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  • · Fachbeitrag · Vermögensschadenhaftpflichtversicherung

    Wann sind berufsfremde Tätigkeiten des Anwalts in der Berufshaftpflichtversicherung mitversichert?

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    | Ob eine berufsfremde Tätigkeit eine versicherte berufliche Tätigkeit im Sinne des § 1 AVB-A ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Dabei müssen einerseits die im Versicherungsvertrag getroffenen Vereinbarungen und andererseits die konkret vom Rechtsanwalt übernommenen Aufgaben berücksichtigt werden. So hat es der BGH entschieden. |

     

    Sachverhalt

    Der VN, ein Rechtsanwalt und Notar, hatte für einen Investmentfonds die Auszahlung von Geldmitteln aus Bautätigkeit überprüft und die Beträge auszahlen lassen. Dabei waren ihm angeblich Fehler unterlaufen. Er wurde daher von Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Deshalb verlangte er von seinem Haftpflicht-VR Deckungsschutz. Versichert waren Verstöße bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit (als RA und Notar). In den ebenfalls vereinbarten BBR waren verschiedene Tätigkeiten als mitversichert bezeichnet, die oft von Rechtsanwälten durchgeführt werden, deren Zugehörigkeit zur „eigentlichen“ anwaltlichen Tätigkeit aber zweifelhaft sein kann (z. B. als Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker, Vormund, Schiedsrichter, Mediator). Die Tätigkeit als Mittelverwendungskontrolleur war dabei nicht erwähnt.

     

    Der VR hat Deckung abgelehnt. Es liege keine anwaltliche Tätigkeit vor, die Mittelverwendungskontrolle sei nicht mitversichert. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Diese ist gem. § 552a S. 1 ZPO zurückgewiesen worden.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH stellt sowohl im Hinweis- als auch im Zurückweisungsbeschluss klar, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen (23.9.15 bzw. 4.1.16, IV ZR 484/14, Abruf-Nr. 183217 bzw. 183206). Das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a S. 1 ZPO). Einer Rechtssache kommt nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zu, weil die Entscheidung von der Auslegung einer Klausel in AVB abhängt. Erforderlich ist zudem, dass deren Auslegung über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (BGH VersR 09, 1106). Die Rechtssache muss damit eine Rechtsfrage als im konkreten Fall entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwerfen. Dadurch muss das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt werden (BGHZ 154, 288, 29; 152, 181, 190). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie vom BGH bisher nicht entschieden ist und von einigen OLG unterschiedlich beantwortet wird oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen dazu vertreten werden (BGH VersR 04, 225; NJW-RR 10, 1047).

     

    Danach ist hier keine grundsätzliche Bedeutung gegeben. Es kann nämlich nur im Einzelfall beurteilt werden, ob eine versicherte berufliche Tätigkeit im Sinne des § 1 AVB-A vorliegt. Dabei sind die im Versicherungsvertrag getroffenen Vereinbarungen und die konkret vom Rechtsanwalt im Mittelverwendungskontrollvertrag übernommenen Aufgaben zu berücksichtigen.

     

    • Ob die Tätigkeit als Mittelverwendungskontrolleur vom Versicherungsschutz erfasst wird, muss ermittelt werden, indem die vereinbarten Vertragsbedingungen ausgelegt werden. Ein RA und Notar als VN einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte (und Notare) erkennt zunächst, dass der Begriff der versicherten beruflichen Tätigkeit in § 1 AVB-A 2002 weit gefasst ist. Er erkennt aber auch, dass das zunächst weit gefasste Leistungsversprechen des § 1 AVB-A 2002 durch die Regelungen der BBR eingegrenzt wird. Diese füllen den weiten Begriff der beruflichen Tätigkeit aus. Zugleich konkretisieren sie damit das Leistungsversprechen und grenzen es ein. Der durchschnittliche VN kann daher erst der Aufzählung in den BBR entnehmen, welche seiner beruflichen Tätigkeiten dem versprochenen Versicherungsschutz konkret unterfallen.

     

    • Dabei handelt es sich bei dem in den BBR verwendeten Begriff der „freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt“ für den VN erkennbar nicht um eine weite Definition anwaltlicher Tätigkeit.

     

      • Das erschließt sich dem VN daraus, dass die BBR als mitversichert eine Reihe von Tätigkeiten katalogartig aufzählen. Diese gehen häufig mit anwaltlicher Tätigkeit einher, mittlerweile können sie möglicherweise sogar zum gewandelten Berufsbild des Rechtsanwalts in einem weiteren Sinne gezählt werden (vgl. dazu Saenger/Scheuch, AnwBl. 12, 497, 499). Deshalb bedürfen sie bei einem weiten Verständnis des Begriffes „Tätigkeit als Rechtsanwalt“ keiner gesonderten Erwähnung.

