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  • 15.01.2019 · IWW-Abrufnummer 206523

    Landessozialgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 23.10.2018 – L 11 R 1095/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landessozialgericht Baden-Württemberg

    Urt. v. 23.10.2018


    Tenor:

    Auf die Berufung der Kläger werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20.02.2017 und die Bescheide vom 27.10.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.06.2015 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin zu 1) in ihrer Tätigkeit für den Kläger zu 2) vom 12.05.2014 bis 30.04.2015 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Instanzen trägt die Beklagte.

    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zu 1) in der Zeit vom 12.05.2014 bis 30.04.2015 in ihrer Tätigkeit für den Kläger zu 2) als Mitarbeiterin in der Steuerkanzlei sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

    Der Kläger zu 2) ist Steuerberater und beschäftigt hauptsächlich Steuerfachangestellte. Die Klägerin zu 1) ist ausgebildete Bilanzbuchhalterin. Sie war für die Prüfung zur Steuerberaterin zugelassen, bestand jedoch nicht. Die Klägerin zu 1) war bis 30.11.2013 bei einem anderen Steuerberater abhängig beschäftigt. Danach machte sie sich mit einer eigenen Beratungsstelle für den Vereinigte Lohnsteuerhilfe e.V. selbstständig. Zusätzlich schloss sie mit dem Kläger zu 2) einen "Vertrag über freie Mitarbeit", der ua folgende Regelungen enthielt: § 1 Vertragsgegenstand (1) Der Auftragnehmer wird von dem Auftraggeber mit der Durchführung/Erledigung folgender Aufgaben/Tätigkeiten beauftragt: Unterstützung des Auftraggebers bei der Erfüllung seiner Vorbehaltsaufgaben in nach gemeinsamer Absprache festzulegenden Einzelfällen, insbesondere die Mitwirkung bei der Erstellung von Jahresabschlüssen, Gewinnermittlungen und Steuererklärungen. (2) Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet den Auftrag höchstpersönlich auszuführen. Er kann sich mit vorheriger, schriftlicher Zustimmung des Auftraggebers hierzu auch zuverlässiger, mit der erforderlichen fachlichen Qualifikation ausgestatteter Erfüllungsgehilfen bedienen. § 2 Weisungsfreiheit (1) Den erteilten Auftrag führt der Auftragnehmer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes in eigenunternehmerischer Verantwortung aus. Er unterliegt bei der Durchführung der von ihm übernommenen Aufgaben keinem Weisungs- und Direktionsrecht des Auftraggebers. (2) Nicht als Weisungen im vorstehenden Sinne gelten jedoch allgemein vom Auftraggeber erlassene Regelungen, die auf seinem Betriebsgelände für jeden Dritten gelten sowie sonstige Vorgaben, die für die Durchführung der Tätigkeit dem Auftragnehmer in allgemeiner Form gegeben werden. § 3 Arbeitszeit, Arbeitsort (1) Der Auftragnehmer unterliegt hinsichtlich seiner Arbeitszeit keinen Beschränkungen oder Auflagen des Auftraggebers. Er wird jedoch die mit dem Auftraggeber vereinbarten Fälligkeitstermine berücksichtigen und einhalten (2) Der Auftragnehmer ist in der Bestimmung seines Arbeitsortes frei, sofern sich nicht aus der Besonderheit der übernommenen Tätigkeit etwas Anderes notwendigerweise ergibt. Hierbei sind insbesondere Datenschutzerfordernissen höchste Bedeutung beizumessen.

    § 4 Vergütung (1) Die Beteiligten vereinbaren für die Durchführung des Auftrags ein Stundenhonorar von 35,00 EUR zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Umsatzsteuer. Der Auftragnehmer wird die unterzeichnete Aufstellung der geleisteten Tätigkeitsstunden dem Auftraggeber jeweils bis zum dritten Arbeitstag eines Monats für den vorhergehenden Monat zur Verfügung stellen. (2) Des Weiteren wird vereinbart, dass der Auftragnehmer 12 % des von ihm erwirtschafteten Nettoumsatzes (ohne Auslagenpauschale) zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Umsatzsteuer als Vergütung zusätzlich zum Stundenhonorar erhält. Der Auftraggeber wird eine unterzeichnete Aufstellung dieser Umsätze der Gutschrift gemäß Absatz 3 beifügen. (3) - (4) § 6 Haftung (1) Der Auftragnehmer haftet für alle Schäden, die er oder seine Erfüllungsgehilfen im Rahmen ihrer Tätigkeit dem Auftraggeber vorsätzlich oder grob fahrlässig zufügen. (2) Der Ersatz von Folgeschäden (insbesondere der Ersatz von entgangenem Gewinn und Schäden aus Betriebsunterbrechungen des Auftraggebers) ist jedoch ausgeschlossen. § 10 Vertragslaufzeit (1) Der Vertrag tritt mit Unterzeichnung durch beide Vertragspartner in Kraft, frühestens am 12.05.2014. (2) Der Vertrag hat eine feste Laufzeit bis zum 31.12.2014 und endet zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es der Kündigung einer Vertragspartei bedarf. Eine Verlängerung des Vertrages kann schriftlich vereinbart werden.

