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  • · Fachbeitrag · Umgangsrecht

    So wird das Umgangsrecht vollstreckt

    | Ein Fall aus der Praxis: Im Verhandlungstermin vor dem Familiengericht wird ein Vergleich zum Umgang mit den gemeinschaftlichen Kindern geschlossen. Er wird durch Beschlussvergleich nach § 156 Abs. 2 FamFG familiengerichtlich gebilligt. Doch der Antragsgegner lehnt den Umgang ab. Er verzieht in einen anderen Gerichtsbezirk. Wie kann der Gläubiger vollstrecken? |

    1. Das sind die Vollstreckungsvoraussetzungen

    Zur Vollstreckung der Umgangsregelung aus einem gerichtlich gebilligten Vergleich müssen zunächst folgende Voraussetzungen vorliegen:

     

    • Gemäß § 89 Abs. 2 FamFG ist im Beschlussvergleich, der die Regelung des Umgangs anordnet, auf die Folgen der Zuwiderhandlung hinzuweisen. Ohne eine solche Folgenankündigung können selbst gravierende Verstöße gegen die Umgangsregelung nicht sanktioniert, also vollstreckt werden (Heilmann/Cirullies, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, § 89 FamFG, Rn. 2). Hiermit soll dem Verpflichteten (Schuldner) verdeutlicht werden, dass der Verstoß gegen den erlassenen Titel die Festsetzung von Vollstreckungsmaßnahmen nach sich zieht. Dies dient der Beschleunigung des Vollstreckungsverfahrens und verhindert zugleich die Verlagerung des Streits über die Hauptsacheentscheidung in das Vollstreckungsverfahren.
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    • Wichtig | Der Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG muss sich auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen eine bereits bestehende (Umgangs-)Pflicht aus einem Vollstreckungstitel beziehen. Wird diese später geändert, wird der Hinweis insoweit gegenstandslos (BGH 3.8.16, XII ZB 86/15, Abruf-Nr. 188248). Ändert das Gericht die Regelung, ist ein neuer Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG erforderlich. Fehlt er in der Änderungsentscheidung, muss beantragt werden, ihn nachträglich zu erteilen (BVerfG 9.3.11, 1 BvR 752/10).

     

    • Ausnahmsweise ist eine vollstreckbare Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung nur erforderlich, wenn die Vollstreckung nicht durch das Gericht erfolgt, das den Titel in der Hauptsache erlassen hat (§ 86 Abs. 3 FamFG). Folge: Benötigt wird die Vollstreckungsklausel nur, wenn ein anderes Gericht als das der Hauptsache vollstreckt. Da der Schuldner im Ausgangsfall in einen anderen Gerichtsbezirk verzogen ist, benötigt der Gläubiger also eine vollstreckbare Ausfertigung des zugrunde liegenden Vergleichs.

     

    • Der Titel muss spätestens mit Vollstreckungsbeginn zugestellt sein (§ 87 Abs. 2 FamFG). Beschlüsse werden von Amts wegen zugestellt (§ 41 FamFG).
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    • Dies gilt auch für einen gerichtlich gebilligten Beschluss-Vergleich, den das Gericht erlassen hat (OLG Hamm FamRZ 15, 88; OLG Düsseldorf 23.3.15, II-5 UF 51/15; OLG Hamm FamRZ 15, 273; OLG München AGS 12, 76; Hammer in Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., § 156 FamFG, Rn. 68). Nur im Rahmen einer solchen Endentscheidung besteht dann eine Vollstreckungsmöglichkeit. Eine bloße gerichtliche Protokollierung genügt daher nicht. Daher müssen Gläubiger bereits im Erkenntnisverfahren beachten, dass der gebilligte Vergleich durch Beschluss und nicht nur durch Protokollvermerk ergeht.

    2. So wird vollstreckt

    Aus dem gerichtlich gebilligten (Beschluss-)Vergleich kann nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG vollstreckt werden. Weil das Hauptsacheverfahren (Umgangsregelung) ausschließlich auf Antrag hin stattfindet, erfordert auch die Vollstreckung ‒ im Gegensatz zu Amtsverfahren, wie z. B. elterliche Sorge ‒ einen Antrag des Gläubigers als Berechtigtem. Örtlich zuständig für die Zwangsvollstreckung ist das FamG, in dessen Bezirk das Kind zurzeit der Einleitung der Vollstreckung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 88 Abs. 1 FamFG).

