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  • · Haftpflichtversicherung

    Benzinklausel: Brandschäden beim Betanken aus Benzinkanistern in einer Tiefgarage

    Bild: © Kzenon - stock.adobe.com

    | Schäden beim Betankungsvorgang sind nur dann beim Betrieb eines Fahrzeugs eingetreten, wenn sich bei der Schadensentstehung die von dem Kraftfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr realisiert hat. Das ist die Kernaussage eines Rechtsstreits vor dem OLG Dresden. |

    1. Stichflamme verursacht Schäden in Tiefgarage

    Ein Autofahrer hatte versucht, sein Fahrzeug in einer Tiefgarage mit Benzin aus einem Plastikkanister zu betanken. Nachdem er Tankdeckel und Benzinkanister geöffnet hatte, um den Kraftstoff einzufüllen, wurde der Benzinkanister durch eine Stichflamme in Brand gesetzt. Das führte zu erheblichen, vor allem Verrußungsschäden in der Tiefgarage.

     

    Der Gebäude-VR nimmt den Autofahrer und dessen Kfz-Haftpflicht-VR in Anspruch. Er beruft sich darauf, dass der Brand „beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG entstanden sei. Der Brand habe in unmittelbarem Zusammenhang mit dem (geplanten) Betankungsvorgang gestanden. Der Kfz-Haftpflicht-VR hält dem entgegen, dass der Brand noch vor dem Betanken durch eine statische Aufladung des vom Fahrzeug unabhängigen Kanisters entstanden sei. Ein hinreichender Zusammenhang mit dem Betrieb des zu betankenden Fahrzeugs sei deshalb zu verneinen.

    2. Der Inhalt der Benzinklausel

    Das OLG Dresden wies die Klage des Gebäude-VR ab (1.10.24, 4 U 446/24, Abruf-Nr. 248821). Nach Ansicht des Senat ist der Vorfall nicht dem Betrieb des Fahrzeugs im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG zuzuordnen. Nach § 7 Abs. 1 StVG setzt die Einstandspflicht des Halters voraus, dass der Schaden „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entstanden ist.

     

    • Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG

    Es handelt sich um eine reine Gefährdungshaftung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG knüpft an die Schadensverursachung beim Betrieb des Kfz an. Sie hängt nicht davon ab, ob bzw. dass sich der Fahrzeugführer verkehrswidrig verhalten hat. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird. Die Vorschrift will daher alle (nicht nur im öffentlichen Straßenraum, sondern auch auf nicht öffentlichen Wegen oder Privatgelände) durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d. h., wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kfz (mit)geprägt wurde.

    Der Begriff des Betriebs ist nach teleologischer Auslegung weit zu fassen. Die ursprünglich herrschende „maschinentechnische“ Auffassung bei der Auslegung dieses Begriffs hat durch die stetige und erhebliche Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs eine Veränderung hin zur verkehrstechnischen Auffassung erfahren. Der Zweck des Gesetzes, die Verkehrsteilnehmer vor den wachsenden Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu schützen, macht es vielmehr erforderlich, den Begriff „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ weit zu fassen.

     

    Die Gefahren, die durch das Kraftfahrzeug in den Verkehr getragen werden, gehen nicht nur von dem Motor und seiner Einwirkung auf das Fahrzeug aus, sondern mit der Zunahme des Verkehrs mehr und mehr von der gesamten Abwicklung des Verkehrs und im besonderen Maße von Kraftfahrzeugen, die nach der diese Umstände nicht berücksichtigenden maschinenrechtlichen Auffassung nicht im Betrieb seien (BGH 4.12.58, III ZR 117/57). Seither ist die Gefährdungshaftung eines Kraftfahrzeugs nicht auf Unfälle im öffentlichen Straßenverkehr oder privaten Verkehrsraum beschränkt. Sie besteht vielmehr bei allen mit seinem Betrieb oder seinen Betriebseinrichtungen zusammenhängenden Unfällen, sofern der erforderliche örtliche und zeitliche Kausalzusammenhang mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs oder dem Versagen seiner Betriebseinrichtungen besteht.

     

    3. Schaden war nicht durch das Fahrzeug mitgeprägt

    Die Anwendung dieser Grundsätze führt nach Ansicht des OLG Dresden vorliegend dazu, dass eine Schadensentstehung „beim Betrieb des Fahrzeugs“ zu verneinen ist. Es ist zwar zutreffend, dass im Grundsatz das Betanken eines Kraftfahrzeuges hinreichend eng mit dessen Betrieb zusammenhängt. Auch sollte vorliegend unstreitig das Öffnen des Benzinkanisters diesem Vorgang dienen.

     

    Weiteres erforderliches Merkmal ist jedoch, dass sich in irgendeiner Weise die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben und das Schadensgeschehen in irgendeiner Weise durch das Fahrzeug mitgeprägt wurde. Dies ist hier nicht der Fall. Unstreitig war das Fahrzeug bei dem Brand unbeteiligt. Es hat keine Ursache für die Entzündung des Kanisters gesetzt. Es wurde auch nicht durch den Brand am Kanister beschädigt. Eine dem Kraftfahrzeug innewohnende Gefahr hat sich damit nicht verwirklicht. Mit der Betankung im eigentlichen Sinne war hier aber noch nicht begonnen worden, sodass sich eine vom Fahrzeug ‒ hier speziell vom Tank ‒ ausgehende spezifische Gefahr (noch) nicht verwirklichen konnte. Weder in erster noch in zweiter Instanz hat die Klägerin den Vortrag der Beklagten bestritten, wodurch der Kanister sich durch eine statische Aufladung selbst entzündet hatte, bevor mit der Betankung begonnen worden war. Dies ist auch plausibel, denn ebenso unstreitig ist das Fahrzeug nicht in Mitleidenschaft gezogen worden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Heizöl-LKW und Schaden bei Befüllung des Haustanks: OLG Celle VK 24, 37
    • Kfz- oder Privathaftpflichtversicherung ‒ Wann greift die Benzinklausel? Vater, VK 22, 157
    Quelle: Ausgabe 07 / 2025 | Seite 121 | ID 50419601