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  • · Fachbeitrag · § 46 EStG

    Keine Amtsveranlagung zur Durchsetzung einer Lohnsteuernachforderung

    Beim Beziehen von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit ist das FA nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 EStG zur Durchführung einer Veranlagung berechtigt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, darf das FA auch dann keinen Einkommensteuerbescheid erlassen, wenn der Lohnsteuerabzug fehlerhaft vorgenommen wurde. So lautet ein aktuelles Urteil des FG Niedersachsen.

     

    Sachverhalt

    Streitig war u. a. die Frage, ob das FA zum Erlass der angefochtenen Bescheide befugt war. Der Steuerpflichtige war Angestellter eines Sicherheitsdienstes für Spielhallen. Damit er bei der Durchführung seiner Überwachungsmaßnahmen nicht auffiel, stellte ihm sein Arbeitgeber Testgelder bzw. „Spielgelder“ zur Verfügung, die er an den Spielautomaten einsetzen konnte.

     

    Im Rahmen einer bei dem Arbeitgeber durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesen Testgeldern nicht um nach § 3 Nr. 50 EStG steuerbefreiten Auslagenersatz handele, weil der Steuerpflichtige keine Aufzeichnungen über die in den einzelnen Spielstätten eingesetzten Beträge geführt habe. Entsprechend sei der Bruttoarbeitslohn des Steuerpflichtigen zu erhöhen.

     

    Nachdem die Veranlagungsstelle des FA durch eine Kontrollmitteilung von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, forderte es den Steuerpflichtigen zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre auf. Der damalige steuerliche Berater verweigerte dies unter Hinweis darauf, dass für 2013 und 2014 eine Veranlagung gemäß § 46 EStG nicht durchgeführt werden dürfe. Gleichwohl erließ das FA erstmals Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre.

     

    Entscheidung

    Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt. Im Grundsatz werden Steuerpflichtige gemäß § 25 Abs. 1 EStG nach Ablauf des Kalenderjahres zur Einkommensteuer veranlagt. Die gesetzliche Regelung steht aber ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass nicht ‒ ausnahmsweise ‒ eine Veranlagung nach § 46 EStG unterbleibt.

     

    Gemäß dem Einleitungssatz des § 46 Abs. 2 EStG wird eine Veranlagung zur Einkommensteuer nur unter weiteren Voraussetzungen durchgeführt, wenn das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit besteht, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist. Eine Veranlagung ist konkret nur dann möglich, wenn entweder die Voraussetzungen einer sog. Amtsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG oder diejenigen einer Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG vorliegen.

     

    Hinsichtlich der Frage, ob ein Steuerabzug von den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit vorgenommen worden ist, kommt es dabei nur darauf an, ob tatsächlich ein Lohnsteuerabzug vorgenommen wurde, nicht hingegen, ob die Lohnsteuer in der richtigen Höhe erhoben wurde. Sofern Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit dem Grunde nach vorliegen, scheidet die Anwendung des § 46 Abs. 2 EStG darum insbesondere dann aus, wenn ein Steuerabzug insgesamt unterblieben ist.

     

    Für den Streitfall folgte hieraus, dass der Steuerpflichtige nicht zur Einkommensteuer zu veranlagen war. Denn er erzielte ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen dem Grunde nach ein Steuerabzug vorgenommen worden ist. Auch wenn die materiell-rechtliche Auffassung des FA zuträfe und die in Streit stehenden Zahlungen als Arbeitslohn zu behandeln wären, von denen kein Steuerabzug vorgenommen worden ist, würde dies nichts an der Anwendung des § 46 Abs. 2 EStG ändern. Auch die Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen für die Streitjahre ändert hieran nichts.

     

    Gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 AO ist zur Abgabe einer Steuererklärung (jedenfalls) verpflichtet, wer hierzu von der Finanzbehörde aufgefordert wird. Eine solche Aufforderung war im Streitfall ohne Weiteres möglich, allein, um dem FA die Möglichkeit zur Nachprüfung, ob ein Fall der Amtsveranlagung vorliegt, einzuräumen. Gleichwohl folgt hieraus nach Auffassung des FG nichts für die Frage, ob der Steuerpflichtige zur Einkommensteuer veranlagt werden darf.

     

    Denn es ist zwischen der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung einerseits und der Möglichkeit, eine Veranlagung durchzuführen andererseits, zu unterscheiden. Aus der bloßen Pflicht, eine Steuererklärung abzugeben, folgt nicht, dass diese auch im Wege der Veranlagung in einen Bescheid umzusetzen ist.

     

    Zwar ist gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AO das FA ggf. verpflichtet, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn eine Steuererklärung nicht abgegeben wird. Dabei hat es jedoch gleichwohl die rechtlich gezogenen Grenzen zur Frage, ob eine Veranlagung durchgeführt werden darf, zu beachten. Das FA hätte daher im Streitfall im Wege der Lohnsteuernachforderung gegen den Steuerpflichtigen vorgehen können. Eine Umdeutung der Einkommensteuerbescheide in Lohnsteuernachforderungsbescheide kommt nicht in Betracht.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 48723880

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