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  • · Fachbeitrag · Private Krankenversicherung

    Nicht jeder ausländische Kranken-VR erfüllt die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung

    | Erhöht der VR seine Beiträge in einem Krankenpflichtversicherungsvertrag, kann der VN den Vertrag fristgerecht kündigen. Der VN muss aber eine Folgeversicherung nachweisen. Anderenfalls ist die Kündigung unwirksam. Für den VN heißt es dabei aufpassen: Nicht jede ausländische Krankenversicherung erfüllt die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung. Hierauf weist das LG Nürnberg-Fürth hin. |

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten um die Feststellung des Fortbestands eines privaten Krankenversicherungsverhältnisses. Dieses war vom VN wegen einer Beitragserhöhung des VR fristgerecht gekündigt worden. Der VN hatte zum Nachweis einer Folgeversicherung den Versicherungsvertrag eines ausländischen Krankenversicherers mit Sitz in England vorgelegt.

     

    Der VR lehnte die Kündigung ab. Er meint, dass die Folgeversicherung des VN aufgrund von eingeschränktem Versicherungsschutz nicht die Voraussetzungen des § 193 Abs. 3 VVG erfülle.

     

    • 1. Ein Folgeversicherungsvertrag erfüllt nur dann die Anforderungen an eine Pflichtversicherung i.S.d. § 193 Abs. 3 VVG, wenn er den Anforderungen des § 146 VAG n. F. (= § 12 VAG a. F.) entspricht, also substitutiven Krankenversicherungsschutz bietet.
    • 2. Dies ist bei einem Krankheitskostenversicherungvertrag nicht der Fall, der bei einem englischen VR abgeschlossen wird und der für diesen ein ordentliches Kündigungsrecht vorsieht sowie ohne Alterungsrückstellungen kalkuliert ist.
     

    Entscheidungsgründe

    Das LG sah den Fall ebenso wie der VR und wies die Klage des VN ab. Zwar haben die Richter unterstellt, dass der Folgeversicherer des VN trotz seines Sitzes in London im Dienstleistungsverkehr nach § 57 Abs. 1, 3 VAG ein zum Geschäftsbetrieb in Deutschland zugelassenes Versicherungsunternehmen i.S.d. § 193 Abs. 3 S. 1 VVG ist. Sie haben allerdings auch deutlich gemacht, dass dann anhand objektiver Kriterien zu ermitteln sei, ob die Voraussetzungen einer Pflichtversicherung erfüllt sind. Eine entsprechende Bestätigung des Folgeversicherers habe insoweit keine konstitutive Bedeutung.

     

    Im vorliegenden Fall entsprach der Folgeversicherungsvertrag nicht den Anforderungen des § 193 Abs. 3 VVG:

     

    • Der Folgeversicherungsvertrag erfüllt nicht die „Selbstbehaltsgrenzen“ des § 193 Abs. 3 S. 1 VVG.

     

    • Der Gesetzgeber geht ‒ nur ‒ von der Möglichkeit aus, durch tarifliche Selbstbehalte „und sonstige Selbstbeteiligungen“ (!) bis zu einer betragsmäßigen Auswirkung von 5.000 EUR jährlich die Versicherungsprämie niedrig zu halten (BT-Drucks. 16/4247 S. 67). Der Betrag von 5.000 EUR jährlich ist deshalb eine absolute Grenze für jegliche Eigenleistung der Versicherten.

     

    • Im Folgeversicherungsvertrag ist die Kostenerstattung für einzelne ambulante und stationäre Behandlungen aber teilweise derart erheblich eingeschränkt, dass der maximale „Selbstbehalt“ von 5.000 EUR realistischerweise nicht gehalten werden kann.

     

    • Der Folgeversicherungsvertrag entspricht nicht den Anforderungen des § 146 VAG n. F.

     

    • Ein Pflichtversicherungsvertrag i.S.d. § 193 Abs. 3 S. 1 VVG muss stets substitutiv i.S.d. § 195 Abs. 1 S. 1 VVG bzw. § 146 VAG sein. Er muss also ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz ersetzen können. Das kann der vom VN abgeschlossene Folgeversicherungsvertrag nicht leisten:
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      • Er wurde ohne Alterungsrückstellungen kalkuliert.

     

      • Er schließt das ordentliche Kündigungsrecht des VR nicht aus. Vielmehr hat der VR das Recht, den Versicherungsvertrag nicht fortzusetzen, d.h. die jährliche Vertragsverlängerung zu „widerrufen“, wenn er sich dazu entschließt, die streitgegenständliche Art von (Kranken-) Versicherungsschutz in Deutschland nicht mehr anzubieten. Das ist in der Sache ein faktisches (ordentliches) Kündigungsrecht für den VR, das gerade unter dem Gesichtspunkt des Brexit nicht bedeutungslos ist.

     

    Im Ergebnis war damit die Kündigung des VN unwirksam. Es ist nach § 205 Abs. 6 S. 2 VVG Wirksamkeitserfordernis der Kündigung, dass ein ausreichender Anschlussversicherungsschutz nachgewiesen wird. Diesen Nachweis hat der VN nicht erbracht. Weil der Folgeversicherungsvertrag auch nicht der Sonderregelung des § 193 Abs. 3 S. 3 VVG unterfällt („Altvertrag“ vor dem 1.4.07), hat der VR der Kündigung des VN zu Recht die Anerkennung verweigert. Der VN ist weiterhin ungekündigt im Ursprungsvertrag ‒ bzw. zwischenzeitlich im Notlagentarif ‒ bei dem VR versichert.

     

    Relevanz für die Praxis

    Richtige Klageart ist in entsprechenden Fällen die negative Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO. Weil der VR den (Fort-) Bestand des gekündigten Versicherungsvertrags bestreitet, hat der VN ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Da der VN nach Ansicht des VR derzeit „doppelt“ krankenversichert ist, besteht angesichts der möglichen doppelten Prämienbelastung auch ein Interesse des VN an einer alsbaldigen Feststellung.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • Keine Rückkehr in die GKV bei Anfechtung des PKV-Vertrags: VK 16, 199
    • Tarifwechsel: Nur noch begrenzte Gesundheitsprüfung zulässig: BGH VK 16, 200
    • VR kann Krankentagegeld nicht einseitig herabsetzen, wenn Nettoeinkommen des VN sinkt: BGH VK 16, 213
    Quelle: Ausgabe 11 / 2017 | Seite 189 | ID 44751775