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  • · Fachbeitrag · Pflichten des VR

    Korrespondenz- und Auskunftspflicht des VR gegenüber dem Makler des VN

    von VRiOLG a.D. Hellmut Münstermann, Aachen

    Den VR trifft eine vertragliche Nebenpflicht, auf Verlangen seines VN mit einem von diesem umfassend bevollmächtigten Vertreter Schriftwechsel im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses zu führen. Anders, wenn dies dem VR aus besonderen Umständen im Einzelfall unzumutbar ist (BGH 29.5.13, IV ZR 165/12, Abruf-Nr. 131967).

     

    Sachverhalt

    Der VN verlangt vom VR, dass dieser mit einem vom VN bevollmächtigten Versicherungsmakler korrespondiert und diesem Auskünfte erteilt. Der VR lehnt nach seinem Vertriebssystem eine Zusammenarbeit mit Maklern ab.

     

    Zwischen den Parteien bestand seit 1985 ein Versicherungsvertrag. Am 7.7.10 schloss der VN mit einem Makler einen Vertrag, in dem er diesen umfassend zur Vertretung gegenüber dem jeweiligen VR bevollmächtigte. Ferner wurde vereinbart, die Korrespondenz mit dem VR über den Makler zu führen oder diesem davon eine Kopie zu überlassen. Der Makler kündigte unter Vorlage der Vollmacht die Versicherung zum Ende 2011. Der VR bestätigte die Kündigung und wies darauf hin, dass er ausschließlich mit dem VN korrespondiere.

     

    Der VN hat zunächst Verurteilung des VR beantragt, die Korrespondenz mit dem Makler zu führen und diesem Auskunft zum geschlossenen Vertrag zu erteilen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der VN nach Beendigung des Versicherungsvertrags Feststellung der Erledigung der Hauptsache begehrt. Das LG hat die Berufung zurückgewiesen. Die vom LG zugelassene Revision des VN führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LG hat zu Unrecht angenommen, dass dem VN der geltend gemachte Anspruch nicht zugestanden hat. In Rechtsprechung und Schrifttum wird unterschiedlich beurteilt, ob es eine vertragliche Nebenpflicht des VR gibt (§ 241 Abs. 2 BGB), auf Wunsch des VN Schriftwechsel mit dem von ihm beauftragten Makler zu führen und diesem auf Verlangen Auskunft zu erteilen. Teilweise wird eine derartige Korrespondenz- und Auskunftspflicht zuerkannt.

     

    Diese Ansicht trifft zu, soweit nicht berechtigte Interessen des VR entgegenstehen. Die Entscheidung seines Vertragspartners, seine Versicherungsangelegenheiten zu delegieren, hat der VR grundsätzlich zu respektieren. Der VN kann beanspruchen, sich unmittelbar im Außenverhältnis vertreten zu lassen, wie dies auch die Regeln über die aktive und passive Stellvertretung in § 164 Abs. 1, Abs. 3 BGB zeigen. Ein Anspruch des VN auf Korrespondenz mit einem Vertreter und Auskunftserteilung gegenüber diesem besteht nur dann nicht, wenn sich dies für den VR im Einzelfall als unzumutbar darstellt.

     

    Eine Unzumutbarkeit folgt nicht bereits aus dem Vertriebssystem des VR, nicht mit Maklern zusammenzuarbeiten. Der Makler tritt dem VR lediglich als Vertreter des VN ohne Courtagepflicht des VR gegenüber. Berechtigte Interessen des VR werden dadurch nicht berührt. Es können jedoch Gründe in der Person des Maklers die Korrespondenz mit ihm für den VR unzumutbar machen (Beispiel: ehemaliger Ausschließlichkeitsvertreter). Ferner kann dem VR durch die Korrespondenzpflicht ein unzumutbarer Mehraufwand entstehen, z.B. wenn dem Vertreter keine umfassende, sondern nur eine begrenzte Vollmacht erteilt worden ist. Der VR ist im Rahmen des Massengeschäfts nicht gehalten, den Umfang jeder einzelnen Vollmacht zu überprüfen und zunächst Nachfrage beim VN und/oder seinem Vertreter zu halten.

     

    Dem berechtigten Interesse des VR ist dadurch Genüge getan, dass der VN den Vertreter umfassend bevollmächtigt, ihn in allen bestehenden Versicherungsangelegenheiten zu vertreten und die Korrespondenz bezüglich bestehender Verträge nur mit ihm zu führen. Diese Vollmacht muss dem VR in eindeutiger Weise unter Vorlage der Vollmacht bekannt gemacht werden. Hierzu muss das Berufungsgericht noch Feststellungen treffen.

