24.04.2025 · IWW-Abrufnummer 247765
Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 28.01.2025 – 4 U 1361/24
1. Das Verschweigen einer im maßgeblichen Zeitraum vor Beantragung einer BU-Versicherung liegenden ADHS-Behandlung mit Ritalin und einer Alkoholintoxikation in Verbindung mit einem positiven Drogen-Screening trotz einer hierauf abzielenden Antragsfrage indiziert die Arglist des Versicherungsnehmers.
2. Bei einem minderjährigen Versicherungsnehmer ist dessen Vater, der sich maßgeblich um dessen Versicherungsangelegenheiten kümmert, nicht als am Geschäft unbeteiligter Dritter anzusehen.
Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 28.01.2025, Az. 4 U 1361/24
Tenor:
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, 04.02.2025, 15.00 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 17.143,35 € festzusetzen.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt die Feststellung des Fortbestandes seiner im Jahre 2017 bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung.
Am 15.11.2017 ließ der Vater des Klägers sich vom damals als Agenten für die Beklagte tätigen Zeugen Dr. K...... hinsichtlich möglicher Versicherungen für den seinerzeit kurz zuvor volljährig gewordenen Kläger beraten. In den Räumlichkeiten der Familie des Klägers kam es zum Abschluss einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Wegen des Inhaltes des Vertrages wird auf die Anlage K1 verwiesen. Unstreitig beantwortete nicht der Kläger selbst die Gesundheitsfragen zur Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern der Vater. Streit besteht zwischen den Parteien darüber, welche Fragen der Zeuge Dr. K...... gestellt, und was der Vater des Klägers hierauf geantwortet hat. Der Kläger unterzeichnete zum Schluss selbst die Antragsformulare.
Der Kläger litt vor Antragstellung jahrelang an einem ADHS, das mit Ritalin therapiert wurde. Aus dem gleichen Grund befand er sich noch bis zur Antragstellung nicht nur in hausärztlicher, sondern auch in psychiatrischer Behandlung. Im Jahr 2016 wurde er zudem wegen Alkoholmissbrauchs stationär behandelt.
Unter anderem folgende Fragen sind in dem von der Beklagten vorgelegten Antragsformular (Anl. BLD 1, dort S. 10) mit "nein" beantwortet:
"Werden Ihnen derzeit Medikamente verordnet? Darunter fallen alle Arten von verschreibungspflichtigen Medikamenten, unabhängig von ihrer Darreichungsform (z.B. Tabletten, Spritzen); nicht gemeint sind Verhütungsmittel."
"Waren Sie bei Ärzten oder Therapeuten (Psychologen, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Krankengymnasten, Heilpraktiker) in Behandlung, Untersuchung oder Beratung? Nicht anzugeben sind: akute Erkältungskrankheiten, akute Magen-, Darm- und Harnwegsinfekte, unauffällige altersbezogene Vorsorgeuntersuchungen, zahnärztliche Behandlungen, Schwangerschaft/Geburt."
"Welche der folgenden Aussagen trifft auf Sie zu?
a. Ich wurde in den letzten 10 Jahren wegen Alkoholgenuss ärztlich beraten oder behandelt.
b. Ich wurde in den letzten 10 Jahren wegen des Konsums von Drogen oder Betäubungsmitteln ärztlich beraten oder behandelt."
Am 08.05.2022 stellte der Kläger einen Leistungsantrag in seiner Berufsunfähigkeitsversicherung (Anl. BLD 3) und zwar mit der Begründung ständig wiederkehrender Schübe im Rahmen einer nicht näher beschriebenen psychotischen Erkrankung und nicht näher beschriebener Entgiftungskuren, wegen derer er ab März, spätestens jedoch ab September 2020 nicht mehr in seinem Beruf arbeitsfähig gewesen sei.
