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  • 28.12.2022 · IWW-Abrufnummer 232977

    Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 20.12.2022 – 14 Ta 194/22

    Zwar ist nach der auf den ursprünglich gestellten Antrag hin erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle des nachfolgenden Abschlusses eines Mehrvergleichs ein neuer Antrag erforderlich. Dieser kann aber von der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, auch konkludent gestellt werden. Ein solcher konkludenter Antrag kann regelmäßig den Erklärungen der Partei im Rahmen des Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO im Wege der Auslegung entnommen werden.


    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 12. Mai 2022 (3 Ca 33/22) abgeändert.

    Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich vom 6. Mai 2022 unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. aus B mit der Maßgabe bewilligt, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.

    Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 17. Mai 2022 wird für gegenstandslos erklärt.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



    Gründe



    I. Der Kläger erhob unter dem 6. Januar 2022 eine Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche Kündigung vom 27. Dezember 2021 zum 28. Februar 2022 sowie eine allgemeine Feststellungsklage. Der daraufhin auf den 11. Februar 2022 anberaumte Gütetermin wurde wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen aufgehoben. Unter dem 23. März 2022 beantragte der Kläger unter Beifügung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Noch am selben Tag wurde diese antragsgemäß unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ohne Zahlungsanordnung bewilligt.



    Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2022 teilte der Kläger mit, dass die Parteien sich "im Wege der Einigung auf anliegenden Vergleichstext einigen" wollen und bat um Beschlussfassung nach § 278 Abs. 6 ZPO. In dem Vergleich war neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2022, der Freistellung bis zur Beendigung unter Verrechnung mit Urlaub- und Freizeitausgleichsansprüchen, der Zahlung von Vergütung für die Monate März und April 2022 sowie die Erstattung von Reisekosten und der Erteilung der Arbeitsbescheinigung nach § 312 Abs. 1 SGB III noch die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit der Note "Gut" und einer abschließenden vollständigen "Bedauern-Dankes-Wunschformel" vereinbart. Die Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 5. Mai 2022 ihre Zustimmung zu diesem Vergleich. Daraufhin stellte das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 6. Mai 2022 den vorgenannten Vergleich fest.



    Mit Schreiben vom 6. Mai 2022 teilte es außerdem dem Klägervertreter mit, dass es als Streitwert für das Verfahren das Vierteljahreseinkommen des Klägers und für den Vergleich zusätzlich ein weiteres Monatseinkommen für die Erteilung eines inhaltlich geregelten qualifizierten Endzeugnisses für angemessen halte. Auf der Grundlage dieser mitgeteilten Werte beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung von Gebühren und Auslagen. Mit Schreiben vom 10. Mai 2022 teilte ihm das Arbeitsgericht mit, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 23. März 2022 sich nicht auf den Mehrvergleich erstrecke. Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2022 beantragte der Kläger ausdrücklich, Prozesskostenhilfe auch für den Mehrwert des Vergleichs zu bewilligen. Durch den hier angefochtenen Beschluss vom 12. Mai 2022 wies das Arbeitsgericht diesen Antrag zurück. Einen weiteren Antrag des Klägers, den gerichtlichen Bewilligungsbeschluss zur Prozesskostenhilfe vom 23. März 2022 durch nachträgliche Entscheidung um den Mehrwert des Vergleichs zu ergänzen, wies es durch Beschluss vom 17. Mai 2022 zurück. Der gegen beide Beschlüsse gerichteten sofortigen Beschwerde vom 10. Juni 2022 half das Arbeitsgericht nicht ab.



    II. Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 12. Mai 2022 ist auch begründet. Dem Kläger war für den Mehrvergleich vom 6. Mai 2022 ebenfalls Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Beschluss vom 17. Mai 2022 betreffend die Ergänzung der ursprünglichen Bewilligung ist dadurch gegenstandslos.



    1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger vor der Feststellung des Vergleichs durch den Beschluss vom 6. Mai 2022 und damit vor Beendigung des Rechtsstreits die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.



