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  • · Fachbeitrag · Kfz-Kaskoversicherung

    Leistungskürzung bei Kfz-Diebstahl durch grob fahrlässiges Verwahren von Fahrzeugschlüsseln

    von VRiOLG a.D. Hellmut Münstermann, Aachen

    Bei Verwahrung von Fahrzeugschlüsseln in einem Korb während der Nachtschicht in einem nicht abschließbaren Aufenthaltsraum eines Seniorenheims ist bei Diebstahl des Fahrzeugs eine Leistungskürzung von 50 Prozent gerechtfertigt, wenn die Möglichkeit einer sicheren Aufbewahrung bestanden hätte (OLG Koblenz 14.5.12, 10 U 1292/11, Abruf-Nr. 122770).

    Sachverhalt

    Die VN nimmt den VR aus der Teil-Kaskoversicherung wegen des Diebstahls ihres Pkw auf restliche Entschädigung in Anspruch. Die VN hatte die Fahrzeugschlüssel mit weiteren Gegenständen in einen Korb gelegt, den sie während ihrer Nachtschicht in einem Seniorenheim in einem nicht abgeschlossenen Aufenthaltsraum aufbewahrte. Der VR hat sich auf grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls berufen. Das LG hat der VN noch 74,11 EUR nebst Zinsen aus 3.404,11 EUR zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das OLG hat gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss vom 14.5.12 darauf hingewiesen, dass die Berufung der VN offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe und das Rechtsmittel durch weiteren Beschluss vom 9.7.12 zurückgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LG hat zu Recht geurteilt, dass der VR verpflichtet ist, an die VN wegen des Diebstahls ihres Fahrzeugs 50 Prozent des daraus entstandenen Schadens zu zahlen. Die Kürzung von 50 Prozent ist gemäß A.2.16.1 S. 2 AKB 2008 nach den Gesamtumständen gerechtfertigt. Die VN hat den Diebstahl ihres Fahrzeugs grob fahrlässig dadurch herbeigeführt, indem sie die Fahrzeugschlüssel in einem Korb in dem nicht abgeschlossenen Aufenthaltsraum aufbewahrte, obwohl ihr ein abschließbarer Spind und ein abschließbarer Raum zur Aufbewahrung zur Verfügung standen.

     

    Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entfällt entgegen dem Vorbringen der VN nicht dadurch, dass sich der Diebstahl zwischen 20.50 Uhr und 21.20 Uhr ereignet haben müsse und die VN davon habe ausgehen können, dass sich um 20.50 Uhr kein Fremder mehr im Haus befinde. Nach Anweisung der Heimleitung habe eine Kollegin die Eingangstüre zwischen 20.50 Uhr und 21 Uhr abschließen sollen. Dies begründe das gleiche Ergebnis wie das Einschließen in einem Spind.

     

    Die VN verkennt, dass immer damit zu rechnen ist, dass Personen das Haus während der Öffnungszeiten betreten und Besuchern von Heimbewohnern sogar gestattet ist, sich auch außerhalb von „Besuchszeiten“ im Haus aufzuhalten. Es ist grob fahrlässig, Fahrzeugschlüssel für jeden zugänglich aufzubewahren, wenn zumutbare Verschlussmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Das gilt insbesondere hier, da die VN ihren abschließbaren Spind aufsuchte, um ihre Arbeitskleidung anzulegen, den Spind aber nicht dazu benutzte, ihre Wertsachen darin einzuschließen. Da die VN nicht wusste, ob die Eingangstüre pünktlich um 21 Uhr abgeschlossen war, konnte sie nicht darauf vertrauen, dass sich ab 21 Uhr kein Fremder mehr in dem Seniorenheim aufhielt.

     

    Praxishinweis

    Das OLG hat die Art und Weise, wie die VN ihre Fahrzeugschlüssel verwahrt hat, als grob fahrlässig angesehen. Dagegen ist nichts zu erinnern, zumal die VN hierfür ihren abschließbaren Spind nicht benutzt hat.

     

    Die Kausalität des grob fahrlässigen Handelns der VN für den Diebstahl ihres Fahrzeugs unterlag im Besprechungsfall wohl keinem Zweifel (Schlüssel weg, Auto weg). Das ist jedoch nicht immer so einfach. Der Anwalt des VN sollte darauf achten, dass der VR die Beweislast dafür trägt, dass der Versicherungsfall aufgrund des grob fahrlässigen Handelns des VN eingetreten ist. Das heißt, das Fahrzeug muss nachweislich mit dem gestohlenen Schlüssel wegbewegt worden sein.

     

    • Der Nachweis ist für den VR mitunter schwierig. Zeugen des Tatgeschehens sind meist nicht vorhanden. Die Fälle, in denen das gestohlene Fahrzeug mit Schlüssel später wieder aufgefunden wird oder der Täter gefasst wird und ein Geständnis ablegt, sind eher selten. Es besteht z.B. die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass das Fahrzeug gestohlen worden ist, ohne dass der gestohlene Schlüssel hierfür benutzt worden ist. Wer sagt, dass es ausgeschlossen ist, dass das Fahrzeug nach Aufbrechen und Kurzschließen oder durch Aufladen auf ein anderes Fahrzeug fortbewegt worden ist, falls die Voraussetzungen hierfür nicht ausgeschlossen sind?

     

    • Zu beachten ist jedoch, dass für den Kausalitätsnachweis der Anscheinsbeweis zugelassen ist. Dies kann je nach Sachlage dem VR zugutekommen.

     

    Die im Besprechungsfall vorgenommene Kürzung der Leistung des VR in Höhe von 50 Prozent erscheint angemessen. Dies sollte allerdings nicht für jeden Fall des grob fahrlässigen Verwahrens von Fahrzeugschlüsseln gelten. Feste Quoten für bestimmte - objektive - Sachverhalte halte ich für bedenklich. Die Leistungskürzung ist nach § 81 Abs. 2 VVG „in einem der Schwere des Verschuldens des VN entsprechenden Verhältnis“ vorzunehmen. Das heißt, nach dem individuellen Verschulden des VN im Einzelfall, sodass die Quote auch bei gleichem objektiven Sachverhalt unterschiedlich sein kann.

     

    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass viele VR auf den Einwand grober Fahrlässigkeit verzichtet haben. Dann kommt auch eine Kürzung nach § 81 Abs. 2 VVG nicht in Frage. Allerdings enthält der Verzicht wichtige Ausnahmen. Er gilt nicht, wenn der Versicherungsfall durch Alkohol oder Drogen herbeigeführt oder die Entwendung des Fahrzeugs grob fahrlässig ermöglicht worden ist. Im Besprechungsfall kam ein Verzicht mithin nicht in Betracht.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Leistungskürzung, wenn Fahrzeugschlüssel an stark alkoholisierten Fahrer überlassen wird: LG Bonn VK 10, 131
    Quelle: Ausgabe 01 / 2013 | Seite 13 | ID 36977120