Im Rahmen der Leistungsprüfung erhielt die Beklagte von der vormaligen Kinderärztin des Klägers die Auskunft, dieser sei seit Beginn der Schulzeit bis Ende 2017 wegen ADHS mit Ritalin behandelt worden und deshalb auch in psychotherapeutischer Behandlung gewesen (Anl. BLD 5). Des Weiteren sei am 28.11.2016 ein Drogenscreening durchgeführt worden (Anl. BLD 9). Die Beklagte hat zwei Entlassungsberichte des P......-Klinikums L...... von November 2020 und März 2021 beigezogen, denen zufolge der Kläger eigenanamnestisch angegeben hatte, bereits seit seinem sechzehnten Lebensjahr Drogen konsumiert zu haben, davon "seit ca. 4 Jahren täglich mit bis zu 20 Gramm Cannabis über fünf Tage", daneben zahlreiche andere Drogen (Anl. BLD 13 und 14).
Nach diesen Auskünften hat die Beklagte mit Schreiben vom 22.08.2022 (Anl. K 3) den Baustein zur Berufsunfähigkeitsvorsorge wegen arglistiger Täuschung bei den Gesundheitsangaben angefochten. Hierbei hat sie sich unter anderem auf die Falschbeantwortung sämtlicher oben aufgeführter Gesundheitsfragen bezogen.
Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen mit dem angefochtenen Urteil - auf das wegen der Begründung verwiesen wird, abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Er rügt eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Gerichts, insbesondere eine fehlerhafte Glaubwürdigkeitsbeurteilung und eine Verletzung materiellen Rechts durch die Verkennung des § 123 Abs. 2 BGB.
Er beantragt,
1.
Das Endurteil des Landgerichtes Leipzig vom 12.09.2024, Az. 03 O 171/23, wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag der Parteien gemäß dem Versicherungsschein ...... StartPolice Perspektive, 000000000020, im Hinblick auf die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 23.08.2022 wegen arglistiger Täuschung nicht beendet worden ist, sondern fortbesteht.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung des Herrn Rechtsanwalt S...... K...... mit Sitz in Z...... auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.673,14 € freizustellen.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II.
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass seine Berufsunfähigkeitsversicherung fortbesteht.
1.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die Vorschrift betont die Funktion des Berufungsverfahrens als vornehmliches Instrument zur Fehlerkontrolle und -beseitigung anstelle einer zweiten vollen Tatsacheninstanz und weist die Feststellung der für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblichen Tatsachen in erster Linie dem erstinstanzlichen Tatrichter zu (BT-Drucks. 14/4722, S. 61, 64, 100). Eine erneute Beweisaufnahme und -würdigung durch das Berufungsgericht ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur zulässig und erforderlich, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, die hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, WM 2004, 845, 846). Ein solcher Verfahrensfehler liegt vor, wenn die Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO nicht genügt, d. h. unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn sie wesentliche Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt lässt (BGH, Urteil vom 12.03.2004, a.a.O.; OLG Hamm, Urteil vom 21.10.2024 - 2 U 65/23 -, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 13.03.2017 - 4 U 158/16, juris Rn. 14 m.w.N.). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Urteil vom 15.07.2003 - VI ZR 361/02, ZfSch 2003, 591, 592).
All dies liegt vorliegend nicht vor. Dass die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich ist oder gegen allgemeine Denkgesetze verstößt, trägt die Berufung nicht vor und ergibt sich auch sonst nicht. Bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung hat das Erstgericht sowohl auf Seiten des Zeugen Dr. K......, als auch auf Seiten der Zeugen P...... und G...... erschöpfend etwaige Begünstigungs- oder Belastungstendenzen oder mögliche Interessenkonflikte in Betracht gezogen und bewertet. Dass es hiernach zu dem Schluss kommt, Begünstigungstendenzen beim Zeugen K...... seien zu verneinen, weil dieser sich inzwischen im Ruhestand befinde, so dass er kein Eigeninteresse mehr am Ausgang des Rechtsstreits zugunsten der Beklagten habe, ist plausibel und nicht zu beanstanden. Es ist weiter nicht zu beanstanden, dass das Landgericht beim Zeugen P...... ein Interesse an einem bestimmten Ausgang des Rechtsstreits gesehen hat, nachdem dieser betont hatte, wie sehr ihm - verständlicherweise - am Wohl des Klägers - seines Sohnes - gelegen sei. Weiter ist nachvollziehbar, dass es der Aussage des Zeugen P...... weniger Glauben geschenkt hat als derjenigen des Zeugen Dr. K......, weil diese Aussage auch in Widerspruch zu derjenigen seiner Lebensgefährtin, der Zeugin G......, steht. Mit der Berufung hat der Kläger keine durchgreifenden Gesichtspunkte aufgezeigt, weshalb eine Wahrscheinlichkeit für ein anderes Beweisergebnis bei erneuter Vernehmung der Zeugen bestehen sollte. Allein der Wunsch, das Berufungsgericht möge die Zeugenaussagen anders würdigen als das Landgericht, genügt hierfür nicht.
