26.08.2011 · IWW-Abrufnummer 168331
Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 28.01.2011 – 3 Sa 960/10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 01. April 2010 - 1 Ca 130/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen der Zahlung von Beträgen hat, welche sie zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil geleistet hat. Die Beklagte war in der Zeit von 7. Februar 1995 bis zum 31. Dezember 2007 bei der Klägerin bei einem Bruttomonatsgehalt von 4.018,11 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der TVöD Anwendung. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten mit Schreiben vom 25. April 2007 zum 31. Dezember 2007. Ferner kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit weiterem Schreiben vom 28. Juni 2007 außerordentlich und hilfsweise fristgerecht zum 31. Dezember 2007. Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht Kassel - 5 Ca 193/07 -Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen erhoben. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 26. September 2007 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 25. April 2007 noch durch die Kündigung vom 28. Juni 2007 beendet worden ist. In einem weiteren Prozess hat die Beklagte für den Zeitraum von Juli 2007 bis April 2008 Annahmeverzugsansprüche gegenüber der Klägerin vor dem Arbeitsgericht Kassel - 3/4 Ca 213/07 - geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15. Mai 2008 der Klage für den Zeitraum von Juli 2007 bis April 2008 stattgegeben. Nach Zustellung der abgekürzten vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils des Arbeitsgerichts Kassel vom 15. Mai 2008 forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 23. Juni 2008 zur Zahlung der Annahmeverzugsansprüche zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung auf. Daraufhin zahlte die Klägerin an die Beklagte für Juli 2007 bis April 2008 jeweils 4.018,11 EUR brutto monatlich unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte zumindest in den Monaten Januar bis April 2008 teilweise Arbeitslosengeld bezogen hat. Die Zahlung erfolgte, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 1. Juli 2008 (Bl. 36 d.A.) klarstellte, unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Die Klägerin hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel in dem Kündigungsrechtsstreit 5 Ca 193/07 Berufung zum Hessischen Landesarbeitsgericht eingelegt. Mit Urteil vom 31. Oktober 2008 - 3 Sa 1637/07 - hat das Hessische Landesarbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auf Grund der Kündigung der Klägerin vom 28. Juni 2007 mit Ablauf des 31. Dezember 2007 geendet habe. Im Übrigen ist die Kündigungsschutzklage abgewiesen worden. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Beklagte hat Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG eingelegt. Die Klägerin forderte die Beklagte erfolglos mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 (Bl. 37 d.A.) zur R ückzahlung der geleisteten Vergütung für die Monate Januar bis April 2008 in Höhe von 16.072,44 EUR auf. Die Beklagte hat auch Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel 3/4 Ca 213/07 betreffend die Lohnzahlungsklage eingelegt. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 19. Juni 2009 - 3 Sa 1006/08 - festgestellt, dass der Beklagten ein Anspruch auf Vergütungszahlung lediglich für den Zeitraum bis 31. Dezember 2007 zustehe. Die Klage im Hinblick auf die Vergütungszahlungen für die Monate Januar bis April 2008 ist abgewiesen worden. Dieses Urteil wurde der Klägerin am 19. August 2009 zugestellt. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten in dem Kündigungsrechtsstreit ist vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 15. Mai 2009 - 2 AZN 1141/08 - als unzulässig verworfen worden. Dieser Beschluss ist bei der Klägerin am 28. Mai 2009 eingegangen. Mit bei dem Gericht am 15. Dezember 2009 eingegangener und der Beklagten am 18. Dezember 2009 zugestellter Klageschrift hat die Klägerin Zahlung von 16.147,28 EUR für den Zeitraum Januar 2008 bis April 2008 geltend gemacht. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass sie gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rückerstattung des überzahlten Lohnes bzw. auf Abtretung der Rückzahlungsansprüche gegenüber den Sozialversicherungsträgern und dem Finanzamt aus ungerechtfertigter Bereicherung habe. Sie hat ferner gemeint, dass der Anspruch auch nicht verfallen sei. Es würden Zweifel bestehen, dass auf den hier streitigen Rückzahlungsanspruch die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD Anwendung fände. Es handele sich hier nicht um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, sondern um einen Rückforderungsanspruch aus einem Zwangsvollstreckungsverhältnis der Parteien. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, dass es treuwidrig sei, wenn sich die Beklagte auf die Ausschlussfrist berufe. Denn die Klägerin habe in der Vergangenheit gemessen an der prozessualen Situation stets alles Erforderliche veranlasst. Sie habe bereits mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 den Rückerstattungsanspruch geltend gemacht. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten hätten mit Schreiben vom 9. Januar 2009 darum gebeten, den Rückforderungsanspruch zunächst zurückzustellen und den Ausgang des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens abzuwarten. Dieser Bitte habe die Klägerin dann entsprochen. Die Ausschlussfrist sei zudem gewahrt, nachdem das Bundesarbeitsgericht erst mit Beschluss vom 15. Mai 2009 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen habe. Sie verweist auch darauf, dass das Hessische Landesarbeitsgericht die weiter gehenden Vergütungsansprüche erst mit Urteil vom 19. Juni 2009 zurückgewiesen habe. Sie hat schließlich behauptet, dass die Beklagte 2.703,76 EUR netto erhalten habe. Ferner habe sie, die Klägerin, 4.487,56 EUR an das Finanzamt, 3.370,00 EUR Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle sowie schließlich 5.716,80 EUR an die C für D gezahlt. An zu Unrecht entrichtete Zinsen müsse die Beklagte 74,84 EUR netto erstatten. Die Klägerin hat beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.072,74 EUR brutto sowie einen weiteren Betrag i. H. v. 74,84 EUR netto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2009 zu zahlen; hilfsweise 2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.881,76 EUR netto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2009 zu zahlen; 3. die Beklagte zu verurteilen, ihre Erstattungsansprüche gegenüber der Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 1.166,40 EUR, der Pflegeversicherung i. H. v. 158,40 EUR, der Rentenversicherung i. H. v. 1.664,68 EUR und der Arbeitslosenversicherung i. H. v. 276,04 EUR an sie abzutreten. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Meinung vertreten, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rückerstattung der Vergütungszahlungen habe. Der Anspruch sei nämlich verfallen. Auf das Arbeitsverhältnis würde die tarifliche Ausschlussfrist von sechs Monaten zur Anwendung gelangen. Auf die Kenntnis des Arbeitgebers würde es nicht ankommen. Die Rückforderungsansprüche seien am 31. Januar, 28. Februar, 31. März sowie 30. April 2008 entstanden. Die Verfallswirkung sei demnach spätestens am 31. Oktober 2008 eingetreten. Das Anspruchsschreiben vom 19. Dezember 2008 sei demnach verspätet gewesen. Selbst wenn man für die Fälligkeit der Ansprüche auf den Zeitpunkt abstellen wollte, in dem der Kündigungsrechtsstreit durch den Beschluss des BAG über die Nichtzulassungsbeschwerde am 15. Mai 2009 rechtskräftig entschieden worden sei, wäre das Anspruchschreiben der Klägerin vom 19. Dezember 2008 verfrüht gewesen und könnte demnach auch nicht die Ausschlussfrist wahren. Sie hat ferner gemeint, dass sie sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen könne. Das ursprünglich Erlangte sei nicht mehr vorhanden. Sie habe die Nettovergütung in Form erhaltenen Arbeitslosengeldes von angeblich 5.716,80 EUR und die zusätzlich von der Klägerin gezahlte Nettovergütung von angeblich 2.703,76 EUR für die private Lebensführung verbraucht, es seien keine Vermögenswerte geschaffen worden, die noch vorhanden seien. Bezüglich der Sozialversicherungsbeträge hat sie gemeint, dass eine aufgedrängte Bereicherung vorliege. Hinsichtlich der Steuern müsse sich die Klägerin an das Finanzamt halten. Sie sei insoweit nicht passiv legitimiert. Mit Urteil vom 1. April 2010 hat das Arbeitsgericht Kassel der Klage nach dem Hauptantrag stattgegeben. Der Anspruch sei gemäß § 717 Abs. 2 ZPO begründet. Die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch würden vorliegen. Die Klägerin könne von der Beklagten Zahlung der jeweils für die Monate Januar bis April 2008 gezahlten 4.018,11 EUR nebst Zinsen i. H. v. 74,84 EUR verlangen. Sie sei auch nicht darauf zu verweisen, dass sie anstelle des gesamten Betrages die Abtretung der Ansprüche gegenüber dem Finanzamt bzw. der Sozialversicherung geltend machen müsse. Der Schadensersatz aus § 717 Abs. 2 ZPO würde auch die gezahlten Steuern und die abgeführten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung umfassen. Schließlich sei der Anspruch auch nicht nach § 37 TVöD verfallen. Die Ansprüche seien erst mit Verkündung des Urteils des Hessischen Landesarbeitsgerichts am 19. Juni 2009 "fällig" im Sinne von § 37 TVöD geworden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Urteils des Arbeitsgerichts Kassel wird verwiesen auf Bl. 41 - 54 d.A. Dieses Urteil ist der Beklagten am 27. Mai 2010 zugestellt worden. Mit bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht am 25. Juni 2010 eingegangenen Schriftsatz hat sie Berufung eingelegt. Nachdem die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 27. August 2010 verlängert worden war, hat sie mit bei Gericht an diesem Tag eingegangenen Schreiben die Berufung auch begründet. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO gemäß der tariflichen Ausschlussfrist verfallen sei. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht auf den Fälligkeitseintritt am 19. Juni 2009 abgestellt. Es habe in seinen Entscheidungsgründen letztlich auf die Kenntnisnahme der Anspruchsberechtigung der Klägerin abgestellt. Dabei sei es fehlerhaft vorgegangen. Die Klägerin habe bereits mit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Mai 2009 erfahren, dass ihr nunmehr auch Rückzahlungsansprüche zustünden. Denn mit der Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2007 sei denknotwendig der Wegfall der Vergütungsverpflichtung ab Januar 2008 verbunden gewesen. Ausgehend von dem Fälligkeitsbeginn am 15. Mai 2009 sei die tarifliche Verfallsfrist bereits am 15. November 2009 abgelaufen gewesen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 1. April 2010, 1 Ca 130/09, abzuändernund die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt die Auffassung, dass der gesetzliche Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO aus dem Urteil abgeleitet werde, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werde. Da dieses Urteil durch das am 19. Juni 2009 verkündete Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts - 3 Sa 1006/08 -abgeändert worden sei, sei die Ausschlussfrist gewahrt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften. Entscheidungsgründe: Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. I. Die Berufung ist zulässig. Sie begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes keinen Bedenken und ist daher statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b) ArbGG). Sie wurde auch form- und fristgerecht eingereicht (§§ 519, 520 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 ZPO, 66 Abs. 1, 1. Alt. ArbGG). Schließlich wurde sie innerhalb der auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 27. August 2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet (§ 66 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., Abs. 1 S. 5 ArbGG). II. Die Berufung ist allerdings unbegründet. Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag der Klägerin zu Recht stattgegeben. Der Anspruch auf Zahlung von 16.072,44 EUR brutto sowie von 74,84 EUR netto ergibt sich aus § 717 Abs. 2 ZPO. 1. Nach § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO, der gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, ist der Kl äger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Zwangsvollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gemachten Leistung entstanden ist, wenn ein für vorläufig erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert wird. Bei § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung. Es ist lediglich Voraussetzung, dass ein für vorläufig vollstreckbares Urteil aufgehoben bzw. abgeändert wurde, der Gläubiger des vorläufig vollstreckbaren Titels die Vollstreckung aus diesem betrieben hat oder der Schuldner des vorläufig vollstreckbaren Titels zur Abwendung der Zwangsvollstreckung eine Leistung erbracht hat und dass dadurch adäquat kausal ein Schaden bei dem Schuldner eingetreten ist ( BAG 18.12.2008 - 8 AZR 105/05 - AP Nr. 9 zu § 717 ZPO ). 