20.04.2010 · IWW-Abrufnummer 166685
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 13.01.2010 – 7 Sa 514/09
Die Kürzungsmöglichkeit des § 8 Ziffer 3 MTV Buch- und Zeitschriftenverlage NRW (Kürzung der Jahres-Sonderleistung) setzt eine zusammenhängende Krankheitszeit des Arbeitnehmers von mehr als sechs Wochen voraus. Eine Addition verschiedener Krankheitszeiträume, die jeweils weniger als sechs Wochen ausmachen, ist tariflich nicht vorgesehen.
Tenor: 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - Az.: 7 Ca 2257/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand: Die Parteien streiten um einen Anspruch auf tarifvertragliche Sonderleistung. Die Klägerin ist seit dem 01.12.1986 bei der Beklagten, die einen Verlag betreibt, beschäftigt. Aufgrund eines Haustarifvertrages ist auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für Buch- und Zeitschriftenverlage in Nordrhein-Westfalen in der für das Kalenderjahr 2008 geltenden Fassung vom 23.06.2008 (vgl. Bl. 29 ff. d. A.; im Folgenden: MTV) anwendbar. In dem MTV ist u. a. folgende Regelung enthalten: "§ 8 Sonderleistungen 1. Die Arbeitnehmer und Auszubildenden erhalten einmal pro Kalenderjahr eine Sonderleistung, die ganz oder in Teilen zum Urlaubsbeginn und/oder zu Weihnachten zu zahlen ist. Die Auszahlungsmodalitäten können durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Die tarifliche Sonderleistung beträgt 140 Prozent des Tarifentgelts bzw. der tariflichen Ausbildungsvergütung. (Grundlage für die Berechnung der zusätzlichen Leistung ist das Tarifentgelt bzw. die tarifliche Ausbildungsvergütung am 01. Juli des jeweiligen Jahres.) 2. Teilzeitbeschäftigte erhalten diese Leistung im Verhältnis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zur tariflichen Wochenarbeitszeit. 3. Im Kalenderjahr eintretende oder ausscheidende Arbeitnehmer haben Anspruch auf soviel Zw ölftel der Sonderleistung, wie sie im Kalenderjahr volle Kalendermonate dem Betrieb angehört haben, ohne dass das Arbeitsverhältnis ruhte. Der Anspruch entsteht erstmalig nach einer sechsmonatigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit. Über diesen Anspruch hinaus gewährte Teile der Sonderleistung sind beim Ausscheiden in entsprechendem Umfang zurückzuzahlen. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung entfällt wenn das Arbeitsverhältnis wegen Erreichung der Altersgrenze, Krankheit oder Tod des Arbeitnehmers oder durch Kündigung seitens des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen endet. Von der Rückzahlungspflicht sind ferner weibliche Arbeitnehmer befreit, die von ihrem Recht gemäß § 10 Mutterschutzgesetz Gebrauch machen. Arbeitnehmer, die sich in der Elternzeit oder in unbezahltem Urlaub befinden, ihren Grundwehrdienst oder Zivildienst ableisten, haben lediglich anteiligen Anspruch auf 1/12 der Sonderleistung je Kalendermonat, den sie im Betrieb tatsächlich voll im Bezugszeitraum gearbeitet haben. Im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von sechs Wochen hinaus kann für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung um ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, gekürzt werden. 4. Während des Kalenderjahres aufgrund betrieblicher, einseitig vom Arbeitgeber festgelegter oder vereinbarter Regelungen bereits gezahlte oder noch zu zahlende Sondervergütungen, insbesondere Gratifikationen, Jahresabschlussvergütungen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen und dergleichen, können auf die zusätzliche Leistung angerechnet werden." Im Kalenderjahr 2008 war die Klägerin während 36 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt, wobei verschiedene Krankheitszeiträume mit verschiedenen Krankheitsursachen vorlagen, ohne dass einer dieser einzelnen Krankheitszeiträume länger als sechs Wochen andauerte. Mit Schreiben vom 13.11.2008 (vgl. Bl. 4 d. A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie kürze unter Hinweis auf § 8 MTV die jährliche Sonderleistung um einen Betrag in Höhe von 1.821,36 EUR brutto, da die Klägerin im Kalenderjahr 2008 36 Tage, also länger als sechs Wochen krankheitsbedingt abwesend gewesen sei. Nach Auszahlung der gekürzten tariflichen Sonderleistungen hat die Klägerin die vorliegende Zahlungsklage beim Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - erhoben. Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages wird auf die Zusammenfassung im Urteil dieses Arbeitsgerichts vom 23.04.2009 (dort Seite 5 - 8 = Bl. 55 - 58 d. A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage in seinem Urteil vom 23.04.2009 vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer tariflichen Sonderleistung für das Jahr 2008 sei unter Berücksichtigung von § 8 Ziffer 1. - 3. MTV in vollem Umfang entstanden. Die Beklagte sei nicht zu einer Kürzung dieser Sonderleistung nach § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV berechtigt. Bei dieser Tarifregelung sei zunächst vom Wortlaut auszugehen, wobei, mangels tariflicher Definition, der allgemeine Sprachgebrauch heranzuziehen sei. Demnach sei der Begriff "Zeitraum" eine "begrenzte bestimmte Zeit" bzw. eine "Zeitspanne" und beschreibe somit einen ununterbrochenen Zeitabschnitt. Der Tarifwortlaut unterscheide sich insoweit auch deutlich von der gesetzlichen Regelung des § 3 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG; hier sei die Entgeltfortzahlungspflicht ausdrücklich auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt. Der Wortlautauslegung entspreche im Übrigen auch der Sinn und Zweck der tariflichen Kürzungsmöglichkeit. Entgegen der Auffassung der Beklagten sollten nämlich nicht alle Abwesenheitszeiten eines Arbeitnehmers zu einer Verringerung des Sonderleistungsanspruches führen, sondern lediglich jene Zeiten, für die kein Arbeitsentgelt geschuldet sei. Die Regelung des Sonderleistungsanspruches für während eines Kalenderjahres ein- und austretende Arbeitnehmer, für Arbeitnehmer in Elternzeit, f ür Arbeitnehmer in unbezahltem Urlaub oder bei Ableistung des Grundwehr- und Zivildienstes hätten alle die gleiche Grundlage - es sei keine Sonderleistung zu zahlen, wenn keine Arbeitsvergütung geschuldet sei. Hieraus folge, dass Sinn und Zweck der tariflichen Kürzungsmöglichkeiten neben der Honorierung von Betriebstreue auch die Leistung von zusätzlichem Arbeitsentgelt sei. Hieraus folge wiederum, dass eine Kürzung der tariflichen Sonderleistung nur dann zulässig sein solle, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr infolge Erkrankung so lange seine Arbeitsleistung nicht erbringe, dass die Pflicht zur Entgeltfortzahlung entfalle. Soweit in § 8 Ziffer 3 MTV eine Kürzung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit vorgesehen sei, ergebe sich hieraus kein Anhaltspunkt für den Regelungszweck. Vielmehr sei bei der Normierung der tariflichen Reduzierung von Sonderleistungen das "Ob" vom "Wie" zu unterscheiden, wobei die Kürzung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit ausschließlich das "Wie" betreffe. Die tarifliche Kürzungsmöglichkeit verstoße im Übrigen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da die von den Tarifparteien getroffene Regelung die gesetzlichen Grenzen des § 4 a EntgeltfortzahlungsG nicht überschreite. Mithin scheide eine Kürzung der tariflichen Sonderleistung der Klägerin für das Kalenderjahr 2008 aus, da diese nicht über einen Zeitraum von sechs Wochen hinaus ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 9 ff. des Urteils vom 23.04.2009 (= Bl. 59 ff. d. A.) verwiesen. Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 04.08.2009 zugestellt worden ist, hat am 17.08.2009 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am Montag, den 05.10.2009 ihr Rechtsmittel begründet. Die Beklagte macht geltend, bei zutreffender Auslegung von § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV hätte das Arbeitsgericht davon ausgehen müssen, dass die tarifliche Kürzungsmöglichkeit auch Fälle erfasse, in denen einzelne Krankheitszeiten zusammengerechnet länger als sechs Wochen ausmachen würden. In der tariflichen Regelung sei nämlich nicht enthalten, dass eine Kürzung nur bei einem "zusammenhängenden" Zeitraum von sechs Wochen vorgenommen werden dürfe. Darüber hinaus sei beim Wortlaut zu berücksichtigen, dass "für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit" eine Kürzung erfolgen könne. Auch hieraus werde deutlich, dass die Tarifparteien eine Kürzungsmöglichkeit hätten eröffnen wollen, wenn die Arbeitsunfähigkeitstage insgesamt sechs Wochen überschreiten würden. Im Übrigen führe die Auslegung des Arbeitsgerichtes zu unerträglichen Ergebnissen. Demnach könne nämlich ein Arbeitnehmer mehrere Male hintereinander arbeitsunfähig krank sein und trotzdem wegen der jeweiligen Nichtüberschreitung der 6-Wochen-Grenze die Sonderleistung in voller Höhe beanspruchen. In einem Extremfall sei es daher möglich, dass ein Arbeitnehmer während nahezu des gesamten Bezugszeitraumes mit wechselnden Krankheiten arbeitsunfähig sei und gleichwohl die Sonderleistung gezahlt werden müsse. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht auch § 4 a EntgeltfortzahlungsG nicht hinreichend berücksichtigt; aufgrund dieser gesetzlichen Regelung seien alle krankheitsbedingten Abwesenheitszeiten einzubeziehen, gleichgültig, ob ein Anspruch auf Lohnfortzahlung bestehe oder nicht. Soweit das Arbeitsgericht die tarifliche Kürzungsregelung bei Arbeitsunfähigkeit in einen Zusammenhang mit den weiteren Regelungen über Elternzeit, unbezahltem Urlaub, Grundwehr- und Zivildienst stelle, beachte es nicht, dass all diesen Fällen gemeinsam sei, dass nicht im Betrieb gearbeitet werde. Erst hieraus folge dann, dass eine Lohnzahlungspflicht nicht bestehe. Mithin könne nach dem Sinn und Zweck der tariflichen Kürzungsmöglichkeit nur entscheidend sein, ob eine Arbeitsleistung erbracht werde, nicht relevant sei hingegen, ob, trotz fehlender Arbeitsleistung, ein Arbeitsentgelt gezahlt werde oder nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.10.2009 (vgl. Bl. 79 ff. d. A.) verwiesen. Die Beklagte beantragt, unter Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichtes Koblenz vom 23.02.2009 die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung unter Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.04.2009 zurückzuweisen. Die Klägerin führt aus, die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung der tariflichen Kürzungsmöglichkeit in § 8 Ziffer 3 MTV sei rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere führe sie auch nicht zu unerträglichen Ergebnissen, zumal die Beklagte in diesem Zusammenhang ihre Argumentation auf einen Extremfall, wenn nicht sogar Missbrauchsfall stütze. Derartige Fallkonstellationen seien regelmäßig nicht geeignet, die grundsätzliche Sinnhaftigkeit einer Regelung in Frage zu stellen. Abgesehen davon führe das von der Beklagten gewonnene Auslegungsergebnis seinerseits zu einem unerträglichen Ergebnis. Denn für Arbeitnehmer, die unter sechs Wochen insgesamt erkrankt seien, bleibe es bei der Sonderzahlung, während bei einem Arbeitnehmer, der einen Tag länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sei, das Kürzungsrecht auf den ersten Tag der Erkrankung zurückgreife. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe das Arbeitsgericht auch eine zutreffende Gesamtschau der tariflichen Kürzungsmöglichkeiten bei Sonderleistungen vorgenommen. Es sei nämlich unzutreffend, dass, ausgehend von dem Arbeitsunfähigkeitsfall, bei allen anderen "Ruhenstatbeständen" an das Ausbleiben der Arbeitsleistung angeknüpft werde und nicht an die Entgeltzahlungspflicht. Dies sei unzutreffend, zumal beispielsweise auch für Zeiten des Mutterschutzes, in denen eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin nicht bestehe, aber der Arbeitgeber Zuzahlungen zum Mutterschaftsgeld zu leisten habe, keine Kürzung der Jahressonderzahlung eintrete. Schließlich sei bei der Auslegung der tariflichen Kürzungsmöglichkeit auch zu berücksichtigen, dass diese nur bei einer Erkrankung "über einen Zeitraum von sechs Wochen hinaus" eingreife; die Verwendung des Begriffes "hinaus" zeige, dass nur überhaupt bei Überschreitung einer derartigen Grenze ab diesem Tag ein Kürzungsrecht in Betracht komme. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 26.10.2009 (Bl. 91 ff. d. A.) verwiesen. Entscheidungsgründe: Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat der zulässigen Klage zu Recht stattgegeben, da der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von restlicher tariflicher Sonderleistung für das Kalenderjahr 2008 in Höhe von 1.821,36 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2008 zusteht. A) Anspruchsgrundlage für die Hauptforderung ist § 8 Ziffer 1 MTV. Diese Tarifregelung ist auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin, aufgrund einer entsprechenden Regelung in einem für den Betrieb der Beklagten geltenden Haustarifvertrag, unstreitig anwendbar. I. Nach § 8 Ziffer 1 MTV erhalten Arbeitnehmer einmal pro Kalenderjahr eine Sonderleistung, die 140 % des Tarifentgelts beträgt. Für das Kalenderjahr 2008 hat die Klägerin unstreitig eine tarifliche Sonderleistung erhalten, allerdings um 1.821,36 EUR brutto gekürzt. II. Für diese Kürzung gibt es keine rechtliche Grundlage, insbesondere lässt sie sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht aus § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV ableiten. Demnach kann im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von sechs Wochen hinaus für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung um 1/4 des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, gekürzt werden. Im vorliegenden Fall war die Klägerin nicht über einen Zeitraum von sechs Wochen hinaus krank, da die einzelnen Krankheitszeiträume der Klägerin im Kalenderjahr 2008 unstreitig weniger als sechs Wochen andauerten. Eine Addition dieser Zeiträume ist tariflich nicht vorgesehen. Allerdings gibt die Regelung in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV auf die Frage, ob einzelne Arbeitsunfähigkeitszeiträume aus dem Kalenderjahr zusammenzurechnen sind oder eine zusammenhängende Krankheitszeit von mehr als sechs Wochen Kürzungsvoraussetzung sein soll, keine eindeutige Antwort; sie bedarf daher der Auslegung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. zuletzt Urteil vom 17.02.2009 - 9 AZR 611/07 = ZUM 2009, 883 ff.), welche die Berufungskammer zugrunde legt, ist der normative Teil eines Tarifvertrages grundsätzlich nach den für Gesetze geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Auf dieser Grundlage ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu ermitteln, soweit er in den tariflichen Regelungen sein Niederschlag gefunden hat. Der tarifliche Zusammenhang kann Aufschluss über den von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck geben. Auch kann auf die Entstehungsgeschichte und die Tarifpraxis zurückgegriffen werden. Praktikabilität und Sinn des Auslegungsergebnisses sind im Auge zu behalten. 