· Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Falschangaben des Vaters sind dem minderjährigen VN zuzurechnen

| Bei einem minderjährigen VN ist dessen Vater, der sich maßgeblich um dessen Versicherungsangelegenheiten kümmert, nicht als am Geschäft unbeteiligter Dritter anzusehen. So entschied es das OLG Dresden. |
1. Vater macht falsche Angaben bei Vertragsverhandlungen
Ein Vater ließ sich hinsichtlich möglicher Versicherungen für seinen Sohn (VN) beraten. In den Räumlichkeiten der Familie kam es zum Abschluss einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Unstreitig beantwortete nicht der VN selbst die Gesundheitsfragen zur Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern der Vater. Dieser verschwieg die ADHS-Erkrankung des VN und deren Therapie mit der dauerhaften Gabe von Ritalin, die nur rund ein Jahr zurückliegende Behandlung wegen einer Alkoholintoxikation und das durchgeführte Drogenscreening. Der VN unterzeichnete zum Schluss selbst die Antragsformulare.
2. Wer ist Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB?
Das OLG Dresden entschied, dass die arglistige Täuschung durch den Vater dem VN zuzurechnen ist (28.1.25, 4 U 1361/24, Abruf-Nr. 247765). Dem steht § 123 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Diese Vorschrift regelt den Fall, dass Täuschender und Erklärungsempfänger der anzufechtenden Erklärung auseinanderfallen. Erklärungsempfänger war vorliegend der VN, denn dieser sollte Vertragspartner werden, und ihm gegenüber hat der VR Angebot auf Abschluss des Versicherungsvertrags angenommen. Hat ‒ wie hier ‒ ein anderer die Täuschung verübt, kann nicht angefochten werden, wenn dieser ein „Dritter“ im Sinne der Vorschrift ist. Dritter ist dabei nur, wer am Rechtsgeschäft nicht beteiligt ist (Grüneberg-Ellenberger, BGB, 83. Aufl. § 123, Rn. 13 m. w. N.). Der Begriff des „Dritten“ wird grundsätzlich eng ausgelegt (st. Rspr. seit BGHZ 20, 36; 3.4.18, 4 U 698/17). Dritter ist damit nur der am Geschäft Unbeteiligte. Wer dagegen im Lager des Erklärungsempfängers steht, ist im Zweifel nicht Dritter. Insbesondere ist auch nicht als Dritter abzusehen, wer maßgeblich am Zustandekommen des Vertrags mitgewirkt hat (Grüneberg/Ellenberger, a. a. O.).
3. Aus diesen Gründen gilt der Vater hier nicht als Dritter
So liegt der Fall hier. Unabhängig davon, ob der VN das Verhalten seines Vaters im Einzelnen kannte oder gar billigte, war der Vater schon deshalb nicht als „unbeteiligter Dritter“ anzusehen, weil er nach eigenem Bekunden ein großes Interesse daran hatte, seinen Sohn bestmöglich abzusichern und nach eigener Aussage alles für ihn zu tun bereit war, was angesichts der Krankheitsgeschichte des Klägers auch ohne Weiteres nachvollziehbar erscheint. Darüber hinaus hat der Vater die Antragsgespräche geführt, die Gesundheitsfragen für den VN beantwortet und damit maßgeblich zur Annahme des Vertrags beigetragen. Die Folge ist aber, dass der VN sich das Verhalten des Vaters zurechnen lassen muss und die auf der Täuschung des Vaters beruhende Vertragsannahme durch den VR wirksam anfechtbar war.