Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Unterhaltsvollstreckung

    § 850d ZPO: Kein notwendiger Selbstbehalt bei genügenden Einkünften des Ehegatten

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Der BGH ( VE 13, 95 ) hat bereits zu § 850f Abs. 2 HS 2 ZPO entschieden: Dem Schuldner ist das zu belassen, was er zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums i. S. d. SGB XII benötigt. Insofern sind die dort für die Anrechnung von Einkommen und geldwerten Vorteilen maßgebenden Grundsätze auch bei der Ermittlung des ihm pfandfrei zu belassenden Betrags zu berücksichtigen. Das LG Koblenz hat diese Grundsätze auch bei einer Vollstreckung wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche nach § 850d ZPO angewendet und damit die erstinstanzliche Entscheidung des AG (6.4.23, 22 M 877/23) bestätigt. |

     

    Sachverhalt

    Das Arbeitseinkommen des Schuldners wurde bei der Drittschuldnerin, seiner Ehefrau, gemäß § 850d ZPO wegen übergegangener gesetzlicher Unterhaltsansprüche gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. Dem Schuldner wurde als notwendiger eigener Unterhalt ein Betrag von monatlich 1.029 EUR zuerkannt.

     

    Der Gläubiger beantragte, nachträglich den pfandfreien Betrag auf 0,00 EUR herabzusetzen. Begründung: Gemäß der Vermögensauskunft (VA) des Schuldners verfügt seine bei ihm lebende Ehefrau über ein monatliches Bruttoeinkommen von 7.000 EUR. Dies entspreche bei der Steuerklasse 3 einem errechneten Nettoeinkommen von ca. 4.600 EUR. Dieser Betrag sei ausreichend, um den Bedarf des Schuldners zu decken. Er benötige daher nicht sein eigenes monatliches Nettoeinkommen (lt. VA) von 900 EUR zu seiner Bedarfsdeckung. Der Schuldner widersprach diesem Vortrag und erklärte, dass es sich bei der Abgabe der VA um einen Erklärungsirrtum handele bzw. der zuständige Gerichtsvollzieher sich verschrieben habe. Seine Ehefrau verdiene keine 7.000 EUR monatlich. Das LG wies die sofortige Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Entscheidung, durch die der pfandfreie Betrag auf „Null“ gesetzt wurde, zurück.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Entscheidung ist richtig (LG Koblenz 19.5.23, 2 T 269/23, Abruf-Nr. 236006). Berücksichtigungsfähig, also mindernd, ist im Rahmen des § 850d Abs. 1 ZPO auch das Einkommen des mit dem Schuldner zusammenlebenden Ehegatten. Dieses Einkommen ist aufgrund der rechtlichen und sittlichen Einstands- und Unterstützungspflicht innerhalb der Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft sowie der Erfahrung, dass in einer ehelichen Haushaltsgemeinschaft „aus einem Topf“ gewirtschaftet wird, dazu zu verwenden, auch den Unterhalt des Schuldners sicherzustellen. Der Freibetrag, der dem Schuldner aus seinem gepfändeten Arbeitseinkommen zu belassen ist, ist somit ‒ unter Zugrundelegung des sozialhilferechtlichen Regelsatzes für den Schuldner und Ehegatten ‒ entsprechend herabzusetzen.

     

    Der Einwand des Schuldners, dass ein Erklärungsirrtum bei Abgabe der VA vorliege bzw. sich der zuständige Gerichtsvollzieher ggf. verschrieben habe, ist zudem irrelevant, weil das Vermögensverzeichnis als öffentliche Urkunde den vollen Beweis ihres Inhalts (§ 417 ZPO) begründet. Daher ist der Schuldner beweispflichtig für die Unrichtigkeit der von ihm abgegebenen Erklärung.

     

    Relevanz für die Praxis

    Im entschiedenen Fall ist die mit einem eigenen Einkommen von monatlich ca. 4.600 EUR netto ausgestattete Ehefrau des Schuldners grundsätzlich verpflichtet, den Teil ihres Einkommens, der ihren eigenen Bedarf übersteigt, zur Deckung des notwendigen Bedarfs des Schuldners zur Verfügung zu stellen. Hierdurch ist vorliegend der notwendige eigene Unterhaltsbedarf des Schuldners vollständig gedeckt. Dem Schuldner stünden nach derzeitiger Rechtslage folgende sozialrechtlichen Ansprüche zu:

     

    • Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 SGB II nach der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von monatlich 451 EUR sowie
    • Kosten für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe von ‒ hier ‒ 215 EUR monatlich.

     

    Da der Schuldner berufstätig ist, ist ihm ein zusätzlicher Freibetrag in Höhe von maximal 50 Prozent des Regelbedarfs zu belassen (BGH NJW-RR 04, 506), somit zusätzlich 225,50 EUR. Der notwendige eigene Unterhaltsbedarf des Schuldners beträgt somit monatlich insgesamt 891,50 EUR. Dieser Unterhaltsbedarf wird durch das Einkommen der Ehefrau des Schuldners von ca. 4.600 EUR netto monatlich gedeckt, sodass der eigene notwendige Unterhaltsbedarf im Rahmen der Lohnpfändung auf 0,00 EUR herabzusetzen ist.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2023 | Seite 135 | ID 49543793