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  • 11.06.2015 · IWW-Abrufnummer 144668

    Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 11.02.2014 – 3 V 241/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FINANZGERICHT HAMBURG
    3 V 241/13
    11.02.2014
    Beschluss - Senat
    Rechtskraft: rechtskräftig
    Gründe
    I.
    Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Haftungsbescheid, durch den der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) den Antragsteller als Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) für die Umsatzsteuerschulden der GmbH für die Voranmeldungszeiträume (VAZ) Juni 2009 bis Januar 2010, März 2010 und April 2010, November 2010 sowie März 2011 nebst steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 480.568,22 € in Haftung genommen hat, rechtmäßig ist.
    1. Der Antragsteller war ab dem 18.12.2008 neben Herrn B (einzelvertretungsberechtigter) Geschäftsführer der durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründeten GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Großhandel mit Schrott und Altmaterialien war. Im Mai 2009 wurde die Sitzverlegung von C in den X- Weg in Hamburg beschlossen (vgl. Handelsregisterauszug vom ... 2012 Haftungsakte -HaftA- Bl. 4).
    2. Die GmbH reichte beim FA ab Mai 2009 auf elektronischem Wege Umsatzsteuervoranmeldungen ein und machte darin z. T. erhebliche Vorsteuerbeträge geltend, die teilweise zu Vorsteuerüberschüssen (VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010) führten, teilweise die abzuführende Umsatzsteuersteuer entsprechend verringerten. Das FA erteilte in den Vergütungsfällen jeweils die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und zahlte die angemeldeten Vorsteuerüberschüsse aus (vgl. USt-Überwachungsbogen 2009, Umsatzsteuerakte -UStA- Bl. 8; Bp-Bericht Betriebsprüfungsakte -BpA- Bl. 16 und 17, Rechtsbehelfsakte -RbA- Bd. II Bl. 4 und 5).
    3. Das FA führte in dem Zeitraum vom 05.11.2009 bis zum 18.01.2011 bei der GmbH zwei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die VAZ Mai bis September 2009 sowie die VAZ Oktober 2009 bis Februar 2010 durch. Im Rahmen der Prüfungen holte der Prüfer bei anderen Finanzämtern und Steuerfahndungsstellen Auskünfte über die mutmaßlichen Lieferanten D, E sowie die F GmbH & Co KG (F) ein.
    a) Die Steuerfahndung des FA für Fahndung und Strafsachen G (Steufa G; RbA Bd. I Bl. 92 f.) teilte mit, Herr D sei nicht selbst als Unternehmer tätig gewesen, sondern habe unbekannten Dritten seinen Namen für deren Ablieferungen zur Verfügung gestellt. Herr D habe binnen kürzester Zeit Ablieferungen in beträchtlicher Höhe abgerechnet, ohne über die hierfür erforderlichen entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse im Schrotthandel oder das notwendige Kapital zum Ankauf der Materialien verfügt zu haben. Obwohl er weder über einen Lastkraftwagen, noch einen entsprechenden Führerschein verfügt habe, solle er z. B. an einem Tag bei drei verschiedenen und entfernt gelegenen Recyclingbetrieben jeweils in größerem Umfang Ablieferungen vorgenommen haben, nämlich bei der GmbH in Hamburg, der H GbR in J und bei der K GmbH & Co KG in L. Der von Herrn D behauptete Transport der Materialen auf einem geliehenen Kleintransporter (Sprinter) sei angesichts der abgerechneten Mengen völlig abwegig. Zudem wiesen die Wiegescheine der Recyclingunternehmen aufgrund der darin aufgeführten Lastkraftwagenkennzeichen auf andere Schrotthändler als tatsächliche Anlieferer hin. Hierbei seien Lastkraftwagen von über zehn verschiedenen Personen verwendet worden.
    Herr D habe zudem bei der auf den Abrechnungen angeführten Anschrift in ... M über keinerlei Geschäftsräume oder Lagerungsmöglichkeiten verfügt. Nach seinen eigenen Angaben habe es sich bei der Adresse auch nicht um seine Wohnanschrift gehandelt.
    Der Umstand, dass Herr D zuvor im Schrotthandel nicht tätig gewesen sei und kurz nach der Gewerbeanmeldung plötzlich erhebliche, zum Teil fünfstellige Abrechnungen vorgenommen habe, sei angesichts des geschilderten Sachverhalts nur dadurch erklärlich, dass er durch den Erhalt einer Steuernummer und die Gewerbeanmeldung in die Lage versetzt worden sei, gegenüber den Recyclingbetrieben Umsatzsteuer offen auszuweisen und hierdurch als Strohmann für Ablieferungen Dritter attraktiv zu werden.
    b) Das FA N teilte mit, Herr E habe mit Gewerbeanmeldung vom ... 2009 eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich Metallrecycling und zum ... 2009 seinen Wohnsitz in N angemeldet. Im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau sei am 07.04.2010 festgestellt worden, dass Herr E unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift weder einen Geschäftssitz unterhalten, noch jemals dort gewohnt habe. Mit einem undatierten Schreiben (Eingang 22.04.2010) habe Herr E dem FA N mitgeteilt, seinen Betrieb aus Krankheitsgründen aufgegeben zu haben und weggezogen zu sein. In der Zauber-Datei existiere über Herrn E ein Eintrag, nach dem sein Name bereits in der Vergangenheit einmal in Zusammenhang mit Abdeck- bzw. Scheinrechnungen bekannt geworden sei. Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe Herr E nicht abgegeben (RbA Bd. II Bl. 7 f.).
    c) Bezüglich der F erhielt der Prüfer von der zuständigen Dienststelle des FA die Auskunft, die F habe unter der in den Rechnungen genannten Anschrift zu keinem Zeitpunkt ihren Sitz gehabt und der auf den an die GmbH gestellten Rechnungen genannte Geschäftsführer O sei nur bis zum 03.05.2007 der Geschäftsführer der F gewesen (vgl. Prüfungsbericht, BpA Bl. 15).
    d) Dementsprechend erkannte der Prüfer die in den Rechnungen/Gutschriften von Herrn D (VAZ Juni bis November 2009; insgesamt 143.246,49 €), Herrn E (VAZ November und Dezember 2009; insgesamt 88.758,73 €) sowie F (VAZ Februar 2010, 5.438,69 €) ausgewiesene Vorsteuer nicht an mit der Begründung, die Lieferanten seien unter den angegebenen Rechnungsanschriften nicht ansässig gewesen (Berichte über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 04.03.2011 BpA Bl. 7 ff.).
