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  • · Fachbeitrag · Leitungswasserversicherung

    Vorsicht Deckungslücke: Nicht in allen Wasserrohren ist versichertes Leitungswasser

    von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln

    • 1.In der Leitungswasserversicherung können in einem Gebäude zwei Wasserversorgungssysteme - eines für Wasser der öffentlichen Wasserversorgung und eines für Grundwasser - bestehen.
    • 2.Rohre der Wasserversorgung sind nur solche, die im Zeitpunkt des Wasseraustritts der Heranführung oder Ableitung von Wasser dienen. Verbliebene Rohre der früheren Wasserversorgung mit Grundwasser, die mit dem das Wasser aus der öffentlichen Versorgung führenden Rohren nicht (mehr) verbunden sind, sind nicht (mehr) solche der Wasserversorgung. Bei aus ihnen heraustretendem Wasser handelt es sich nicht um Leitungswasser.

    (OLG Hamm 1.6.12, 20 U 107/12, Abruf-Nr. 123603)

     

    Sachverhalt

    Der VN macht Ansprüche auf Entschädigung wegen Wasserschadens in 
einem Kellerraum des angemieteten Wohnhauses aus der zwischen den 
Parteien bestehenden Hausratversicherung geltend. In früherer Zeit war das Wohngebäude über einen Brunnen mit Grundwasser versorgt worden. Nach Anschluss des Gebäudes an die öffentliche Wasserversorgung wurde kein Brunnenwasser mehr genutzt.

     

    Ein vom Brunnen in den Keller führendes Rohr blieb vorhanden, hatte jedoch keine Verbindung mehr zum Wasserversorgungssystem des Hauses. Am 26.08.10 trat aufgrund einer Undichtigkeit an dem Rohrendstück Wasser aus.

     

    Das LG hat die Klage abgewiesen, weil es sich bei dem von dem Brunnen in den Kellerraum führenden Rohr um kein Zu- oder Ableitungsrohr der Wasserversorgung gehandelt habe. Es sei mit dem Wasserversorgungssystem des Hauses nicht verbunden gewesen. Bei dem ausgetretenen Wasser handele es sich demnach auch um kein Leitungswasser. Hiergegen richtet sich die Berufung des VN. Er macht geltend, dass es nicht entscheidend sei, dass das fragliche Zuleitungsrohr nicht in Betrieb gewesen sei und nicht der aktiven Wasserversorgung gedient habe. Die Aktivität der Versorgungsleitung sei nicht Voraussetzung für das Vorliegen eines Versicherungsfalls. Nach dem erkennbaren Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen sei Gegenstand einer Leitungswasserversicherung jedes wasserführende Rohr im Gebäude.

     

    Entscheidungsgründe

    In seinem Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO macht das OLG deutlich, dass das LG die Klage zutreffend abgewiesen hat. In dem Wasseraustritt aus dem Brunnenwasser führenden, nicht mit dem Wasserversorgungssystem verbundenen Rohrendstück liegt kein versicherter Leitungswasserschaden.

     

    Nach § 3 der hier zunächst vereinbarten VHB 92 Fassung Januar 1995 bzw. nach § 1 AHR 2004 werden versicherte Sachen entschädigt, die durch Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden. Leitungswasser ist nach § 7 Nr. 1 VHB 92 bzw. AHR 2004 - soweit hier von Bedeutung - nach lit a Wasser, das aus Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung oder damit verbundenen Schläuchen oder dass nach lit b aus mit den Rohren der Wasserversorgung verbundenen Einrichtungen oder aus deren wasserführenden Teilen bestimmungswidrig ausgetreten ist.

     

    Ein Leitungswasserschaden nach § 7 Nr. 1 lit a VHB 92 bzw. AHR 2004 liegt nicht vor, weil das Brunnenwasser führende Rohrendstück kein Zu- oder Ableitungsrohr der Wasserversorgung bildete.

     

    • Zwar lässt es der Bedingungswortlaut zu, dass in einem Gebäude zwei versicherte Wasserversorgungssysteme - eines für Wasser der öffentlichen Wasserversorgung und eines für Grundwasser - bestehen.

     

    • Hier erfolgte die Wasserversorgung zum Zeitpunkt des Schadenfalls allein über das öffentliche Leitungsnetz. Die früher zur Wasserversorgung mit Grundwasser genutzten Rohre waren auch weiterhin vorhanden. Mittels dieser Rohre wurde zum Vorfallszeitpunkt jedoch kein Wasser mehr zur Wasserversorgung zu- noch abgeleitet. Damit hatte das früher Brunnenwasser heranführende Rohrsystem seine Funktion, der Wasserversorgung zu dienen, verloren.