1. Der vorrangig zu berücksichtigende Tarifwortlaut spricht dafür, dass Voraussetzung für eine Leistungskürzung eine zusammenhängende Krankheitszeit des Arbeitnehmers von mehr als sechs Wochen sein soll. Denn der verwendete Begriff "Zeitraum", der von den Tarifparteien nicht weiter definiert wurde, bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch einen ununterbrochenen Zeitabschnitt, der durch einen bestimmten Anfang und ein bestimmtes Ende begrenzt wird. Dies hat bereits das Arbeitsgericht auf Seite 11 ff. seines Urteils vom 23.04.2009 unter Bezugnahme auf das "Deutsche Wörterbuch" von Wahrig (7. Auflage) näher begründet; hierauf verweist die Berufungskammer um Wiederholungen zu vermeiden. Wenn die Beklagte demgegenüber in der Berufungsbegründung geltend macht, dass in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV nicht von einem "zusammenhängenden" Zeitraum von über sechs Wochen die Rede sei, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass mit dem Begriff "Zeitraum" von vornherein eine zusammenhängende Zeit gemeint ist. Es wäre daher ein Pleonasmus (wie z. B.: weißer Schimmel) gewesen, wenn die Tarifparteien den Ausdruck "zusammenhängender Zeitraum" verwendet hätten; das Fehlen dieser Formulierung im Tarifwortlaut ist mithin der sprachlichen Genauigkeit geschuldet und sagt nichts über den Willen der Tarifparteien aus. Des Weiteren steht die Tarifregelung, wonach "für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit" eine Kürzung erfolgen kann, der oben dargestellten Wortbedeutung - wie von der Beklagten in der Berufungsbegründung aber angenommen - nicht entgegen. Der sprachliche Zusammenhang, in welchem diese bloße Kürzungsberechnung erwähnt wird, lässt erkennen, dass sie nichts aussagt über den Begriff "Zeitraum". Denn diese Berechnungsmethode soll nach dem Tarifwortlaut erst eingreifen, wenn der Krankheitszeitraum von sechs Wochen überschritten ist. Dies ist die unabhängige Voraussetzung für die sich anschließende Kürzungsberechnung; aus letzterer kann daher nichts gefolgert werden für das Vorliegen dieser Voraussetzung. 2. Des Weiteren ist festzustellen, dass ein etwaiger anderslautender Wille der Tarifparteien im Wortlaut der Kürzungsregelung keinen hinreichenden Niederschlag gefunden hat. 3. Der tarifliche, wie auch der gesetzliche Zusammenhang, in welchem § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV zu verstehen ist, steht dem vom Wortlaut abgeleiteten Auslegungsergebnis nicht entgegen, sondern bestätigt dieses teilweise. a) Der tarifliche Zusammenhang ist mit den weiteren Regelungen in § 8 MTV zur Kürzung bzw. dem vollständigen Wegfall des Sonderleistungsanspruches herzustellen. Insoweit sieht § 8 Ziffer 2 MTV bei Teilzeitbeschäftigten vor, dass diese Sonderleistungen im Verhältnis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zur tariflichen Wochenarbeitszeit erhalten. Des Weiteren beziehen Arbeitnehmer, die im Laufe eines Kalenderjahres eintreten oder ausscheiden, nach § 8 Ziffer 3 Abs. 1 MTV für jeden vollen Monat der Betriebszugehörigkeit, während dessen das Arbeitsverhältnis nicht ruhte, 1/12 der vollen Sonderleistung. Der Sonderleistungsanspruch entsteht allerdings generell erst nach einer sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit. Arbeitnehmer, die sich in Elternzeit oder unbezahltem Urlaub befinden, ihren Grundwehr- oder Zivildienst ableisten, erhalten 1/12 der Sonderleistung je Kalendermonat, den sie im Betrieb tatsächlich voll im Bezugszeitraum gearbeitet haben (§ 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV). Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, ist diesen tariflich geregelten Fällen zu entnehmen, dass die Tarifparteien mit der Sonderzahlung zunächst einmal zwei verschiedene Zwecke verfolgt haben: Betriebstreue soll honoriert werden und für geleistete Arbeit soll eine zusätzliche Vergütung erfolgen. Berücksichtigt man aber des Weiteren, dass im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit die Parteien einen Krankheitszeitraum regeln wollten, der - obwohl innerhalb dessen keine Arbeitsleistung erbracht wird - den vollen Sonderleistungsanspruch unberührt lassen soll, wird aus alledem deutlich, dass der Sonderleistungsanspruch im Wesentlichen