     

    Das Gericht kann gemäß § 89 Abs. 1 FamFG zur Durchsetzung von Umgangsregelungen Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft verhängen, auch um eine bereits erfolgte Zuwiderhandlung zu ahnden. Vor der Festsetzung des Ordnungsmittels ist der Schuldner anzuhören (§ 89 Abs. 2 S. 1 FamFG). Dem Schuldner sind zugleich mit der Festsetzung von Ordnungsmitteln die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 92 Abs. 2 FamFG).

     

    MERKE | Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll im Regelfall Ordnungsgeld bis maximal 25.000 EUR und für den Fall mangelnder Erfolgsaussicht Ordnungshaft (maximal 6 Monate, vgl. § 89 Abs. 3 i. V. m. § 802g Abs. 1 S. 2 und Abs. 2, §§ 802h und 802j Abs. 1 ZPO) angeordnet werden (BT-Drucksache 16/6308, S. 219). Hierüber ist zugleich durch das Gericht zu belehren.

     

    Das Gericht treibt das Ordnungsgeld stets von Amts wegen bei. Die Vollstreckung erfolgt also nicht durch den Gläubiger, sondern auf Veranlassung des Familiengerichts durch den Rechtspfleger nach den Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung. Vollstreckt wird nach den allgemeinen Bestimmungen, also durch den Gerichtsvollzieher nach §§ 803 ff. ZPO, durch Forderungspfändung gemäß §§ 828 ff. ZPO oder im Wege der Immobiliarzwangsvollstreckung. Das beigetriebene Ordnungsgeld ist an die Staatskasse (Gerichtskasse) abzuführen. Es steht nicht dem Berechtigten zu (BGH NJW 83, 1859).

     

    PRAXISTIPP | Gemäß § 88 Abs. 2 FamFG besteht eine Unterstützungspflicht des Jugendamts gegenüber dem Gericht bei der Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen, die u. a. das Umgangsrecht zum Gegenstand haben. Dies soll Gewaltanwendung vermeiden helfen und eine das Kindeswohl so wenig wie möglich beeinträchtigende Vollstreckung fördern. Die Unterstützungspflicht des Jugendamts umfasst hierbei auch die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers, soweit dieser im Auftrag des Gerichts tätig wird (BT-Drucksache 16/6308, S. 218 f.).

     

    Wichtig | Ein Ziel der Verfahrensregelungen ist es u. a., eine effektivere Durchsetzung von Entscheidungen und gerichtlich gebilligten Vergleichen über das Umgangsrecht und Entscheidungen zur Kindesherausgabe zu bewirken. Mithilfe der Befugnis der Gerichte, ein Ordnungsmittel zu verhängen, soll dies erreicht werden. Anders als bei Zwangsmitteln kann daher auch noch eine Zwangsvollstreckung erfolgen, wenn die eigentliche Pflicht bereits abgelaufen ist.

     

    • Beispiel

    M. und F. vereinbaren eine Umgangsrechtsregelung dahingehend, dass das gemeinsame Kind K. den M. über die Osterfeiertage besuchen darf. F. „verhindert“ allerdings den Besuch dadurch, dass sie wahrheitswidrig behauptet, K. sei krank. Hier kann gegen F. auch noch nach den Osterfeiertagen ein Zwangsmittel festgesetzt und vollstreckt werden.

     

    a) Keine Vollstreckung, wenn Schuldner sich exkulpieren kann

    Die Festsetzung des Ordnungsmittels unterbleibt allerdings, wenn der Schuldner Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat (§ 89 Abs. 4 FamFG). Hierbei sind allerdings die Umstände, die den Grund für das Scheitern der Vollstreckung der Entscheidung darstellen, im Einzelnen genau darzulegen.

     

    In diesem Zusammenhang beruft sich der Schuldner-Elternteil immer wieder auf den entgegenstehenden Willen des Kindes. Hierbei muss er aber im Einzelnen darlegen, wie er auf das Kind eingewirkt hat, um dieses zum Umgang zu bewegen. Insofern besteht zugunsten des Gläubigers quasi eine „Beweislastumkehr“. Solche Gründe können auch noch nachträglich dargelegt werden, sodass dann das Ordnungsmittel aufzuheben ist.