Nach alldem durfte das Landgericht die Feststellung treffen, dass dem Zeugen P...... sämtliche Gesundheitsfragen, wie im Antragsformular angegeben, vorgelesen oder gezeigt wurden und der Zeuge diese wissentlich falsch beantwortet hat.
2.
Das Antwortverhalten des Zeugen P...... durfte das Landgericht als arglistig werten. Die Möglichkeit der Anfechtung ist dem Versicherer nach § 22 VVG i.V.m. §§ 123 ff. BGB eröffnet, wenn der Versicherungsnehmer seine Offenbarungspflicht arglistig verletzt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst werden kann (statt aller: Senatsbeschluss vom 18.09.2020 - 4 U 1059/20, juris Rz. 4 m.w.N.). Der künftige Versicherungsnehmer hat die in einem Versicherungsformular gestellten Gesundheitsfragen grundsätzlich erschöpfend zu beantworten (BGH, Urteil vom 19.03.2003 - IV ZR 67/02; Senat, Beschluss vom 21.03.2024 - 4 U 1975/23 -, juris). Der für die Arglist erforderliche Täuschungsvorsatz setzt neben der Kenntnis der Gefahrerheblichkeit des betreffenden Umstandes die Billigung der Erkenntnis voraus, dass der Versicherer, der den Antrag in Kenntnis des wahren Sachverhalts entweder gar nicht oder nur zu anderen Konditionen angenommen hätte, durch das Vorgehen getäuscht und dadurch in der Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst wird (vgl. Senat, Beschluss vom 18.09.2020 - 4 U 1059/20 -, Rn. 11 - 12, m.w.N., - juris). Es gibt zwar keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung dahingehend, dass eine unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand immer oder nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen (BGH, Urteil vom 24.11.2010 - IV ZR 252/08 und Senatsbeschluss, a.a.O.). Umgekehrt gilt aber auch, dass es sich bei der Arglist und dem Arglistvorsatz um eine innere Tatsache handelt, so dass der Beweis nur durch Indizien geführt werden kann. Dabei ist auf die konkreten Umstände und insbesondere auf die Art, Schwere und Zweckrichtung der Falschangaben, den Umfang der verschwiegenen Tatsachen, die Dauer der Störungen, die Auswahl der genannten und nicht genannten Befunde sowie die zeitliche Nähe zur Antragstellung abzustellen (Senat, a.a.O., juris Rz. 33; OLG Brandenburg, Urteil vom 11.12.2018 - 11 U 72/16; OLG München, Urteil vom 30.03.2012 - 25 U 5453/09; und Senatsbeschluss vom 18.11.2018 - 4 U 927/18). Das starke Verharmlosen gewisser Umstände indiziert die Arglist hierbei ebenso, wie das Verschweigen entweder schwerer oder chronischer Erkrankungen (Nachweise bei Prölss/Martin, VVG, 32. Aufl., § 22 Rz. 15/16). Steht fest, dass Angaben beim Vertragsschluss objektiv falsch gewesen sind, trifft den Versicherungsnehmer zudem eine sekundäre Darlegungslast, in deren Rahmen er substantiiert und nachvollziehbar vortragen muss, wie und weshalb es dazu gekommen ist (Senat, a.a.O; Beschluss vom 29.04.2021 - 4 U 2453/20 -, Rn. 15 - 18, juris).
