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  • · Fachbeitrag · Vollstreckungsvoraussetzungen

    So ist ein Vergleich zuzustellen

    von Wolf Schulenburg, geprüfter Rechts- und Notarfachwirt, Berlin

    | Vergleiche spielen in der Praxis eine große Rolle. Erfüllt die Gegenseite die Forderung aus dem Vergleich nicht, muss der Gläubiger der Vergleichsforderung die Zwangsvollstreckung einleiten. Was dabei zu beachten und zu veranlassen ist, zeigt der folgende Beitrag. |

    1. Zustellung des Vergleichsprotokolls

    Für den Beginn der Vollstreckung müssen die Voraussetzungen nach § 750 ZPO vorliegen. U. a. muss der Vollstreckungstitel zuvor oder gleichzeitig dem Schuldner zugestellt (worden) sein. Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist der durch Beschluss (§ 278 Abs. 6 ZPO) oder der in mündlicher Verhandlung geschlossene und im Protokoll (§§ 159, 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) festgestellte Vergleich.

     

    MERKE | Der Vergleich in der Form nach § 278 Abs. 6 ZPO wird i. d. R. von Amts wegen zugestellt (str., ArbG Koblenz 28.11.16 ‒ 4 Ca 192/16). Dagegen muss der in mündlicher Verhandlung protokollierte Vergleich i. d. R. von der Partei zugestellt werden, um die Vollstreckungsvoraussetzungen zu erfüllen. Die Parteizustellung wird in §§ 191 bis 195 ZPO geregelt, die ‒ soweit sie keine Spezialregelungen enthalten ‒, um §§ 166 bis 190 ZPO ergänzt werden. Danach stellt der GV zu (§§ 192 bis 194 ZPO).

     

    Sind die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten, ist auch eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt zulässig (§ 195 ZPO). Der gegnerische Anwalt muss dabei dem zustellenden auf Verlangen ein Empfangsbekenntnis ausstellen (§ 195 Abs. 2 ZPO), das den Zeitpunkt der Zustellung nachweist. Denn für die Vollstreckung ist der Nachweis der Zustellung (§ 750 Abs. 1 ZPO) eine unabdingbare Voraussetzung. Dabei kann sich der gegnerische Anwalt bei fehlender Mitwirkung bei der Zustellung nicht (mehr) auf die Rechtsprechung des BGH (PAK 16, 21) berufen. Denn mit Inkrafttreten des geänderten § 14 S. 1 BORA am 1.1.18 (BRAK-Mitt. 17, 234) ist nun die Mitwirkungspflicht bei einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt in die Berufsordnung aufgenommen worden.

    2. Herstellung von Abschriften durch den Rechtsanwalt

    Bei der Parteizustellung wird dem Schuldner nicht das Original des Vollstreckungstitels, sondern i. d. R. eine beglaubigte Fotokopie des Vergleichs zugestellt. Der Rechtsanwalt selbst kann die notwendige Anzahl der zu beglaubigenden und zuzustellenden Abschriften herstellen (§§ 191, 169 Abs. 2 S. 2 ZPO). So erspart sich die Partei die sonst beim Gerichtsvollzieher entstehende Beglaubigungsgebühr/Dokumentenpauschale der Nr. 102, 700 KV GvKostG.

     

    MERKE | Nach § 16 Abs. 2 S. 1 GVGA muss der Anwalt die entsprechende Anzahl der zuzustellenden beglaubigten Abschriften dem Gerichtsvollzieher übersenden. Fehlen sie, muss der Gerichtsvollzieher sie nach § 16 Abs. 2 S. 4 GVGA beim Anwalt nachfordern. Dies gilt jedoch nicht, wenn hierdurch die rechtzeitige Erledigung des Auftrags gefährdet würde (§ 16 Abs. 2 S. 5 Nr. 1 GVGA).

     

    Die anwaltliche Beglaubigung selbst ist an keine besondere Form gebunden. Erforderlich ist aber, dass sich die Beglaubigung eindeutig auf das gesamte Schriftstück erstreckt und dessen Blätter als Einheit derart verbunden sind, dass die körperliche Verbindung als dauernd gewollt erkennbar und nur durch Gewaltanwendung zu lösen ist (BGH NJW 04, 506).

     

    Die beglaubigte Abschrift wird von der Ausfertigung des Vergleichsprotokolls hergestellt. Daher muss die beglaubigte Abschrift auch den Ausfertigungsvermerk des Vergleichsprotokolls enthalten (BGH MDR 85, 1000; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 192 Rn. 6).

