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  • 09.12.2014 · IWW-Abrufnummer 173527

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 09.10.2014 – 5 Sa 87/14


    In dem Rechtsstreit
    pp.
    hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 19.06.2014 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin
    für Recht erkannt:

    Tenor:
    1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 22.01.2014, Az. 1 Ca 587/13, wird zurückgewiesen.


    2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.


    3. Die Revision wird zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten um die Gutschrift von auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers in Abzug gebrachten Arbeitsstunden.



    Der 57-jährige Kläger ist bei der Beklagten als Heilpädagoge beschäftigt.



    Die Firma A. Finanz- und Personalkontor GmbH erledigt für die Beklagte als Dienstleisterin die Buchhaltung, hierzu zählt u. a. auch die Führung der Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter. Sie buchte im Jahr 2012 für folgende Feiertage die vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden doppelt in dessen Arbeitszeitkonto ein:

    06.04.2012 (Karfreitag) 7,5 Stunden 09.04.2012 (Ostermontag) 7,0 Stunden 01.05.2012 (Maifeiertag) 7,5 Stunden 17.05.2012 (Pfingstmontag) 7,5 Stunden 03.10.2012 (Tag d. dt. Einheit) 8,0 Stunden 37,5 Stunden



    Diesen Fehler bemerkte sie im Dezember 2012 und teilte sodann im Auftrag der Beklagten dem Kläger mit Schreiben vom 11.12.2012 Folgendes mit (Bl. 4 d. A.):

    "...bei einer Überprüfung der Stundenkonten ist uns aufgefallen, dass sich bei der Berechnung der Feiertagsstunden ein Fehler eingeschlichen hatte. Dieser Fehler hatte zur Folge, dass die Stunden, die Sie an einem Feiertag gearbeitet haben, Ihrem Stundenkonto zweimal gutgeschrieben wurden....Wir haben den Fehler innerhalb der aktuellen Laufzeit Ihres primären Arbeitszeitkontos, die zum 31.03.2013 endet, korrigiert und konnten eine Rückrechnung vornehmen. Dadurch hat sich Ihr Stundenkonto entsprechend verändert. Vor der Rückrechnung betrug Ihr VSP-Saldo am 31.10.2012 41,68 Stunden, und nach der Korrektur 4,18 Stunden. Wir bedauern unseren Fehler und entschuldigen uns dafür...."



    Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 16.01.2013 und berief sich darauf, dass seiner Meinung nach die Ansprüche auf Korrektur verfallen gewesen seien (Bl. 5 d. A.).



    Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag D. vom 12.12.2006 Anwendung (im Folgenden "MTV", Auszug Bl. 9 ff. d. A.). Dieser hat u. a. folgenden Inhalt:

    "§ 11 Allgemeine Arbeitszeitgestaltung1. Der Arbeitgeber führt für den Arbeitnehmer für diesen verbindlich ein primäres und auf Antrag des Arbeitnehmers ein sekundäres Arbeitszeitkonto. ...2. Die Laufzeit des primären Arbeitszeitkontos beginnt am 1. April eines jeden Jahres und endet am 31. März des Folgejahres. Innerhalb der Laufzeit wird die gemäß § 10 Ziffern 1-3 für die Laufzeit ermittelte individuelle Arbeitszeit (Jahresarbeitszeit) abgearbeitet.3. Die vom Arbeitnehmer zu leistende Jahres-Soll-Arbeitszeit wird im Rahmen der regulären Dienstplangestaltung abgearbeitet. ...4. Das primäre Arbeitszeitkonto soll am Ende der Laufzeit ausgeglichen sein. Ist dies nicht der Fall, ist der positive oder negative Saldo (Negativsaldo bis maximal 20 Stunden) auf das primäre Arbeitszeitkonto des Folgezeitraums zu übertragen. Alternativ ist auf Wunsch des Arbeitnehmers ein positiver Saldo auszuzahlen oder auf das sekundäre Arbeitszeitkonto zu übertragen.6. Der Arbeitgeber kann vorbehaltlich der Regelungen in § 12 auf das primäre Arbeitszeitkonto im Rahmen der Dienstplangestaltung Zugriff nehmen. Ist die Anwesenheit des Arbeitnehmers stundenweise nicht erforderlich, besteht eine Ankündigungsfrist von einem Tag, § 10 Ziffer 4 findet Anwendung. Ist die Anwesenheit des Arbeitnehmers tageweise nicht erforderlich, beträgt die Ankündigungsfrist drei Tage. Ist die Anwesenheit des Arbeitnehmers wochenweise nicht erforderlich, beträgt die Ankündigungsfrist eine Woche.7. Ein Zugriff des Arbeitnehmers auf das primäre Arbeitszeitkonto ist nur möglich, wenn dies die betrieblichen Erfordernisse zulassen. Ein Zugriff kann nur dann erfolgen, wenn zum Entnahmezeitpunkt das Arbeitszeitkonto über den regelmäßigen Abbau hinaus bereits abgebaut wurde und der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers verbraucht ist. Der geplante Jahresurlaub ist hiervon ausgenommen.Die Ankündigungsfrist beträgt zwei Wochen. Die Entnahme von Einzeltagen ist kurzfristig mit dem Fachbereich abzustimmen....§ 34 AusschlussfristenAnsprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Monaten nach Fälligkeit vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus."



