· Fachbeitrag · § 20 EStG
Berücksichtigung eines Verlusts aus dem Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen
| Auf Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 1.1.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung (EStG a. F.), aber nicht Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i. d. F. des UntStRefG 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) nicht anzuwenden. Das hat der BFH aktuell entschieden. |
Sachverhalt
Streitig war, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Verlust aus dem Verzicht auf eine Darlehensforderung zu berücksichtigen ist.
Der Steuerpflichtige war im Streitjahr 2011 am Stammkapital der C GmbH in Höhe von 250.000 EUR mit einer Stammeinlage von 75.000 EUR (mithin zu 30 %) beteiligt. Zugleich war er einer von zwei alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern der C GmbH.
Am 28.8.2003 schloss die C GmbH, vertreten durch den Steuerpflichtigen, mit der B Bank einen Darlehensvertrag über 300.000 EUR (jährliche Tilgung 30.000 EUR, Zinssatz 4 % p. a.) ab. Als Sicherheit dienten neben Bürgschaften zweier weiterer Gesellschafter der C GmbH über jeweils 37.500 EUR die Verpfändung eines Festgeldkontos des Steuerpflichtigen über 150.000 EUR sowie Grundschulden des Steuerpflichtigen über 332.339,73 EUR.
Unter dem 15.1.2007 stellte der Steuerpflichtige der C GmbH ein Darlehen in Höhe von 244.708,83 EUR zur Verfügung, das der Ablösung des Darlehens mit der B Bank diente. In einer „Vereinbarung zum Gesellschafterdarlehen“ vom gleichen Tag heißt es dazu: „Der Darlehensgeber setzt den Gesellschafterbeschluss vom 19.12.2006 zur vereinbarten Gründungsfinanzierung der Firma um und schließt mit der C GmbH als Darlehensnehmerin einen Darlehensvertrag gleichlautend wie mit den übrigen Gesellschaftern ab. Da die Darlehensnehmerin keinen Kredit von Nichtgesellschaftern zu marktüblichen Konditionen erhält, wird der Darlehensgeber sein Darlehen nicht abziehen, ein Kündigungsrecht besteht somit nicht. Er verzichtet auch auf sein außerordentliches Kündigungsrecht.“
Mit einer vom 31.12.2007 datierenden schriftlichen Erklärung trat der Steuer-
pflichtige mit seinen Forderungen aus dem Gesellschafterdarlehen zur Vermeidung einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der C GmbH im Rang hinter allen Ansprüchen aller anderen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger ‒ außer anderen Rangrücktrittsgläubigern ‒ zurück.
Die durch den Steuerpflichtigen sowie durch die weiteren Gesellschafter zur Verfügung gestellten Darlehensbeträge sind in der Buchführung der C GmbH stets als sonstige Verbindlichkeiten behandelt worden. Mit Gesellschafterbeschluss vom 30.9.2011 verzichteten der Steuerpflichtige sowie alle weiteren Gesellschafter auf die der C GmbH ausgereichten Darlehen. Unter dem 23.12.2011 veräußerte der Steuerpflichtige seinen Gesellschaftsanteil zum Preis von 30.000 EUR.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 machte der Steuerpflichtige einen Verlust aus der Veräußerung seiner Beteiligung an der C GmbH in Höhe von 178.205,38 EUR ‒ der Summe aus dem anteiligen, zu 60 % berücksichtigten Verlust des Stammkapitals zuzüglich des anteiligen, zu 60 % berücksichtigten Verlusts des Gesellschafterdarlehens geltend. Das FA berücksichtigte hingegen im (letzten) Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr lediglich 27.000 EUR ‒ und mithin 60 % des Verlustes aus der Veräußerung des Stammkapitals des Steuerpflichtigen ‒ als Veräußerungsverlust im Rahmen des § 17 EStG.
Im Streitfall keine Veräußerung von Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG
Nach der durch Art. 1 Nr. 16 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG) vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) neu eingeführten Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach § 52 Abs. 28 Satz 15 EStG n. F. ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i. d. F. des UntStRefG 2008 erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden. Für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 1.1.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung (EStG a. F.), aber nicht Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a .F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i. d. F. des UntStRefG 2008 nicht anzuwenden (§ 52 Abs. 28 Satz 16 EStG n. F).