    a) Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts bedarf es eines erneuten Antrags auf Prozesskostenhilfe, wenn das Arbeitsgericht über einen zuvor gestellten Antrag entschieden hat und durch eine Klageerweiterung, Widerklage oder einen Mehrvergleich ein werterhöhender Streitgegenstand in den Prozess neu eingeführt wird. Stelle eine Partei einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung für eine bestimmte Instanz, so beziehe sich dieser regelmäßig nur auf die bereits rechtshängigen Streitgegenstände oder die Streitgegenstände, die gleichzeitig mit der Antragstellung anhängig gemacht werden. Dies gelte für die Rechtsverfolgung durch den Kläger ebenso wie für die Rechtsverteidigung des Beklagten. Nur für die bereits anhängigen Ansprüche könne das Gericht typischerweise die Erfolgsaussichten von Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung prüfen. Trifft das Gericht in einem solchen Fall eine Entscheidung über die Prozesskostenhilfe, beschränke sich die Bewilligung auf diese Streitgegenstände, soweit es nicht ausdrücklich etwas Anderes ausspreche. Komme es nach der Bewilligung zu einer Klageerweiterung oder soll Prozesskostenhilfe auch für einen Mehrvergleich bewilligt werden, bedürfe es eines neuen Antrags (vgl. BAG 30. April 2014 - 10 AZB 13/14 - juris, Rn. 15)



    b) Dem folgt das Hessische Landesarbeitsgericht (16. September 2019 - 4 Ta 67/19 - juris, Rn. 17) und schließt es zudem aus, dass eine konkludente Antragstellung in einem solchen Fall möglich ist. Dagegen spreche, dass das Bundesarbeitsgericht bislang nur einen konkludenten Antrag anerkannt habe, der einen bereits ausdrücklich gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe inhaltlich modifiziert. Wenn das Gericht über den Ausgangsantrag entschieden habe, könne dieser nicht mehr "erweiternd" ausgelegt werden; der Antrag sei dann "weg" bzw. "erledigt". Der Antragsteller wisse in einem solchen Fall, dass er (erneut) aktiv werden müsse, wenn er eine inhaltliche Erweiterung des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erreichen will (ebenso LAG Baden-Württemberg 1. Oktober 2010 - 18 Ta 3/10 - juris, Rn. 13 f.). Ferner sei zu beachten, dass das Prozesskostenhilfeverfahren formalisiert ausgestaltet sei; damit würde es sich nicht vertragen, wenn man quasi automatisch einen konkludenten Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert annehmen wollte. Dieser Antrag könne auch zeitlich ohne Einschränkung - § 321 ZPO entsprechend gelte hier nicht - gestellt werden. Werde z.B. am Anfang des Prozesses Prozesskostenhilfe beantragt und erst ein Jahr später der Vergleich geschlossen, lasse sich auch nicht ohne weiteres annehmen, dass sich an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nichts geändert habe. Eine Prüfung derselben erfordere einen hinreichend deutlichen Antrag.



    2. Der vorstehend genannten Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts wird nicht gefolgt. Zwar ist nach der auf den ursprünglich gestellten Antrag hin erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle des nachfolgenden Abschlusses eines Mehrvergleichs ein neuer Antrag erforderlich. Dieser kann aber von der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, auch konkludent gestellt werden. Ein solcher konkludenter Antrag kann regelmäßig den Erklärungen der Partei im Rahmen des Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO im Wege der Auslegung entnommen werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.



    a) Wird einer bedürftigen Partei Prozesskostenhilfe im laufenden Verfahren bewilligt, betrifft diese nur die zu diesem Zeitpunkt bereits in das Verfahren eingeführten Streitgegenstände (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - juris, Rn. 11; 30. April 2014 - 10 AZB 13/14 - juris, Rn. 15). Das sind zum einen die mit Klageerhebung gestellten Anträge, zum anderen Klageerweiterungen oder Mehrvergleiche, die zum Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag bereits vorliegen. Der Wille der Partei, die nicht in der Lage ist, die Kosten des Verfahrens über die bereits anhängigen Streitgegenstände zu tragen, wird in einem solchen Fall regelmäßig darauf gerichtet sein, auch für solche Anträge und/oder für die weiteren durch den Vergleich miterledigten Streitpunkte Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen, sodass eine entsprechende Auslegung ihres Antrags naheliegt. Für eine gegenteilige Annahme, sie wäre in der Lage, die Kosten für die werterhöhenden Anträge und/oder Vergleichsregelungen zu übernehmen, und wolle deshalb hierfür keine Prozesskostenhilfe beantragen, fehlt - von Ausnahmefällen abgesehen - jegliche Grundlage (vgl. BAG 30. April 2014, aaO., Rn. 16 f.; LAG Hamm 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - juris, Rn. 12 ff.). Entsprechendes gilt für die Rechtsverteidigung einer bedürftigen beklagten Partei (vgl. BAG aaO., Rn. 15). Insoweit folgt die Beschwerdekammer der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (noch offen gelassen in LAG Hamm aaO., Rn. 14).