2. Die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch liegen im Streitfalle vor. a) Die Leistung erfolgte aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils, das später abgeändert wurde. Das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 15. Mai 2008, mit dem die Klägerin verurteilt worden war, an die damalige Klägerin Vergütung i. H. v. jeweils 4.018,11 EUR monatlich für die Zeit von Juli 2007 bis April 2008 zu zahlen, war nach § 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorläufig vollstreckbar. Dieses Urteil ist durch Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichtes vom 19. Juni 2009 -3 Sa 1006/08 - teilweise abgeändert worden, wobei zugrunde gelegt wurde, dass ein Verg ütungsanspruch der Beklagten nur für den Zeitraum bis 31. Dezember 2007 bestand. Die Vergütungsansprüche für den Zeitraum Januar bis April 2008 wurden abgewiesen. b) Die Beklagte hat durch die Leistung der Klägerin wegen des erstinstanzlichen Urteils 16.072,44 EUR brutto erlangt. Die Klägerin hat im Einzelnen dargelegt, welche Steuern und welche Arbeitnehmeranteile für die Sozialversicherung zu Gunsten der Klägerin abgeführt wurden. Von diesen Beträgen ist hier auszugehen. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist im vorliegenden Fall nach § 138 Abs. 4 ZPO nicht zulässig. Durch die Abführung von Steuern (vgl. §§ 38, 41a EStG) hat die Klägerin eine eigene Schuld der Beklagten getilgt. Der Arbeitnehmer bleibt letztlich der Steuerschuldner. Nichts anderes gilt auch für die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Zwar ist auch der Arbeitgeber Schuldner des gesamten Sozialversicherungsbeitrages gegenüber der Einzugsstelle (§ 28 e SGB IV). § 28 e Abs. 1 SGB IV regelt aber nur die Zahlungspflicht, nicht dagegen, wer letztlich finanziell belastet wird, also den Betrag "zu tragen hat". Dies ist der Arbeitnehmer, den in dem Arbeitnehmeranteil liegenden Vermögenswert erlangt damit auch der Arbeitnehmer ( BAG 29.03.2001 - 6 AZR 653/99 - AP Nr. 1 zu § 26 SGB IV). Es wäre der Beklagten vor diesem Hintergrund ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen, sich über die Höhe der zu ihren Gunsten getätigten Zahlungen zu erkundigen. Dass sie für den Zeitraum Januar bis April 2008 tatsächlich auch Nettoleistungen erhielt, hat sie nicht in Abrede gestellt. Mit der Berufung sind diesbezügliche Rügen auch nicht weiter erhoben worden. c) Es ist auch davon auszugehen, dass die damalige Schuldnerin und jetzige Klägerin diesen Betrag "zur Abwendung der Zwangsvollstreckung" zahlte. Dass schon einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet wurden, ist nicht erforderlich. Wesentlich ist, dass sich der Schuldner dem Vollstreckungsdruck beugt. Es kann im vorliegenden Fall kein Zweifel bestehen, dass die Zahlungen nur unter dem Druck der unmittelbaren bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgten. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien gewechselten Korrespondenz. Mit Schreiben vom 23. Juni 2008 wurde die Schuldnerin und jetzige Klägerin aufgefordert, zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung die Ansprüche aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 15. Mai 2008 - 3/4 Ca 213/07 - freiwillig zu erfüllen. Mit Schreiben vom 1. Juli 2008 erwiderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass eine Zwangsvollstreckung nicht nötig sei, dass aber die Zahlungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgen würden. d) § 717 Abs. 2 ZPO sieht als Rechtsfolge den Ersatz des durch die unrechtmäßige Zwangsvollstreckung entstandenen Schaden vor. Es gelten die §§ 249 ff. BGB. § 717 Abs. 2 ZPO gewährt einen materiellrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz, nicht auf Herausgabe der Bereicherung. Er setzt daher nicht voraus, dass der Gläubiger durch die Vollstreckung etwas erlangt hat. Der Anspruch geht auf Ersatz des vollen Vollstreckungsschadens, wobei lediglich inadäquate Geschehensabläufe und außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegende Schadensereignisse auszuscheiden sind ( BAG 25.09.2003 - 8 AZR 427/02 - AP Nr. 8 zu § 717 ZPO; A/B, ZPO, 3. Auflage, § 717 Rz. 18 ). aa) Direkt