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  • · Fachbeitrag · Verjährung

    Erneuter Verjährungsbeginn infolge Vollstreckungshandlung

    | Es ist Praxis, dass Jobcenter über Jahre versuchen, gezahlten Kindesunterhalt mittels Vollstreckungsmaßnahmen beizutreiben. Aber was ist, wenn sich plötzlich herausstellt, dass der Vollstreckungstitel fehlerhaft und damit unzulässig ist und sich der Schuldner auf Verjährung beruft? Der BGH entschied in diesem Zusammenhang, dass der erneute Beginn der Verjährung infolge einer Vollstreckungshandlung nach § 212 Abs. 2 BGB als nicht eingetreten gilt, wenn die Zwangsvollstreckung aus dem zugrunde liegenden Titel nach § 767 ZPO mangels hinreichend bestimmtem Tenor rechtskräftig für unzulässig erklärt worden ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung hat der Gläubiger in analoger Anwendung des § 204 Abs. 2 S. 1 BGB die Möglichkeit, durch weitere Maßnahmen zur Rechtsverfolgung den Verjährungseintritt zu verhindern. |

     

    Entscheidungsgründe

    Die Verjährung wurde durch die ständigen Vollstreckungsmaßnahmen zunächst unterbrochen (BGH 19.2.25, XII ZB 377/24, Abruf-Nr. 247477). Wird der Vollstreckungstitel jedoch später aufgehoben, entfällt diese Unterbrechung rückwirkend. Das Problem: Der Anspruch kann inzwischen verjährt sein, wenn die gerichtliche Entscheidung zu lange auf sich warten lässt und der Gläubiger keine Möglichkeit hat, noch etwas dagegen zu unternehmen. Um Gläubiger nicht schutzlos zu lassen, ließ der BGH daher eine sechsmonatige Nachfrist zur „Rettung“ der Unterbrechung zu, wenn diese rechtzeitig durch neue rechtliche Schritte genutzt wird.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist für Gläubiger vorteilhaft. Denn ein Neubeginn der Verjährung gilt auch, wenn eine Vollstreckungshandlung später aufgrund von Mängeln im Titel für unzulässig erklärt wird. Der Gläubiger kann jedoch den Neubeginn der Verjährung nicht rückwirkend verlieren, wenn die Zwangsvollstreckung auf Antrag des Schuldners für unzulässig erklärt wird.

     

    Für Gläubiger hat die Entscheidung folgende Auswirkungen:

     

    • Nachfrist zur Schadensbegrenzung: Der Gläubiger erhält durch die Möglichkeit, innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung erneut Maßnahmen zur Rechtsverfolgung zu ergreifen, eine zusätzliche Chance, die Verjährung doch noch zu verhindern bzw. zu hemmen.

     

    • Der Gläubiger wird damit vor ungewollter Verjährung geschützt, wenn die Zwangsvollstreckung fehlerhaft war und später für unzulässig erklärt wird.

     

    • Rechtsklarheit: Der Gläubiger kann darauf vertrauen, dass er in Fällen der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aufgrund fehlerhafter Titelbestimmungen weiterhin seine Ansprüche geltend machen kann.

     

    So sollten sich Gläubiger aufgrund der BGH-Entscheidung aufstellen:

     

    • Sobald die Zwangsvollstreckung aufgrund von Mängeln im Titel für unzulässig erklärt wird, sollten Gläubiger schnell handeln und binnen der Frist von sechs Monaten eine Maßnahme zur Rechtsverfolgung ergreifen, z. B. die gerichtliche Feststellung der Vollstreckbarkeit beantragen.

     

    • Vor Ergreifen von Vollstreckungsmaßnahmen sollten Gläubiger sicherstellen, dass der Titel ausreichend bestimmt ist, um spätere Unzulässigkeitsentscheidungen zu vermeiden.

     

    • Alle Vollstreckungsmaßnahmen und Rechtsverfolgungsschritte sollten sorgfältig dokumentiert werden, um die Fristen und Maßnahmen im Fall von rechtlichen Auseinandersetzungen nachweisen zu können. Denn jede Maßnahme kann Einfluss auf die Verjährung haben.

     

    Checkliste / Verjährungsschutz bei fehlerhaftem Vollstreckungstitel

    1. Wurde der Vollstreckungstitel geprüft?

    Ja ☐

    Nein ☐

    2. Liegt eine Aufhebung oder Unzulässigkeitserklärung des Titels vor?

    Ja ☐

    Nein ☐

    3. Wurde innerhalb von sechs Monaten nach Aufhebung eine neue Maßnahme ergriffen?

    Ja ☐

    Nein ☐

    4. Wirkung der Maßnahmen: Hemmung / Verjährung (§ 204 oder § 212 BGB)?

    Ja ☐

    Nein ☐

    5. Ist die gesamte Kommunikation und Chronologie dokumentiert?

    Ja ☐

    Nein ☐

    6. Wurde ggf. neue Titulierung oder gerichtliche Feststellung beantragt?

    Ja ☐

    Nein ☐

     

     

    Bild: iww
    Quelle: Ausgabe 06 / 2025 | Seite 94 | ID 50401162