    b) Ist in einem Fall wie dem vorliegenden für die Klage Prozesskostenhilfe bewilligt worden und kommt es danach in der mündlichen Verhandlung zum Abschluss eines Mehrvergleichs, ist der ausdrückliche Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtzeitig vor Beendigung der Instanz gestellt, wenn er noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gestellt wird, denn erst mit Schluss der mündlichen Verhandlung ist das Verfahren im Hinblick auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beendet (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - juris, Rn. 12). Abgeschlossen ist die Instanz hinsichtlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleich erst dann, wenn die mündliche Verhandlung, in welcher der Vergleich protokolliert wird, geschlossen ist. Zwar endet die Rechtshängigkeit in der Hauptsache mit dem Abschluss des Vergleichs. Vor dem Vergleichsschluss steht jedoch nicht endgültig fest, ob ein Vergleichsmehrwert anfällt, so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hierfür erst nach dem Vergleichsschluss erfolgen kann. Deshalb genügt es, auch den Antrag, Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert zu bewilligen, erst nach der Protokollierung des Vergleichs bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen (vgl. BAG aaO., Rn. 15).



    c) Übertragen auf den Vergleichsschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO endet in einem solchen Fall die Möglichkeit einer Beantragung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich in dem Moment, in dem das Gericht das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs durch Beschluss feststellt. Durch diesen Beschluss endet im Unterschied zur mündlichen Verhandlung nicht nur die Rechtshängigkeit der Hauptsache, sondern auch das Verfahren, für das Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann. Allerdings hat die Partei bis dahin die Möglichkeit, mit der Unterbreitung des Vergleichsvorschlages oder der Zustimmung zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag zugleich die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich vor dem Beschluss und damit noch rechtzeitig vor Beendigung der Instanz zu beantragen.



    d) Dabei ist in der Regel im Wege der Auslegung der Unterbreitung eines Vergleichsvorschlages, der einen Mehrvergleich enthält, durch die Partei, der bereits Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, ihrer Zustimmung zu einem solchen Vorschlag der Gegenseite oder zu einem entsprechenden gerichtlichen Vergleichsvorschlag der konkludente Antrag zu entnehmen, auch hierfür Prozesskostenhilfe zu erhalten. Ihr Wille wird nach bereits erfolgter Bewilligung regelmäßig - weiter - darauf gerichtet sein, für die zusätzlich durch den Vergleich miterledigten Streitpunkte Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen, sodass eine entsprechende Auslegung der Erklärungen im Zusammenhang mit einem Vergleichsschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO naheliegt. Das gilt insbesondere dann, wenn wie vorliegend erst anderthalb Monate vor Abgabe dieser Erklärungen eine Bewilligung wegen gerichtlich festgestellter Bedürftigkeit erfolgt ist. Für die gegenteilige Annahme, sie sei nunmehr in der Lage, die zusätzlich entstehenden Kosten ohne Prozesskostenhilfe zu tragen, fehlt - von Ausnahmefällen abgesehen - auch hier jegliche Grundlage.



    e) Entgegen der Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts ist eine konkludente Antragstellung nicht ausgeschlossen.



    aa) Die Tatsache, dass das Bundesarbeitsgericht einen konkludenten Bewilligungsantrag bislang nur für den Fall anerkannt hat, der einen bereits ausdrücklich gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe inhaltlich modifiziert, bevor über diesen entschieden wurde, ist dem Umstand geschuldet, dass es über die vorliegende Fallkonstellation einer konkludenten Antragstellung nach bereits erfolgter Prozesskostenhilfebewilligung noch nicht entscheiden musste. Dies spricht nicht gegen die allgemein im Zivilprozessrecht übliche Vorgehensweise, Prozesshandlungen der Parteien auszulegen und festzustellen, ob diesen bestimmte prozessrelevante Erklärungen konkludent zu entnehmen sind.



    bb) Des Weiteren geht es nicht um die Auslegung des ursprünglich gestellten und bereits vom Gericht beschiedenen Prozesskostenhilfeantrags. Dieser ist durch die Bewilligungsentscheidung erledigt. Gegenstand der Auslegung sind die Erklärungen der bedürftigen Partei im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO, der einen Mehrwert enthält.



    cc) Es ist zutreffend, dass die Partei und - zumindest - ihr beigeordnete Prozessbevollmächtigte nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wissen, dass sie aktiv werden müssen, wenn sie eine inhaltliche Erweiterung des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erreichen wollen. Das entbindet das Gericht jedoch nicht davon, bei einer fehlenden ausdrücklichen Antragstellung zu prüfen, ob den Erklärungen der Partei im Zusammenhang mit dem Vergleichsschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO eine solche Antragstellung konkludent zu entnehmen ist.



