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  • · Fachbeitrag · Betriebshaftpflichtversicherung

    Versicherungsumfang für „Zimmereien ohne Dachdeckerarbeiten“

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    • 1. Sind „Zimmereien ohne Dachdeckerarbeiten“ versichert, besteht für das Verlegen von Bitumenschweißbahnen unter Verwendung eines Gasbrenners kein Versicherungsschutz.
    • 2. Offen bleibt, ob das vom Gebäudeversicherer in Regress genommene Unternehmen den VR auf Gewährung von Versicherungsschutz für das den Schaden verursachende Subunternehmen verlangen kann.

    (LG Wiesbaden 6.9.13, 1 O 209/12, Abruf-Nr. 141754)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der Kläger B betreibt ein Bauunternehmen. Er sollte Dachundichtigkeiten an einem Gebäude des Eigentümers E beseitigen. Hierfür bediente er sich des Subunternehmers S. S war Zimmerer und unterhielt eine Betriebshaftpflichtversicherung, in der das versicherte Risiko u.a. als „Zimmereien ohne Dachdeckerarbeiten“ beschrieben ist. S erneuerte die marode Schalung und dichtete das Dach anschließend unter Verwendung eines Gasbrenners mit Schweißbahnen ab. Dadurch wurde durch ein sich ausbreitendes Feuer erheblicher Sachschaden am Haus verursacht, der vom Gebäude-VR des E ausgeglichen worden ist. Der Gebäude-VR nahm B in Regress. Hierüber ist in erster Instanz ein stattgebendes Grundurteil ergangen. B beabsichtigt, seinerseits bei S Regress zu nehmen. Dessen VR meint, das Risiko sei nicht versichert. Daraufhin hat B den VR auf die Feststellung der Gewährung von Versicherungsschutz an S verklagt. Dieser hält die Klage auch für unzulässig. Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. In seiner Entscheidung setzt es folgende Schwerpunkte:

     

    • Offenbleiben kann, ob ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO besteht (vgl. MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 256 Rn. 36). Hierfür spricht, dass in der Haftpflichtversicherung auch der Geschädigte ein eigenes, aus der Sozialbindung dieser Versicherung folgendes rechtliches Interesse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung haben kann, dass der VR dem Schädiger Deckungsschutz zu gewähren habe (BGH VersR 09, 1485). Denn es soll gewährleistet sein, dass die Entschädigung tatsächlich dem Geschädigten zugute kommt. Zwar ist der Kläger nicht der unmittelbar Geschädigte. Er wird aber im Wege des Regresses von dem VR des unmittelbar geschädigten E in Anspruch genommen. Er könnte im Unterliegensfall einen Regressanspruch gegen den VN der Beklagten, bei dem es sich um das nächste Glied in der Regresskette handelt, haben.

     

    • Der VR hat gegenüber S jedenfalls zu Recht die Gewährung von Versicherungsschutz abgelehnt. Das zum Schaden führende Verhalten des S, das Erhitzen des Bitumens zum Aufbringen der Bitumenschweißbahnen auf dem Dach, wird vom Versicherungsschutz nicht erfasst.

     

      • Das von der Beklagten versicherte Risiko ist sowohl ausweislich des Antrags als auch des Versicherungsscheins „Zimmereien ohne Dachdeckerarbeiten“. Die Abgrenzung kann sich im Einzelfall als schwierig erweisen, da sich das Handwerk des Zimmerers und das des Dachdeckers überschneiden können, da sie nahezu im Wortsinn aufeinander aufbauen. Jedenfalls komplette Dacheindeckungen mit der dazugehörigen Herstellung und Abdichtung von Kehlen, Graten, Firsten, Traufen, Ortgängen und Wandanschlüssen werden vom Berufsbild des Zimmerers nicht umfasst (OLG Köln GRUR 91, 151).

     

      • Zwar hat S vorliegend das Dach nicht komplett eingedeckt. Das Verlegen der Bitumenschweißbahnen diente aber der Abdichtung des Dachs, mithin der Dacheindeckung als solcher. Diese wird vom Dachdecker, nicht vom Zimmerer durchgeführt.