     

    PRAXISHINWEIS | Die beglaubigte Abschrift sollten Sie mittels Aufdruck oder Stempel als solche entsprechend kenntlich machen. Dies ist aber kein Wirksamkeitserfordernis, wenn sich der Umstand der Beglaubigung aus dem Beglaubigungsvermerk ergibt. Ihr Beglaubigungsvermerk auf einem gesonderten Blatt könnte z. B. lauten: „Die Ablichtung der vorstehenden ... Seiten stimmt mit der mir vorliegenden Ausfertigung überein, was ich hiermit zwecks Zustellung beglaubige.“

     

    Mehrere Seiten sollten mindestens mit mehreren Heftklammern (oder z. B. per Ösen) zusammengeheftet werden (BGH NJW 04, 506; MK-ZPO/Häublein, 4. Aufl., § 169 Rn. 6). Der Beglaubigungsvermerk sollte (muss aber nicht zwingend) auf dem letzten Blatt am Ende oder auf einem gesonderten Blatt nach dem Vergleichsprotokoll angebracht werden, sodass er sich erkennbar auf das gesamte Schriftstück bezieht (MK-ZPO/Häublein, a.a.O.).

     

    MERKE | Es ist grundsätzlich nicht zwingend erforderlich, auf jeder Seite einen Beglaubigungsvermerk anzubringen (aber Ausnahme bei Übersendung von Anwalt zu Anwalt per Telefax beachten, s.u., 4.).

     

    Sind Anlagen zum Vergleichsprotokoll vorhanden, ist darauf zu achten, dass der Beglaubigungsvermerk auf der letzten Seite der letzten Anlage zum Vergleichsprotokoll oder auf einem gesonderten letzten Blatt angebracht wird. Andernfalls wären die Anlagen nicht von der Beglaubigung umfasst (vgl. auch AG Emmerich VE 11, 46) und damit ist der Vollstreckungstitel nicht wirksam zugestellt.

    3. Zustellung durch Gerichtsvollzieher

    Dem Gerichtsvollzieher ist mindestens die einfache Ausfertigung des Vergleichsprotokolls und ggf. die bereits vom Rechtsanwalt hergestellte Anzahl der zuzustellenden beglaubigten Abschrift(en) zu übergeben.

     

    Eine Übersendung per Telefax an den Gerichtsvollzieher ist nicht möglich (Zöller/Stöber, a.a.O., § 192 Rn. 5; a. A. OLG Düsseldorf DGVZ 04, 125). Die Übergabe allein nur der beglaubigten Abschrift(en) an den Gerichtsvollzieher reicht ebenfalls nicht aus (AG Ludwigsburg DGVZ 94, 46; LG Münster DGVZ 89, 186; AG Bochum 18.4.02, 50 M 3171/01; LG Saarbrücken DGVZ 04, 93). Denn der Gerichtsvollzieher kann die Übergabe einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks nur bestätigen, wenn ihm die Urschrift auch bekannt ist und er die Übereinstimmung feststellen kann (AG Bochum, a.a.O.). Das Vergleichsprotokoll ist daher grundsätzlich beizufügen.

     

    MERKE | Die Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichsprotokolls ist nur in den Fällen notwendig, in denen neben der Zustellung auch die gleichzeitige Vollstreckung beantragt wird oder ein Fall des § 750 Abs. 2 ZPO vorliegt. Das ist insbesondere in den Fällen erforderlich, in denen die zu vollstreckende Forderung bedingt ist (§ 726 Abs. 1 ZPO) oder für oder gegen einen Rechtsnachfolger vollstreckt werden soll (§ 727 ZPO). Andernfalls reicht für die Zustellung einer beglaubigten Abschrift die einfache Ausfertigung des Vergleichsprotokolls.

     

    Liegt dem Gerichtsvollzieher die entsprechende Anzahl der zuzustellenden beglaubigten Abschriften nicht vor und fordert er sie beim Rechtsanwalt auch nicht ab, stellt er sie selbst her, beglaubigt diese und stellt sie dem Adressaten zu. Über die Zustellung errichtet er eine Urkunde, die den Zeitpunkt des Zuganges nachweist (Zustellungsurkunde), und verbindet sie mit der ihm übergebenen Ausfertigung des Vergleichsprotokolls (§ 193 Abs. 1 ZPO).