Vorliegend hat der Zeuge P...... der Beklagten die bereits jahrelange ADHS-Erkrankung des Klägers und deren Therapie mit der dauerhaften Gabe von Ritalin, die nur rund ein Jahr zurückliegende Behandlung wegen einer Alkoholintoxikation und das durchgeführte Drogenscreening verschwiegen. Es handelt sich bei allen aufgezählten Umständen nicht um Banalitäten insbesondere bei der jahrelangen Ritalin-Medikation um einen gravierenden Umstand, dessen Verschweigen der Zeuge in keiner Weise plausibel erklären konnte und das aufgrund der Schwere der Erkrankung und der zeitlichen Nähe zum Versicherungsantrag bereits für sich genommen für arglistiges Verschweigen spricht.
3.
Die vorsätzliche Täuschung war auch kausal für den Vertragsschluss. Dies hat der Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellt. Einer Belehrung über die Folgen einer arglistigen Falschbeantwortung der Antragsfragen bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 12.03.2014 - IV ZR 306/13; Senat, Beschluss vom 05.04.2022 - 4 U 1975/23 Rn 37 - juris).
4.
Das Landgericht durfte weiter davon ausgehen, dass die arglistige Täuschung durch den Zeugen P...... dem Kläger zuzurechnen ist. Dem steht § 123 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Diese Vorschrift regelt den Fall, dass Täuschender und Erklärungsempfänger der anzufechtenden Erklärung auseinanderfallen. Erklärungsempfänger war vorliegend der Kläger, denn dieser sollte Vertragspartner werden, und ihm gegenüber hat die Beklagte das Angebot auf Abschluss des Versicherungsvertrages angenommen. Hat - wie hier - ein anderer die Täuschung verübt, so kann dann nicht angefochten werden, wenn dieser ein "Dritter" im Sinne der Vorschrift ist. Dritter ist dabei nur, wer am Rechtsgeschäft nicht beteiligt ist (Grüneberg-Ellenberger, BGB, 83. Aufl. § 123, Rz. 13 m.w.N.). Der Begriff des "Dritten" wird grundsätzlich eng ausgelegt (st. Rspr. seit BGHZ 20, 36 = NJW 1956, 705; Senat, Urteil vom 03.04.2018 - 4 U 698/17 -, juris Rz. 40; Überblick bei MüKo-BGB/Armbrüster, BGB, 7. Aufl. 2015, § 123 Rn. 64). Dritter ist damit nur der am Geschäft Unbeteiligte, wer dagegen im Lager des Erklärungsempfängers steht, ist im Zweifel nicht Dritter. Insbesondere ist auch nicht als Dritter abzusehen, wer maßgeblich am Zustandekommen des Vertrags mitgewirkt hat (Grüneberg/Ellenberger, a.a.O.). So liegt der Fall hier. Unabhängig davon, ob der Kläger das Verhalten seines Vaters im Einzelnen kannte oder gar billigte, war der Zeuge P...... schon deshalb nicht als "unbeteiligter Dritter" anzusehen, weil er nach eigenem Bekunden ein großes Interesse daran hatte, seinen Sohn bestmöglich abzusichern und nach eigener Aussage alles für ihn zu tun bereit war, was angesichts der Krankheitsgeschichte des Klägers auch ohne Weiteres nachvollziehbar erscheint. Darüber hinaus hat der Zeuge die Antragsgespräche mit dem Zeugen Dr. K...... geführt, die Gesundheitsfragen für den Kläger beantwortet und damit maßgeblich zur Annahme des Vertrages beigetragen. Die Folge ist aber, dass der Kläger sich das Verhalten des Zeugen P...... zurechnen lassen muss und die auf der Täuschung des Vaters beruhende Vertragsannahme durch die Beklagte wirksam anfechtbar war.
Nach alledem rät der Senat zu einer Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.
III.