    4. a) Am 08.06.2010 erließ das FA aufgrund von Kontrollmaterial des FA P (RbA Bd. II Bl. 18 ff.) Änderungsbescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate März und April 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus weiteren Rechnungen der F in Höhe von 44.214,49 € für März 2010 und in Höhe von 36.392,33 € für April 2010 (RbA Bd. II Bl. 4 und 5).
    b) Am 23.12.2010 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat November 2010 über 5.933,51 € fällig gestellt. Die GmbH zahlte nicht.
    c) Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 15.04.2011 geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Juni bis Dezember 2009 und Februar 2010 (RbA Bd. I Bl. 16-23).
    d) aa) Am 22.08.2011 erhielt das FA durch das FA für Fahndung und Strafsachen Q (Steufa Q) die schriftliche Einlassung vom 18.05.2011 eines weiteren Lieferanten der GmbH, Herrn R, zur Kenntnis (RbA Bd. I Bl. 63 ff.). Darin ließ sich Herr R in dem gegen ihn gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren über seinen Verteidiger gegenüber der Steufa Q dahingehend ein, dass er seinerzeit von Leuten - deren Namen er nicht nennen könne und wolle, da er massiv bedroht werde - angesprochen worden sei, die ihm erklärt hätten, sie suchten jemanden, über den und für den man abrechnen könne und der daran partizipiere. Man brauche praktisch einen "Partner" für Ablieferungen. Diese Leute hätten ihm zugesagt, sie würden alles für ihn erledigen, insbesondere "das mit dem Gewerbe, das mit der Anschrift der Firma etc". So sei es zu einer Meldeadresse in Q gekommen, eine Adresse, mit der er, Herr R ansonsten nichts zu tun gehabt habe. Er habe dort weder eine Wohnung unterhalten, noch sich zu irgendeinem Zeitpunkt dort aufgehalten. Es habe dort keinen Briefkasten oder sonst etwas gegeben. Er habe für Schrottablieferungen bestimmte Teilbeträge erhalten, zunächst kleinere Beträge, dann ein- oder zweimal maximal 500,00 €.
    Für die Gewerbeanmeldung sei er begleitet worden, so wie er auch auf allen übrigen Wegen, die er im Zusammenhang mit der Firma durchgeführt habe, begleitet worden sei. Mit dem Ankauf des Metalls habe er überhaupt nichts zu tun gehabt. Er habe gehört, dass man auf seinen Namen auch anderweitig abgeliefert habe. Er habe sich auf das leichte Geldverdienen eingelassen, um sich von dem Geld Drogen (2,5 g Heroin pro Tag) kaufen zu können.
    bb) Daraufhin erließ das FA am 02.09.2011 einen geänderten Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Herrn R in Höhe von insgesamt 67.387,56 € mit dem Hinweis, Herr R sei unter der in den Gutschriften angegebenen Anschrift nicht ansässig gewesen und habe weder dort noch an einem anderen Ort eine Geschäftstätigkeit ausgeübt. (Klageakte -KlA- Bl. 21 f.).
    e) Ebenfalls am 02.09.2011 erließ das FA den Bescheid für 2009 über Umsatzsteuer (KlA Bl. 18).
    f) Am 13.09.2011 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2011 über 0,01 € fällig gestellt, die von der GmbH nicht bezahlt wurde.
    5. Die GmbH legte gegen die geänderten Bescheide über die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sowie den Umsatzsteuerjahresbescheid 2009 rechtzeitig Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nachdem das FA die AdV abgelehnt hatte, lehnte das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 12.01.2012 die bei Gericht am 04. und 25.10.2011 gestellten Aussetzungsanträge betreffend die Umsatzsteuer 2009 sowie die VAZ Januar bis April 2010 ab (Finanzgerichtsakten -FGA- 5 V 241/11 Bl. 40 ff.) und führte zur Begründung u. a. aus:
    "Hiernach steht der Antragstellerin der Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen und Gutschriften nach summarischer Prüfung nicht zu.
    Zum einen waren die Rechnungsaussteller bzw. Gutschriftenempfänger D, E und R nach den vorliegenden Erkenntnissen, nämlich den Mitteilungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen G in Sachen D, des Finanzamtes N in Sachen E und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen Q in Sachen R, nicht unter den in den Abrechnungspapieren angegebenen Geschäftsadressen ansässig. Für den Senat sind die Mitteilungen der genannten Dienststellen hinreichend substantiiert; es ergeben sich zudem nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, die mitgeteilten Erkenntnisse in Frage zu stellen, zumal die Antragstellerin hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen hat. Gelegenheit hätte sie dazu gehabt, da ihr die wesentlichen Feststellungen mit den Prüfungsberichten und den Steuerbescheiden mitgeteilt worden sind. Auf die weiteren Prüfungsfeststellungen zu den Abrechnungspapieren kommt es hiernach für die Frage der Versagung des Vorsteuerabzugs nicht an, so dass der Senat dazu an dieser Stelle nicht weiter Stellung nimmt.