    Infolge der Einführung des EDV-Systems Ases zur Unterstützung des Managements von Arbeit und Zeit zum 01.01.2012 schlossen die Betriebsparteien am 19.12.2011 eine Betriebsvereinbarung zum Zeitmanagementsystem Ases (im Folgenden: BV-Ases), die - soweit hier von Belang - folgenden Inhalt hat (Bl. 49 ff. d. A.):

    " ...§ 9 Statistiken und AuswertungenDie verdichtete Auswertung von Krankheitsbedingter Abwesenheitsdaten erfolgt innerhalb von Ases ausschließlich anonym, sodass keine Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiter möglich sind.Eine verdichtete Auswertung von Kernzeitverletzungen (zu spätes Kommen, zu frühes Gehen) werden nicht Mitarbeiterbezogen vorgenommen.Über geleistete Arbeitsstunden sind monatliche Auswertungen mit Saldenbildung vorzunehmen.Mitarbeiterinnen ohne PC-Arbeitsplatz sind durch Ausdrucke ihrer gebuchten Zeiten und ihrer Arbeitskonten am Anfang des Folgemonats zu informieren."



    Mit seiner am 16.05.2013 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sich der Kläger zunächst gegen den vollzogenen Abzug von 37,5 Stunden von seinem Arbeitszeitkonto zur Wehr gesetzt und eine entsprechende Gutschrift begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, dass etwaige Korrekturansprüche der Beklagten wegen der versehentlichen Doppelbuchung der Feiertagsarbeitsstunden - mit Ausnahme derjenigen vom 03.10.2012 - verfallen seien.



    Der Kläger hat beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum 01.04.2012 bis 31.03.2013 29,5 Stunden gutzuschreiben.



    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass Korrekturen innerhalb der Laufzeit des primären Arbeitszeitkontos sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Arbeitnehmers jederzeit möglich seien, denn gemäß § 3 Ziff. 4 MTV solle das Arbeitszeitkonto erst zum Ende der Laufzeit, d. h. zum 31.03. des Folgejahres, ausgeglichen sein. Erst ab diesem Zeitpunkt beginne die Ausschlussfrist zu laufen. Ihr Anspruch auf Korrektur des Arbeitszeitkontos, d. h. der Abzug der zu viel gebuchten Arbeitsstunden, sei mithin noch nicht verfallen.



    Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.01.2014 der Klage stattgegeben. Der Arbeitnehmer habe gemäß § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. dem MTV und der BV-Ases einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos. Ebenso wie der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Korrektur eines fehlerhaften Arbeitszeitkontos habe, stehe dem Arbeitgeber im Falle der versehentlichen Doppelbuchung ein Korrekturanspruch zu. Vorliegend sei indessen zum Zeitpunkt der Rückbuchung der doppelt gebuchten Arbeitsstunden der Korrekturanspruch der Beklagten bereits gemäß § 34 MTV verfallen gewesen. Dies ergebe sich spiegelbildlich aus dem Verfall der entsprechenden Ansprüche des Arbeitnehmers. Der Korrekturanspruch des Arbeitnehmers sei fällig mit Ablauf des jeweiligen Monats, in dem ein Stundenguthaben in das Konto eingestellt worden sei. Nach der BV-Ases erhalte der Arbeitnehmer am Ende des Monats einen Ausdruck und könne somit zeitnah feststellen, ob das Arbeitszeitkonto korrekt geführt worden sei. Die tarifliche Ausschlussfrist auf Korrektur beginne in diesem Zeitpunkt zu laufen. Dem Sinn und Zweck der Ausschlussfristen würde es zuwiderlaufen, wenn sie erst mit Ablauf des Ausgleichszeitraums (31.03. des Folgejahres) zu laufen begönnen. Beginne die Ausschlussfrist für den Arbeitnehmer mit der Feststellung des Saldos, so müsse dies auch für den Lauf der Frist für Korrekturansprüche des Arbeitgebers gelten.