     

      • Zur Abgrenzung des Begriffs der Zimmerei von dem der Dachdeckerarbeit können zudem die Verordnungen über die Meisterprüfungsbilder der beiden Handwerke herangezogen werden. Der Vergleich der Bestimmungen der Dachdeckermeisterverordnung und der Zimmermeisterverordnung zeigt, dass das Verlegen selbstklebender Bitumenschweißbahnen unter Verwendung eines Gasbrenners zur Abdichtung eines Dachs von einem Dachdeckermeister, nicht aber von einem Zimmermannsmeister beherrscht werden muss. Diese vom Verordnungsgeber getroffene Abgrenzung ist berufsbildprägend und daher auch für die Auslegung der Begriffe, die in einer Berufshaftpflichtversicherung das versicherte Risiko beschreiben, ausschlaggebend.
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      • Selbst wenn das Verlegen von Bitumenbahnen mit einem Gasbrenner im Zusammenhang mit Zimmermannsarbeiten gang und gäbe sein sollte - wie von Klägerseite behauptet -, folgt hieraus nicht, dass die Beklagte auch hierfür Versicherungsschutz gewähren wollte. Vielmehr war es ihr Anliegen, Dachdeckerarbeiten auch dann vom Versicherungsschutz auszunehmen, wenn sie häufig im Zusammenhang mit Zimmermannsarbeiten anfallen. Dem trägt die Beschreibung des Risikos „Zimmereien ohne Dachdeckerarbeiten“ Rechnung.

     

    Praxishinweis

    Das LG hätte die Klage wohl auch als unzulässig abweisen können. Die Sozialbindung der Haftpflichtversicherung, aus der das Recht des Geschädigten abgeleitet wird, unter bestimmten Umständen (Prölss/Martin, § 100 VVG, Rn. 21) den VR direkt in Anspruch zu nehmen, dürfte schwerlich so weit gehen, dass auch dem Schädiger, der haftungsrechtlich dem Geschädigten für den Schaden ebenfalls verantwortlich ist (hier also B), ein solches Recht eingeräumt wird, nur weil er meint, möglicherweise gegenüber einem Mitschädiger, dem VN, seinerseits regressieren zu können.

     

    Zur Abgrenzung der Berufsbilder des Dachdeckers und des Zimmerers konnten sicherlich die einschlägigen VO auch mit dem vom LG gefundenen Ergebnis herangezogen werden. Übersehen hat das LG aber, dass damit der Umfang des Versicherungsschutzes noch nicht entschieden war.

     

    • Nach § 5 HandwO kann der Handwerker auch Arbeiten aus einem anderen Handwerk ausüben, wenn sie mit dem eigenen Gewerk technisch oder fachlich zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen. Es spricht wenig dagegen, diese Voraussetzungen zu bejahen. Dann wäre die schadenverursachende Handlung ohne Weiteres mitversichert, soweit das nicht einzelvertraglich abbedungen ist. Ob die Parteien dies mit der Formulierung „ohne Dachdeckerarbeiten“ gewollt haben, wäre näher zu prüfen gewesen.

     

    • Unter dem Vorbehalt einzelvertraglicher Abbedingung wäre, worauf Schimikowski in einer Anmerkung zutreffend hinweist (r+s 14, 67), ggf. auch zu prüfen gewesen, ob es sich nicht, wie behauptet worden war, um eine im inneren Zusammenhang mit dem versicherten Risiko stehende, branchenübliche Nebentätigkeit gehandelt hat (Nr. 3.1 (2) AHB), oder ob nicht Versicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt der Vorsorgeversicherung besteht (§ 4 AHB).

     

    Das Offenlassen der Frage der Zulässigkeit der Klage hat nicht nur zu einer mangelhaften Prüfung der Sachfragen, sondern auch zu einer überflüssigen Beweisaufnahme geführt. Ein die Klage sachlich abweisendes Urteil würde darüber hinaus nicht einmal die einschlägigen Rechtsbeziehungen zwischen dem VR und S rechtskräftig klären. Alle Sachfragen müssten deshalb erneut geprüft und beantwortet werden, wenn S vom Gebäude-VR, auf den die Ansprüche des E mit der Zahlung übergegangen waren, oder von B, falls dieser an den Gebäude-VR gezahlt hat, in Anspruch genommen wird.

     

    Die Fallvariante ist zudem eher ungewöhnlich. Üblicherweise, das Urteil äußert sich nicht dazu, hätte B seine eigene Betriebshaftpflichtversicherung in Anspruch nehmen können. Das wäre sicher auch erfolgt, wenn E seinen Schaden direkt bei B geltend gemacht hätte. Die Kosten und Mühen des gegen ihn angestrengten Haftpflichtprozesses und den Regressprozess hätte er, falls Versicherungsschutz bestanden hat, wozu sich das Urteil nicht äußert, seinem eigenen VR überlassen können.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Das ist bei der Auslegung zum Umfang der Versicherungsbedingungen zu beachten: OLG Hamm VK 13, 112 m. Anm. Lücke.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 132 | ID 42772855