    Die Kläger vereinbarten im Einzelfall, welche Mandate von der Klägerin zu 1) bearbeitet werden sollten. In Einzelfällen hat die Klägerin zu 1) auch eigene Mandanten in die Kanzlei des Klägers zu 2) mitgebracht. Es handelte sich zB um einen Erbschaftssteuerfall eines Mandanten, der bezüglich der Lohnsteuer beim Lohnsteuerhilfe e.V. bearbeitet wurde. In diesem einmaligen Fall erhielt die Klägerin zu 1) eine Umsatzbeteiligung von 70 %.

    In Abänderung des schriftlichen Vertrages vereinbarten die Kläger teilweise mündlich Stundensätze á 45 EUR. Diese mündliche Sondervereinbarung sah vor, dass ein höherer Stundensatz anstelle der zwölfprozentigen Nettoumsatzbeteiligung gewährt wird. Die Klägerin zu 1) erhielt maximal die Bearbeitungsstunden bis zur einer Höchstbearbeitungsgrenze vergütet. Vor Auftragsannahme erhielt sie die durchschnittliche Bearbeitungsdauer und gegebenenfalls die Dauer der Bearbeitung im Vorjahr vom Kläger zu 2) mitgeteilt. Diese Daten waren auch in der Kanzleisoftware von der Klägerin zu 1) abrufbar. Die von der Klägerin zu 1) geleisteten Stunden wurden in der Kanzleisoftware des Klägers zu 2) bezogen auf den jeweiligen Mandanten erfasst. Die Klägerin zu 1) übte die Tätigkeit hauptsächlich in den Räumlichkeiten des Klägers zu 2) aus.

    EDV und Software wurden ihr gestellt. Für ihre selbständige Tätigkeit in der Beratungsstelle des Vereins besaß sie eine eigene Büro- und EDV-Ausstattung. Die Klägerin zu 1) war tatsächlich vom 12.05.2014 bis 30.04.2015 auf dieser Grundlage für den Kläger zu 2) tätig.

    Am 11.07.2014 beantragte die Klägerin zu 1) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Beklagten. Sie gab in der Anlage zum Statusfeststellungsantrag an, dass ihre Aufgabe die Mitarbeit bei der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen sei. Der Auftrag werde an sie übergeben und nach Beendigung mit dem Kläger zu 2) besprochen. Arbeitsort und -zeit würden von ihr vorgegeben. Die Arbeitstage würden sich nach den zu erledigenden Aufgaben richten. In die Arbeitsorganisation sei sie nicht eingebunden. Sie nutze lediglich den gemeinsamen Kalender, um ihre Anwesenheitstage wöchentlich bzw monatlich einzutragen. Eigene Werbung sei vorgesehen. Preisverhandlungen würden mit den Auftraggebern stattfinden. Auf Anfrage der Beklagten teilte sie weiter mit, dass sie die Arbeiten persönlich ausführe und das fachliche Letztentscheidungsrecht der Auftraggeber habe. Bei fachlichen Meinungsverschiedenheiten würde sie den Auftrag nach Wünschen des Auftraggebers ausführen. Der Auftraggeber nehme die Arbeiten ab. Verhinderungen/Abwesenheiten würden dem Auftraggeber bzw seiner Sekretärin mitgeteilt. Eine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern des Auftraggebers finde nicht statt. Der Kläger zu 2) stimmte den Auskünften der Klägerin zu 1) zu.

    Mit Schreiben vom 10.09.2014 hörte die Beklagte die Kläger bezüglich eines beabsichtigten Bescheides über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 12.05.2014 an.