    Gegen das ihr am 18.02.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.03.2014 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 11.04.2014 begründet.



    Die Beklagte trägt vor,



    die tarifliche Ausschlussfrist erfasse nur Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Die Korrektur des Arbeitszeitkontos setze indessen keinen Korrekturanspruch voraus. Dies ergebe sich nicht aus § 11 MTV. Während der Laufzeit des Arbeitszeitkontos habe der Arbeitnehmer keinerlei Ansprüche aus dem Arbeitszeitkonto. Vielmehr regele § 11 Ziff. 2 MTV lediglich, dass innerhalb der Laufzeit die Jahresarbeitszeit nach § 10 Ziff. 1 - 3 MTV abgearbeitet werde. Allein die Eintragung einer Zeitgutschrift begründe keine rechtlich geschützte Position des Arbeitnehmers. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der BV-Ases. Der monatlichen Mitteilung des Stundensaldos nach § 9 BV-Ases komme keine Anerkenntniswirkung zu, sondern sie erweise sich als schlichte Information über einen bestimmten Zwischenstand. Diese schlichte Information über einen Zwischensaldo vermittle dem Arbeitnehmer noch keine schützenswerte Position auf Beibehaltung dieses Saldos. Vielmehr könne ein Fehler durch rein tatsächliches Handeln korrigiert werden. Ein Arbeitnehmer habe nur dann einen Anspruch auf Korrektur eines Arbeitszeitkontos, wenn das Arbeitszeitkonto nach der zugrundeliegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimme. Dies sei vorliegend indessen nicht der Fall. Nach § 11 Ziff. 1 MTV handele es sich bei dem Arbeitszeitkonto vielmehr um eine reine Arbeitsunterlage, an der sich die Abarbeitung der Jahresarbeitszeit orientiere. Erst am 31.03. des Folgejahres erstarke der Saldo zu einer rechtlichen Position, die den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers verbindlich ausweise. Mithin könne auch der Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt die Korrektur angeblicher Fehler ohne Bindung an eine Ausschlussfrist geltend machen. Da die Ausschlussfrist für beiderseitige Korrekturansprüche mit Ablauf der Laufzeit beginne, könne die mit der Ausschlussfrist erstrebte Befriedungswirkung auch erreicht werden.



    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 22.01.2014, Az. 1 Ca 587/13, abzuändern und die Klage abzuweisen.



    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Der Kläger verteidigt



    das angefochtene Urteil. Mit der Übersendung des monatlichen Ausdrucks über den Stand des Arbeitszeitkontos gemäß § 9 BV Ases habe die Beklagte den Saldenstand des Vormonats verbindlich festgelegt und damit auch eine verbindliche Bestimmung des Vergütungsanspruchs getroffen. Ab diesem Zeitpunkt sei ein etwaiger Korrekturanspruch des Arbeitszeitkontos fällig, sodass ab diesem Zeitpunkt auch die tarifliche Ausschlussfrist zu laufen beginne. Dies ergebe sich letztlich aus der BV-Ases. Dem stehe nicht entgegen, dass in § 11 MTV als Laufzeit für das Arbeitszeitkonto ein Zeitrahmen vom 01.04. eines Jahres bis zum 31.03. des Folgejahres festgelegt sei. Die Laufzeit eines Arbeitszeitkontos sage nichts darüber aus, wann der monatliche Saldo fällig sei.



    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 19.06.2014 verwiesen.



    Entscheidungsgründe



    Die Berufung ist zulässig. Sie ist aufgrund der Zulassung im angefochtenen Urteil an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. a; 66 Abs. 1 ArbGG; §§ 519, 520 ZPO.



