haben über den langen Zeitraum erhebliche Auswirkungen.

    In der Tat hat die Klägerin auch keine schriftliche Prognose, kein konkretes betriebswirtschaftliches Konzept vorlegen können. Indes hält dies der Senat im Streitfall nicht für geboten. Die Kläger vertrauten offenkundig auf die übereinstimmenden Angaben der Anlagenverkäufer, die im Übrigen auch heute noch über Internet und Werbematerial zuhauf zu finden sind. Die einschlägige Werbung geht auch heute noch davon aus, dass sich zwar eine Volleinspeisung im Vergleich zu früher nur selten lohnt, aber unter Einbeziehung des Eigenverbrauchs lukrativ ist (vgl. https://www.solaranlagen-portal.com/solar/lohnt-sich-eine-solaranlage/photovoltaik).

    In der Zeitschrift Finanztest 3/2013, also im Jahr der Anschaffung der Anlage, wurde beispielsweise in einem Artikel mit der Überschrift "So geht die Rechnung auf"zur Rendite von PV-Anlagen allgemein ausgeführt: Die Vergütung für Solarstrom sinkt weiter. Eine PVA kann sich trotzdem noch rechnen. Denn auch die Anlagenpreise sind im Keller. Später heißt es: ... Nicht zuletzt brauchen Anleger Geduld: Bis sie die Investitionskosten wieder hereinspielen, vergehen in der Regel mehr als zehn Jahre. Die Solarrenditen sind angesichts dessen zwar ordentlich, aber nicht üppig (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.02.2017, 1 K 841/15, EFG 2017, 913).

    Es ist aus Sicht des Senats nicht stets zwingend erforderlich, vor Beginn eines kleineren Gewerbes eine ausführliche Wirtschaftlichkeitsprognose zu erstellen. Für eine seriöse Prognose wäre im Streitfall auch ein Sachverständigengutachten mit Messung der Sonneneinstrahlung vor Ort hilfreich gewesen, dessen Einholung den Klägern aber aufgrund der Aussagen in einer Vielzahl von Werbeprospekten, Zeitungsartikeln und den Angaben der Verkäufer nicht geboten schien. Es erscheint als übersteigerte Anforderung, von jedem potentiellen Gewerbetreibenden vor Geschäftseröffnung eine umfassende Prognoseberechnung, möglichst durch einen (teuren) Sachverständigen, zu verlangen, wenn in vielen Medien ein Geschäftsmodell als gewinnbringend angepriesen wird und die Angaben plausibel erscheinen. Dies gilt insbesondere deswegen, weil ein besonders langer Prognosezeitraum zugrunde zu legen ist und ohnehin kein Sachverständiger die Entwicklung der Strompreise oder die Sonneneinstrahlung vorhersagen kann. Die Anschaffung der Anlage mag also auch mit spekulativen Erwartungen der Klägerin in Bezug auf eine schnellere Preissteigerung und mögliche Steigerung der Einspeisevergütung begründet sein, doch ist auch dies in einem gewissen Rahmen bei vielen Geschäftszweigen üblich. Es muss einem Steuerpflichtigen auch möglich sein, ohne aufwändige und überdies naturgemäß unsichere Prognosen unter Inkaufnahme betriebswirtschaftlicher Risiken gewerblich tätig zu werden.

    Im Jahre 2013, als die Kaufentscheidung getroffen worden war, gab es eine Strompreiserhöhung von durchschnittlich 26,76 Cent (2. Hj. 2012) auf 29,19 Cent (1. Hj. 2013) und damit um 2,43 Cent (Bl. 120 FG-Akte), also rund 9 Prozent.

    Unter dem Eindruck der aktuellen Strompreiserhöhung durften die Kläger davon ausgehen, dass die Preise weiterhin, unter Umständen auch sprunghaft, steigen. Auch im Verlauf des Jahres 2019 haben, wie sich z.B. aus der Presse entnehmen lässt (vgl. Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 02.04.2019 S. 17 unter Bezugnahme auf Angaben des Internetportals verivox) rund zwei Drittel der Grundversorger in Deutschland die Strompreise im Januar bis März um durchschnittlich 5 Prozent erhöht.

    Jede Prognoseentscheidung fußt naturgemäß auf Annahmen und Erwartungen, die selbst Sachverständige nicht sicher einschätzen können. Aus Sicht des Senats kann man bei der Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht keine nachgerade prophetischen Fähigkeiten bezüglich der Strompreisentwicklung und Sonneneinstrahlung verlangen.