Soweit die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG Vorgänge, die den Begriff der Veräußerung nicht erfüllen (Einlösung, Rückzahlung, Abtretung, verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft, Vereinnahmung eines Auseinandersetzungsguthabens), fiktiv einer Veräußerung gleichstellt, ergänzt und vervollständigt diese die in § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG aufgezählten Verstrickungstatbestände. Dadurch wollte der Gesetzgeber eine weitgehend vollständige steuerliche Erfassung aller Wertzuwächse bei Kapitalanlagen erreichen. Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist mithin nur auf Sachverhalte anwendbar, für die der Anwendungsbereich der durch das UntStRefG 2008 neu eingeführten Veräußerungstatbestände in § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG eröffnet ist.
Nach der Rechtsprechung des BFH führt ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster, unbedingter Verzicht eines Gesellschafters auf eine ihm gegen eine Kapitalgesellschaft zustehende Darlehensforderung dem Grunde nach zu einer Einlage i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Darüber hinaus behandelt die Rechtsprechung den endgültigen Ausfall einer Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre nach Einführung der Abgeltungsteuer als steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG.
Im Streitfall konnte der BFH offenlassen, ob vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines Verlusts aufgrund des Verzichts des Steuerpflichtigen auf seine Darlehensforderung gegen die C GmbH gegeben sind; denn im Streitfall war die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG schon nicht auf das vom Steuerpflichtigen hingegebene Gesellschafterdarlehen anwendbar. Das im Jahr 2007 begründete, rückzahlbare und festverzinsliche Darlehen des Steuerpflichtigen erfüllte zwar die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr.7 EStG a. F., stellt aber keine Finanzinnovation i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F. dar. Der Umstand, dass das Darlehen vom Steuerpflichtigen über den 01.01.2009 hinaus gewährt und mithin in einem weiter verstandenen Sinne „stehen gelassen“ wurde, bewirkt bereits begrifflich keinen Erwerb der Darlehensforderung nach dem 31.12.2008.
Auch keine Verlustberücksichtigung nach § 17 EStG
Die bis zum Urteil des BFH vom 11.7.2017 (X R 36/15, BStBl II 19, 208) anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.9.2017 geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war und er keinen Antrag auf Anwendung der Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG i. V. m. § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG i. d. F. des Gesetzes zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) gestellt hat.
Im Streitfall kam daher auch keine Berücksichtigung des Verlusts aus dem Verzicht des Steuerpflichtigen auf sein Gesellschafterdarlehen bei den Einkünften i. S. d. § 17 EStG dem Grunde nach in Betracht.
Das FG hatte den Umstand, dass mit dem Darlehen des Steuerpflichtigen vom Januar 2007 ein im Jahre 2003 von der C GmbH aufgenommenes Bankdarlehen, für das der Steuerpflichtige Sicherheiten gestellt hatte, abgelöst worden ist, dahin zutreffend interpretiert, dass das klägerische Gesellschafterdarlehen sich als Fortführung des ursprünglichen Bankdarlehens darstellt. Auch die Würdigung des FG, dass die bloße Gestellung von Sicherheiten durch den Steuerpflichtigen für das von der C GmbH aufgenommene Bankdarlehen noch nicht zu einer krisenbestimmten Sicherheit i. S. d. Eigenkapitalersatzrechts mache, war angesichts des Umstands, dass die C GmbH das Bankdarlehen stets als Fremdverbindlichkeit bilanziert hat, rechtsfehlerfrei.
Letztlich war auch die Würdigung des FG, das vom Steuerpflichtigen gewährte Darlehen sei auch nicht als ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen anzusehen, nicht zu beanstanden; denn das durch das Gesellschafterdarlehen abgelöste Bankdarlehen wurde von der C GmbH bis zur Ablösung vertragsgemäß bedient, sodass eine Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen aus den hingegebenen Sicherheiten zu keinem Zeitpunkt drohte. In einem solchen Fall ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG im Rahmen der Sachverhaltswürdigung zu dem Schluss gekommen ist, dass auch im Zeitpunkt der Ablösung (noch) nicht von einer Krise der Gesellschaft auszugehen war.
Fundstelle
- BFH 14.1.20, IX R 9/18, iww.de/astw, Abruf-Nr. 216754