erlangt hat die Beklagte die 2.703,76 EUR netto. Diesen Betrag hat sie unproblematisch zu erstatten. bb) Die Beklagte ist auch zum Ersatz der 5.716,80 EUR verpflichtet, die die Klägerin an Arbeitslosengeld an die C für D gezahlt hat. Soweit ein Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt wird und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber nach § 115 SGB X auf den Leistungsträger über. Die Klägerin war daher verpflichtet, an die C für D 5.717,80 EUR zu zahlen. In dieser Höhe ist ihr ein ersatzfähiger Schaden erstanden. cc) Des Weiteren kann die Klägerin gezahlte Lohn- und Kirchensteuer in Höhe von 4.281,88 EUR sowie 205,68 EUR Solidaritätszuschlag erstattet verlangen. Der Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO umfasst bei einem zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Entgeltbetrag auch die von dem Arbeitgeber für den Arbeitnehmer gezahlten Steuern einschließlich des Solidaritätszuschlages ( BAG 18.12.2008 - 8 AZR 105/08 - a.a.O., unter B I 2. b der Gründe ). Für die Verpflichtung der Klägerin, Steuern abzuführen, war lediglich entscheidend, dass der Beklagten von Januar bis April 2008 Arbeitsentgelt zugeflossen war. Auf Grund dieses Umstandes war die Klägerin gemäß § 38 Abs. 1 EStG verpflichtet, die Lohnsteuer abzuführen. Die Zahlung des Lohns wiederum war durch die angedrohte Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil vom 15. Mai 2008 bedingt. dd) Im Rahmen von § 249 Abs. 1 BGB kann die Klägerin auch die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von 3.370,00 EUR erstattet verlangen. Richtig ist zunächst jedoch, dass bei einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht im Falle überzahlten Lohns der Arbeitgeber grundsätzlich gehalten ist, sich den dem Arbeitnehmer zustehenden Erstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2 SGB IV im Hinblick auf die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abtreten zu lassen. Als Rechtsfolge sieht § 818 Abs. 1 BGB die Herausgabe des Erlangten vor. Dies ist der dem Arbeitnehmer nach dem Sozialrecht im Falle unberechtigter Abführung von Arbeitnehmeranteilen entstandene Erstattungsanspruch. Die Rückabwicklung über die "Abtretungslösung" wird für das Bereicherungsrecht ganz überwiegend vertreten ( vgl. hierzu BAG 29.03.2001 - 6 AZR 653/99 - AP Nr. 1 zu § 26 SGB IV; E, BB 2010, 2629, 2634; F/G, Personalbuch, 17. Auflage, Stichwort: Entgeltrückzahlung Rz. 12 ). Diese Gründsätze sind auf die Rückabwicklung nach § 717 Abs. 2 ZPO aber nicht zu übertragen. Denn hierbei handelt es sich, wie bereits oben dargelegt, um einen Schadensersatzanspruch, der auf die Wiederherstellung des früheren Zustandes gerichtet ist. Daher ist § 717 Abs. 2 ZPO auch nicht auf den Nettobetrag beschränkt, der Anspruch geht auf den Ersatz des vollen Vollstreckungsschadens, ohne dass es darauf ankommt, was der Arbeitnehmer "erlangt" hat ( BAG 25.09.2003 - 8 AZR 427/02 - a.a.O.. ). Es ist daher richtig, wenn der Arbeitgeber im Rahmen von § 717 Abs. 2 ZPO auch die zu Gunsten des Arbeitnehmers abgeführten Arbeitnehmeranteile zu Sozialversicherung direkt vom Arbeitnehmer zurück verlangen kann ( ebenso LAG Rheinland- Pfalz 09.07. 2009 - 10 Sa 112/09 - H RS 2010 65218 ). Die Entscheidung des BAG vom 18.12.2008 - 8 AZR 105/08 - (a.a.O..) steht nicht entgegen. Zwar wurde dort der Schadensersatzanspruch bezüglich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung im Rahmen von § 717 Abs. 2 ZPO verneint. Im Unterschied zu der hier vorliegenden Sacheverhaltskonstellation bestand in dem dortigen Fall für den im Streit stehenden Zeitraum das Arbeitsverhältnis allerdings noch fort. Demnach bestand auch ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 7 ff. SGB IV, sodass der Arbeitgeber in jeden Fall auch den gesamt Sozialversicherungsbeitrag abzuführen hatte. Im vorliegenden Fall steht allerdings fest, dass das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2007 geendet hat. In dem hier gegenständlichen Zeitraum Januar bis April 2008 bestanden kein Arbeitsverhältnis und auch kein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigtenverhältnis mehr fort. ee) Zu dem der Klägerin entstandenen Schaden nach § 249 Abs. 1 BGB zählen auch die zu Unrecht entrichteten Zinsen. Diesen Schaden hat sie, ohne dass dies substantiiert bestritten wurde, mit 