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  • · Fachbeitrag · § 5 EStG

    Keine passiven Rechnungsabgrenzungsposten für Einnahmen aus virtueller Währung in Online-Spielen

    Ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten (pRAP) nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG ist für Einnahmen aus dem Verkauf virtueller Währung und digitaler Spielinhalte nicht zu bilden, wenn dem Erwerb keine zeitlich bestimmte, zeitraumbezogene Verpflichtung zur Leistung gegenübersteht.

     

    Sachverhalt

    Streitig war die Bildung von pRAP in Zusammenhang mit Onlinerollenspielen und virtuellen Währungen. Das FG entschied, dass ein Abgrenzungsposten für virtuelle Währungen, Extra Services und Game Codes nicht zu bilden ist, weil die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht erfüllt sind.

     

    Entscheidung

    Als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite sind gem. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG Einnahmen vor dem Abschlussstichtag nur anzusetzen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Mithin betreffen aktive und passive Abgrenzungsposten gegenseitige Verträge, bei denen Leistung und Gegenleistung ihrer Natur nach zeitbezogen sind, dabei aber zeitlich auseinanderfallen. Ertrag entsteht, wenn der Zahlungsempfänger die Gegenleistung für die Einnahme erbracht hat. Die Entstehung richtet sich folglich nach dem Realisationsprinzip.

     

    Eine passive Rechnungsabgrenzung kann nicht für Einnahmen gebildet werden, die bestimmte im abgelaufenen Wirtschaftsjahr empfangene Gegenleistungen betreffen, denn die Vorleistungen müssen sich auf die Gegenleistungen beziehen, die erst nach dem Abschlussstichtag erbracht werden. Es muss also seitens des Kaufmanns eine Verpflichtung zu einer nach dem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) zu erbringenden Gegenleistung bestehen.

     

    Das Merkmal „Aufwand für eine bestimmte Zeit“ ist grundsätzlich in dem Sinne zu verstehen, dass einer Vorleistung eine noch nicht erbrachte zeitraumbezogene Gegenleistung gegenübersteht. Ob der Vorleistung eine Gegenleistung gegenübersteht, ist nicht ausschließlich zivilrechtlich zu beurteilen. Vielmehr ist der zivilrechtliche Sachverhalt einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu unterziehen. Im Hinblick auf eine bereits vollzogene Leistung kann allerdings ein Rechnungsabgrenzungsposten nicht gebildet werden.

     

    Bei Schuldverhältnissen, die zeitraumbezogene Leistungsverpflichtungen begründen, ist wegen der Gewinnrealisierung zu unterscheiden, ob die Dauerhaftigkeit der Leistung selbst anhaftet oder nur den zeitlichen Rahmen für einzelne Leistungen bildet. Im letztgenannten Fall (z. B. bei Sukzessivlieferverträgen und Wiederkehrschuldverhältnissen) tritt die Realisierung schon bei Erfüllung jeder einzelnen Leistung ein. Schuldverhältnisse, bei denen die geschuldete Leistung selbst zeitraumbezogen ist, führen demgegenüber zu einer zeitanteiligen Gewinnrealisierung, wenn für den gesamten Zeitraum eine qualitativ gleichbleibende Dauerverpflichtung besteht.

     

    Weiter muss wegen der für eine Rechnungsabgrenzung nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG erforderlichen zeitlichen Zuordenbarkeit des Entgelts die noch ausstehende Gegenleistung zeitbezogen oder periodisch aufteilbar sein. Ist der Zeitraum unbekannt, über den hinweg die geschuldete Leistung erbracht werden muss, steht nicht fest, in welchem Umfang die erhaltene Einnahme zu Ertrag geworden ist. Um einen willkürlichen Gewinnausweis durch nicht nachprüfbare Annahmen zu vermeiden, setzt das Gesetz deshalb voraus, dass die bereits vergütete Leistung für einen bestimmten Zeitraum geschuldet wird, d. h. der Zeitraum muss hinreichend bestimmt festgelegt sein. Ein kalendermäßig festgelegter oder berechenbarer Zeitraum ist ein Zeitmaßstab, der nicht von vornherein Zweifel über den Beginn und das Ende des Zeitraums aufkommen lässt. Eine bestimmte Zeit kann aber auch eine immerwährende Zeit sein, wenn der Steuerpflichtige eine zeitlich nicht begrenzte Dauerleistung zu erbringen hat.

     

    Nicht ausreichend sind individuelle Schätzungen der Dauer der Gegenleistung, sofern die Schätzung nicht aufgrund allgemeingültiger Maßstäbe erfolgt ist. Der angewandte Maßstab darf nicht auf einer Gestaltungsentscheidung des Steuerpflichtigen beruhen, die geändert werden könnte.

     

    Eine Passivierung erhaltener Anzahlungen auf Bestellungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 264a Abs. 1, § 266 Abs. 3 Abschn. C Nr. 3 HGB ist dort vorzunehmen, wo Vorleistungen auf eine zu erbringende Lieferung oder Leistung erfolgen. Als Leistung kommt hierbei auch eine Dienstleistung in Betracht. Eine Vorleistung ist dann nicht mehr anzunehmen, wenn der Anspruch, auf den geleistet wird, rechtlich bereits entstanden ist.

     

    Um das Kriterium der bestimmten Zeit in § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG und den Willen des Gesetzgebers nicht auszuhebeln, ist eine sonstige Verbindlichkeit für erhaltene Anzahlungen nicht zu bilden, sofern eine Vorleistung für eine unbestimmte Zeit erfolgt.

     

    Im Streitfall waren nach Auffassung des FG mit dem Erwerb virtueller Währung/Extra Services/Game Codes gegen ein gesetzliches Zahlungsmittel Leistung und Gegenleistung erbracht. Ginge man von einer noch ausstehenden Gegenleistung durch den Tausch von virtueller Währung in Premium Time oder Erwerb von exklusiven Produkten im spielinternen Shop aus, so läge eine zeitraumbezogene, aber zeitlich unbestimmte Gegenleistung vor. Für diese kann keine erhaltene Anzahlung passiviert werden, um das Kriterium der bestimmten Zeit nicht überflüssig zu machen und auszuhebeln.

     

    Auch eine Berücksichtigung als Rückstellung für einen Erfüllungsrückstand kam im Streitfall nicht in Betracht. Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Das handelsrechtliche Passivierungsgebot für Rückstellungen von Verbindlichkeiten gehört zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach ‒ deren Höhe zudem ungewiss sein kann ‒ sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Als weitere Voraussetzung muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen.

     

    Der Höhe nach sind Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen wie für einen Erfüllungsrückstand nach § 5 Abs. 6, § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG mit den Einzelkosten und den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten, sofern die handelsrechtliche Bewertung nicht zu einem niedrigeren Wert führt. Handelsrechtlicher Bewertungsmaßstab ist nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendige Erfüllungsbetrag.

     

    Da die Steuerpflichtige nicht beziffern konnte, wie hoch der Erfüllungsaufwand für die Einlösung der virtuellen Währung, Game Codes und Extra Services in die gewünschten Vorteile und Fähigkeiten ist, war eine Rückstellung bzw. ein Ansatz im Rahmen einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen nicht möglich.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 50533061