    In der Sache selbst hat die Berufung indessen keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.



    Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Wiedereinstellung von 29,5 Arbeitsstunden auf seinem Arbeitszeitkonto. Der entsprechende Korrekturanspruch der Beklagten war im Dezember 2012 bereits verfallen.



    I. Der Klagantrag ist zulässig.



    1. Eine Leistungsklage, einem Arbeitszeitkonto Stunden "gutzuschreiben", ist hinreichend bestimmt i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können und die vom Kläger geforderte Leistungshandlung sich zumindest seinem Sachvortrag entnehmen lässt (BAG, Urteil vom 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10 -, Rn 20, m. w. Rspr.-Nachw., [...]). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Unstreitig führt die Beklagte für den Kläger ein Arbeitszeitkonto über dessen Stand der Kläger durch Übersendung monatlicher Saldenmitteilungen informiert wird. Dem Tatsachenvortrag des Klägers ist eindeutig zu entnehmen, dass sein im Arbeitszeitkonto im sogenannten VSP-Saldo ausgewiesenes Stundenguthaben um 29,5 Stunden erhöht werden soll. Damit ist der Antrag hinreichend bestimmt. Dies sieht die Beklagte ebenso.



    2. Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, dass die Laufzeit des Arbeitszeitkontos 2012/2013 zwischenzeitlich am 31.03.2013 abgelaufen ist. Der Antrag auf Gutschrift von Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto ist vorliegend nicht auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Denn nach § 11 Ziff. 4 Satz 1 MTV schreibt sich ein positiver Saldo auf dem Arbeitszeitkonto fort. Der positive oder negative Saldo wird nach dieser Tarifnorm auf das primäre Arbeitszeitkonto des Folgejahres übertragen.



    II. Die Klage ist auch begründet.



    1. Der Kläger hat Anspruch auf Rückgängigmachung der durch die Beklagte am 11.12.2012 veranlassten Korrektur seines Arbeitszeitkontos. Die Beklagte hat zu Unrecht die unstreitig tarifwidrig doppelt ins Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden an den Feiertagen Karfreitag (06.04.2012: 7,5 Std.), Ostermontag (09.04.2012: 7,0 Std.), Maifeiertag (01.05.2012: 7,5 Std.) und Pfingstmontag (17.05.2012: 7,5 Std.) im Dezember 2012 vom Saldo des Arbeitszeitkonto abgezogen. Der unstreitig aufgrund der fehlerhaften Doppelbuchung entstandene Korrekturanspruch der Beklagten (a.) war im Dezember 2012 verfallen (b.).



    a) Die Beklagte hatte infolge tarifwidrig doppelt gebuchter Feiertagsarbeitsstunden grundsätzlich einen entsprechenden Korrekturanspruch, die doppelt verbuchten Arbeitsstunden vom Saldo des Arbeitszeitkontos des Klägers wieder abzuziehen.



    aa) Aus § 611 Abs. 1 BGB kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos haben. Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt aber voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestands auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen (BAG, Urt. v. 17.11.2011 - 5 AZR 681/09 -, Rn. 17, m. w. Rspr.-Nachw., [...]). Gleiches gilt für den Fall, dass im Arbeitszeitkonto von der individuell vorgegebenen Jahresarbeitszeit des Arbeitnehmers jeweils die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten monatlich abgebaut werden. Sofern der Arbeitnehmer über die tariflich vorgesehene Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat, entsteht ein Positivsaldo, in dessen Höhe dem Arbeitnehmer ein entsprechender Freistellungs- bzw. Vergütungsanspruch zusteht, der noch nicht mit der regulären Monatsvergütung erfüllt wurde. Der Arbeitnehmer hat mithin einen Anspruch darauf, dass sämtliche von ihm geleisteten Arbeitsstunden korrekt in sein Arbeitszeitkonto eingestellt werden.