    Der Kläger zu 2) machte daraufhin geltend, dass die Geschäftsräume der Klägerin zu 1) nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt würden.

    Vielmehr seien in den Vergütungssätzen diese Kosten bereits mindernd berücksichtigt. Gleiches gelte für die Nutzung der EDV und Software. Die Klägerin zu 1) könne zwar auch eigene EDV und Software nutzen. Dies sei jedoch ineffizient. Da seine Software eine genossenschaftliche sei (DATEV), wäre die Nutzung eigener Software auch unpraktikabel. Die Klägerin sei mangels Berufstitels nicht berechtigt, der Genossenschaft beizutreten. Die Abrechnung nach Stunden sei berufsüblich. Am Ende eines Projekts müsse aus berufsrechtlichen Gründen eine Besprechung erfolgen, da der Steuerberater nach dem Steuerberatungsgesetz eigenverantwortlich tätig sein müsse. Ohne eine Aufzeichnung der Arbeitsleistung wäre weder eine Abrechnung mit der Auftragnehmerin noch gegenüber dem Mandanten möglich. Die Arbeiten würden nicht zugeteilt. Vielmehr würden Aufträge angeboten. Die Klägerin zu 1) sei frei, diese anzunehmen oder abzulehnen.

    Die Klägerin zu 1) machte geltend, dass sie als qualifizierte Fachkraft an zahlreichen Projekten arbeite und sich in der Aufbauphase ihrer Selbstständigkeit befinde. Innerhalb des zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnisses gebe es lediglich berufsrechtliche Vorschriften einzuhalten.

    Mit Bescheiden vom 27.10.2014 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 1) als Steuerberaterin beim Kläger zu 2) seit dem 12.05.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und ab dem 12.05.2014 Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Hiergegen legten die Kläger separate Widersprüche ein. Mit Widerspruchsbescheiden vom 10.06.2015 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Da das fachliche Letztentscheidungsrecht allein beim Auftraggeber liege, unterliege die Klägerin zu 1) letztendlich nach Beendigung des Auftrages der Kontrolle des Auftraggebers. Sie sei innerhalb des laufenden Geschäfts Teil der Gesamtorganisation des Auftraggebers, arbeite hauptsächlich in den Räumlichkeiten des Klägers zu 2) und nutze aus Gründen der Effizienz die Software des Auftraggebers. Die vertraglich geschuldete Leistung werde persönlich erbracht. Die eigene Arbeitskraft werde nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt, da eine Vergütung in Form eines pauschalen Stundenhonorars von 35 EUR zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Umsatzsteuer erfolge. Die Umsatzbeteiligung sei bereits im Bescheid berücksichtigt worden. Ein Gewinn- oder Verlustrisiko sei nicht erkennbar. Die Tätigkeit werde in einer fremd bestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt.

    Hiergegen haben die Kläger zunächst getrennt Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben (Klägerin zu 1) am 13.07.2015 - S 7 R 2046/15; Kläger zu 2) am 07.07.2015 - S 11 R 2001/15, nach Ruhen fortgeführt unter S 7 R 1389/16). Das SG hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Klägerin zu 1) hat eine Gewerbeanmeldung und sämtliche Rechnungen bezüglich des hier streitgegenständlichen Zeitraums vorgelegt. In einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 05.02.2016 haben die Kläger ausgeführt, dass vor Vertragsschluss ein zweitägiges Probearbeiten stattgefunden habe. Der Kläger zu 2) habe einen neuen Arbeitnehmer gesucht. Die Klägerin zu 1) habe sich hierauf beworben. Er habe sich dann allerdings für einen Mitbewerber entschieden. Einige Zeit später habe er erneut Kontakt mit der Klägerin zu 1) aufgenommen. Er habe ihr keine feste Anstellung anbieten können, da er weder das Budget noch die Kapazitäten im Büro gehabt habe. So sei er auf die Idee der freien Mitarbeit gekommen.