     

    MERKE | Die Zustellungsurkunde muss nicht zwingend mit der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichsprotokolls verbunden sein. Für die Zustellung des Vollstreckungstitels nach § 750 Abs. 1 ZPO muss nicht dieselbe Ausfertigung, sondern nur eine Ausfertigung desselben Vollstreckungstitels zugestellt worden sein (Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 750 Rn. 16). In diesem Fall wäre daher bei der späteren Zwangsvollstreckung neben der vollstreckbaren Ausfertigung auch die einfache Ausfertigung des Vergleichsprotokolls mit der dort verbundenen Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers zum Nachweis der Zustellung vorzulegen.

     

    4. Zustellung von Anwalt zu Anwalt

    Der Vergleich kann nicht nur postalisch, sondern auch per Telefax oder mittels elektronisch signierter Datei (z. B. per E-Mail oder beA) zugestellt werden. Auf gleichem Weg und in der gleichen Form kann auch die Gegenseite das Empfangsbekenntnis erteilen und zurücksenden. Die Zustellung erfordert einen Hinweis des zustellenden Rechtsanwalts auf die Zustellungsabsicht („Zum Zwecke der Zustellung“) und die Aufforderung, den Empfang zu bestätigen.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei der Übermittlung per Telefax sollte daher z. B. im Anschreiben oder im Deckblatt als einleitender Hinweis „Zustellung gegen Empfangsbekenntnis“ und der absendende Rechtsanwalt sowie Name und Anschrift des empfangenden Rechtsanwalts angegeben werden (§ 195 Abs. 1 S. 5, § 174 Abs. 2 S. 2 ZPO). Ein vorbereitetes Empfangsbekenntnis empfiehlt sich, ist aber nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zustellung. Das Empfangsbekenntnis kann der gegnerische Rechtsanwalt z. B. auch auf seinem Briefbogen oder auf einer Kopie des Schriftstückes abgeben.

     

    Das vom gegnerischen Anwalt eigenhändig unterschriebene Empfangsbekenntnis mit Datum des Zugangs ist der für die Zwangsvollstreckung notwendige Zustellungsnachweis (§ 750 Abs. 1 ZPO). Denn für die Wirksamkeit der Zustellung ist entscheidend, dass der Adressat schriftlich bestätigt, das empfangene Schriftstück zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Willen entgegengenommen zu haben, es als zugestellt gelten zu lassen (Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 14/4554, S. 18).

     

    PRAXISHINWEIS | Praktischerweise sollten Sie das Empfangsbekenntnis an die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichsprotokolls heften, was aber kein zwingendes Wirksamkeitserfordernis für die Zwangsvollstreckung ist.

     

    5. Problem: Telefax

    Bei der Übermittlung per Telefax können sich mehrere Probleme ergeben, weshalb sich der zustellende Rechtsanwalt aus Gründen des möglichen späteren Beweises überlegen sollte, ob er nicht auf anderem Wege zustellt:

     

    • Bei einem mehrseitigen Vergleichsprotokoll fehlt bereits die körperliche Verbindung der Seiten (durch z. B. mehrere Heftklammern oder Ösen).

     

    • Somit eröffnet dieser Umstand mögliche Einwendungen des gegnerischen Anwalts, z. B. das Dokument habe mehrere, nicht zur Sache gehörende Seiten enthalten, was bei erster Durchsicht nicht aufgefallen sei (MK-ZPO/Häublein, a.a.O., § 174 Rn. 18).

     

    • Nach dem Willen des Gesetzgebers ist Zweck der Zustellung, dem Adressaten angemessene Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks zu verschaffen und den Zeitpunkt dieser Bekanntgabe zu dokumentieren (BT-Drucksache 14/4554, S. 14 re. Sp. zu Buchst. f). Da es letztlich dem Zusteller obliegt, den Nachweis zu führen, dass der Zustellungszweck erfüllt wurde, trägt er ‒ auch bei Vorliegen eines Empfangsbekenntnisses ‒ die primäre Beweislast dafür (MK-ZPO/Häublein, a.a.O.).

     

    PRAXISHINWEIS | Vor einer Übermittlung per Telefax sollten Sie diese möglichen Schwächen des Übermittlungsweges daher berücksichtigen und ggf. eine (beweis)sichere(re) Zustellung ins Auge fassen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zwangsvollstreckung aus Unterhaltsvergleich: Anforderungen an die Bestimmtheit des Titels, VE 17, 169
    • Gerichtlicher Vergleich ohne v.u.g.-Vermerk nicht vollstreckbar, VE 14, 165
    Quelle: Ausgabe 01 / 2018 | Seite 10 | ID 45017614