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  • · Fachbeitrag · Leitungswasserschaden

    Kausalitätsnachweis bei Leitungswasserschaden und Versichererwechsel

    von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln

    • 1. Kann ein VN, der seinen Wohngebäudeversicherer gewechselt hat, nicht im Sinne von § 286 ZPO nachweisen, zu welcher Zeit ein Leitungswasserschaden eingetreten ist, sodass nicht geklärt werden kann, welcher der VR einzustehen hat, geht diese Unklarheit zulasten des VN.
    • 2. Die Beweisnot des VN kann weder prozessrechtlich noch materiell-rechtlich überwunden werden.

    (OLG Celle 10.5.12, 8 U 213/11, Abruf-Nr. 121748)

    Sachverhalt

    Der VN macht Versicherungsleistungen wegen eines Leitungswasserschadens geltend. Er unterhielt bis zum 30.6.03 eine Wohngebäudeversicherung bei der Streithelferin, ab dem 1.7.03 beim VR. Am 24.7.04 stellte er in der Küche Durchfeuchtungen fest. Ursache war eine Leckage an der Kaltwasseranschlussleitung des Geschirrspülers. Der vom VR beauftragte Gutachter meinte, es könne „aufgrund des Schadenbilds zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass der Schaden ursächlich bereits vor Beginn des aktuellen Versicherungsvertrags entstanden sein muss“. Demgegenüber heißt es in dem von der Streithelferin veranlassten Gutachten: „Der Schadenverlauf und der Schadenumfang verweisen eindeutig darauf, dass der Schaden maximal nur wenige Monate, vielleicht sogar nur einige Wochen vor Schadenfeststellung eingetreten ist.“ Ein vom VN beantragtes selbstständiges Beweisverfahren sowie weitere Gutachten konnten die Frage nach dem Entstehungszeitpunkt der Leckage nicht beantworten. Nach Ansicht des VR hat der VN den erforderlichen Vollbeweis für einen Versicherungsfall nicht erbracht. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des VN hatte keinen Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Das angefochtene Urteil trifft zu. Insbesondere sind die Ausführungen zu § 286 ZPO nicht zu beanstanden. Folge ist, dass nach wie vor der VN das Vorliegen eines Versicherungsfalls nicht bewiesen hat.

     

    Die Beweisnot des VN kann weder prozessrechtlich noch materiell-rechtlich überwunden werden. Das Urteil des LG genügt der Darlegungspflicht nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO. Dass der VN den Schaden erst ein Jahr nach Beginn des Versicherungsverhältnisses mit dem VR bemerkt hatte, spricht für sich genommen dafür, dass die Leckage erst während des Bestands des Versicherungsverhältnisses mit dem VR aufgetreten ist. Nach den Erkenntnissen aus dem selbstständigen Beweisverfahren ist es aber nicht möglich, sich eine ausreichende Gewissheit davon zu verschaffen, ob die Leckage vor oder nach dem 1.7.03 eingetreten war. Ursache der Leckage war Lochfraß und damit ein progredient verlaufender Vorgang. Daher gibt der Umstand, dass zuletzt etwa 70 Liter pro Tag an Wasser ausgetreten sein sollen, nichts dafür her, wie viel Wasser Wochen oder Monate vorher ausgetreten war.

     

    Für den VN streitet auch kein Anscheinsbeweis. Dieser greift nur bei typischen Geschehensabläufen ein. In einer solchen Weise ausreichend typisch ist aber nur, dass Lochfraß früher oder später zu Wasseraustritt führt und dieser Verlauf dann auch progredient ist. Es gibt aber keine Typizität hinsichtlich der Frage, in welcher Art und Weise konkret sich ein solcher Verlauf gestaltet. Die Austrittsmenge steht aber, und daran krankt der Vortrag des VN, nur für den Zeitpunkt des Entdeckens der Leckage fest. Wie groß sie vorher war, ist unbekannt und einem Anscheinsbeweis nicht zugänglich.

     

    Der Indizienbeweis beinhaltet für sich genommen keine Erleichterungen an die Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO. Auch mittelbare Tatsachen können geeignet sein, den Beweis zu führen. Sie müssen nur geeignet sein, logische Rückschlüsse auf den unmittelbaren Beweistatbestand zu ziehen. Das LG hat die im Sinne des VN streitenden Indizien gewürdigt. Daran, dass eine ausreichende Überzeugung aber nicht gewonnen werden kann, ändert dies nichts.

     

    Auch das materielle Recht bietet aus Sicht des VN keinen Lösungsansatz. VR und Streithelferin haften nur alternativ. Steht die Haftung eines der beiden VR fest, scheidet die des anderen aus. Lässt sich wie hier die Haftung eines VR nicht mit der nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Sicherheit bejahen, bedeutet dies nicht, dass im Umkehrschluss der andere VR haften würde. Vielmehr trägt der VN das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts.

     

    Praxishinweis

    Das Gericht prüft, ob § 830 BGB dem VN helfen kann. Der Ersatzanspruch eines Geschädigten soll nicht daran scheitern, dass nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, welcher von mehreren „Beteiligten“ der „eigentliche“ Verantwortliche ist. Verallgemeinerungsfähig ist diese Vorschrift aus dem Deliktsrecht, die für Fälle alternativer Kausalität bzw. auch zur Behebung von Anteilszweifeln gilt (BGH NJW 94, 932, 934), gerade nicht. Die beiden VR hatten keinerlei Kontrollmöglichkeit, was die schadhafte Leitung angeht. Beweisnot rechtfertigt für sich genommen noch keine Beweiserleichterung.

     

    Eine Erleichterung eines vom Geschädigten zu erbringenden Nachweises findet sich auch in § 252 S. 2 BGB. Eine generelle Absenkung des Beweismaßes für den Nachweis der Kausalität ist aber auch aus dieser Spezialregelung nicht zu folgern, zumal die Beweiserleichterung nur den Anwendungsbereich von § 287 ZPO betrifft. Auch Rechtsgrundsätze der Produkthaftung, insbesondere nach ausländischem Recht („market share liability“ „pollution share liability“) können auf das deutsche Versicherungsrecht nicht übertragen werden.

     

    Das Ergebnis ist für den VN unbefriedigend. Er kann nur beim Wechsel des Wohngebäude-VR Beweise sichern oder eine Risikoübernahmeklausel (gegen Risikozuschlag) vereinbaren. Die Entscheidung hilft aber ggf. in anderen Fällen weiter, in denen einer der angeprüften Punkte greift. Die Entscheidung des OLG Celle kann insofern als Checkliste dienen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Leitungswasserschaden: Diese Anforderungen sind an die Substanziierungslast zu stellen: OLG Hamm VK 12, 104
    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 51 | ID 38157230