an die Existenz eines Arbeitsentgeltsanspruches des betriebstreuen Arbeitnehmers geknüpft sein soll. Der Arbeitsvergütungsanspruch entfällt aber jedenfalls regelmäßig, falls ein Arbeitnehmer länger als sechs zusammenhängende Wochen arbeitsunfähig war, wenn man einmal von dem verhältnismäßig seltenen Fall der Mehrfacherkrankung absieht. Mithin ist - entgegen der in der Berufungsbegründung geäußerten Auffassung der Beklagten - dem Tarifzusammenhang nicht zu entnehmen, dass die Kürzungsmöglichkeit im Wesentlichen von der Erbringung der Arbeitsleistung abhängen soll. Denn dieser Ansatz vermag nicht nachvollziehbar zu erklären, weshalb jedenfalls Arbeitnehmer, die bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr erkrankt sind, auf jeden Fall - also unabhängig vom vorliegenden Auslegungsproblem - die volle Sonderleistung beanspruchen können, obwohl sie keine Gegenleistung während des Krankheitszeitraumes erbracht haben. b) Der Zusammenhang der tariflichen Kürzungsmöglichkeit mit der gesetzlichen Regelung des § 4 a EntgeltfortzahlungsG ergibt, entgegen der Auffassung der Beklagten, keinen Hinweis darauf, dass alle krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten kürzungsrelevant sein müssen. Nach § 4 a EntgeltfortzahlungsG ist eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit 1/4 des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten. Diese gesetzliche Norm gibt keinerlei Hinweise darauf, unter welchen konkreten Voraussetzungen eine krankheitsbedingte Kündigung von tariflichen Sonderleistungen zu erfolgen hat. Vielmehr eröffnet sie einen Regelungsspielraum für die krankheitsbedingte Kürzung von Sonderleistungen, ohne die konkrete Ausgestaltung der Kürzung festzulegen. Lediglich in § 4 a Satz 2 EntgeltfortzahlungsG ist dem zuvor eröffneten Gestaltungsspielraum eine Grenze gesetzt, ohne dass aber der Inhalt des Gestaltungsspielraumes weitergehend konkretisiert wäre. § 4 EntgeltfortzahlungsG bietet somit keinerlei konkrete Anhaltspunkte für die Auslegung von § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV. 4. Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die dargelegte Auslegung von § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV nicht zu unerträglichen Ergebnissen. Zutreffend ist zwar, dass ein Arbeitnehmer, der während des gesamten Bezugszeitraumes unmittelbar nacheinander immer bis zu sechs Wochen mit wechselnden Erkrankungen arbeitsunfähig wäre, den vollen tariflichen Sonderleistungsanspruch hätte, falls kein Rechtsmissbrauch des Arbeitnehmers vorläge. Dieses Ergebnis gilt aber auch für die nach § 3 EntgeltfortzahlungsG gesetzlich geschuldete Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers; auch sie wäre in diesem seltenen Extremfall zu leisten. Wenn aber der Gesetzgeber solche seltenen Extremfälle bei der Normierung des Entgeltfortzahlungsgesetzes in Kauf genommen hat, besteht kein Anlass, solche Fälle heranzuziehen, um anzunehmen, eine Tarifregelung, welche derartige Extremfälle in Kauf nimmt, sei von den Tarifparteien letztlich nicht gewollt gewesen. B) Die Höhe der von der Beklagten demnach für das Kalenderjahr 2008 geschuldeten restlichen Sonderleistung beläuft sich auf 1.821,36 EUR brutto, was zwischen den Prozessparteien nicht streitig war. C) Die vom Arbeitsgericht zugesprochenen Verzugszinsen ergeben sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 8 Ziffer 1 MTV. Im Übrigen wird auf die vollumfänglich zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Revision wurde nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, da die Auslegung von § 8 MTV grundsätzliche Bedeutung hat. Über den vorliegend betroffenen Betrieb, der innerhalb des Zuständigkeitsbereiches des LAG Rheinland-Pfalz liegt, wirkt sich die vorliegende Tarifauslegung auch auf zahlreiche Betriebe im Bundesland Nordrhein-Westfalen aus.