    Mit Gerichtsbescheid vom 20.02.2017 hat das SG die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass unter Abwägung aller Umstände von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen sei. Die Vereinbarung eines festen Stundensatzes anstelle einer Vergütung, etwa nach einem konkreten Projekt, entspreche der typischen Entlohnung eines abhängig Beschäftigten. Auch die zusätzliche Vereinbarung einer Umsatzbeteiligung spreche nicht eindeutig für eine Selbständigkeit. Diese sei lediglich Ausdruck eines leistungsorientierten Vergütungsbestandteiles. Ein Tätigwerden an einzelnen Arbeitstagen oder mehreren hintereinander und nicht durchgehend und kontinuierlich über einen längeren Zeitraum sei auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen durchaus üblich. Es handle sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis, für das in aller Regel eine Rahmenvereinbarung getroffen werde. Die einzelnen Arbeitseinsätze würden damit zu identischen Bedingungen durchgeführt und abgerechnet. Die Tätigkeit der Klägerin zu 1) entspreche insoweit der einer Aushilfskraft oder eines Beschäftigten auf Abruf. Entscheidend sei, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 1) dadurch geprägt gewesen sei, dass sie in den fremden Betrieb, die Steuerberatungskanzlei des Klägers zu 2), und dessen organisatorische Strukturen in erheblichem Umfang eingegliedert gewesen sei und einem entsprechenden Weisungsrecht unterlegen habe. Dies gelte zunächst für den Ort der Arbeitsleistung, da sie hauptsächlich in den Räumen des Klägers zu 2) tätig gewesen sei. Zudem sei sie in die vorgegebene Betriebsorganisation eingebunden gewesen. Die für eine selbständige Tätigkeit typischen Merkmale seien nicht in erheblichem Umfang vorhanden gewesen. Die Klägerin zu 1) verfüge im Hinblick auf ihre Tätigkeit für den Kläger zu 2) weder über eine eigene Betriebsstätte noch über eigene Betriebsmittel. Sie habe auch keinem nennenswerten unternehmerischen Risiko unterlegen. Keinen für die Selbständigkeit sprechenden Gesichtspunkt stelle das Tätigwerden für mehrere Auftraggeber- bzw Arbeitgeber dar.

    Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 24.02.2017 bzw 28.02.2017 zugestellten Gerichtsbescheid haben diese am 20.03.2017 bzw 28.03.2017 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Die Klägerin zu 1) hat auf Anforderung des Gerichts Einkommensteuerbescheide für 2014 und 2015 sowie Gegenüberstellungen der Einnahmen und des jeweiligen monatlichen Zeitaufwands bezüglich der Tätigkeit für den Kläger zu 2) und den sonstigen Tätigkeiten in den Jahren 2014 und 2015 vorgelegt. Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 08.05.2018 erörtert.

    Der Kläger zu 2) ist der Auffassung, dass ausdrücklich eine freie Mitarbeit der Klägerin zu 1) vereinbart worden sei, um ihr eine freie zeitliche Gestaltung der Tätigkeit zu ermöglichen. Die Entscheidung, einzelne Anträge anzunehmen, habe die Klägerin zu 1) immer frei und eigenständig getroffen. Eine solche Vertragsgestaltung sei in Arbeitsverträgen nicht möglich. Die Klägerin zu 1) sei auch nicht in die organisatorische Struktur seiner Steuerkanzlei eingebunden gewesen. Betriebliche Arbeitszeiten hätten nicht gegolten und an den monatlichen Besprechungen habe sie nicht teilnehmen müssen, ebenso wenig an Fortbildungen. Ein eigener Arbeitsplatz habe nicht existiert. Eine Fristgebundenheit sei in einer Steuerberatungskanzlei der Natur der Sache nach kein Ausdruck der Ausübung eines Direktionsrechts. Dies gelte auch für das Vorhandensein eines fachlichen Letztentscheidungsrecht, denn ein solches sei schon aus berufsrechtlichen Gründen notwendig. Die Nutzung der DATEV-Software sei kein Indiz für eine organisatorische Eingliederung in den Betrieb. Zum einen sei die Nutzung von Spezialwerkzeugen nach der Rechtsprechung kein Indiz für eine versicherungspflichtige Beschäftigung. Zum anderen habe die Klägerin zu 1) die Software nicht unentgeltlich genutzt, sondern eine Vergütung in Form einer Reduzierung ihres Stundensatzes entrichtet. Es habe auch ein erhebliches unternehmerisches Risiko bestanden. Zum einen habe die Klägerin für Schäden in vollem Umfang gehaftet. Zum anderen sei für jeden Auftrag eine Höchstbearbeitungszeit vereinbart gewesen. Habe die Klägerin zu 1) länger als diese vereinbarte Höchstbearbeitungszeit benötigt, habe dies ihren Gewinn vermindert. Gleiches gelte für eine unentgeltliche Nachbesserungspflicht bei Schlechtleistung. Dieser Fall sei auch tatsächlich einmal eingetreten. Die Klägerin zu 1) sei auch außerhalb der hier streitigen Tätigkeit unternehmerisch mit einem eigenen Büro am Markt aufgetreten. Das Gesamtbild spreche für selbstständige Tätigkeit. Im Übrigen habe das BSG ausgeführt, dass dem vereinbarten Honorar im Rahmen der Gesamtwürdigung der Einzelumstände eine besondere Bedeutung zukomme. Liege das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers und lasse dadurch Eigenvorsorge zu, sei dies ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit.