    Ebenso wie der Arbeitnehmer hat aber auch der Arbeitgeber einen Anspruch darauf, dass entsprechend den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden des Arbeitnehmers sowie den tariflichen Vorgaben dessen Arbeitszeitkonto korrekt geführt wird. Das Arbeitszeitkonto spiegelt nicht nur wider, inwieweit noch etwaige offene Vergütungsansprüche für tatsächlich erbrachte Arbeitsstunden des Arbeitnehmers offen sind (positiver Saldo), sondern auch die etwaig noch offenen Ansprüche des Arbeitgebers auf Arbeitsleistung für die bereits temporär gezahlten Löhne (negativer Saldo).



    bb) Hieran gemessen hatte die Beklagte einen Anspruch auf Korrektur des Arbeitszeitkontos des Klägers. Unstreitig hatte die Beklagte bzw. die von ihr beauftragte A.er Finanz- und Personalkontor GmbH die an den besagten fünf Feiertagen vom Kläger tatsächlich geleisteten 37,5 Stunden versehentlich auf dessen Arbeitskonto doppelt verbucht. Durch diesen Eingabefehler hatte sie dem Kläger ohne Rechtsgrund 37,5 Arbeitsstunden gutgeschrieben. Das Arbeitszeitkonto spiegelte mithin nicht die vom Kläger für den jeweils gezahlten Lohn tatsächlich erbrachte Gegenleistung wider, sondern wies 37,5 Arbeitsstunden aus, für die der Kläger tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht hatte. Hieraus ist ein Korrekturanspruch der Beklagten erwachsen.



    b) Bezogen auf die Korrektur der für die vier Feiertage im April und Mai 2012 zu viel gebuchten 29,5 Stunden war der Korrekturanspruch der Beklagten indessen gemäß § 34 MTV verfallen.



    Nach dieser Vorschrift verfallen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Monaten nach Fälligkeit vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Die Ausschlussfrist gilt nur für die wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Bei der strittigen Korrektur des Arbeitszeitkontos handelt es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis (aa.). Der Korrekturanspruch ist jeweils fällig spätestens mit der Übersendung bzw. der Bekanntmachung des monatlichen Ausdrucks über die gebuchten Arbeitszeiten und des Saldenstands des Arbeitszeitkontos an die Arbeitnehmer (bb.).



    aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Korrektur des Arbeitszeitkontos jedenfalls dann, wenn der monatliche Saldo desselben bereits gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmer bekannt gemacht worden ist, nicht lediglich um einen tatsächlichen Realakt, sondern um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Ebenso wie der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung seines Arbeitszeitkontos hat, hat auch der Arbeitgeber einen Anspruch auf Korrektur des Arbeitszeitkontos, wenn die dort erfassten Arbeitszeiten nicht mit den tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten übereinstimmen. Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob es sich bei der erstmaligen Einstellung der Arbeitszeiten in das Arbeitszeitkonto um einen Realakt des Arbeitgebers handelt, der nicht in Korrelation zu einem entsprechenden Anspruch des Arbeitnehmers steht. Nach Auffassung der Kammer stellt der Arbeitgeber indessen bereits die geleisteten Arbeitszeiten in Erfüllung eines entsprechenden Anspruchs des Arbeitnehmers in das Arbeitszeitkonto ein. Dies ergibt sich aus § 11 Ziff. 1 MTV. Hiernach führt der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein verbindliches primäres Arbeitszeitkonto. Der Arbeitgeber ist mithin tarifvertraglich verpflichtet, die vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden in dessen Arbeitszeitkonto aufzunehmen und somit den kontinuierlichen Abbau der geschuldeten Jahresarbeitsleistung verbindlich gegenüber dem Arbeitnehmer zu dokumentieren. Gemäß § 9 Abs. 3 und 4 BV-Ases hat der Arbeitgeber über die geleisteten Arbeitsstunden monatliche Auswertungen mit Saldenbildung vorzunehmen und dem Arbeitnehmer bekanntzumachen. Da das Arbeitszeitkonto nach § 11 Ziff. 2 MTV eine Laufzeit vom 01.04. bis zum 31.03. des Folgejahres hat und erst am Ende der Laufzeit etwaige wechselseitige Ausgleichsansprüche durch Übertragung von Plus- und Negativstunden ins Arbeitszeitkonto des Folgejahres bzw. Auszahlung der Plusstunden entstehen, stellt die monatliche Mitteilung des jeweiligen Saldenstandes kein Anerkenntnis der dort eingestellten Arbeitsstunden dar. Der Arbeitgeber legt indessen die im Arbeitszeitkonto erfassten Arbeitsstunden mit der Übermittlung des Ausdrucks bzw. Freigabe am PC gegenüber dem Arbeitnehmer "verbindlich" i. S. v. § 11 Ziff. 1 MTV i. V. m. § 9 Abs. 4 BV-Ases fest. Insoweit irrt die Beklagte, dass es sich bei dem Arbeitszeitkonto lediglich um eine unverbindliche "Arbeitsunterlage" handelt, aus der erst am Ende der Laufzeit rechtlich schützenswerte Ansprüche der Parteien entstünden. Der Korrekturanspruch betrifft nicht die wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus § 11 Ziff. 4 MTV, sondern die Verpflichtung der Beklagten zur Führung eines "verbindlichen" Arbeitszeitkontos gemäß § 11 Ziff. 1 MTV. Die Beklagte verkennt zudem, dass sie das Arbeitszeitkonto nicht als interne Arbeitsunterlage führt, sondern "für den Arbeitnehmer". Der Arbeitnehmer hat bereits während der Laufzeit von § 11 Ziff. 2 MTV Anspruch darauf, dass sein Arbeitszeitkonto korrekt geführt wird. Will der Arbeitgeber sodann den im Arbeitszeitkonto ausgewiesenen und dem Arbeitnehmer mitgeteilten Saldostand aufgrund eines Eingabefehlers berichtigen, bedarf es eines entsprechenden Korrekturanspruchs. Der Korrekturanspruch des Arbeitgebers wegen fehlerhaft eingestellter Arbeitsstunden entspricht dem Anspruch des Arbeitnehmers auf entsprechende Gutschrift fehlerhaft nicht eingestellter Arbeitsstunden.