Der beabsichtigte Streitwert errechnet sich wie folgt: Dreieinhalbfacher Jahresbetrag des monatlichen Rentenbetrags zuzüglich dreieinhalbfacher Jahresbetrag der monatlichen Beitragszahlung, hiervon 50 % (weil Eintritt des Versicherungsfalles nicht unstreitig oder festgestellt) = 31.500,00 € (42 x 750,00 €) plus 2.786,70 € (42 x 66,35 €) = 34.286,70 € x 50 % = 17.143,35 €, §§ 3, 9 ZPO, (BGH, Beschluss vom 01.12.2004 - IV ZR 150/04, juris).
Tenor:
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, 04.02.2025, 15.00 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 17.143,35 € festzusetzen.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt die Feststellung des Fortbestandes seiner im Jahre 2017 bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung.
Am 15.11.2017 ließ der Vater des Klägers sich vom damals als Agenten für die Beklagte tätigen Zeugen Dr. K...... hinsichtlich möglicher Versicherungen für den seinerzeit kurz zuvor volljährig gewordenen Kläger beraten. In den Räumlichkeiten der Familie des Klägers kam es zum Abschluss einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Wegen des Inhaltes des Vertrages wird auf die Anlage K1 verwiesen. Unstreitig beantwortete nicht der Kläger selbst die Gesundheitsfragen zur Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern der Vater. Streit besteht zwischen den Parteien darüber, welche Fragen der Zeuge Dr. K...... gestellt, und was der Vater des Klägers hierauf geantwortet hat. Der Kläger unterzeichnete zum Schluss selbst die Antragsformulare.
Der Kläger litt vor Antragstellung jahrelang an einem ADHS, das mit Ritalin therapiert wurde. Aus dem gleichen Grund befand er sich noch bis zur Antragstellung nicht nur in hausärztlicher, sondern auch in psychiatrischer Behandlung. Im Jahr 2016 wurde er zudem wegen Alkoholmissbrauchs stationär behandelt.
Unter anderem folgende Fragen sind in dem von der Beklagten vorgelegten Antragsformular (Anl. BLD 1, dort S. 10) mit "nein" beantwortet:
"Werden Ihnen derzeit Medikamente verordnet? Darunter fallen alle Arten von verschreibungspflichtigen Medikamenten, unabhängig von ihrer Darreichungsform (z.B. Tabletten, Spritzen); nicht gemeint sind Verhütungsmittel."
"Waren Sie bei Ärzten oder Therapeuten (Psychologen, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Krankengymnasten, Heilpraktiker) in Behandlung, Untersuchung oder Beratung? Nicht anzugeben sind: akute Erkältungskrankheiten, akute Magen-, Darm- und Harnwegsinfekte, unauffällige altersbezogene Vorsorgeuntersuchungen, zahnärztliche Behandlungen, Schwangerschaft/Geburt."
"Welche der folgenden Aussagen trifft auf Sie zu?
a. Ich wurde in den letzten 10 Jahren wegen Alkoholgenuss ärztlich beraten oder behandelt.
b. Ich wurde in den letzten 10 Jahren wegen des Konsums von Drogen oder Betäubungsmitteln ärztlich beraten oder behandelt."
Am 08.05.2022 stellte der Kläger einen Leistungsantrag in seiner Berufsunfähigkeitsversicherung (Anl. BLD 3) und zwar mit der Begründung ständig wiederkehrender Schübe im Rahmen einer nicht näher beschriebenen psychotischen Erkrankung und nicht näher beschriebener Entgiftungskuren, wegen derer er ab März, spätestens jedoch ab September 2020 nicht mehr in seinem Beruf arbeitsfähig gewesen sei.
Im Rahmen der Leistungsprüfung erhielt die Beklagte von der vormaligen Kinderärztin des Klägers die Auskunft, dieser sei seit Beginn der Schulzeit bis Ende 2017 wegen ADHS mit Ritalin behandelt worden und deshalb auch in psychotherapeutischer Behandlung gewesen (Anl. BLD 5). Des Weiteren sei am 28.11.2016 ein Drogenscreening durchgeführt worden (Anl. BLD 9). Die Beklagte hat zwei Entlassungsberichte des P......-Klinikums L...... von November 2020 und März 2021 beigezogen, denen zufolge der Kläger eigenanamnestisch angegeben hatte, bereits seit seinem sechzehnten Lebensjahr Drogen konsumiert zu haben, davon "seit ca. 4 Jahren täglich mit bis zu 20 Gramm Cannabis über fünf Tage", daneben zahlreiche andere Drogen (Anl. BLD 13 und 14).
