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Das geplante Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm im Lichte des Koalitionsvertrags vom April 2025
von StB Lukas Hendricks, Bonn
Mit dem Koalitionsvertrag vom 9.4.2025 hat die neue Bundesregierung ein steuerpolitisches Maßnahmenpaket angekündigt, das Investitionen erleichtern, die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit verbessern und das Wirtschaftswachstum anregen soll. Die erste konkrete Umsetzung erfolgt nun mit dem „Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm“, das am 26.6.2025 im Bundestag beschlossen wurde. Die Zustimmung des Bundesrats ist für den 11.7. vorgesehen. |
Ziel des Gesetzes ist laut Entwurf die kurzfristige Schaffung von Impulsen für Investitionen und Innovation. Bei näherer Betrachtung handelt es sich jedoch überwiegend um bekannte Instrumente mit befristeter Wirkung oder begrenztem Adressatenkreis. Die größte Überraschung birgt die überaus großzügig dimensionierte Sonderabschreibung für Elektroautos.
Im Folgenden werden die einzelnen Maßnahmen vorgestellt und unter Einbeziehung praktischer Beispiele kritisch beleuchtet.
Wiedereinführung der degressiven AfA ‒ Reaktivierung eines bekannten Instruments
Das Gesetz sieht vor, die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 7 Abs. 2 EStG) erneut zeitlich befristet zuzulassen ‒ konkret für Anschaffungen zwischen Juli 2025 und Ende 2027. Die AfA soll bis zu 30 % im ersten Jahr und maximal das dreifache der linearen AfA betragen.
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Ein Betrieb investiert im Herbst 2025 in eine neue Produktionsmaschine zum Preis von 100.000 EUR. Bei Inanspruchnahme der degressiven AfA mit einem Satz von 30 % kann er im ersten Jahr 30.000 EUR (zeitanteilig) abschreiben, gegenüber 10.000 EUR bei linearer AfA über zehn Jahre.
Einordnung: Die Maßnahme mag kurzfristige Investitionsentscheidungen begünstigen, doch ist sie strukturell limitiert: Sie wirkt vor allem bei ohnehin geplanten Investitionen und bevorzugt kapitalschwache Betriebe kaum. Zudem wurde das Instrument bereits während der Pandemie genutzt ‒ mit begrenztem längerfristigem Effekt auf die Investitionstätigkeit. |
Körperschaftsteuersenkung ‒ Langfristige Maßnahme mit spätem Wirkungsbeginn
Der Körperschaftsteuersatz wird ab dem Jahr 2028 schrittweise von derzeit 15 % auf 10 % bis 2032 abgesenkt werden (§ 23 Abs. 1 KStG). Die Reduktion erfolgt in jährlichen Schritten von einem Prozentpunkt.
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Ein mittelständisches Unternehmen mit einem zu versteuernden Einkommen von 1 Mio. EUR zahlt derzeit 150.000 EUR Körperschaftsteuer. Im Jahr 2032 wären es bei einem Satz von 10 % nur noch 100.000 EUR.
Einordnung: Die Maßnahme bietet langfristig durchaus Potenzial zur steuerlichen Standortverbesserung, ihr Nutzen für konjunkturelle Belebung in den Jahren 2025 bis 2027 ist jedoch faktisch null. Zudem bleibt offen, wie der Wegfall der Steuereinnahmen gegenfinanziert werden soll. |
Absenkung des Thesaurierungssteuersatzes ‒ Korrektur mit begrenzter Breitenwirkung
Für Einzel- und Mitunternehmer wird der Thesaurierungssteuersatz nach § 34a EStG korrespondierend zur Senkung der Körperschaftsteuer von derzeit 28,25 % bis 2032 auf 25 % abgesenkt werden ‒ ebenfalls in Stufen. Ziel ist die steuerliche Annäherung an Kapitalgesellschaften.
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Ein Einzelunternehmer mit einem nicht entnommenen Gewinn von 500.000 EUR zahlt ab 2032 rund 16.250 EUR weniger Steuer als nach aktueller Rechtslage.
Einordnung: Die Maßnahme wirkt grundsätzlich investitionsfreundlich, leidet aber an zwei altbekannten Problemen: Der Regelungskomplex des § 34a EStG bleibt trotz Steuersatzsenkung administrativ aufwendig und für viele kleine Betriebe unattraktiv. Hinzu kommt die latente Besteuerung bei späterer Entnahme, die die Liquiditätsvorteile teilweise wieder aufhebt und bis zur Entnahmebesteuerung oft wie ein Damoklesschwert über dem Betrieb schwebt. |
Neue Abschreibungsform für E-Fahrzeuge ‒ selektive Förderung mit kurzem Zeithorizont
Für ab dem 1.7.2025 angeschaffte rein elektrisch betriebene Fahrzeuge wird eine arithmetisch-degressive Abschreibung eingeführt werden (§ 7 Abs. 2a EstG i. V. m. § 9 Abs. 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz). Die Abschreibung erfolgt nach einem festen Schema: 75 % im Jahr der Anschaffung, danach abnehmende Raten über fünf Jahre. Eine zeitanteilige Kürzung der Abschreibung im Jahr der Anschaffung soll nicht erfolgen.
