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  • · Fachbeitrag · §§ 62 ff. EStG

    Ausschlussfrist bei Wanderarbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten der EU

    Stellt ein Wanderarbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen für einen Kindergeldanspruch im Inland erfüllt, seinen Antrag auf Kindergeld bei der inländischen Familienkasse erst nach Ablauf der in § 66 Abs. 3 EStG a. F. vorgesehenen sechsmonatigen Ausschlussfrist, kann die Ausschlussfrist auch durch einen nach dem Prinzip der europaweiten Antragsgleichstellung zu berücksichtigenden, im Ausland gestellten Antrag gewahrt werden. Eine Antragsgleichstellung erfolgt jedoch nicht, wenn der Antrag im Wohnmitgliedstaat zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem noch kein Auslandsbezug vorlag.

     

    Sachverhalt

    Streitig war die Festsetzung von Differenzkindergeld für den Streitzeitraum August 2018 bis Oktober 2018. Der Antragsteller ist rumänischer Staatsangehöriger und Vater der Kinder V, F und I. Seine Ehefrau, die Mutter der Kinder, erhielt im Streitzeitraum je Kind rumänische Kindergeldleistungen. Die Ehefrau und die Kinder lebten in Rumänien.

     

    Der Antragsteller war vom 7.8.2018 bis zum 20.12.2018 in der Bundesrepublik Deutschland nichtselbstständig beschäftigt. Am 22.5.2019 stellte er bei der Familienkasse einen Antrag auf Kindergeld für alle drei Kinder. Die Familienkasse lehnte die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum von August bis Oktober 2018 ab, weil die Festsetzung für einen längeren Zeitraum als die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen sei, gemäß § 66 Abs. 3 EStG i. d. F. des StUmgBG vom 23.6.2017 (BGBl I 2017, 1682, EStG a. F.) ausgeschlossen sei.

     

    Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Antragsteller Einspruch ein und bestritt die Verfassungsmäßigkeit der angewandten Vorschrift. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Antragsteller Klage. Während des Klageverfahrens stellte die Familienkasse zwei Anfragen an den rumänischen Leistungsträger. Die rumänische Verbindungsstelle teilte mit, dass die Kindsmutter in Rumänien einer Erwerbstätigkeit nachgehe, die in Rumänien gestellten Anträge auf Familienleistungen für das Kind V im März 2010 und das Kind I im April 2016 erfolgt seien und dass man keine Informationen über die grenzüberschreitende Situation der Familie erhalten habe.

     

    Entscheidung

    Nach erfolglosem Klageverfahren wies auch der BFH die Revision als unbegründet zurück.

     

    Gemäß § 66 Abs. 3 EStG a. F. wird das Kindergeld nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag (vgl. § 67 EStG) auf Kindergeld eingegangen ist. Diese Vorschrift beschränkt die rückwirkende Festsetzung von Kindergeld, da sie dem Festsetzungsverfahren und nicht dem Erhebungsverfahren zuzuordnen ist.

     

    § 66 Abs. 3 EStG a. F. ist am 1.1.2018 in Kraft getreten (Art. 11 Abs. 2 StUmgBG) und gemäß § 52 Abs. 49a Satz 7 EStG i. d. F. des Art. 7 Nr. 6 Buchst. c StUmgBG und Art. 9 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch auf Anträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2017 und vor dem 18.7.2019 eingehen.

     

    Die Regelung war damit im Streitfall anwendbar, da der Antrag des Antragstellers erst am 22.5.2019 bei der Familienkasse eingegangen ist. Insoweit wahrt dieser Antrag die Sechsmonatsfrist des § 66 Abs. 3 EStG a. F. für den Streitzeitraum (August 2018 bis Oktober 2018) nicht.

     

    Der BFH stellte zudem fest, dass

    • ein die Frist nach § 66 Abs. 3 EStG a. F. wahrender Antrag auch nicht über das europäische Recht zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vorlag, welches ein umfassendes Prinzip der europaweiten Antragsgleichstellung vorsieht,
    • § 66 Abs. 3 EStG a. F. i. V. m. § 67 EStG, der die Festsetzung von Differenzkindergeld im Streitzeitraum ausschließt, auch nicht gegen EU-Recht verstößt; denn der BFH erachtet die Unionsrechtslage angesichts der vorliegenden EuGH-Rechtsprechung für eindeutig, sodass keine Vorlagepflicht an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht,
    • § 66 Abs. 3 EStG a. F. i. V. m. § 67 EStG auch nicht verfassungswidrig ist.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 50252768