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  • · Fachbeitrag · Unterhaltsvollstreckung

    Heraufsetzung des pfandfreien Betrages bei Barunterhalt

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Der BGH hat jetzt entschieden: Der Schuldner, der einem dem pfändenden Gläubiger gleichstehenden minderjährigen Kind keinen Barunterhalt, sondern Naturalunterhalt leistet, kann wie ein Barunterhalt leistender Schuldner die Heraufsetzung des ihm pfandfrei zu belassenden Betrags nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO verlangen. Das den notwendigen Unterhalt des Schuldners übersteigende Einkommen ist zum Zwecke der Bestimmung des pfandfreien Betrags gemäß § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO im Verhältnis der Höhe der gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Unterhaltsberechtigten in der gleichen Rangstufe zueinander zu quoteln. Der folgende Beitrag zeigt, was diese Entscheidung bedeutet. |

     

    Relevanz für die Praxis

    Die aktuelle Entscheidung des BGH (15.3.23, VII ZB 68/21, Abruf-Nr. 234847)schließt an die Entscheidung des BGH vom 18.1.23 (VE 23, 83) an. Dort hat der Senat bereits entschieden: Betreibt der Gläubiger gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen Unterhaltsansprüchen nach § 850d ZPO, ist dem Schuldner gemäß § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf.

     

    § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO ist nämlich dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags die laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden oder gleichstehenden Unterhaltsberechtigten nur in dem Umfang zu berücksichtigen sind, in dem der Schuldner seine gesetzlichen Unterhaltspflichten den weiteren Unterhaltsberechtigten gegenüber erfüllt oder in dem er von den weiteren Unterhaltsberechtigten im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen wird. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Schuldner ‒ wie im Streitfall ‒ dem weiteren Unterhaltsberechtigten, der dem Gläubiger im Rang gleichsteht, Naturalunterhalt gewährt.

     

    Beachten Sie | Der Unterhaltsschuldner, der einem dem pfändenden Gläubiger gleichstehenden minderjährigen Kind lediglich Naturalunterhalt leistet, ist daher ebenso berechtigt, die Heraufsetzung des ihm pfandfrei zu belassenden Betrags nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO entsprechend wie ein Barunterhalt leistender Schuldner zu beantragen. Die Gewährung von Naturalunterhalt ist gegenüber der Gewährung von Barunterhalt grundsätzlich gleichwertig, sodass die Unterhaltspflicht durch die Gewährung von Naturalunterhalt vollständig erfüllt wird.

     

    Das den notwendigen Unterhalt des Schuldners übersteigende Einkommen ist zur Bestimmung des pfandfreien Betrags gemäß § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO im Verhältnis der Höhe der gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Unterhaltsberechtigten in der gleichen Rangstufe zueinander entsprechend zu quoteln.

     

    Beachten Sie | Insofern muss das Vollstreckungsgericht Feststellungen zur Höhe des jeweiligen Unterhaltsbedarfs der gleichstehenden Unter-haltsberechtigten im Hinblick auf deren unterschiedliches Lebensalter treffen.

     

    • Beispiel

    Der minderjährige Gläubiger (10 Jahre) G. vollstreckt wegen eines monatlich zu zahlenden Unterhaltsbetrags in Höhe von 528 EUR in das Arbeitseinkommen des Schuldners S. gemäß § 850d ZPO. S. leistet gegenüber seiner im Haushalt lebenden minderjährigen Tochter T. (6 Jahre) Naturalunterhalt.

     

    Der Unterhaltsbedarf der T. beträgt monatlich 451 EUR. S. verdient monatlich 2.500 EUR netto. Das Vollstreckungsgericht setzt den pfandfrei zu belassenden Betrag wie folgt fest:

     

    „Dem Schuldner dürfen von dem errechneten Nettoeinkommen bis zur Deckung des Gläubigeranspruchs für seinen eigenen notwendigen Unterhalt 1.100 EUR monatlich verbleiben sowie zur gleichmäßigen Befriedigung der Unterhaltsansprüche der berechtigten minderjährigen Person, die dem Gläubiger gleichsteht, 451 Anteile des Nettoeinkommens, das nach Abzug des notwendigen Unterhalts des Schuldners verbleibt.“

     

    Lösung

    Das den notwendigen Unterhalt (1.100 EUR) des S. übersteigende Einkommen (1.400 EUR = 2.500 EUR - 1.100 EUR) ist zur Bestimmung des pfandfreien Betrags gemäß § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO im Verhältnis der Höhe der gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Unterhaltsberechtigten in der gleichen Rangstufe zueinander entsprechend zu quoteln, somit im Verhältnis 528 EUR : 451 EUR.

     

    Insofern stehen G. von dem pfändbaren Betrag in Höhe von 1.400 EUR monatlich 755,06 EUR zu, während die minderjährige T. monatlich 644,94 EUR erhält.

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH macht Kehrtwende bei Ermittlung des Pfändungsfreibetrags nach § 850d ZPO, VE 23, 83
    Quelle: Ausgabe 07 / 2023 | Seite 116 | ID 49499956