     

    Wichtig | Die Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen ein Kind im Rahmen der Durchsetzung einer Umgangsrechtsregelung scheidet aus, wenn das Kind herausgegeben werden soll (§ 90 Abs. 2 S. 1 FamFG).

     

    b) Wohnungsdurchsuchung möglich

    In § 91 Abs. 1 FamFG ist ausdrücklich geregelt, dass die Wohnung des Schuldners ohne dessen Einwilligung nur aufgrund richterlichen Beschlusses durchsucht werden darf. Die Regelung entspricht § 758a Abs. 1 ZPO. Der Durchsuchungsbeschluss der duldungspflichtigen Person ist unaufgefordert vorzuzeigen, nicht zuvor zuzustellen (§ 91 Abs. 4 FamFG). Achtung: Es besteht Formularzwang gemäß der Anlage zu § 1 ZVFV.

     

    PRAXISTIPP | Ein Durchsuchungsbeschluss ist nicht erforderlich, wenn der Erfolg der Durchsuchung durch den Erlass des Beschlusses gefährdet ist. Dies ist z. B. bei Gefahr in Verzug (plötzlich anstehender Wohnungsumzug) der Fall. Gleiches gilt, wenn ein Haftbefehl im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung vollstreckt werden soll. Dies ist z. B. der Fall, wenn eine herauszugebende Person nicht vorgefunden wird, der Verpflichtete daher die beschlossene eidesstattliche Versicherung verweigert und das Gericht Haftbefehl erlässt (vgl. § 94 FamFG).

     

    Eine zulässige Durchsuchung der Wohnung führt dazu, dass Mitbewohner des Verpflichteten die Durchsuchung dulden müssen91 Abs. 3 FamFG). Wie bei § 758a Abs. 3 ZPO findet das Recht des Mitbewohners aus Art. 13 GG seine Grenze im Rechtsdurchsetzungsanspruch des Berechtigten. Den Mitbewohnern wird daher zugemutet, die Vollstreckung auch ohne Duldungstitel hinzunehmen. Die Duldungspflicht des Mitbewohners ändert aber nichts daran, dass unbillige Härten ihm gegenüber zu vermeiden sind. Dies ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten. Klassischer Fall ist eine schwere Erkrankung eines Mitbewohners, die dazu führen kann, dass von der Durchsuchung abzusehen ist.

     

    Musterformulierung / Antrag auf Ordnungsmittel nach § 89 Abs. 1 FamFG

    An das Amtsgericht … ‒ Familiengericht ‒

    Az.: … F … ./. …

     

    In der Zwangsvollstreckungssache Antragsteller ... gegen Antragsgegner …

     

    Im Auftrag des Antragstellers wird beantragt, gegen den Antragsgegner wegen Verstoßes gegen Nr. … des familiengerichtlich gebilligten Vergleichs vom ... ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen.

     

    Begründung

    Durch gebilligten Vergleich des Familiengerichts … vom … Az.: … F … ./. …, haben die Parteien die Umgangskontakte des Antragstellers mit dem Kind … geregelt.

     

    Gemäß Nr. … des Vergleichs ist der Antragsteller berechtigt, das Kind in der ersten Hälfte der Sommer- und Weihnachtsferien zu sich zu nehmen und mit ihm zu verreisen. Der Antragsgegner wurde vom Gericht zugleich nach § 89 Abs. 2 FamFG auf die Folgen der Zuwiderhandlung gegen diesen Vergleich hingewiesen.

     

    Beweis:

    ☐ Vergleich vom …

    ☐ Beiziehung der Verfahrensakten

     

    Der Antragsteller wollte das Kind entsprechend der Vereinbarung am … um … Uhr bei dem Antragsgegner abholen. Die hat der Antragsgegner in schuldhafter Weise dadurch verhindert, dass (genaue Ausführungen)…

     

    Der Antragsgegner kann hierzu keine Entschuldigungsgründe vortragen. Vielmehr wäre er verpflichtet gewesen …

     

    Der Antragsgegner hat somit gegen den gerichtlich gebilligten Vergleich schuldhaft verstoßen. Es ist daher ein Ordnungsmittel festzusetzen, zumal zu erwarten ist, dass sich der Antragsgegner auch künftig nicht an die geschlossene Vereinbarung halten wird, weil (genaue Ausführungen) …

     

    Rechtsanwalt

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2018 | Seite 192 | ID 45503305