    (1) Für den Fall, dass eine Bewilligung noch nicht erfolgt ist, bevor der Vergleich festgestellt wird, ist mangels besonderer Anhaltspunkte in der Regel davon auszugehen, dass eine Partei, die einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat, diesen auch auf dem Mehrwert eines im weiteren Verlauf des Prozesses geschlossenen Vergleichs erstreckt wissen will, von dem weitere Gegenstände erfasst werden, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen (vgl. LAG Hamm 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - juris, Rn. 15).



    (2) Ebenso kann ein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts konkludent nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt werden (vgl. dazu LAG Hamm 15. Dezember 2014 - 14 Ta 510/14 - juris, Rn. 7 ff.). Bereits der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, den eine bedürftige Partei durch einen Prozessbevollmächtigten stellt, ist regelmäßig so zu verstehen, dass der Prozessbevollmächtigte im Rahmen der zu bewilligenden Prozesskostenhilfe beigeordnet werden will. Eine solche stillschweigende Beantragung der Beiordnung liegt selbst dann vor, wenn kein Anwaltszwang besteht (vgl. LAG Schleswig-Holstein 24. Januar 2011 - 4 Ta 2/11 - juris, Rn. 8; LAG Niedersachsen 24. September 1998 - 2 Ta 314/98 - juris, Rn. 15; OVG Berlin-Brandenburg 30. März 2010 - OVG 11 M 16.10 - juris, Rn. 2). Das gilt auch im umgekehrten Fall, dass die bereits anwaltlich vertretene Partei im Verfahren selbst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt; dieser Bewilligungsantrag enthält einen konkludenten Beiordnungsantrag (vgl. LAG Hamburg 27. Dezember 2018 - 5 Ta 15/18 - juris, Rn. 19). Nach einer vorherigen Beiordnung im Hauptverfahren ist bei einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung anzunehmen, dass damit zugleich die Beiordnung des Anwalts beantragt wird (vgl. OLG Bamberg 25. Juni 1986 - 2 WF 174/86 - JurBüro 1987, 139). Ein stillschweigender Beiordnungsantrag liegt weiter vor, wenn ein Anwalt für eine bedürftige Partei tätig wird, indem er unter Bezugnahme auf die bereits erfolgte Prozesskostenhilfebewilligung, welche die Partei ohne anwaltliche Vertretung beantragt und erhalten hat, Klage erhebt. Damit wird zugleich stillschweigend namens der Partei um die Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe nachgesucht (vgl. OVG Saarland 9. September 2011 - 2 D 384/11 - juris, Rn. 12). Wenn eine Partei selbst Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt erhalten hat und ihr Prozessbevollmächtigter später ihre Vertretung anzeigt, liegt mit der Vertretungsanzeige ein stillschweigender Beiordnungsantrag vor (vgl. LAG Hamm, aaO., Rn. 9).



    (3) Tragender Gesichtspunkt in all diesen Fällen ist, dass für die Auslegung der vorgenannten Prozesshandlungen der Partei und/oder ihres Bevollmächtigen, dahingehend, Letzterer habe in Kenntnis der Bewilligung und der wirtschaftlichen Bedürftigkeit seiner Partei gleichwohl außerhalb einer Beiordnung tätig werden wollen, jeglicher Anhaltspunkt fehlt. Es kann nicht ernstlich angenommen werden, dass eine Partei den Willen hat, sich von den Gerichtskosten befreien zu lassen, jedoch bei ihr die Bereitschaft besteht und sie auch nur in der Lage ist, die deutlich höheren Anwaltskosten zu zahlen. Es ist daher fernliegend und lebensfremd anzunehmen, dass eine Partei, die selbst einen Prozesskostenhilfeantrag stellt, nicht zugleich (konkludent) eine Beiordnung beantragt, wenn ein Bevollmächtigter für sie nach Bewilligung tätig wird (vgl. LAG Hamm 15. Dezember 2014 - 14 Ta 510/14 - juris, Rn. 8). Für den Fall, dass über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch nicht entschieden wurde, ist aus diesem Grund ebenfalls nicht ersichtlich, warum eine Partei lediglich hinsichtlich eines Teils des Vergleichs die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehren sollte (vgl. LAG Hamm 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - juris, Rn. 15).