74,84 EUR beziffert. e) Schließlich ist der Anspruch auch nicht nach § 37 Abs. 1 TVöD verfallen. aa) Der Beklagten ist zunächst zuzugestehen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO um einen "Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne der tariflichen Norm handelt. Nach ständiger Rechtssprechung des BAG fallen unter die "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist grundsätzlich alle denkbaren Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen. Es kommt nur darauf an, ob der betreffende Lebensvorgang eine enge Verknüpfung mit dem Arbeitsverhältnis aufweist ( BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 222/07 - AP Nr. 53 zu § 242 unzulässige Rechtsausübung - Verwirkung; BAG 18.12.2008 - 8 AZR 105/05 - a.a.O..). Dies ist auch im vorliegenden Fall zu bejahen. bb) Die Verfallfrist greift allerdings nicht ein, da der Schadensersatzanspruch rechtzeitig mit bei Gericht am 15. Januar 2009 eingegangener Klage, zugestellt am 18. Januar 2009, geltend gemacht wurde. Für den Beginn der Ausschlussfrist kommt es auf die Fälligkeit des Anspruches an. Die Fälligkeit setzt das Entstehen des Anspruchs voraus. Der Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO entsteht grundsätzlich erst mit Aufhebung bzw. Abänderung des vorläufig vollstreckbaren Titels, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben wird. Durch § 717 Abs. 2 ZPO soll gewährleistet werden, dass derjenige, der auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils in Anspruch genommen worden ist, die zur Abwehr der Vollstreckung erbrachte Leistung nach Aufhebung des Titels sogleich zurück erhält. Die Fälligkeit tritt vor diesem Hintergrund erst dann ein, wenn über den Anspruch, der Gegenstand des vorläufig vollstreckbaren Titels war, eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist ( BAG 18.12.2008 - 8 AZR 105/08, a.a.O., unter II. 3. d der Gründe ). Grundlage der Zwangsvollstreckung war im vorliegenden Fall das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 15. Mai 2008 - 3/4 Ca 213/07 -. Dieses Urteil wurde mit dem am 19. Juni 2009 verkündeten Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts - 3 Sa 1006/08 - abgeändert. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte kein weiteres Rechtsmittel mehr eingelegt. Es wurde daher mit Ablauf der einmonatigen Notfrist für die Einreichung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a Abs. 2 ArbGG rechtskräftig. Dieses Urteil wurde der Klägerin am 19. August 2009 zugestellt, sodass Rechtskraft des Urteils am 19. September 2009 eintrat. Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin mit ihrer Klage vom 14. Dezember 2009, der Beklagten am 18. Dezember 2009 zugestellt, die Ansprüche fristwahrend geltend gemacht. Soweit die Beklagte in der Berufungsschrift die Auffassung vertritt, dass für den Beginn der Frist auf den ablehnenden Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 15. Mai 2009 abzustellen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Der Beklagten ist zwar darin Recht zu geben, dass zu diesem Zeitpunkt an sich fest stand, dass das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2007 beendet war. Legt man dies zu Grunde, bestünde für den Zeitraum ab Januar 2008 auch keine Grundlage mehr für die Zahlung von Lohnansprüchen. Dadurch besteht im vorliegenden Fall indes keine Veranlassung, von den obigen Grunds ätzen abzuweichen. Denn die Sichtweise der Beklagten berücksichtigt den systematischen Zusammenhang zwischen § 717 Abs. 2 ZPO und dem vorläufig vollstreckbaren Urteil, welches die Grundlage der Zwangsvollstreckung bildet, nicht hinreichend. Der spezielle gesetzliche Schadensersatzanspruch, der an eine erst im Nachhinein sich als unbegründet erweisende Zwangsvollstreckung anknüpft, entsteht überhaupt erst mit der rechtskräftigen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung, aus der die Zwangsvollstreckung betrieben wird. Es ist zudem sachgerecht, an diesen Zeitpunkt anzuknüpfen, da ein solch fester Bezugspunkt letztlich auch der Rechtssicherheit dient. Der Vollstreckungsschuldner muss in Ruhe abwarten dürfen, bis eine endgültige Klärung der Frage herbeigeführt ist, ob das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben wird, Bestand hat oder nicht. III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.