Nach diesen Auskünften hat die Beklagte mit Schreiben vom 22.08.2022 (Anl. K 3) den Baustein zur Berufsunfähigkeitsvorsorge wegen arglistiger Täuschung bei den Gesundheitsangaben angefochten. Hierbei hat sie sich unter anderem auf die Falschbeantwortung sämtlicher oben aufgeführter Gesundheitsfragen bezogen.
Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen mit dem angefochtenen Urteil - auf das wegen der Begründung verwiesen wird, abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Er rügt eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Gerichts, insbesondere eine fehlerhafte Glaubwürdigkeitsbeurteilung und eine Verletzung materiellen Rechts durch die Verkennung des § 123 Abs. 2 BGB.
Er beantragt,
1.
Das Endurteil des Landgerichtes Leipzig vom 12.09.2024, Az. 03 O 171/23, wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag der Parteien gemäß dem Versicherungsschein ...... StartPolice Perspektive, 000000000020, im Hinblick auf die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 23.08.2022 wegen arglistiger Täuschung nicht beendet worden ist, sondern fortbesteht.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung des Herrn Rechtsanwalt S...... K...... mit Sitz in Z...... auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.673,14 € freizustellen.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II.
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass seine Berufsunfähigkeitsversicherung fortbesteht.
1.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die Vorschrift betont die Funktion des Berufungsverfahrens als vornehmliches Instrument zur Fehlerkontrolle und -beseitigung anstelle einer zweiten vollen Tatsacheninstanz und weist die Feststellung der für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblichen Tatsachen in erster Linie dem erstinstanzlichen Tatrichter zu (BT-Drucks. 14/4722, S. 61, 64, 100). Eine erneute Beweisaufnahme und -würdigung durch das Berufungsgericht ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur zulässig und erforderlich, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, die hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, WM 2004, 845, 846). Ein solcher Verfahrensfehler liegt vor, wenn die Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO nicht genügt, d. h. unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn sie wesentliche Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt lässt (BGH, Urteil vom 12.03.2004, a.a.O.; OLG Hamm, Urteil vom 21.10.2024 - 2 U 65/23 -, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 13.03.2017 - 4 U 158/16, juris Rn. 14 m.w.N.). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Urteil vom 15.07.2003 - VI ZR 361/02, ZfSch 2003, 591, 592).
All dies liegt vorliegend nicht vor. Dass die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich ist oder gegen allgemeine Denkgesetze verstößt, trägt die Berufung nicht vor und ergibt sich auch sonst nicht. Bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung hat das Erstgericht sowohl auf Seiten des Zeugen Dr. K......, als auch auf Seiten der Zeugen P...... und G...... erschöpfend etwaige Begünstigungs- oder Belastungstendenzen oder mögliche Interessenkonflikte in Betracht gezogen und bewertet. Dass es hiernach zu dem Schluss kommt, Begünstigungstendenzen beim Zeugen K...... seien zu verneinen, weil dieser sich inzwischen im Ruhestand befinde, so dass er kein Eigeninteresse mehr am Ausgang des Rechtsstreits zugunsten der Beklagten habe, ist plausibel und nicht zu beanstanden. Es ist weiter nicht zu beanstanden, dass das Landgericht beim Zeugen P...... ein Interesse an einem bestimmten Ausgang des Rechtsstreits gesehen hat, nachdem dieser betont hatte, wie sehr ihm - verständlicherweise - am Wohl des Klägers - seines Sohnes - gelegen sei. Weiter ist nachvollziehbar, dass es der Aussage des Zeugen P...... weniger Glauben geschenkt hat als derjenigen des Zeugen Dr. K......, weil diese Aussage auch in Widerspruch zu derjenigen seiner Lebensgefährtin, der Zeugin G......, steht. Mit der Berufung hat der Kläger keine durchgreifenden Gesichtspunkte aufgezeigt, weshalb eine Wahrscheinlichkeit für ein anderes Beweisergebnis bei erneuter Vernehmung der Zeugen bestehen sollte. Allein der Wunsch, das Berufungsgericht möge die Zeugenaussagen anders würdigen als das Landgericht, genügt hierfür nicht.