    (4) Entsprechendes gilt, wenn wie im vorliegenden Fall eine Partei Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten erhalten hat und in der Folgezeit Prozesshandlungen vornimmt, die den Streitwert bzw. den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit erhöhen. Einer Partei, die Prozesskostenhilfe erhalten hat, zu unterstellen, sie wolle für die dadurch verursachten zusätzlichen Gerichts- und Anwaltskosten keine Prozesskostenhilfe haben, obwohl sie bedürftig ist, ist fernliegend.



    dd) Die als "formalisiert" bezeichnete Ausgestaltung des Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens steht der Möglichkeit einer konkludenten Antragstellung nicht entgegen. Formalisiert ist in § 117 ZPO lediglich die Verwendung des Vordrucks, nicht aber die Antragstellung. § 115 ZPO trifft inhaltliche Regelungen für die Ermittlung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens sowie die Bemessung der Ratenhöhe; eine "starke" Formalisierung ist darin nicht erkennbar (vgl. LAG Hamm 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - juris, Rn. 8). Sie vermag zudem nichts darüber auszusagen, ob Erklärungen der Partei im Prozess im Wege der Auslegung eine konkludente Antragstellung zu entnehmen ist oder nicht. Dass dies in Fallkonstellationen wie der vorliegenden bei lebensnaher Betrachtung regelmäßig der Fall ist, weil es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass eine bedürftige Partei nunmehr bereit und vor allem in der Lage ist, die zusätzlichen Kosten aufgrund des Mehrvergleichs zu tragen, führt noch nicht zu einem Automatismus.



    ee) In dem Fall, dass am Anfang des Prozesses Prozesskostenhilfe beantragt und erst ein Jahr später ein (Mehr)Vergleich geschlossen wird, ist es zutreffend, dass sich nicht ohne weiteres annehmen lässt, an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Partei habe sich nichts geändert habe. Ob dieser Umstand dann zu einer ausdrücklichen Antragstellung zwingt, wie das Hessische Landesarbeitsgericht meint, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Dieser Fall ist nicht vergleichbar mit dem vorliegenden, in dem ein Kündigungsschutzverfahren ohne gerichtliche Verhandlung binnen vier Monaten ab Klageerhebung und eineinhalb Monaten ab Bewilligungsantrag plus postwendender Bewilligung durch einen außergerichtlich vereinbarten und sodann gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich beendet wird. Selbst wenn das Arbeitsgericht Zweifel an der weiterhin bestehenden Bedürftigkeit gehabt haben sollte, hätte es diese im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO (vgl. dazu allgemein LAG Hamm 17. Juni 2013 - 14 Ta 77/13 - juris; 5. September 2022 - 14 Ta 179/22 - juris) durch entsprechende Hinweise und Auflagen klären können und müssen. An dem Umstand, dass nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens der Kläger grundsätzlich auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe angewiesen war und deswegen zusätzlich durch den Vergleich entstehenden Kosten voraussichtlich nicht würde tragen können, ändert dies nichts.



    4. War danach bereits vor der Feststellung des Vergleichs durch Beschluss vom 6. Mai 2022 die Erstreckung der Prozesskostenhilfebewilligung auf den Mehrvergleich beantragt, war hierüber nach Abschluss des Rechtsstreits zugunsten des Klägers zu entscheiden. Der Abschluss des Vergleichs diente der Rechtsverfolgung. Diese bot auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und war nicht mutwillig. Wird Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs beantragt, kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 ZPO nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11 - juris, Rn. 21). Das ist hier der Fall. Die Einbeziehung der Zeugniserteilung unter gleichzeitiger inhaltlicher Regelung war auch nicht mutwillig. Eine nicht bedürftige Partei hätte zur abschließenden Regelung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Erteilung des Endzeugnisses, insbesondere mit für sie positiven inhaltlichen Vorgaben vereinbart.



    Hinsichtlich der Bedürftigkeit verbleibt es mangels abweichender Anhaltspunkte bei den Feststellungen des Arbeitsgerichts auf der Grundlage der Erklärung des Klägers vom 6. März 2022.



    5. Der Antrag auf Ergänzung des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 23. März 2022 ist durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich gegenstandslos geworden.



    6. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht. Der Kläger ist nicht beschwert, die Staatskasse hat im Hinblick auf die Bewilligung kein Beschwerderecht nach § 127 Abs. 3 ZPO.

    Vorschriften§ 278 Abs. 6 ZPO, § 312 Abs. 1 SGB III, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO, § 321 ZPO, § 117 ZPO, § 115 ZPO, § 139 ZPO, § 114 Abs. 1 ZPO, § 127 Abs. 3 ZPO