    Gegen die Annahme der Beklagten, dass es sich während der Laufzeit nach § 11 Ziff. 2 MTV des Arbeitszeitkontos um eine unverbindliche, interne Arbeitsunterlage handele, aus der der Arbeitnehmer noch keine Ansprüche herleiten könnte, spricht auch § 11 Ziff. 7 MTV. Danach hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Zugriff auf das primäre Arbeitszeitkonto, wenn dieses im Entnahmezeitpunkt einen positiven Saldo aufweist, der Urlaubsanspruch verbraucht ist und betriebliche Erfordernisse nicht entgegenstehen.



    Gegen die Annahme eines Korrekturanspruchs spricht auch nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.01.2011 - 5 AZR 819/09 - (Rn. 20, [...]). Das Gegenteil ist der Fall. Denn in diesem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht eindeutig festgestellt, dass die Belastung eines Arbeitszeitkontos mit Minusstunden voraussetzt, dass der Arbeitgeber diese Stunden im Rahmen einer verstetigten Vergütung bereits entlohnt hat und der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist, weil er die in Minusstunden ausgedrückte Arbeitszeit vorschussweise vergütet erhalten hat (Rn. 13, [...]). Anders formuliert muss der Arbeitgeber einen Korrekturanspruch haben, um das Arbeitszeitkonto mit Minusstunden zu belasten. Dies ist dann der Fall, wenn er Arbeitsstunden in das Arbeitszeitkonto verbucht hat, die der Arbeitnehmer tatsächlich nicht geleistet hat, die aber mit der verstetigten monatlichen Vergütung bereits vergütet worden sind.



    bb) Die viermonatige Geltendmachungsfrist und damit der Verfall der Ansprüche ist gemäß § 34 MTV abhängig von der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs.



    (1) Vorliegend ist der Anspruch der Beklagten auf Korrektur des von ihr für den Kläger geführten Arbeitszeitkontos spätestens fällig mit der Bekanntgabe des Monatssaldos gegenüber dem Kläger. Dies ergibt sich aus § 9 Abs. 4 BV-Ases. Nach dieser betriebsverfassungsrechtlichen Norm hat der Arbeitgeber die Mitarbeiter ohne PC-Arbeitsplatz durch Ausdrucke ihrer gebuchten Zeiten und ihrer Arbeitszeitkonten am Anfang des Folgemonats zu informieren. Zu Beginn des jeweiligen Folgemonats hat mithin der Arbeitgeber die bis dato vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsstunden und den sich daraus ergebenden Stundensaldo "verbindlich" i. S. v. § 11 Ziff. 1 MTV festzulegen. Dementsprechend ist der Korrekturanspruch der Beklagten spätestens ab diesem Zeitpunkt fällig.