    Zum anderen ist das Vorsteuerabzugsrecht der Antragstellerin aus den Rechnungen der F nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu versagen (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620). Die Antragstellerin hat sich nicht hinreichend über die Richtigkeit der von der F mitgeteilten Geschäftsdaten vergewissert. Die der Antragstellerin von der F (mutmaßlich) vorgelegte "Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" und "Gewerbeanmeldung" enthalten offensichtliche Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten, wonach sich der Antragstellerin Zweifel an der Echtheit der Dokumente hätten aufdrängen müssen (z. B. Rechtschreibfehler im Briefkopf der "Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung" ["schreiben und Überweißungen"] und in der "Gewerbeanmeldung" ["Hadels-", "be- und Entladen", "Angeben zum geschäftsführenden...", "können...Geahndet werden"]; zu den Einzelheiten vgl. Bl. 94 ff. Bd. IV Rb-A). Die beigebrachten Nachweise reichen nicht aus, um von nachvollziehbaren Rechnungsangaben der F und der Richtigkeit der mitgeteilten Geschäftsdaten auszugehen, zumal nach den Feststellungen des Antragsgegners Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die F unter der in den Rechnungspapieren angegebenen Geschäftsadresse nicht ansässig war."
    6. Mit Schreiben vom 09.02.2012 teilte das FA dem Antragsteller mit, dass dessen Haftung für die Umsatzsteuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen der GmbH, über die eine Aufstellung beigefügt wurde, geprüft werde (HaftA Bl. 12). Die Steuerschulden seien in dem Zeitraum der Geschäftsführung durch den Kläger fällig geworden. Das FA bat den Antragsteller, den beigefügten Fragebogen auszufüllen und bis zum 02.03.2012 zurückzusenden. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.
    7. Am 30.03.2012 wurde aufgrund des von der GmbH am 21.02.2012 gestellten Insolvenzantrags das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt Dr. S aus Hamburg zum Insolvenzverwalter bestellt (RbA Bd. I Bl. 106).
    8. Am 08.05.2012 erließ das FA gegen den Antragsteller einen Haftungsbescheid nebst Anlage (HaftA Bl. 20 f.). Hierin wurde der Antragsteller für die im einzelnen aufgeführten Umsatzsteuerschulden sowie Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge der GmbH aus den VAZ Juni 2009 bis Januar 2010, März, April und November 2010 sowie März 2011 in Höhe von insgesamt 480.568,22 € gemäß § 69 AO i. V. m. § 34 AO in Haftung genommen, weil er als Geschäftsführer seiner Pflicht zur pünktlichen und vollständigen Entrichtung der Steuern bzw. der Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zinsen nicht nachgekommen sei.
    Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Haftungssumme sofort fällig sei.
    In der Anlage zum Haftungsbescheid wies das FA bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für 2009 und für die VAZ Januar 2010, März und April 2010 auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen hin. Bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für den VAZ November 2010 führte das FA aus, der Antragsteller hätte als Verfügungsberechtigter im Vorwege durch Bildung von Rücklagen dafür sorgen müssen, dass die Steuerschulden der GmbH hätten beglichen werden können. Auch die wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen/-anmeldungen festgesetzten Verspätungszuschläge sowie die wegen nicht rechtzeitiger Zahlung entstandenen Säumniszuschläge hätten aus den vom Antragsteller verwalteten Mitteln der GmbH beglichen werden müssen. Diese Pflichtverletzungen seien ursächlich für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und damit für den Eintritt des Haftungsschadens. Die Zahlungen an das Finanzamt seien von dem Antragsteller nicht veranlasst worden, sodass der Haftungsschaden aufgrund dieser Pflichtverletzung eingetreten sei (HaftA Bl. 22).
    Des Weiteren wies das FA in der Anlage zum Haftungsbescheid darauf hin, dass der Mitgeschäftsführer Herr B einen entsprechenden Haftungsbescheid erhalte (HaftA Bl. 22 R).
    9. Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 14.05.2012 (HaftA Bl. 23) Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ein und beantragte AdV. Zur Begründung trug er vor, der Haftungsbescheid sei rechtswidrig. Er enthalte keinen haftungsbegründenden Sachverhalt. Insbesondere fehle eine Beschreibung des konkret pflichtwidrigen Verhaltens. Die Umsatzsteuerforderungen 2009 - April 2010 würden bestritten. Bestandskräftige Bescheide lägen insoweit nicht vor. Bis Anfang/Mitte Februar 2012 seien Anträge auf AdV bearbeitet worden. Ein Geschäftsführer handele nicht pflichtwidrig, sofern er bestrittene und nicht vollstreckbare Verbindlichkeiten nicht bezahle. Ganz im Gegenteil würde er sich gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern ersatzpflichtig machen, wenn er Zahlungen auf solche Verbindlichkeiten veranlassen würde.
    Nachdem das Finanzgericht Hamburg die Aussetzungsanträge abgelehnt habe, hätten er, der Antragsteller, und Herr B vorsorglich den Geschäftsbetrieb und den Zahlungsverkehr vorläufig eingestellt und versucht, durch Anträge auf AdV wegen unzumutbarer Härte die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Nachdem auch diese Anträge durch das FA abgelehnt worden seien, hätten er und Herr B unverzüglich Insolvenz angemeldet.
    Unabhängig hiervon habe die GmbH zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um substantielle Zahlungen auf diese - bestrittenen und nicht bestandskräftig festgesetzten - Verbindlichkeiten zu leisten.
    Vorsorglich beantrage er die AdV und die Aussetzung der Vollstreckung auch aus Gründen der Billigkeit, da Vollstreckungsmaßnahmen zu unbilliger Härte führen würden. Seine Einkommensverhältnisse - monatliche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i. H. v. 5.000,00 € brutto - seien dem FA bekannt.
    10. Am 20.08.2013 nahm der Insolvenzverwalter Dr. S sämtliche der durch die GmbH eingelegten Einsprüche zurück (RbA Bd. I Bl. 110).
    11. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 wies das FA den Einspruch gegen den Haftungsbescheid zurück. Zur Begründung führte es aus, der Antragsteller habe die ihm gem. § 34 Abs. 1 AO obliegenden Pflichten verletzt, indem er nicht korrekte Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen eingereicht und die Steuerrückstände nicht getilgt habe. Unter Verweis auf die Ausführungen des Finanzgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 stellte das FA klar, dass der Leistungsempfänger die Pflicht habe, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten des Rechnungserstellers (Anschrift, Firma, Rechtsform etc.) zu vergewissern (HaftA Bl. 41 ff.).
