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  • · Fachbeitrag · Wohngebäudeversicherung

    Wann liegt ein zum Leistungsausschluss führender Umbau vor?

    von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln

    Ein Umbau im Sinne des Leistungsausschlusses nach § 6 Nr. 3a VGB 2003 setzt im Gegensatz zu bloßen Renovierungsarbeiten eine Umgestaltung des versicherten Gebäudes voraus, die so weit in die Substanz eingreift, dass das Gebäude insgesamt für seine ursprüngliche Bestimmung nicht mehr nutzbar erscheint (BGH 11.9.13, IV ZR 259/12, Abruf-Nr. 133221).

     

    Sachverhalt

    Der VN begehrt aus einer Wohngebäudeversicherung Versicherungsleistungen in Höhe von 40.066,76 EUR nach einem behaupteten Leitungswasserschaden. Dem Versicherungsvertrag liegen die VGB 2003 zugrunde. Deren § 6 Nr. 3 a lautet:

     

    „Der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser erstreckt sich ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden durch

    a) Leitungswasser an versicherten Sachen (…), solange das versicherte Gebäude noch nicht bezugsfertig oder wegen Umbauarbeiten für seinen Zweck nicht mehr benutzbar ist.“

     

    Das versicherte Gebäude, ein 1969 errichtetes Reihenendhaus, war bis Februar 2009 vermietet. Nach Auszug der Mieter ließ der VN in dem seither leer stehenden Gebäude durch ein Bauunternehmen Renovierungsarbeiten ausführen. Diese begannen im August 2009. Ihr Umfang ist zwischen den Parteien teilweise streitig.

     

    Im April 2010 zeigte der VN dem VR an, der für das Bauunternehmen tätige Architekt habe im Januar 2010 entdeckt, dass ein defekter Wasserhahn der Küche einen Leitungswasserschaden im Erdgeschoss verursacht habe. Es wurde festgestellt, dass im Erdgeschoss die Bodenbeläge (Fliesen im Flur, Laminat im Wohnzimmer) noch nicht verlegt und beide Bäder noch nicht saniert waren.

     

    Der VR hält sich unter anderem wegen des Leistungsausschlusses aus § 6 Nr. 3 a VGB 2003 für leistungsfrei. Das LG hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, das Haus sei bei Eintritt des Leitungswasserschadens infolge der ausstehenden Arbeiten noch nicht bezugsfertig gewesen. Auf Hinweis des Berufungsgerichts hat der VN eine „Rechnung“ des Bauunternehmens über 15.000 EUR eingereicht und vorgetragen, die darin enthaltene Aufstellung von Arbeiten (im Wesentlichen die komplette Sanierung zweier Bäder, Verlegung von Laminat in allen Räumen sowie Entfernung der Tapeten von allen Wänden) entspreche dem, was im versicherten Hause an Arbeiten angefallen sei. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des VN führte zur Zulassung der Revision unter gleichzeitiger Aufhebung des angefochtenen Urteils.

     

    Der BGH begründet seine Entscheidung mit einer Auslegung der Risikoausschlussklausel. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Vorliegend bedeutet dies:

     

    • Das Interesse des VN geht bei Risikoausschlussklauseln in der Regel dahin, diese eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert.

     

    • Der durchschnittliche VN braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Der VN, dem die Entstehungsgeschichte einer Klausel in der Regel nicht bekannt ist, wird zunächst von ihrem Wortlaut ausgehen. Bezugsfertig ist ein Wohngebäude nach dem normalen Sprachgebrauch, wenn es so weit fertiggestellt ist, dass es bestimmungsgemäß von Menschen bezogen und auf Dauer bewohnt werden kann. Mit dem Wortteil „fertig“ ist dabei die bauliche Fertigstellung besonders angesprochen. Der Wortlaut, welcher den Versicherungsschutz einschränkt, „solange das versicherte Gebäude noch nicht bezugsfertig oder wegen Umbauarbeiten für seinen Zweck nicht mehr benutzbar ist“, verdeutlicht dem VN mit dieser Gegenüberstellung, dass mit der ersten Variante (Bezugsfertigkeit) lediglich die bis zur Neuerrichtung des Gebäudes ausstehende Nutzbarkeit angesprochen ist. Demgegenüber sollen die nachfolgenden Einschränkungen der zweckentsprechenden Nutzung den Versicherungsschutz lediglich unter den Voraussetzungen der zweiten Variante (Umbauarbeiten) entfallen lassen.