    (2) Hierfür spricht auch der Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Tarifliche Ausschlussfristen verfolgen den Zweck, nach der Fälligkeit arbeitsvertraglicher Ansprüche schnellstmöglich Klarheit über die Rechtsbeziehungen zwischen den Arbeitsvertragsbeziehungen zu schaffen und die wechselseitigen Forderungen rasch abzuwickeln. Die tariflichen Ausschlussfristen dienen damit der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (Kempen/Zachert/Brecht-Heitzmann, TVG, 5. Aufl., Rn. 616 zu § 4 mit w. Rspr.- und Lit.-Nachw.). Damit werden zugleich Beweisschwierigkeiten vermieden, die sich durch Zeitablauf ergeben können (Schaub/Treber, Arbeitsrechts-Handbuch, 15. Aufl., Rn. 9 zu § 209). Würde der wechselseitige Korrekturanspruch der Parteien erst mit Ablauf der Laufzeit des Arbeitszeitkontos am 31.03. des Folgejahres fällig werden, wie die Beklagte meint, würde der Sinn und Zweck der viermonatigen Ausschlussfrist geradezu konterkariert werden. Nach Ablauf eines Jahres ist es naturgemäß für beide Seiten oftmals nicht mehr möglich, die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten des Arbeitnehmers nachzuweisen. Auch an dieser Stelle verkennt die Beklagte wiederum, dass es vorliegend nicht um Ansprüche auf Übertragung etwaiger Plus- oder Minusstunden auf das Arbeitskonto des Folgejahres nach § 11 Ziff. 4 Satz 1 MTV oder Vergütungsansprüche des Klägers nach § 11 Ziff. 4 Satz 2 MTV geht, sondern um den Anspruch des Arbeitnehmers auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos bzw. den damit korrespondierenden Anspruch der Arbeitgeberin auf Korrektur des "verbindlich" von ihr zu führenden Arbeitszeitkontos.



    (3) Der vorliegende Fall ist auch nicht vergleichbar mit der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 05.09.2002 - 9 AZR 244/01 - (Rn. 63, [...]) zugrunde lag. In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht im Leitsatz 4 ausgeführt, dass Ausgleichsansprüche wegen zu Unrecht nicht berücksichtigter Urlaubsstunden im Sinne eines Tarifvertrags jedenfalls erst dann mit Ende des Ausgleichszeitraumes fällig werden, wenn im Tarifvertrag eine zweistufige Ausschlussfrist bestimmt ist, deren Lauf mit der "Fälligkeit" eines Anspruchs beginnt. Im vorliegenden Fall geht es indessen nicht um Ausgleichsansprüche, sondern um den Anspruch auf korrekte Führung des laufenden Arbeitszeitkontos. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Verfahren enthielt die maßgebliche Betriebsvereinbarung nur die Verpflichtung zur Führung eines Arbeitszeitkontos. Die Verbindlichkeit desselben für den Arbeitnehmer war nicht vorgeschrieben. Auch ergibt sich aus dem dortigen Tatbestand nicht, dass dem Arbeitnehmer der jeweilige Saldo des Arbeitszeitkontos mitzuteilen war.



    (4) Die Korrektur der für April 2012 erfassten Arbeitsstunden war mithin fällig Anfang Mai 2012 und die Korrektur derjenigen für Mai 2012 Anfang Juni 2012. Als die Beklagte die unstreitig erst im Dezember 2012 vorgenommene Korrektur der doppelt verbuchten 29,5 Arbeitsstunden für die vier Feiertage im April und Mai 2012 veranlasste bzw. vornahm, waren die entsprechenden Korrekturansprüche wegen Ablaufs der viermonatigen Verfallfrist indessen bereits nach § 34 MTV erloschen.



    III. Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.



    Die Berufungskammer hat die Revision wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

    Verkündet am 09.10.2014

    Vorschriften§ 3 Ziff. 4 MTV, § 611 Abs. 1 BGB, § 34 MTV, § 11 MTV, § 11 Ziff. 2 MTV, § 10 Ziff. 1 - 3 MTV, § 11 Ziff. 1 MTV, §§ 64 Abs. 2 lit. a, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 11 Ziff. 4 Satz 1 MTV, § 11 Ziff. 4 MTV, § 11 Ziff. 7 MTV, § 11 Ziff. 4 Satz 2 MTV, § 97 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 72 Abs. 2 ArbGG