    12. Der Antragsteller hat am 31.10.2013 bei Gericht AdV beantragt.
    Er trägt zur Begründung seines Antrags vor:
    Der Haftungsbescheid vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 sei bereits deshalb rechtswidrig, weil er nicht i. S. d. § 366 AO hinreichend begründet sei. Die Begründung der Einspruchsentscheidung enthalte keinen genau beschriebenen Sachverhalt. Konkret werde das FA in der Begründung nur, wenn es auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 zur Ablehnung der AdV verweise. Die Bezugnahme auf andere Schriftstücke in einer Einspruchsentscheidung sei grundsätzlich fraglich, da die AO hierzu keine Rechtsgrundlage enthalte. Unzulässig sei die Bezugnahme aber auf jeden Fall dann, wenn das Bezugsschreiben ein anderes Verfahren und eine andere Rechtsfrage zum Gegenstand habe (Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 11 K 2229/99). In dem Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 gehe es zwar um die Umsatzsteuer bzw. den Vorsteuerabzug der GmbH, nicht aber um die Pflichtwidrigkeit und Haftung des Antragstellers. Weder aus dem Haftungsbescheid noch der Einspruchsentscheidung ergebe sich aber eine konkrete Pflichtverletzung. Ebenso fehlten Ausführungen dazu, weshalb eine Pflichtverletzung des Antragstellers vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen worden sein solle.
    Unabhängig davon sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil bereits der GmbH der Vorsteuerabzug aus den streitigen Lieferantenrechnungen zustehe. Sämtliche Rechnungen der Lieferanten seien gem. §§ 14 ff. Umsatzsteuergesetz (UStG) formal ordnungsgemäß. Darüber hinaus habe die GmbH dem FA im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung mitgeteilt und belegt, dass sie von den besagten Lieferanten Kopien der Gewerbeanmeldung, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Ausweiskopien sowie Vollmachten u. Ä. erhalten habe. Der Lieferant E sei bei der Geschäftsanbahnung persönlich zugegen gewesen und habe Herrn T, der sich durch eine notarielle Vollmacht legitimiert habe, als seinen Handlungsbevollmächtigten vorgestellt. Die Gelder seien auf das Konto des Lieferanten E überwiesen worden. Darüber hinaus seien die Lieferanten D und R bei der Geschäftsanbahnung und bei den Lieferungen selber persönlich zugegen gewesen und hätten Gelder persönlich entgegengenommen.
    Der Antragsteller ist unter Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C-142/11) der Ansicht, der Vorsteuerabzug sei der GmbH zwingend zu gewähren gewesen. Das FA habe im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und dem anschließenden Einspruchsverfahren stets argumentiert, die GmbH habe keine ausreichenden Nachforschungen angestellt, um sich Gewissheit über die Identität der Lieferanten etc. zu verschaffen. Welche Nachforschungen und Maßnahmen aber stattdessen "ausreichend" gewesen wären, habe das FA nicht genau zu benennen vermocht. Nach der neueren höchstrichterlichen EuGH-Rechtsprechung sei es aber nicht Aufgabe und Pflicht des Steuerpflichtigen, Nachforschungen in diese Richtung anzustellen.
    Das FA habe weder im Haftungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung eine konkrete Pflichtverletzung dargestellt, noch ausgeführt, weshalb es von einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Begehungsweise ausgehe.
    Weiter werde bestritten, dass es sich bei den Rechnungsausstellern der streitgegenständlichen Rechnungen um "Strohmänner" o. ä. gehandelt habe. Das FA habe den Sachverhalt insoweit nie vollständig aufgeklärt oder eigene Ermittlungen angestellt; vielmehr habe sich die Sachverhaltsaufklärung in Anfragen bei möglichen Wohnsitz- und Betriebsstättenfinanzämtern und Anfragen bei Ermittlungsbehörden beschränkt.
    Auch wenn die Umsatzsteuerbescheide nach Rücknahme der Einsprüche durch den Insolvenzverwalter formal bestandskräftig seien, so blieben sie dennoch materiell rechtswidrig.
    Darüber hinaus sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil sich die Haftung des Geschäftsführers gem. § 69 AO auf den sog. Quotenschaden beschränke, der vorliegend 0 % betrage. Der Antragsteller habe sofort nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des Finanzgerichts vom 12.01.2012 noch im Januar 2012 den Geschäftsbetrieb eingestellt, keine Zahlungen mehr geleistet und Insolvenzantrag gestellt. Dem FA lägen die Bilanzen der GmbH für 2009 und 2010 vor. Diese wiesen einen Verlust von 196.686,90 € (2009) und 70.414,28 € (2010) aus. Aus der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei dem FA bekannt gewesen, dass die GmbH im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebes kurzfristige Bankguthaben und ebenso kurzfristige liquide Barmittel zweckgebunden eingesetzt und hieraus laufende Verbindlichkeiten aus Wareneinkäufen finanziert habe. Bei Zweckentfremdung der liquiden Mittel hätte die GmbH ihre Lieferanten nicht mehr bezahlen können, da die Liquidität von laufenden Einnahmen abhängig gewesen sei.
    Die GmbH habe zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um die - bestrittenen - Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu tilgen.
    Schließlich hätte die Vollziehung des Haftungsbescheides für ihn, den Antragsteller, eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Er sei Arbeitnehmer. Sein monatliches Netto-Einkommen betrage 3.797,47 €. Er verfüge darüber hinaus über kein Vermögen. Unter Hinweis auf das Schreiben seines Arbeitgebers - der Fa. U GmbH mit Sitz im X-Weg in Hamburg - vom 02.12.2013 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Antragstellers vom 02.12.2013, FGA-Anlagenband), wonach ihm im Falle einer Lohnpfändung gekündigt werde, trägt der Antragsteller vor, Vollstreckungsmaßnahmen würden seine berufliche Existenz gefährden, ohne dass Aussicht auf Tilgung des festgesetzten Haftungsbetrages bestehe.
