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  • 05.06.2008 | Haftpflichtversicherung

    Was Sie zu den neuen AHB 2008 wissen müssen: Rechtsschutz- und Freistellungsanspruch

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    In den letzten Ausgaben von „Versicherung und Recht kompakt“ hatten wir begonnen, die Besonderheiten der neuen AHB (Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung – gilt nicht für die Kfz-Versicherung) vorzustellen. In dieser Ausgabe behandeln wir die Fragen zum Rechtsschutz- und Freistellungsanspruch (Nr. 5.1. AHB).  

     

    Welche Pflichten hat der VR?

    Die Leistungspflicht des VR (Nr. 5.1 AHB) umfasst die eigenverantwortliche Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadenersatzansprüche und die Erfüllung berechtigter Schadenersatzverpflichtungen.  

     

    • Wie der VR im Einzelfall seine Vertragspflichten erfüllt, soll in seinem pflichtgemäßen Ermessen stehen (BGH VersR 81, 180; OLG Frankfurt a.M. VersR 03, 588; Kramer, r+s 08, 1). Das überzeugt nicht. Es beruht auf einem überholten Verständnis der Auslegungsgrundsätze von Bedingungen. Nach Nr. 5.1 hat der VR zu prüfen und je nach Ergebnis dieser Prüfung abzuwehren oder freizustellen. Er kann nicht nach Ermessen das eine tun, wenn er das andere tun müsste. Jede falsche Entscheidung – und nicht nur ein Ermessensfehlgebrauch – stellt objektiv einen Pflichtenverstoß dar. Der VR darf nicht in der Hoffnung auf einen günstigen Vergleich oder in der oft berechtigten Erwartung, dass der Geschädigte das finanziell nicht durchstehen werde, berechtigte Ansprüche abwehren, auch nicht, wenn Interessen des VN, die über die dem VR ohnehin obliegende Abwicklung des Versicherungsfalls hinausgehen (z.B. bei Verkäufer- oder Kundenbeziehungen, gesellschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen), nicht berührt werden. Nach dieser Ansicht haftet deshalb der VR in solchen Fällen auf Schadenersatz, wenn ausnahmsweise beim VN ein Schaden eingetreten ist und er sich nicht entlasten kann (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB; für offensichtliche Fälle auch Kramer, a.a.O. S. 5; vgl. auch OLG Celle r+s 04, 14).

     

    • Der VR kann den Haftpflichtanspruch sofort anerkennen und befriedigen, grundsätzlich auch gegen den Widerspruch des VN, vgl. Nr. 5.2 AHB. Er kann auch zunächst Ermittlungen anstellen und mit dem Dritten verhandeln. Der VR trägt die „volle Verantwortung für seine Maßnahmen und die Gefahr, dass sie keinen Erfolg haben“ (BGH 56, 186; LG Köln r+s 91, 410). Erhöhen sich die Schadenersatzansprüche des Dritten infolge der Weisungen des VR oder dessen eigener Tätigkeit oder Untätigkeit, so haftet er für diese erhöhten Ansprüche auch ohne Verschulden. Verzögert er die Regulierung entgegen Treu und Glauben, kann dies sogar zu einer Erhöhung eines an den Dritten zu zahlenden Schmerzensgeldes führen (OLG Nürnberg VersR 07, 1137 = Abruf-Nr. 070115; LG Berlin VersR 06, 499).

     

    • Nr. 5.1 bestimmt ausdrücklich, dass der VR zur Prüfung der Haftpflichtfrage verpflichtet ist. Diese eigene Verpflichtung erfolgt natürlich auf seine eigenen Kosten. Die Prüfung muss sorgfältig erfolgen und die Interessen des VN berücksichtigen (Rücksichtnahmegebot, Kramer, r+s 08, 1 (4)). Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen wegen besonderer Verkäufer- oder Kundenbeziehungen bei fehlerhafter oder auch nur verzögerter Entscheidungen schwerwiegende Nachteile, z.B. die Insolvenz, drohen. Die Prüfung der Haftpflichtfrage beinhaltet, daraus auch die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Ist der VR der Auffassung, dass die Ansprüche des Geschädigten ganz oder teilweise unbegründet sind, ist es seine Aufgabe, sich mit dem Geschädigten auseinanderzusetzen. Es reicht nicht, dem VN gute Ratschläge zu geben, wie er sich verhalten soll. Der VR ist verpflichtet, dem VN rechtzeitig und unmissverständlich zu erklären, ob er den bedingungsgemäß geschuldeten Rechtsschutz gewährt. Er muss dann bedingungsgemäß die Verhandlungen mit dem Geschädigten führen. Kommt es zum Prozess, muss er auf seine Kosten einen Anwalt aussuchen und diesen beauftragen. Die Rechtsschutzverpflichtung ist Hauptleistungspflicht des VR.