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  • · Fachbeitrag · §§ 62 ff. EStG

    Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Kindergeld bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

    Für die Frage, ob Kindergeld behalten werden darf oder zurückzuzahlen ist, kommt es auf das Vorliegen von Kindergeldfestsetzungs- oder Aufhebungsbescheiden an und nicht auf den abstrakten materiell-rechtlichen Kindergeldanspruch.

     

    Sachverhalt

    Die Anspruchsberechtigte hat ihren Wohnsitz im Inland. Sie ist schwedische Staatsangehörige und Mutter der in ihrem Haushalt lebenden Kinder. Sie hat das alleinige Sorgerecht für die Kinder. Der von der Anspruchsberechtigten geschiedene Kindesvater lebt in Schweden und übt dort seit Januar 2017 eine Erwerbstätigkeit aus. Die Anspruchsberechtigte ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

     

    Die Familienkasse zahlte für die Kinder zunächst laufend Kindergeld. Nachdem die Familienkasse Kenntnis davon erlangte, dass der Kindesvater erwerbstätig ist, hob sie die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar bis Juli 2017 teilweise auf. Sie führte aus, deutsches Kindergeld sei gegenüber den schwedischen Leistungen nachrangig. Für den genannten Zeitraum bestehe nur noch ein Anspruch in Höhe des Unterschiedsbetrages. Zugleich forderte sie den bereits überzahlten Betrag von der Anspruchsberechtigten zurück.

     

    Entscheidung

    Ist eine Steuervergütung wie das Kindergeld ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Diese Rechtsfolge tritt auch ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt.

     

    Im Streitfall war das Kindergeld für den Streitzeitraum ohne Rechtsgrund gezahlt worden. Die Anspruchsberechtigte ist Leistungsempfängerin des zu Unrecht gezahlten Kindergeldes. Leistungsempfänger ist derjenige, demgegenüber die Finanzbehörde oder Familienkasse ihre ‒ vermeintlich oder tatsächlich bestehende ‒ abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will.

     

    § 37 Abs. 2 Satz 1 AO räumt der Behörde auch keinen Ermessensspielraum ein. Da es sich bei dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch um einen Anspruch aus dem Steuerrechtsverhältnis handelt, richtet sich seine Entstehung nach § 38 AO. Hiernach entsteht der Anspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Familienkasse war daher nicht gehalten, bei der Entscheidung über den Erlass des angegriffenen Bescheids zu prüfen, ob die Rückforderung ermessenskonform war.

     

    Der schwedische Leistungsträger war im Streitfall wegen dieses gegen die Anspruchsberechtigte gerichteten Rückforderungsanspruch auch nicht Gesamtschuldner (§ 44 AO) mit der Folge, dass bei der Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners es grundsätzlich in das Ermessen der Behörde nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO gestellt ist, an wen sie sich wendet. Der Familienkasse steht für das rechtsgrundlos gezahlte Kindergeld in Höhe des vermeintlich bestehenden Anspruchs auf schwedische Familienleistungen daher auch kein weiterer (Haftungs-)Schuldner zur Verfügung, der eine ermessensgerechte Auswahlentscheidung unter den Schuldnern nach sich ziehen könnte.

     

    § 37 Abs. 2 AO setzt kein Verschulden aufseiten des Leistungsempfängers voraus. Der Rückzahlungsanspruch besteht vielmehr auch dann, wenn den Leistungsempfänger an der Fehlleistung kein Verschulden trifft oder wenn er diese nicht einmal erkannt hat.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 47622707