    Der Antragsteller beantragt,
    die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bis zu einer Entscheidung des Finanzgerichts in der Hauptsache auszusetzen.
    Das FA beantragt,
    den Antrag abzulehnen.
    Das FA nimmt zur Begründung auf den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor (FGA Bl. 24 ff.):
    Der angefochtene Haftungsbescheid sei nicht rechtswidrig, insbesondere sei er hinreichend begründet und seien die darin vorgenommenen Verweise nicht zu beanstanden. Die von dem Antragsteller genannte Entscheidung des FG Düsseldorf stehe dem nicht entgegen, da der dort behandelte Sachverhalt rechtlich keine Ähnlichkeit mit den Gegebenheiten im hiesigen Verfahren aufweise. Das vorliegende Verfahren sei auf der Sachverhaltsebene nicht trennbar von dem Verfahren der GmbH wegen Versagung des Vorsteuerabzugs aus Lieferantenrechnungen im Zuge der Umsatzsteuer-Sonderprüfung 2009/2010.
    Der Antragsteller habe seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer verletzt, indem er unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen und eine unzutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung für die GmbH eingereicht und nicht für die Tilgung der entstandenen Steuerrückstände gesorgt habe. Dadurch habe der Antragsteller seine Pflichten zumindest grob fahrlässig und weit vor der Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund der Sonderprüfung verletzt. Aufgrund dieses frühen Zeitpunktes der Pflichtverletzung müsse eine Quotierung nicht vorgenommen werden.
    Der Hinweis des Antragstellers auf seine finanzielle Situation lasse keine unbillige Härte i. S. d. § 361 Abs. 2 AO erkennen.
    Dem Gericht haben ein Band Haftungsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen sowie folgende Steuerakten der GmbH (St.-Nr. .../.../...): ein Band Umsatzsteuerakten, ein Band Betriebsprüfungsakten, Band I und II der Rechtsbehelfsakten und Band I und II der Klageakten.
    II.
    Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
    1. Der Antrag ist zulässig. Das FA hat über den vom Antragsteller mit Schreiben vom 14.05.2012 gestellten AdV-Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden, so dass die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt ist.
    2. Er hat aber in der Sache aber keinen Erfolg.
    Nach Maßgabe der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung auf Grundlage präsenter Beweismittel sind die Voraussetzungen für eine AdV nicht erfüllt. An der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 08.05.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bestehen im Hinblick auf die Umsatzsteuerschulden sowie steuerlichen Nebenleistungen keine ernstlichen Zweifel.
    Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
    Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind nach der Rechtsprechung des BFH zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer Rechtsfrage bewirken (BFH-Beschlüsse vom 21.11.2013 II B 46/13, BFH/NV 2014, 269; vom 11.07.2013 XI B 41/13 BFH/NV 2013, 1647; vom 12.12.2012 I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272).
    a) Das FA hat den Antragsteller zu Recht als Geschäftsführer nach § 69 i. V. m. § 34 AO für von der GmbH zu Unrecht nach § 15 UStG gezogene Vorsteuern sowie nicht gezahlte Umsatzsteuer in Haftung genommen.
    aa) Gemäß § 69 AO haften die in den Vorschriften §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohen Maße außer Acht lässt (BFH-Urteil vom 28.06.2005 I R 2/04, BFH/NV 2005, 2149). Die Vertreterhaftung erstreckt sich gemäß § 69 Satz 2 AO auch auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28.06.2006 VII B 267/05 BFH/NV 2006, 1792; BFH-Urteil vom 26.02.2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301).
    Die Vertreter juristischer Personen haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die (Umsatz-)Steuern fristgerecht erklärt (§ 149 AO i. V. m. § 18 UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft ist demnach auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.2007 VII R 18/06 BFH/NV 2008, 521; vom 11.03.2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967). Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene - zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende - Tilgung der Umsatzsteuerforderungen (BFH-Urteil vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).
    bb) Der Antragsteller war als eingetragener Geschäftsführer der GmbH ihr gesetzlicher Vertreter i. S. v. § 34 Abs. 1 AO.
    cc) Der Antragsteller hat als Geschäftsführer der GmbH die ihm nach § 34 AO obliegenden steuerlichen Pflichten verletzt, indem er zu Unrecht aus den Einkaufsrechnungen/-gutschriften der Herren D, E und R sowie der F die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht (aaa) und bbb)) sowie die sich für die Monate November 2010 und März 2011 ergebende Umsatzsteuerzahllast nicht abgeführt hat (ccc)).
    Hinsichtlich des Grundes und der Höhe der streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten sind Einwendungen des Antragstellers nicht grundsätzlich nach § 166 AO ausgeschlossen, da die durch die GmbH gegen die streitgegenständlichen Umsatzsteuerfestsetzungen eingelegten Einsprüche durch den Insolvenzverwalter zurückgenommen wurden zu einem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr vertretungsberechtigt war.
    Die durch den Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs (oben I. 12.) greifen aber nicht durch, da sie nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG belegen. Den Antragsteller trifft aber auch im Haftungsverfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorhandensein aller Voraussetzungen derjenigen Normen, ohne deren Anwendung sein Prozessbegehren keinen Erfolg haben kann (BFH-Urteil vom 12.08.2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393), hier somit für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG.
    An dieser Verteilung der objektiven Feststellungslast ändert sich nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall auch nichts durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C 142/11, BFH/NV 2012, 1404). Danach kann der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur verweigert werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert bzw. dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung der Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Vorliegend hätte der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH nämlich zumindest wissen müssen, dass die genannten Eingangsrechnungen zur Verschleierung des tatsächlich Leistenden und somit zur Begehung einer Steuerhinterziehung benutzt wurden und daher der GmbH der Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen nicht zustand.
    aaa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, dann als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG für eine Lieferung oder sonstige Leistung auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde.
    Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt der Anspruch auf Vorsteuerabzug nur dann in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer im Sinne von § 2 UStG, der die in der Rechnung bezeichnete Lieferung oder sonstige Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, identisch sind (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 04.09.2003 V R 9, 10/02 BStBl. II 2004, 627; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233; vom 16.08.2001 V R 67/00, UR 2002, 213; Urteil des FG Hamburg vom 20.09.2011 2 K 139/09, juris).
    Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Urteile vom 12.05.2011 V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541; vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233).
    Leistender kann dabei auch ein "Strohmann" sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (sog. "Strohmann") im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "Hintermann"), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des "Strohmannes" tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867).
    Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft (vgl. § 41 Abs. 2 AO) nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d. h. wenn die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene - ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. BFH-Urteil vom 17.02.2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769; BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).
    a) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass die Herren D, E und R sowie die F lediglich als Rechnungsschreiber bzw. Gutschriftenempfänger auftraten, aber nicht die tatsächlichen Leistungserbringer waren und aus dem Rechtsgeschäft keine Verpflichtungen übernehmen wollten, insbesondere die Leistungen nicht versteuern wollten.
    Im Einzelnen:
    Bezüglich Herrn D beruht diese Überzeugung auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa G (oben I. 3. a)).
    Hinsichtlich Herrn R beruht diese Überzeugung auf seinen eigenen glaubhaften Angaben (oben I. 4. d)aa)). Der Senat hat - in Kenntnis dessen, dass es sich insoweit um die Angaben eines Beschuldigten in einem Steuerstrafverfahren handelte, der naturgemäß ein Interesse daran hat, seinen eigenen Tatbeitrag als möglichst gering darzustellen - keine Zweifel an den Angaben von Herrn R. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spricht insbesondere, dass er kurz nach seiner steuerlichen Anmeldung im Juli 2009 (vgl. RbA Bd. I Bl. 68) gegenüber der GmbH in nur drei Monaten (November 2009 bis Januar 2010) über Lieferungen zu 760.307,29 € netto zzgl. 144.458,38 € USt abgerechnet hat und diese Zahlungen bar geflossen sein sollen (vgl. Mitteilung der Steufa Q vom 08.08.2011, RbA Bd. I Bl. 69).
    Hinsichtlich Herrn E beruht diese Überzeugung auf der Mitteilung des FA N vom 10.06.2010 (oben I. 3. b)). Für die Schlussfolgerung, dass Herr E nicht selbst die abgerechneten Lieferungen erbracht hat und er sich diese auch (steuerlich) nicht zurechnen lassen wollte, spricht insbesondere der Umstand, dass Herr E unmittelbar nach seiner steuerlichen Erfassung bei dem FA N gegenüber der GmbH in den Monaten November und Dezember 2009 über Lieferungen in einer Bruttogesamthöhe von 555.909,93 € abgerechnet hat und diese Rechnungsbeträge bis auf eine Überweisung über 115.103,94 € (RbA Bd. I Bl. 78) in bar abgewickelt worden sein sollen.
    Bezüglich der F beruht die Überzeugung zum einen auf der Feststellung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung (oben I. 3. c)). Zum anderen steht aufgrund der bereits durch das FG Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 aufgeführten offensichtlichen Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten (oben I. 5.) zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich insoweit um Kopien von gefälschten Dokumenten handelt. Die Verwendung von derartigen Dokumenten und Rechnungsvordrucken ist nur dann sinnvoll, wenn damit die tatsächliche Leistungserbringung durch einen anderen verschleiert werden soll.
    Weder der Antragsteller noch die GmbH im damaligen AdV-Verfahren haben die von der Umsatzsteuer-Sonderprüfung in den Prüfungsberichten vom 04.03.2011 bereits aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten widerlegen oder erklären können. Es sind keine ergänzenden Nachweise vorgelegt worden, dass die genannten Rechnungsaussteller tatsächlich die gegenüber der GmbH abgerechneten Leistungen erbracht haben.
    ß) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass für den Antragsteller hinreichende Anhaltspunkte für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten vorlagen, aufgrund derer er verpflichtet war, sich über die Person des tatsächlichen Leistungserbringers zu vergewissern.
    Zwar hat die GmbH im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung bezüglich aller streitigen Rechnungsausteller Unterlagen vorgelegt, insbesondere Gewerbeanmeldungen, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen u. ä., und vorgetragen, sie habe keinen Anlass gehabt, zu vermuten, dass die Rechnungsaussteller nicht die tatsächlichen Lieferanten seien oder ihre eigenen steuerlichen Pflichten nicht erfüllen würden.
    Im Hinblick auf die für die F vorgelegten gefälschten Unterlagen ergibt sich ohne weiteres, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH Anlass hatte, daran zu zweifeln, dass die F auch die tatsächliche Leistungserbringerin war. Der Senat ist davon überzeugt, dass für den Antragsteller auch ohne eingehende Prüfung ersichtlich war, dass es sich bei den Dokumenten um die Kopien von Fälschungen handelte.
    Auch bezüglich der Herren D, E und R ergibt sich aus den Feststellungen der Steuerfahndungsstellen Q und G bzw. des FA N, dass ein Anlass für den Antragsteller bestand, an der Lieferanteneigenschaft der Rechnungsaussteller zu zweifeln. Alle drei Personen traten unmittelbar nach der Aufnahme ihrer gewerblichen Tätigkeit gegenüber der GmbH als Lieferanten von sehr großen Mengen an Metall/Schrott gegen Barzahlung von fünf- und sechsstelligen €-Beträgen auf. Die Herren D und R hatten keine Kenntnisse vom Metallhandel und ebenso wie Herr E gar nicht die notwendige Anzahl von Fahrzeugen zur Anlieferung der berechneten Metalllieferungen. Dafür, dass sie entsprechende Subunternehmer beauftragt hätten, liegen keine Anhaltspunkte vor und wurden von dem Antragsteller auch keine vorgetragen.