    2. Hinzu tritt ein ebenfalls schwer zu prognostizierender Restwert der Anlage.

    Abschreibungstabellen gehen üblicherweise, regelmäßig im Interesse der Steuerpflichtigen, tendenziell von einer kürzeren als der tatsächlichen Nutzungsdauer aus, so dass meist die begründete Erwartung besteht, dass die tatsächliche die steuerliche Nutzungsdauer übersteigt. Die Kläger durften bei der besonders hochwertigen Anlage davon ausgehen, dass diese nach der Abschreibung einen, wenn auch schwer bezifferbaren Restwert haben wird. Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass der Hersteller eine Garantie von 25 Jahren gewährt und einen maximalen Leistungsverlust von lediglich 0,6 v.H. zusicherte.

    3. Selbst in Fällen, in denen die Ergebnisprognose negativ ist, kommt eine Liebhaberei nur in Betracht, wenn die Tätigkeit auf einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motiven beruht und sich der Steuerpflichtige nicht wie ein Gewerbetreibender verhält, z.B. wenn die verlustbringende Tätigkeit aus dem Bereich der allgemeinen Lebensführung und persönlichen Neigungen liegenden Gründen (weiter) ausgeübt wird.

    Bei dem Betrieb einer PV-Anlage spricht nach Auffassung des Senats zunächst der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass sie in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Denn Unternehmen dieser Art sind nach der Lebenserfahrung - anders als Tätigkeiten im Hobbybereich - typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen des Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen (vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.02.2017, 1 K 841/15 aaO.). Der Senat ist davon überzeugt, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht auf einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motiven beruht und sie sich wie eine Gewerbetreibende verhalten hat, indem sie im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten alles unternommen hat, um die Verluste gering zu halten.

    Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass es der Klägerin durch die Tätigkeit darum ging, wirtschaftliche Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu erlangen. Ein persönlicher Grund in diesem Sinne könnte das Streben nach einer Minderung der Einkommensteuerschuld sein. Dies kann angenommen werden, wenn Verkäufer entweder selbst oder durch Dritte (z.B. im Verkaufsprospekt) mit dem Versprechen von Einkommensteuerminderungen durch steuerliche Verlustzuweisungen werben. In diesem Zusammenhang wird Kaufinteressenten meist eine Ergebnisvorschau vorgelegt, nach der die Kapitaleinlage ganz oder teilweise durch Steuerersparnisse finanziert werden kann. In diesem Fall wird das Streben nach Totalgewinn von persönlichen Gründen, nämlich nach der Erzielung von Einkommensteuerersparnissen, verdrängt (BFH-Urteil vom 21. August 1990 VIII R 25/86, BFHE 163, 524).

    Es ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Hersteller oder der Anlagenverkäufer mit der Geltendmachung von Verlusten und der damit einhergehenden Steuerersparnis geworben hat. Im Gegenteil haben die Kläger glaubhaft versichert, dass ein anderer Anbieter eine positive Gewinnentwicklung dargelegt hatte.

    Darüber hinaus erzielten weder die Klägerin noch ihr zusammen veranlagter Mann aus ihrer nichtselbständigen Tätigkeit derart hohe Einkünfte, dass sie steuerlich in nennenswertem Maße durch eine Verlustberücksichtigung entlastet werden.

    Anhaltspunkte für ein besonderes ökologisches Engagement der Kläger sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Es ging den Klägern zwar auch darum, selbst günstig und sicher Strom für die eigene Nutzung zu erzeugen. Indes ist es aus Sicht des Senats ebenso lebensnah wie offenkundig, dass sie als Investoren in der Erwartung handelten, dass sich die Anlage insgesamt zumindest nach einigen Jahren für sie rechnen werde, d. h. dass sie perspektivisch Gewinn machen werden.

    Da die Kläger auch nicht versuchten, Kosten der allgemeinen Lebenshaltung in den betrieblichen Bereich zu verlagern, da sie alle Einsparmöglichkeiten ausgeschöpft haben und überdies eine Erweiterung der Anlage um 1,3 KW sowie perspektivisch den Wechsel in die Kleinunternehmerregelung planen, also auf die bisherige Verlustsituation reagieren, geht der Senat von einer Gewinnerzielungsabsicht aus. Mithin sind die Verluste berücksichtigungsfähig.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    5. Der Senat hält es, obwohl bei der Frage der Gewinnerzielungsabsicht regelmäßig die Tatsachenwürdigung im Einzelfall maßgeblich ist, wegen der Vielzahl vergleichbarer Fälle für sachgerecht, die Revision zuzulassen, zumal auch das Finanzgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 09.02.2017, 1 K 841/15) die jedoch nicht eingelegte Revision zugelassen hatte.

    6. Der Streitwert beträgt 1.500 €, obwohl nur eine marginale steuerliche Auswirkung des Verlustes i.H.v. von 261 € im Streit steht, denn in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1.500 € angenommen werden (Mindeststreitwert gem. § 52 Abs. 4 Nr. 1 Gerichtskostengesetz).

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 15 Abs. 1 EStG

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