Nach alldem durfte das Landgericht die Feststellung treffen, dass dem Zeugen P...... sämtliche Gesundheitsfragen, wie im Antragsformular angegeben, vorgelesen oder gezeigt wurden und der Zeuge diese wissentlich falsch beantwortet hat.
2.
Das Antwortverhalten des Zeugen P...... durfte das Landgericht als arglistig werten. Die Möglichkeit der Anfechtung ist dem Versicherer nach § 22 VVG i.V.m. §§ 123 ff. BGB eröffnet, wenn der Versicherungsnehmer seine Offenbarungspflicht arglistig verletzt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst werden kann (statt aller: Senatsbeschluss vom 18.09.2020 - 4 U 1059/20, juris Rz. 4 m.w.N.). Der künftige Versicherungsnehmer hat die in einem Versicherungsformular gestellten Gesundheitsfragen grundsätzlich erschöpfend zu beantworten (BGH, Urteil vom 19.03.2003 - IV ZR 67/02; Senat, Beschluss vom 21.03.2024 - 4 U 1975/23 -, juris). Der für die Arglist erforderliche Täuschungsvorsatz setzt neben der Kenntnis der Gefahrerheblichkeit des betreffenden Umstandes die Billigung der Erkenntnis voraus, dass der Versicherer, der den Antrag in Kenntnis des wahren Sachverhalts entweder gar nicht oder nur zu anderen Konditionen angenommen hätte, durch das Vorgehen getäuscht und dadurch in der Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst wird (vgl. Senat, Beschluss vom 18.09.2020 - 4 U 1059/20 -, Rn. 11 - 12, m.w.N., - juris). Es gibt zwar keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung dahingehend, dass eine unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand immer oder nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen (BGH, Urteil vom 24.11.2010 - IV ZR 252/08 und Senatsbeschluss, a.a.O.). Umgekehrt gilt aber auch, dass es sich bei der Arglist und dem Arglistvorsatz um eine innere Tatsache handelt, so dass der Beweis nur durch Indizien geführt werden kann. Dabei ist auf die konkreten Umstände und insbesondere auf die Art, Schwere und Zweckrichtung der Falschangaben, den Umfang der verschwiegenen Tatsachen, die Dauer der Störungen, die Auswahl der genannten und nicht genannten Befunde sowie die zeitliche Nähe zur Antragstellung abzustellen (Senat, a.a.O., juris Rz. 33; OLG Brandenburg, Urteil vom 11.12.2018 - 11 U 72/16; OLG München, Urteil vom 30.03.2012 - 25 U 5453/09; und Senatsbeschluss vom 18.11.2018 - 4 U 927/18). Das starke Verharmlosen gewisser Umstände indiziert die Arglist hierbei ebenso, wie das Verschweigen entweder schwerer oder chronischer Erkrankungen (Nachweise bei Prölss/Martin, VVG, 32. Aufl., § 22 Rz. 15/16). Steht fest, dass Angaben beim Vertragsschluss objektiv falsch gewesen sind, trifft den Versicherungsnehmer zudem eine sekundäre Darlegungslast, in deren Rahmen er substantiiert und nachvollziehbar vortragen muss, wie und weshalb es dazu gekommen ist (Senat, a.a.O; Beschluss vom 29.04.2021 - 4 U 2453/20 -, Rn. 15 - 18, juris).
Vorliegend hat der Zeuge P...... der Beklagten die bereits jahrelange ADHS-Erkrankung des Klägers und deren Therapie mit der dauerhaften Gabe von Ritalin, die nur rund ein Jahr zurückliegende Behandlung wegen einer Alkoholintoxikation und das durchgeführte Drogenscreening verschwiegen. Es handelt sich bei allen aufgezählten Umständen nicht um Banalitäten insbesondere bei der jahrelangen Ritalin-Medikation um einen gravierenden Umstand, dessen Verschweigen der Zeuge in keiner Weise plausibel erklären konnte und das aufgrund der Schwere der Erkrankung und der zeitlichen Nähe zum Versicherungsantrag bereits für sich genommen für arglistiges Verschweigen spricht.