     

      • Der Systematik der BBR kann der durchschnittliche VN indes entnehmen, dass die gemäß Nr. 1 BBR versicherte freiberufliche „Tätigkeit als Rechtsanwalt“ allein die von unabhängiger Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägte „klassische“ Tätigkeit des Rechtsanwalts meint, wie sie auch in § 3 BRAO beschrieben ist. Darin bestärkt den VN auch die Formulierung der „Tätigkeit als Rechtsanwalt“ (anstelle von „Tätigkeit des Rechtsanwalts“). Damit bringt die BBR im Kontext mit der Gegenüberstellung des - abgeschlossenen (vgl. Nr. 5 BBR) - Katalogs anderweitiger, mitversicherter Tätigkeiten ebenfalls zum Ausdruck, dass Nr. 1 BBR nur die Kerntätigkeit des Rechtsanwaltsberufs meint.

     

    • Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, der Kläger habe als Mittelverwendungskontrolleur weder eine Tätigkeit „als Rechtsanwalt“ noch eine der in Nr. 2 ff. BVRR gesondert genannten mitversicherten Tätigkeiten ausgeübt. Er war dabei weder mit Rechtsberatung noch mit Rechtsvertretung befasst. Soweit geltend gemacht wird, eine versicherte Tätigkeit i.S. des § 1 AVB-A 2002 liege immer schon vor, wenn sich der Anwalt im Bereich zulässig ausgeübter beruflicher Tätigkeit bewege, findet dies hier in den Versicherungsbedingungen keine Stütze.

     

    • Auch aus der Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 S. 1 BRAO und dem Sinn der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und Notare folgt kein anderes Ergebnis. Zwar dient es dem Schutz des rechtssuchenden Publikums, dass der Anwalt eine Berufshaftpflichtversicherung unterhalten muss (BGH VersR 11, 1257). Dies bedeutet aber für die Auslegung des Leistungsversprechens nicht, dass das Vertrauen des Mandanten gegenüber dem Rechtsanwalt maßgeblich den Umfang der Deckungspflicht beeinflusst. Die Revision übersieht, dass sowohl § 1 AVB-A 2002, als auch die BBR das Leistungsversprechen an die konkrete Tätigkeit des Rechtsanwalts und nicht allein an dessen Status knüpfen. Nimmt ein Mandant eine berufsfremde Tätigkeit des Rechtsanwalts in Anspruch, kann er nicht auf dessen Versicherungsschutz vertrauen, nur weil er ihm aufgrund seiner beruflichen Stellung Vertrauen entgegenbringt.

     

    Bedeutung für die Praxis

    Wieder einmal war der BGH mit der Frage des Deckungsumfangs einer Haftpflichtversicherung für Anwälte und Notare befasst. Er bestätigt, dass die in den Bedingungen und den BBR genannte berufliche Tätigkeit als RA eng im Sinne der klassischen Tätigkeit eines Anwalts zu verstehen ist. Versicherungsschutz für darüber hinausgehende Tätigkeiten kann sich nur aus den jeweils vereinbarten Besonderen Bedingungen ergeben.

     

    Beachten Sie | Sollte die tatsächlich ausgeübte oder genauer, auszuüben geplante Tätigkeit, wie hier die Tätigkeit als Mittelverwendungskontrolleur, in den BBR nicht aufgezählt sein, sollten Sie dies dringend mit dem eigenen VR vorab abklären und ggf. den Versicherungsschutz vertraglich erweitern.

     

    Von Interesse sind auch die Ausführungen des BGH zur Grundsatzbedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung belegt, wie schwierig der vom Rechtsmittelführer zu erbringende Beweis ist, dass eine Frage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies hat für zugelassene Revisionen zwar nur Bedeutung dafür, in welcher Form (Urteil oder Beschluss) zu entscheiden ist. Für Nichtzulassungsbeschwerden ist die Frage aber existenziell. Anders als bei zugelassenen Revisionen (§ 552a S. 1 ZPO) muss die Frage, ob das Urteil sachlich zutreffend ist, erst gar nicht geprüft werden, wenn es schon an den Zulassungsvoraussetzungen fehlt.

     

    Beachten Sie | Der BGH hält mit seiner Begründung allerdings etwas unter der Decke, dass die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage nicht immer davon abhängt, ob die Rechtsfrage in Rechtsprechung oder Literatur umstritten ist. Entscheidend ist letztlich, ob die Antwort auf die Rechtsfrage zweifelhaft ist, und ob das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt wird (BVerfG WM 13, 15). Dies kann im Einzelfall auch möglich sein, wenn sich bislang noch keine Meinung gebildet hat, weil die Frage bislang keine Rolle gespielt hat oder übersehen worden ist.

     

    Im Streitfall war das aber unerheblich, weil die Antwort auf die Frage weder zweifelhaft noch als Einzelfallfrage für die Allgemeinheit von Interesse ist.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 74 | ID 44018670