    So liege der Fall hier. Vergleichbar qualifizierte Arbeitnehmer würden bei ihm ca 22 EUR brutto in der Stunde verdienen.

    Die Klägerin zu 1) schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des Klägers zu 2) an. Sie verweist unter anderem darauf, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum mehrfach auf ihre Kosten an Fortbildungsveranstaltungen im Steuerrecht teilgenommen und deshalb auch eigenes Kapital eingesetzt habe. Für Selbstständigkeit spreche zudem, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum noch für weitere Auftraggeber tätig gewesen sei.

    Die Kläger beantragen,

    den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 20.02.2017 und die Bescheide vom 27.10.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.06.2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin zu 1) in ihrer Tätigkeit für den Kläger zu 2) vom 12.05.2014 bis 30.04.2015 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

    Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Vergütung auf Stundenbasis kein Gewinn- oder Verlustrisiko erkennen lasse. Die zwölfprozentige Nettoumsatzbeteiligung sei zwar ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit, habe im Rahmen der Gesamtabwägung jedoch kein maßgebliches Gewicht. Die infolge mündlicher Sondervereinbarung gezahlte Vergütung von 45 EUR pro Stunde lasse ebenfalls kein unternehmerisches Risiko erkennen. Denn mit der Erhöhung der Stundenvergütung sei der Verlust der Umsatzbeteiligung verbunden gewesen. Die einmalige 70 %ige Umsatzbeteiligung sei für die Tätigkeit nicht prägend. Der gewährte Stundensatz komme nach Abzug der Kosten der Klägerin zu 1) der Vergütung für die fest angestellten Mitarbeiter durchaus nahe. Eine hauptberufliche Selbständigkeit liege nicht vor.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Berufungen der Kläger haben Erfolg.

    Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Kläger sind statthaft, zulässig und in der Sache begründet. Das SG hat zu Unrecht die Klagen abgewiesen, da die Klägerin zu 1) in ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin in der Steuerkanzlei für den Kläger zu 2) vom 12.05.2014 bis 30.04.2015 nicht versicherungspflichtig beschäftigt war.

    Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Abs 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I S 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs 14/185 S 6).

    Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat die Klägerin zu 1) am 11.07.2014 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

    Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeitraum ab 01.01.2009 in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)).

    Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).

    Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iSd § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).

    Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass die Klägerin zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung beim Kläger zu 2) ausgeübt hat und daher nicht der Versicherungspflicht unterlag.