     

    Zu beachten ist, dass dem Vertreter kein weitergehender Auskunfts- und Informationsanspruch zusteht als dem Vertretenen selbst. Der VR muss Auskünfte nicht mehrfach erteilen oder diese erneut gegenüber dem Vertreter nachholen. Daher stand dem Anspruch des VN auch nicht die Beratungspflicht des VR gemäß § 6 Abs. 4, Abs. 6 VVG entgegen. Die Beratungspflicht besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den VR ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des VN erkennbar ist. Eine Ausnahme hiervon sieht § 6 Abs. 6 VVG u.a. vor, wenn der Versicherungsvertrag von einem Versicherungsmakler vermittelt wurde. Die Ausnahme gilt aber nur, wenn bereits der ursprüngliche Vertrag von einem Makler vermittelt wurde. Nicht erfasst werden die Fälle, wenn - wie hier - der VN während des laufenden Vertrags erstmals einen Makler einschaltet. Hieraus folgt allerdings nicht, dass wegen seiner fortdauernden Beratungspflicht eine Korrespondenz- und Auskunftspflicht seitens des VR besteht.

     

    Praxishinweis

    Der BGH hat die Streitfrage entschieden, ob und unter welchen Voraussetzungen der VR auf Verlangen des VN die Korrespondenz zu Versicherungsverhältnissen mit dessen Makler führen muss. Der BGH bejaht eine Korrespondenz- und Auskunftspflicht des VR gegenüber dem Makler als Nebenpflicht aus dem Versicherungsvertrag (§ 241 Abs. 2 BGB).

     

    • Korrespondenz- und Auskunftspflicht
    • Voraussetzungen 
      • Umfassende Bevollmächtigung des Maklers durch den VN für alle bestehenden Versicherungsangelegenheiten
      • Vorlage der Vollmacht beim VR
    • Keine Pflicht bei Unzumutbarkeit für den VR 
      • Beschränkungen der Vollmacht
    • Der VR ist nicht gehalten, jeweils den Umfang der Vollmacht zu klären
      • Besonderheiten in der Person des Maklers
    • z.B.: Makler war früher Ausschließlichkeitsvertreter des VR
     

    Soweit der Makler im Rahmen der Korrespondenz auch Erklärungen (z.B. nach einem Versicherungsfall) gegenüber dem VR abgibt, ein kurzer Ausblick auf die Rechtsfolgen:

     

    • In Betracht kommt die Rechtsfigur des Wissenserklärungsvertreters. Wissenserklärungsvertreter ist, wer vom VN mit der Erfüllung von dessen Obliegenheiten und zur Abgabe von Erklärungen an Stelle des VN betraut worden ist (BGH VersR 93, 960). Dies trifft auf einen Makler zu, der vom VN bevollmächtigt ist, den Schriftwechsel mit dem VR zu führen. Da es sich um eine eigene Erklärung des Dritten handeln muss, ist erforderlich, dass der Makler dafür verantwortlich zeichnet und die Erklärung unterschreibt. Wissenserklärungsvertretung liegt demnach nicht vor, wenn der VN z.B. einen vom Makler verfassten Text unterzeichnet. In diesem Fall handelt es sich nicht um eine Erklärung des Maklers, sondern des VN.

     

    • Fehlverhalten des Wissenserklärungsvertreters wird dem VN wie eigenes zugerechnet (entspr. § 166 Abs. 1 BGB). Bei Falschangaben kommt es auf den Kenntnisstand des Dritten an. Ausnahmsweise kann es auf den Kenntnisstand des VN ankommen, wenn der Wissenserklärungsvertreter die Erklärung auf bestimmte Weisung des VN abgegeben hat oder der VN einen uninformierten Dritten vorschiebt und dabei in Kauf nimmt, dass es wegen dessen Unkenntnis zu Falschangaben kommt.

     

    • Soweit der Makler in den Versicherungsangelegenheiten des VN rechtserhebliche Tatsachen erfährt, könnte er sog. Wissensvertreter sein. Wissensvertreter ist, wer vom VN damit betraut ist, für den Vertrag rechtserhebliche Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. Gehen dem Makler insoweit Erklärungen des VR zu (z.B. Mahnung, Kündigung), ist der VN so zu behandeln, als sei die Erklärung ihm gegenüber abgegeben worden und ihm zugegangen.

     

    • Sieht man den Makler als Vertragsverwalter an, kommt auch die Rechtsfigur des Repräsentanten in Betracht. Vertragsverwaltung liegt vor, wenn der VN einen Dritten umfassend damit betraut, Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen bzw. zu erfüllen und der Dritte insoweit an die Stelle des VN tritt. Nach der Rechtsprechung des BGH (grundlegend VersR 93, 828) kann die Vertragsverwaltung die Repräsentantenstellung eigenständig begründen. Übt der Dritte aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrags eigenverantwortlich aus, kann dies für seine Repräsentantenstellung sprechen. Dies ist entgegen früherer Ansicht unabhängig davon, ob der Dritte daneben auch die Obhut über die versicherte Sache ausübt.
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    • Nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung wird Fehlverhalten des Dritten im Rahmen der Vertragsverwaltung dem VN zugerechnet.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum Zugangsnachweis bei einem Schreiben des VR an den VN, wenn anschließend eine Kündigung durch den Makler erfolgte: LG Dortmund VK 11, 57
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 129 | ID 40305890