· Fachbeitrag · § 11 EStG
Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer: Zufluss von Tantiemen bei verspäteter Feststellung des Jahresabschlusses
| Eine verspätete Feststellung des Jahresabschlusses führt auch im Falle eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht per se zu einer Vorverlegung des Zuflusses einer Tantieme auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung des Jahresabschlusses eingetreten wäre. | Sachverhalt
Im Streitfall war die Tantieme vereinbarungsgemäß einen Monat nach der „Genehmigung des Jahresabschlusses“ fällig. Der Jahresabschluss für 2008 war allerdings entgegen der Frist des § 42a Abs. 2 S. 1 GmbHG (spätestens 30.11. des Folgejahrs) erst im Dezember 2009 festgestellt worden, sodass die Fälligkeit erst im Januar 2010 eintrat. Die GmbH hatte die Tantieme zwar im Jahr 2008 passiviert, aber bei Fälligkeit nicht ausgezahlt. FA und FG behandelten den Sachverhalt so, als sei der Jahresabschluss rechtzeitig festgestellt worden. Sie fingierten eine Fälligkeit im Jahr 2009 mit der Folge eines entsprechenden Zuflusses beim beherrschenden GGf. Mangels Vereinbarung wurde der Verlust des Folgejahrs bei der Höhe der Tantieme nicht berücksichtigt.
Entscheidung
Tantiemen gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Ihre Besteuerung setzt allerdings voraus, dass sie als sonstiger Bezug dem Arbeitnehmer auch zugeflossen sind.
Der Zufluss tritt mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Das ist in der Regel der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs. In der Regel fließen Geldbeträge dadurch zu, dass sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.
Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer kann dagegen ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift bereits früher vorliegen. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen „seine“ Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist. Allerdings werden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben. Fällig wird der Anspruch auf Tantiemen erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbaren.
Im Streitfall war der Steuerpflichtige jeweils beherrschender Gesellschafter sowohl bei der A-GmbH als auch bei der B-GmbH. Die Feststellung der Jahresabschlüsse der A-GmbH und der B-GmbH zum 31.12.2008 erfolgten nach § 46 Nr. 1 GmbHG unter Passivierung der Tantiemen „im Dezember 2009“. Die Geschäftsführer-Anstellungsverträge ließen eine Fälligkeit der Tantiemen jeweils einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung eintreten.
Diese vom Grundfall abweichende Fälligkeitsvereinbarung ist zivilrechtlich wirksam und damit auch im Steuerrecht beachtlich. Zudem waren die Vereinbarungen bezüglich der Fälligkeit der Tantiemen nach den Grundsätzen über die verdeckte Gewinnausschüttung fremdüblich.
Die Vereinbarungen zwischen dem Steuerpflichtigen und „seinen“ GmbHs waren arbeitsrechtlich und nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst. Im Streitfall hätte sich auch ein fremder Geschäftsführer bei sonst gleichen Umständen auf die konkreten Tantiemevereinbarungen eingelassen. Denn üblicherweise benötigt die Gesellschaft bei höheren Tantiemen (wie auch im Streitfall) Zeit, um die Liquidität für die Auszahlung herzustellen. Ein Monat ist dafür keine unangemessen lange Zeitspanne. Im Streitfall waren die Tantiemen mithin nicht im Streitjahr fällig.
Auch die nach § 42a Abs. 2 GmbHG verspätete Feststellung der Jahresabschlüsse zum 31.12.2008 führte nicht zu einem Zufluss der Tantiemen im Streitjahr. Denn die Bilanzfeststellung ist ein Vorgang, aus dem sich im Innenverhältnis auch rechtliche Konsequenzen für die Ansprüche zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern im Sinne eines ‒ zivilrechtlich verbindlichen ‒ Schuldanerkenntnisses ergeben können. Die Gesellschafter der GmbH bezwecken mit der ihnen ‒ in der Form der korporativen Beschlussfassung ‒ obliegenden Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 42a Abs. 2, 46 Nr. 1 GmbHG) regelmäßig, zumindest die Rechtsgrundlage für das Folgejahr zu fixieren und ihre Ansprüche und Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft zum Bilanzstichtag festzulegen.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund kam im Streitfall eine Vorverlegung der Fälligkeit und damit des Zuflusses i. S. d. §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a Abs. 1 Satz 3 EStG auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung eingetreten wäre (fiktive Fälligkeit), nicht in Betracht. Denn erst die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung als des hierzu berufenen Gesellschaftsorgans führte zu seiner Verbindlichkeit.
Auch eine Fiktion des Zuflusses auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses kam im Streitfall nicht in Betracht. Denn enthält die Satzung eine bindende Regelung über eine spätere Fälligkeit, ist es gerechtfertigt, hierauf abzustellen. Dem entsprach es im Streitfall, die im Geschäftsführervertrag vertraglich wirksam vereinbarte Fälligkeit gelten zu lassen und den Zufluss nicht auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses vorzuverlegen.
Fundstelle
- BFH 28.4.20, VI R 44/17, iww.de/astw, Abruf-Nr. 217587