    Aufgrund des vorliegenden Vertrages über eine freie Mitarbeit, der vorgelegten Unterlagen und Rechnungen, sowie der übereinstimmenden und konsistenten Angaben der Kläger im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren geht der Senat davon aus, dass die Klägerin zu 1) für den Kläger im gesamten streitigen Zeitraum als qualifizierte Bilanzbuchhalterin in dessen Steuerkanzlei bei der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen mitwirkte. Sie erhielt vertraglich ein Stundenhonorar von 35 EUR, sowie eine Umsatzbeteiligung in Höhe von 12%. Die Kläger vereinbarten im Einzelfall mündlich, welche Mandate von der Klägerin zu 1) bearbeitet werden sollten. Dabei war die Klägerin zu 1) frei zu entscheiden, ob sie einen Auftrag bearbeiten wollte. Nach der glaubhaften Aussage des Klägers zu 2) im Erörterungstermin vom 08.05.2018 war Grund für die Beauftragung der Klägerin zu 1), dass zu dieser Zeit einige Rückstände in der Kanzlei bestanden und diese durch eine qualifizierte freie Mitarbeiterin abgearbeitet werden sollten. In Einzelfällen hat die Klägerin zu 1) auch eigene Mandanten in die Kanzlei des Klägers zu 2) mitgebracht. Es handelte sich zB um einen Erbschaftssteuerfall eines Mandanten, der bezüglich der Lohnsteuer beim Lohnsteuerhilfe e.V. bearbeitet wurde. In diesem einmaligen Fall erhielt die Klägerin zu 1) eine Umsatzbeteiligung von 70 %. In Abänderung des schriftlichen Vertrages vereinbarten die Kläger teilweise mündlich Stundensätze a 45 EUR, zumindest einmal auch 50 EUR (Rechnung vom 23.02.2015). Diese mündlichen Sondervereinbarungen sahen vor, dass ein höherer Stundensatz anstelle der zwölfprozentigen Nettoumsatzbeteiligung gewährt werde. Die Kläger besprachen vor der Übernahme eines Auftrags durch die Klägerin zu 1) das jeweils geltende Vergütungsmodell. Die Klägerin zu 1) erhielt maximal die Bearbeitungsstunden bis zur einer Höchstbearbeitungsgrenze vergütet. Vor Auftragsannahme erhielt sie die durchschnittliche Bearbeitungsdauer und gegebenenfalls die Dauer der Bearbeitung im Vorjahr vom Kläger zu 2) mitgeteilt. Die Klägerin zu 1) übte die Tätigkeit hauptsächlich in den Räumlichkeiten des Klägers zu 2) aus, hatte jedoch keinen festen Arbeitsplatz in der Kanzlei. EDV und Software (DATEV) wurden ihr gestellt. Die Klägerin zu 1) bearbeitete die ihr übertragenen Mandate grundsätzlich eigenständig ohne Inanspruchnahme von anderen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Klägers zu 2). Aufgrund der Ausbildung zu Bilanzbuchhalterin mit Prüfungszulassung zur Steuerberaterin war die Klägerin zu 1) auch zur eigenständigen Bearbeitung der Mandate qualifiziert. Nach Abschluss ihrer Arbeiten fand eine Besprechung mit dem Kläger zu 2) statt.

    Die Tätigkeit als Bilanzbuchhalterin kann grundsätzlich sowohl in abhängiger Beschäftigung, wie auch selbständig ausgeübt werden. Im vorliegenden Einzelfall liegt jedoch die typische Konstellation einer freien Mitarbeit vor, die der Annahme einer abhängigen Mitarbeit entgegensteht. Eine maßgebliche Eingliederung der Klägerin zu 1) in den Betrieb des Klägers zu 2) oder eine Weisungsabhängigkeit liegt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht vor. Es gab keinerlei Weisungen im Hinblick auf die einzelnen Mandate, wie auch in zeitlicher Hinsicht.

    Die Klägerin zu 1) konnte völlig frei entscheiden, zu welchen Zeiten sie nach Auftragsannahme die Arbeiten ausführte. Es stand lediglich fest, bis wann die Mandatsbearbeitung abgeschlossen sein musste. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch bei den hier zu beurteilenden Tätigkeiten eines Steuerberaters von untergeordneter Bedeutung, denn dies ergibt sich bei der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen schon aus der Natur der Sache. Auch dass die Klägerin die Tätigkeiten fast ausschließlich in den Räumlichkeiten des Klägers zu 2) mit dessen Büroausstattung und unter Verwendung des von ihm gestellten DATEV-Zugangs ausführte, spricht im vorliegenden Einzelfall nicht für eine Eingliederung in die Betriebsorganisation. Diese Arbeitsweise war zum einen der Praktikabilität und Effizienz und zum anderen dem Datenschutz geschuldet und war nicht zwingend. Dabei kann es für den Senat dahinstehen, ob bei der Kalkulation der Höhe des vereinbarten Stundenhonorars tatsächlich ein Anteil für die Nutzung der Räumlichkeiten und der Software in Abzug gebracht worden war. Insoweit kann der internen Kalkulation des Klägers zu 2) keine entscheidende Indizwirkung für die Statusbeurteilung zukommen. Zwar erfolgte letztendlich mit der Abschlussbesprechung auch durch den Kläger zu 2) eine Endkontrolle der Arbeiten der Klägerin zu 1). Diese Endkontrolle und das damit verbundene fachliche Letztentscheidungsrecht des Klägers zu 2) stellt keine Überwachung des Arbeitsprozesses dar. Vielmehr resultiert es aus der gesetzlichen Verpflichtung des Klägers zu 2), als Vertragspartner gegenüber den Mandanten ein Testat abgeben zu müssen. Zu beurteilen ist schließlich nicht die Tätigkeit als Steuerberaterin, sondern die Tätigkeit als zuarbeitende höher qualifizierte Mitarbeiterin in der Steuerkanzlei. Nicht jede Zuarbeit ist eine abhängige Beschäftigung, dies würde eine freie Mitarbeit nicht mehr ermöglichen. Vielmehr kommt es nach den oben aufgezeigten Grundsätzen auf eine Einzelfallbeurteilung an.

    Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit die Klägerin zu 1) über den Umfang ihrer Tätigkeit selbst bestimmt. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (LSG Baden-Württemberg 18. 7. 2013, L 11 R 1083/12 - juris). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Dieses Kriterium hat daher im vorliegenden Fall keine große Aussagekraft. Dennoch spricht insbesondere der Umstand, dass die Klägerin zu 1) auch in wenigen Fällen eigene Mandanten in die Kanzlei mitgebracht hat, weil sie diese zB in Erbschaftssteuerangelegenheiten nicht über den Lohnsteuerhilfeverein betreuen durfte, für eine selbständige Tätigkeit. Dies zeigt sich auch an der in diesen Fällen vereinbarten erhöhten Umsatzbeteiligung. Nachgewiesen für den Senat ist dies insbesondere in einem Fall mit einer 70-prozentigen Umsatzbeteiligung.

    Insbesondere sind die gesamte Entlohnung und die diesbezüglichen angewendeten unterschiedlichen Honorarmodelle wesentlich aussagekräftig.

    Letztlich wurden zwischen den Klägern je nach Mandanten grds drei unterschiedliche Honorarmodelle gelebt. Das im Vertrag vereinbarte Stundenhonorar iHv 35 EUR zuzüglich zwölfprozentiger Umsatzbeteiligung kam genauso zur Anwendung, wie der mündlich vereinbarte Stundensatz iHv 45 EUR ohne Umsatzbeteiligung. Die dritte Alternative war die bereits erwähnte erhöhte Umsatzbeteiligung. Zusätzlich liegt eine Rechnung über die Mitwirkung bei Fallanalysen und Datenauswertungen vom 23.02.2015 vor, die einen Stundensatz von 50 EUR ausweist. Zwar sind auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen Umsatzbeteiligungen möglich, die wechselnden Vergütungsmodelle (je nach Mandanten) sprechen hier jedoch klar für eine selbstständige Tätigkeit.

    Auch die tatsächliche Höhe des Honorars im Vergleich zur Vergütung von vergleichbaren Angestellten spricht hier für eine selbstständige Tätigkeit.

    Dabei ist es nicht erforderlich, exakt zu ermitteln, was ein angestellter Bilanzbuchhalter verdienen würde, um dieses Einkommen mit dem Einkommen der Klägerin zu 1) zu vergleichen und zu prüfen, ob daraus hinreichende Eigenvorsorge (Alter, Krankheit etc) finanziert werden kann.

    Die Vereinbarung von Entgelten ist - von gesetzlichen Vergütungsordnungen abgesehen - Sache der Vertragspartner und Teil der Privatautonomie.

    Liegt das vereinbarte Honorar wie hier deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies nach der Rechtsprechung des BSG ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Allerdings handelt es sich auch bei der Honorarhöhe nur um eines von uU vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien, weshalb weder an die Vergleichbarkeit der betrachteten Tätigkeiten noch an den Vergleich der hieraus jeweils erzielten Entgelte bzw Honorare überspannte Anforderungen gestellt werden dürfen (BSG 31.03.2017 - B 12 R 7/15 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 30, Rn 50 mwN). Aus den Angaben des Klägers zu 2) im Erörterungstermin vom 08.05.2018, in der mündlichen Verhandlung und der vorgelegten Berechnung mit Schriftsatz vom 06.07.2018 ergibt sich für den Senat, dass ein - mit der Klägerin zu 1) vergleichbarer - Bilanzbuchhalter beim Kläger rund 22 EUR brutto pro Stunde verdient hat. Damit lag die Vergütung der Klägerin zu 1) deutlich höher, so dass Eigenvorsorge möglich war. Eine solche hat tatsächlich auch (teilweise) stattgefunden. Die Klägerin zu 1) war zB freiwillig gesetzlich krankenversichert.