3.
Die vorsätzliche Täuschung war auch kausal für den Vertragsschluss. Dies hat der Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellt. Einer Belehrung über die Folgen einer arglistigen Falschbeantwortung der Antragsfragen bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 12.03.2014 - IV ZR 306/13; Senat, Beschluss vom 05.04.2022 - 4 U 1975/23 Rn 37 - juris).
4.
Das Landgericht durfte weiter davon ausgehen, dass die arglistige Täuschung durch den Zeugen P...... dem Kläger zuzurechnen ist. Dem steht § 123 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Diese Vorschrift regelt den Fall, dass Täuschender und Erklärungsempfänger der anzufechtenden Erklärung auseinanderfallen. Erklärungsempfänger war vorliegend der Kläger, denn dieser sollte Vertragspartner werden, und ihm gegenüber hat die Beklagte das Angebot auf Abschluss des Versicherungsvertrages angenommen. Hat - wie hier - ein anderer die Täuschung verübt, so kann dann nicht angefochten werden, wenn dieser ein "Dritter" im Sinne der Vorschrift ist. Dritter ist dabei nur, wer am Rechtsgeschäft nicht beteiligt ist (Grüneberg-Ellenberger, BGB, 83. Aufl. § 123, Rz. 13 m.w.N.). Der Begriff des "Dritten" wird grundsätzlich eng ausgelegt (st. Rspr. seit BGHZ 20, 36 = NJW 1956, 705; Senat, Urteil vom 03.04.2018 - 4 U 698/17 -, juris Rz. 40; Überblick bei MüKo-BGB/Armbrüster, BGB, 7. Aufl. 2015, § 123 Rn. 64). Dritter ist damit nur der am Geschäft Unbeteiligte, wer dagegen im Lager des Erklärungsempfängers steht, ist im Zweifel nicht Dritter. Insbesondere ist auch nicht als Dritter abzusehen, wer maßgeblich am Zustandekommen des Vertrags mitgewirkt hat (Grüneberg/Ellenberger, a.a.O.). So liegt der Fall hier. Unabhängig davon, ob der Kläger das Verhalten seines Vaters im Einzelnen kannte oder gar billigte, war der Zeuge P...... schon deshalb nicht als "unbeteiligter Dritter" anzusehen, weil er nach eigenem Bekunden ein großes Interesse daran hatte, seinen Sohn bestmöglich abzusichern und nach eigener Aussage alles für ihn zu tun bereit war, was angesichts der Krankheitsgeschichte des Klägers auch ohne Weiteres nachvollziehbar erscheint. Darüber hinaus hat der Zeuge die Antragsgespräche mit dem Zeugen Dr. K...... geführt, die Gesundheitsfragen für den Kläger beantwortet und damit maßgeblich zur Annahme des Vertrages beigetragen. Die Folge ist aber, dass der Kläger sich das Verhalten des Zeugen P...... zurechnen lassen muss und die auf der Täuschung des Vaters beruhende Vertragsannahme durch die Beklagte wirksam anfechtbar war.
Nach alledem rät der Senat zu einer Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.
III.
Der beabsichtigte Streitwert errechnet sich wie folgt: Dreieinhalbfacher Jahresbetrag des monatlichen Rentenbetrags zuzüglich dreieinhalbfacher Jahresbetrag der monatlichen Beitragszahlung, hiervon 50 % (weil Eintritt des Versicherungsfalles nicht unstreitig oder festgestellt) = 31.500,00 € (42 x 750,00 €) plus 2.786,70 € (42 x 66,35 €) = 34.286,70 € x 50 % = 17.143,35 €, §§ 3, 9 ZPO, (BGH, Beschluss vom 01.12.2004 - IV ZR 150/04, juris).