    Hinsichtlich Herrn R ist der Senat darüber hinaus davon überzeugt, dass er als langjähriger Drogenabhängiger mit einem täglichen Heroinkonsum von 2,5 g gar nicht den Eindruck vermittelt haben kann, er könne die Lieferungen selbst ausführen.
    Hinzu kommt, dass Herr R und Herr D - wie der Antragsteller gegenüber dem Betriebsprüfer bestätigte (KlA Bl. 27) - stets in Begleitung bei der GmbH auftraten und sich Herr E durch seinen Generalbevollmächtigten vertreten ließ, so dass bereits aufgrund dieses Auftretens in Zweifel zu ziehen war, ob die Rechnungsaussteller auch die tatsächlich Leistenden waren.
    bbb) Darüber hinaus ist der Vorsteuerabzug auch deshalb zu versagen, weil der in den Rechnungen angegebene Sitz des jeweils leistenden Unternehmens bei der Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, Beschluss des FG Hamburg vom 23.09.2005 III 71/05, EFG 2006, 149). Vorliegend hatten schon die vermeintlichen Lieferanten keinen Geschäftssitz an den in den Rechnungen angegebenen Adressen (oben I. 3. a) - c), 4. d)aa)).
    Die Frage, ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass der in den Rechnungen angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat (so BFH-Urteil vom 06.12.2007, V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695; Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1111) oder ob durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 diesbezüglich die objektive Feststellungslast nunmehr beim FA liegt (so Beschluss des FG Münster vom 12.12.2013 5 V 1934/13 U; juris), kann dahingestellt bleiben, da der Antragsteller aufgrund der bereits festgestellten Gesamtumstände und Unregelmäßigkeiten verpflichtet war, sich über den Sitz des jeweils leistenden Unternehmens zu vergewissern.
    ccc) Bezüglich der VAZ November 2010 und März 2011 hat der Antragsteller seine Pflicht verletzt, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen der GmbH bei deren Fälligkeit am 23.12.2010 sowie am 13.09.2011 zu entrichten.
    dd) Der Antragsteller hat die Pflichtverletzungen auch verschuldet. Er hat zumindest grob fahrlässig gehandelt.
    Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rn. 26).
    aaa) Bezüglich der gezogenen Vorsteuer hätte sich der Antragsteller nicht einfach auf die Richtigkeit der Angaben bzgl. des leistenden Unternehmers und des angegebenen Geschäftssitzes verlassen dürfen. Aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände bestand für ihn die Obliegenheit, sich über die Richtigkeit der in einer Rechnung angegebenen Geschäftsdaten zu vergewissern. Gerade bezüglich der Einkäufe bei der F mit angeblichem Geschäftssitz in der Y-Straße in ... Hamburg wäre es aufgrund der räumlichen Nähe zu der angegebenen Anschrift und der hohen Anzahl der getätigten Ankäufe auch zumutbar gewesen, sich vor Ort von der Richtigkeit der angegebenen Adresse zu vergewissern. Hätte oder hat der Antragsteller dies getan, hätte oder hat er gesehen, dass die F dort nicht ihren Sitz hatte.
    bbb) Bezüglich der nicht entrichteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für November 2010 in Höhe von 5.933,51 € sowie März 2011 in Höhe von 0,01 € hätte der Antragsteller hinreichende Mittel zur Verfügung stellen müssen (oben 2. a)).
    ee) Auch die Inanspruchnahme des Antragstellers in der geltend gemachten Höhe ist rechtmäßig; insbesondere fehlt es nicht an der haftungsbegründenden Kausalität.
    Hinsichtlich des Umfangs der Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung nach § 69 AO gilt, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsbescheid geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität bestehen muss. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Vorschrift (BFH-Urteil vom 06.03.2003 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein und erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen.
    aaa) Bezüglich der ausgezahlten Vorsteuern für die streitgegenständlichen VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010 ergibt sich ein adäquater Kausalzusammenhang bereits daraus, dass bei einer zutreffenden Voranmeldung keine Auszahlung an die GmbH vorgenommen worden wäre (vgl. Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 111; Urteil des FG Brandenburg vom 04.04.2004 3 K 418/01, EFG 2005, 665). Durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen ist dem FA ein Schaden durch die Auszahlung der zu Unrecht angemeldeten Vorsteuern entstanden. Der Grundsatz der nur anteiligen Tilgungsverpflichtung greift insoweit nicht ein, weil es sich nicht um eine Zahlungsverpflichtung der GmbH, sondern um eine zu Unrecht an die GmbH ausgezahlte Steuervergütung handelt (BFH-Urteil vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97).
    bbb) Bezüglich der streitgegenständlichen VAZ August bis November 2009, November 2010 und März 2011 gilt, dass der Umfang der Haftung nach § 69 AO auf den Betrag beschränkt ist, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 01.08.2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel - d. h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen - zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).
    Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (BFH-Beschluss vom 16.02.2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).
    Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das Finanzamt vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO, vgl. BFH-Urteile vom 27.02.2007 VII R 60/05, BFH/NV 2007, 1731; vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).
    Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht (BFH-Urteil vom 23.08.1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570). Der Antragsteller hat aber auf die Haftungsanfrage des FA vom 26.01.2012 bislang keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum gemacht. Es ist daher im summarischen Verfahren nicht zu beanstanden, dass das FA, da es keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 100 % ausging, zumal der Antragsteller auch im gerichtlichen Verfahren hierzu nichts Substantielles vorgetragen hat. Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen. Ein Schätzungsfehler kann dem FA, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 26.10.2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777; BFH-Beschluss vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).
    ccc) Obige Ausführungen gelten gleichermaßen für die während der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der GmbH durch schuldhafte Pflichtverletzungen verwirkten Säumniszuschläge und festgesetzten Verspätungszuschläge (§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO).
    b) Neben der vorstehend bejahten Haftung als Geschäftsführer nach § 69 AO kommt es nicht mehr darauf an, dass der Haftungsbescheid auch wegen Steuerhinterziehung gemäß § 71 AO begründet ist, insbesondere weil der Antragsteller (ggf. bedingt) vorsätzlich Einkaufsrechnungen mit Lieferanten-Scheinsitzen in die Buchführung gab und so die unberechtigte Erklärung von Vorsteuerbeträgen veranlasste und nicht gerechtfertigte Steuervorteile für die GmbH erlangte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).
    c) Der Haftungsbescheid ist auch in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist insbesondere hinreichend begründet i. S. d. § 121 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach diesen Vorschriften hat der durch einen schriftlichen Verwaltungsakt Belastete Anspruch darauf, aus dem Verwaltungsakt die Gründe für seine Inanspruchnahme zu erfahren, es sei denn, dass ihm die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist. Die Verfahrensweise des FA hält sich im Rahmen dieser Anforderungen. Das FA hat in dem Haftungsbescheid einerseits das Bestehen der geltend gemachten Steueransprüche und die Geschäftsführerstellung des Antragstellers zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Ansprüche bzw. zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Falschabgabe der Voranmeldungen festgestellt. Bezüglich der dem Antragsteller vorgeworfenen Pflichtverletzung ist es in dem Haftungsbescheid auf die zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Mittelbereitstellung zur Entrichtung der fälligen Steuern durch den Antragsteller ausreichend ausführlich eingegangen, während es bezüglich der Pflichtverletzung durch die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Vorsteuerabzugsbeträgen pauschal auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung verwiesen hat.
    Grundsätzlich können zur Begründung auch in Bezug genommene Unterlagen wie etwa Prüfberichte herangezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 4729). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bezugnahme im Haftungsbescheid auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zur Begründung der Pflichtverletzung nicht ausreichend war, da diese Feststellungen vornehmlich die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG betrafen und eine Pflichtverletzung des Antragstellers nicht ausdrücklich thematisiert wurde, so wäre dieser Begründungsmangel durch die Einspruchsentscheidung geheilt worden. Indem das FA nämlich in der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs sowie unter Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 die bestehende Verpflichtung des Leistungsempfängers, die Rechnungsangaben zu überprüfen, dargestellt hat, hat es die diesbezügliche Pflichtverletzung des Antragstellers hinreichend bezeichnet und damit der ursprünglich gegebenen Begründungsmangel geheilt (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).
    Die Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 war insoweit zur Begründung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Antragsteller zulässig, da in dem Beschluss die Auffälligkeiten/Ungereimtheiten der Rechnungsangaben im Einzelnen aufgezeigt wurden. Das von dem Antragsteller zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 (11 K 2229/99 E, F, EFG 2000, 47) steht der Zulässigkeit der Bezugnahme zur Begründung nicht entgegen. Nach diesem Urteil ist eine Einspruchsentscheidung, deren Inhalt lediglich in einer Bezugnahme auf ein unklares Erläuterungsschreiben besteht, wegen fehlender Begründung rechtswidrig. Mit diesem Sachverhalt ist die Einspruchsentscheidung des Streitfalles, in der zur Begründung auf einen zwischen der GmbH und dem FA ergangenen finanzgerichtlichen AdV-Beschluss Bezug genommen worden ist, der die Steuerschulen betraf, für die der Antragsteller in Haftung genommen worden ist, nicht vergleichbar (vgl. BFH-Beschluss vom 18.05.2005 VIII B 56/04 BFH/NV 2005, 1811 zu der Bezugnahme auf ein zwischen denselben Beteiligten ergangenes finanzgerichtliches Urteil).
    Zumindest in der Einspruchsentscheidung hat das FA ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen seiner Auffassung nach der Antragsteller seine Pflicht als Geschäftsführer der GmbH grob fahrlässig verletzt habe und für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis hafte. Weitere Ausführungen sind aus formellen Gründen insoweit nicht erforderlich, denn der Geschäftsführer einer GmbH hat von Gesetzes wegen für die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten, insbesondere auch für die Entrichtung der Steuern einzustehen, § 35 AO.
    d) Die lediglich nach Maßgabe des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung des FA im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung über die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken. Unter den gegebenen Umständen des Falles hat das FA sein Entschließungs- und Auswahlermessen richtig betätigt. Eine Inanspruchnahme des Antragstellers als Geschäftsführer der GmbH war gerechtfertigt, da eine Realisierung der Steuerrückstände bei der GmbH nicht möglich war. Daneben hat das FA den zweiten möglichen Haftungsschuldner, den weiteren eingetragenen Geschäftsführer der GmbH, Herrn B, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Auf beide Aspekte hat das FA im Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ausdrücklich hingewiesen.
    e) Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte.
    Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Pflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 21.02.1990 II B 98/89, BFHE 160, 61, BStBl II 1990, 510; vom 01.08.1986 V B 79/84, BFH/NV 1988, 335).
    Härten, die nicht mit der Zahlung vor endgültiger Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des ihr zugrundeliegenden Steuer- oder Haftungsbescheides zusammenhängen, sondern die typischerweise mit der Vollziehung eines Bescheides als solcher verbunden sind, rechtfertigen die AdV nicht (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325; vom 19.04.1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538). Nur solche Nachteile macht der Antragsteller jedoch geltend.
    Im Übrigen rechtfertigt das Vorliegen einer Lohnpfändung für sich allein noch keine ordentliche Kündigung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts -BAG- vom 04.11.1981 7 AZR 264/79, BAGE 37, 64) und kann eine unbillige Härte grundsätzlich nicht allein in der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung liegen, bei der die gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften - auch vom Drittschuldner - beachtet werden (Beschluss des FG München vom 15.03.2012 14 V 471/12, juris).
    III.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
    Die Nichtzulassung der Beschwerde folgt aus § 128 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO, da Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich sind.

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