    Die Klägerin zu 1) hatte auch ein für Selbständigkeit sprechendes - wenn auch geringes - Unternehmerrisiko zu tragen. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (siehe dazu BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris; BSG 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 15). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann ein Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG aaO).

    Die Klägerin zu 1) konnte eine Vergütung nur beanspruchen, wenn sie Aufträge erhielt und die Leistung auch erbracht hatte, während hingegen einem abhängig Beschäftigten ein Lohnanspruch schon dann zusteht, wenn er sich arbeitsbereit hält. Ein Mindesteinkommen war der Klägerin zu 1) nicht garantiert, vielmehr hing ihr Verdienst davon ab, wie viele Mandate sie bearbeiten konnte und wollte. Zwar folgt aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, noch kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (vgl BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400, § 7 SGB IV Nr. 25). Doch ist ein unternehmerisches Tätigwerden bei reinen Dienstleistungen, die im Wesentlichen nur Know-how, Arbeitszeit und Arbeitsaufwand voraussetzen, ohnedies nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgerät oder Arbeitsmaterialien verbunden. Das Fehlen solcher Investitionen ist deshalb bei reinen Dienstleistungen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine (abhängige) Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden (BSG 31.03.2017, B 12 R 7/15 R, SozR 4-2400, § 7 SGB IV Nr. 30). Bzgl der Tätigkeit der Klägerin zu 1) für den Kläger zu 2) war zwar kein wesentlicher Kapitaleinsatz nötig, dies ist aber bei der von ihr erbrachten Dienstleistung auch nicht üblich. Die Aufwendungen für den Betrieb der Beratungsstelle des Lohnsteuerhilfevereins wie auch für die hierfür erforderlichen Fortbildungen können nicht berücksichtigt werden, da hier nur die Tätigkeit für den Kläger zu 2) beurteilt wird. Ein unternehmerisches Risiko bestand jedoch insoweit, als die Klägerin zu 1) bei unrichtiger Fallbearbeitung verpflichtet war, unentgeltlich nachzubessern. Wie sie im Erörterungstermin vom 08.05.2018 erklärt hat, kam dies auch einmal wegen Fristversäumnis vor. Die Gefahr eines Verlustes hinsichtlich des eigenen Arbeitseinsatzes bestand somit. Eine solche existierte auch aufgrund des Umstands, dass die von der Klägerin zu 1) aufgewendeten Stunden nur bis zur einer Höchstbearbeitungsdauer (bezogen auf ein Mandat) vergütet wurden. Zumindest einen Fall einer solchen vorgenommenen Kürzung hat der Kläger zu 2) vorgelegt.

    Die Gewerbeanmeldung sagt nichts darüber aus, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Sie ist allenfalls ein Hinweis auf eine gewollte Selbständigkeit, mit der Anmeldung ist jedoch keine Entscheidung über die sozialversicherungsrechtliche Qualifikation verbunden. Gleiches gilt für die fehlende Vereinbarung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlten Urlaub.

    Die zuvor ausgeübte Probearbeit der Klägerin zu 1) hat im vorliegenden Fall keine Indizwirkung hinsichtlich der hier zu beurteilenden Tätigkeit.

    Zwar hatte sich die Klägerin auf eine ausgeschriebene Stelle des Klägers zu 2) beworben, kam jedoch nach Absolvierung ihrer Probearbeit nicht zum Zug. Die hier zu beurteilende Tätigkeit begann erst wesentlich später und aufgrund neuer Rahmenbedingungen.

    Insgesamt überwiegen damit diejenigen Umstände, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen deutlich gegenüber denjenigen, die auf eine abhängige Beschäftigung schließen lassen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das Verfahren ist insgesamt gerichtskostenfrei. Ist - wie hier - bei einem Streit mit einheitlichem Streitgegenstand in einer Instanz ein kostenrechtlich Privilegierter nach § 183 SGG Hauptbeteiligter (hier die Klägerin zu 1), greift - auch bei subjektiver Klagehäufung mit einem nicht Kostenprivilegierten (hier der Kläger zu 2) - die Regelung für Kostenprivilegierte ein (vgl BSG 29.05.2006, B 2 U 391/05 B; LSG Sachsen-Anhalt 29.06.2016, L 3 R 359/15; LSG Baden-Württemberg 04.12.2012, L 11 R 44/11; aA LSG Rheinland-Pfalz 11.12.2013, L 6 R 152/12 B).

    Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

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