     

    • Daraus ergibt sich weiter, dass der durchschnittliche VN „Umbauarbeiten“ im Hinblick auf die Nutzungseinschränkung ähnliches Gewicht beimessen wird, wie einer während der Neuerrichtung eines Gebäudes noch ausstehenden Bezugsfertigkeit. Der VN wird nach seinem Interesse die Voraussetzung „Umbauarbeiten“ dahin verstehen, dass nicht jede vorübergehende Nutzungseinschränkung - etwa auch durch Renovierungsarbeiten - als Umbau im Sinne des Leistungsausschlusses anzusehen ist. Er wird vielmehr davon ausgehen, dass es sich bei einem Umbau um eine tiefgreifende Umgestaltung des versicherten Gebäudes handeln muss. Diese muss in ihrer Qualität Ähnlichkeiten mit der Neuerrichtung aufweisen. Sie muss mithin so weit in die Gebäudesubstanz eingreifen, dass das Gebäude insgesamt für seine ursprüngliche Bestimmung nicht mehr nutzbar erscheint.

     

    Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht die Substanziierungsanforderungen offenkundig überspannt. Dadurch hat es versäumt, den entscheidungserheblichen Sachvortrag des VN zur Kenntnis zu nehmen. Im Ansatz zutreffend hat es angenommen, der VR trage die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Risikoausschlussklausel. Es hat den VR jedoch von dieser Darlegungslast ohne ausreichenden Anlass zugunsten einer sekundären Darlegungslast des VN entbunden und dabei zugleich deren Anforderungen überspannt. Zwar trifft es zu, dass eine an sich darlegungs- und beweisbegünstigte Partei ein lediglich pauschales Vorbringen des darlegungsbelasteten Gegners substanziiert bestreiten muss, wenn Letzterer außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen daher nicht kennen kann, während die andere Partei sie kennt und ihr ergänzende Angaben auch zuzumuten sind. Diese Voraussetzungen waren indes im Streitfall nicht erfüllt.

     

    Praxishinweis

    Der Beschluss enthält wichtige Ausführungen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der gegebenen Konstellation. Die weitere Darlegungslast zu Art und Umfang der Arbeiten durfte nicht dem VN aufgebürdet werden:

     

    • Eine sekundäre Darlegungslast kommt nur in Betracht, wenn der betroffenen Partei die Darlegung näherer Umstände zuzumuten ist.
    • Diese Zumutbarkeit setzt stets besondere Anknüpfungspunkte voraus, an denen es hier fehlte.

     

    Deshalb würde eine postulierte sekundäre Darlegungslast im Ergebnis dazu führen, dass der VR Negativtatsachen (nämlich die Nichtvornahme von 
Arbeiten) darlegen sollte, denen die Qualität von Umbaumaßnahmen zugekommen wäre. Das war ihm schon deshalb nicht zuzumuten, weil im Hinweisbeschluss der rechtliche Maßstab für Umbaumaßnahmen noch nicht ausreichend vorgegeben war. Auch konnte der VN auch dem Vortrag des VR keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, zu welchen Arbeiten er hätte Stellung nehmen sollen. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt aber auch voraus, dass eine Partei bei Anwendung der von ihr zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Es kommt deshalb im Ergebnis der Verhinderung ihres Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis überspannte Anforderungen an den Sachvortrag stellt.

     

    Die entsprechende Vorschrift in A § 3 Nr. 4 b) VGB 2008/2010 erfasst nur Rohbauten, also Gebäude, die noch nicht bezugsfertig sind. Der Sinn der Klausel besteht darin, das unverhältnismäßig hohe Risiko von Leitungswasserschäden in nicht bezugsfertigen Gebäuden auszuschließen. Nicht gleichzusetzen ist die fehlende Bezugsfertigkeit mit dem Leerstand von Gebäuden. In diesem Fall greifen die Sicherheitsvorschriften als besondere Obliegenheiten des VN ein (z.B. A §16 VGB 2008/2010; § 19 Nr. 4 b, 20 Nr. 1 c VGB 2003).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zum Kausalitätsnachweis bei einem Leitungswasserschaden, wenn der VN den VR gewechselt hat: OLG Celle, VK 13, 51
    • Zu den Anforderungen an die Substanziierungslast des VN, wenn der Wasserschaden unstreitig ist und bereits eine Teilregulierung erfolgte: OLG Hamm VK 12, 104
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 194 | ID 42364221