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Ein Unternehmer mit Steuersatz von 42 % erwirbt 2025 ein E-Fahrzeug für 60.000 EUR netto. Bereits im ersten Jahr können 45.000 EUR steuermindernd abgeschrieben werden. | |||||
Jahr | Abschreibungssatz | Abschreibung | Steuerersparnis | kumuliert | in % der AK |
2025 | 75 % | 45.000 EUR | 18.900 EUR | 18.900 EUR | 31,50 % |
2026 | 10 % | 6.000 EUR | 2.520 EUR | 21.420 EUR | 35,70 % |
2027 | 5 % | 3.000 EUR | 1.260 EUR | 22.680 EUR | 37,80 % |
2028 | 5 % | 3.000 EUR | 1.260 EUR | 23.940 EUR | 39,90 % |
2029 | 3 % | 1.800 EUR | 756 EUR | 24.696 EUR | 41,16 % |
2030 | 2 % | 1.200 EUR | 504 EUR | 25.200 EUR | 42,00 % |
Einordnung: Die Maßnahme könnte Unternehmen dazu bewegen, E-Mobilität verstärkt in ihre Flotten zu integrieren. Ihr Wirkungszeitraum ist jedoch kurz, und die Zielgruppe bleibt begrenzt. |
Anhebung der Bruttolistenpreisgrenze für Dienstwagen ‒ Anpassung mit Signalwirkung
Die Bruttolistenpreisgrenze für die begünstigte Besteuerung der privaten Nutzung von Elektrofahrzeugen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) soll von 70.000 EUR auf 100.000 EUR steigen.
Einordnung: Die Anhebung passt die Schwelle an realistische Marktpreise im gehobenen Segment an ‒ insbesondere im Hinblick auf Dienstwagen für Führungskräfte. Allerdings dürfte die Maßnahme in der Praxis nur eine vergleichsweise kleine Zielgruppe erreichen und stellt damit eher eine Lenkungsmaßnahme als eine breit angelegte Entlastung dar.
Ausweitung der Forschungszulage ‒ Schritt in die richtige Richtung mit begrenzter Tiefe
Die maximale Bemessungsgrundlage nach § 3 Abs. 5 FZulG wird auf 12 Mio. EUR erhöht. Außerdem sollen künftig pauschal 20 % an Gemeinkosten zusätzlich zu förderfähigen Projektaufwendungen berücksichtigt werden.
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Ein Unternehmen mit förderfähigen FuE-Aufwendungen von 4 Mio. EUR kann zusätzlich 800.000 EUR an Gemeinkosten geltend machen ‒ eine effektive Ausweitung der Bemessungsgrundlage.
Einordnung: Die Reform der Forschungszulage geht in die richtige Richtung. Die Ausweitung auf Gemeinkosten kann den Verwaltungsaufwand reduzieren und insbesondere größeren Unternehmen zugutekommen. Für kleinere Betriebe bleiben Hürden wie Antragstellung und Nachweisführung jedoch bestehen ‒ eine breite Wirksamkeit ist nicht selbstverständlich. |
Verfahren und politischer Kontext ‒ beschleunigte Umsetzung, begrenzte Perspektive
Auffällig ist die gewählte Gesetzgebungstechnik: Neben dem Regierungsentwurf wurde ein gleichlautender Entwurf durch die Koalitionsfraktionen eingebracht, was eine schnellere Beratung im Bundestag erlaubt. Die damit einhergehende Parallelbefassung im Bundesrat soll das Verfahren zusätzlich beschleunigen.
Einordnung: Zwar spricht die Geschwindigkeit der Umsetzung für politischen Handlungswillen, sie darf jedoch nicht über die begrenzte Reichweite des Maßnahmenpakets hinwegtäuschen. Die Kombination aus befristeten Regelungen, selektiven Anreizen und gestaffelten Entlastungen vermag kurzfristige Wachstumsimpulse nur begrenzt zu generieren.
Die Bundesregierung selbst bezeichnet das Gesetz als „ersten Schritt“ ‒ tatsächlich erscheint es eher als begrenzter Versuch, steuerpolitische Bewegung zu signalisieren, ohne dabei tiefgreifende Strukturreformen anzustoßen.
FAZIT | Das Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm enthält verschiedene Einzelmaßnahmen, die teilweise sinnvoll, teilweise aber auch nur symbolischer Natur sind. Eine durchgreifende steuerpolitische Weichenstellung ist damit nicht verbunden. Die angestrebte Breitenwirkung dürfte begrenzt bleiben ‒ vor allem, weil zentrale Probleme wie Steuervereinfachung, Rechtsformneutralität oder Investitionshürden im Mittelstand nicht adressiert werden. Ob weitere Gesetzesinitiativen folgen und diese Defizite beheben können, bleibt abzuwarten. |
Zahlreiche weitere Pläne aus dem Koalitionsvertrag wie die Anhebung der Entfernungspauschale auf 0,38 EUR / km ab dem ersten Kilometer sowie die geplante Senkung der Umsatzsteuer auf Restaurationsleistungen ab dem 1.1.2026 sind in dem Gesetz noch nicht enthalten und werden in einem weiteren Steuergesetz erwartet.