     

    • Das undicht gewordene Rohrendstück war damit keine Zuleitung der Wasserversorgung mehr, sondern lediglich ein Rohr, das mit Wasser gefüllt war.

     

    Ein Leitungswasserschaden liegt auch nicht nach § 7 Nr. 1 lit b VHB 92 bzw. AHR 2004 vor. Denn dann müsste es sich bei dem Brunnenwasser führenden Rohrendstück um eine mit den Rohren der Wasserversorgung verbundene Einrichtung handeln.

     

    • Mit diesen hat jedoch gerade keine Verbindung bestanden, weil diese das Vorliegen einer Maßnahme, die einen planmäßigen Wasserlauf zwischen den Einrichtungen und den Rohren gewährleistet, erfordert. Hieran fehlt es, weil das Brunnenwasser führende Rohrendstück mit den Wasserversorgungsrohren des Hauses zum maßgeblichen Zeitpunkt des Versicherungsfalls nicht mehr verbunden war.

     

    • Dem Umstand, dass das fragliche Rohrendstück früher Teil der Wasserversorgung mittels Brunnenwassers gewesen ist, kommt keine Bedeutung zu. Der Bedingungswortlaut lässt keinen Zweifel daran zu, dass die Zerstörung oder Beschädigung von versicherten Sachen nur dann einen Versicherungsfall darstellt, wenn diese „durch Leitungswasser“ erfolgt. Leitungswasser kann jedoch bedingungsgemäß nur solches sein, welches zum Vorfallszeitpunkt aus einem Rohr der Wasserversorgung austritt.

     

    Praxishinweis

    Die Entschädigungspflicht hängt von der Definition des Leitungswassers im Sinne der AVB ab. In § 4 VHB 2010 (Vorgängerregelung § 7 VHB 2000) wird unter der Überschrift „Leitungswasser“ unterschieden zwischen Bruchschäden, Nässeschäden und nicht versicherten Schäden. Bruchschäden werden aufgeteilt in frostbedingte und sonstige Bruchschäden an Rohren sowie frostbedingten Bruchschäden an näher bezeichneten Installationen. Solche Bruchschäden werden erfasst an Rohren der Wasserversorgung. Gemeint sind Zu- und Ableitungsrohre. Diese sind nicht auf die öffentliche Wasserversorgung beschränkt (OLG Karlsruhe VersR 04, 467).

     

    Die Hinweis des OLG zeigt, dass in der Hausratversicherung längst nicht jeder Wasserschaden versichert ist. Daher sollten schon bei Abschluss einer Versicherung die Besonderheiten des betreffenden Hauses berücksichtigt werden. Eventuell müssen Sondervereinbarungen getroffen werden. Anlehnen kann man sich dabei an der bisherigen Rechtsprechung.

     

    Rechtsprechungsübersicht / Leitungswasserschäden

     

    • Rohre der Warmwasser- oder Dampfheizung, sowie Klima-, Wärmepumpen- oder Solarheizungsanlagen sind versichert (§ 4 Nr. 1 a) bb) VHB 2010). Bei den sog. Installationen sind nur frostbedingte Bruchschäden erfasst. Ausdrücklich sind versichert Heizkörper, Heizkessel und Boiler. Vom Deckungsschutz ausgenommen sind Rohre und Installationen unterhalb der Bodenplatte.

     

    • In § 4 VHB 2010 sind Nässeschäden definiert. Der VR leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden. Bei der Bestimmung kommt es nicht auf die Bestimmung der technischen Einrichtung an, sondern auf die subjektive und wirtschaftliche Bestimmung aus der Sicht des VN (BGH r+s 05, 64). Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) nebst verbundenen Schläuchen, den Einrichtungen nach näherer Maßgabe ausgetreten sein.

     

    • Nicht versichert sind insbesondere durch Plansch- oder Reinigungswasser verursachte Schäden. Wichtig für die Praxis ist der Ausschluss von Schäden durch Grundwasser, stehendes oder fließendes Gewässer, Überschwemmung (BGH VersR 05, 828 z. Wohngeb.) oder Witterungsniederschläge und Rückstau nach näherer Bestimmung (OLG Köln r+s 06, 376).

     

    • Bei Wasser, das bestimmungswidrig aus der Kondensatwasserablaufleitung einer mit einem sog. Brennwertgerät betriebenen Heizungsanlage ausgetreten ist, handelt es sich um Leitungswasser i.S.v. § 6 Nr. 1 c) VGB 88 (KG VK 07, 179).
     

    Weiterführender Hinweis

    • Anforderungen an die Substanziierungslast zum Schadensumfang bei einem Leitungswasserschaden: OLG Hamm VK 12, 104
    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 83 | ID 39183090