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  • · Fachbeitrag · Räumungsvollstreckung

    Kein Räumungstitel bei Mitbesitz volljähriger Kinder

    Gegen volljährige Kinder des Schuldners wird bei Räumungsvollstreckungen kein eigener Räumungstitel benötigt, es sei denn, der Mitbesitz der volljährigen Kinder an den Räumen ergibt sich eindeutig aus den Umständen (AG Wuppertal 18.6.13, 44 M 4044/13, Abruf-Nr. 140225).

     

    Praxishinweis

    Immer wieder problematisch: Der Gläubiger hat ein rechtskräftiges Räumungsurteil gegen den Schuldner erstritten und will vollstrecken. Der Gerichtsvollzieher stellt die Vollstreckung ein und beansprucht einen eigenen Räumungstitel für die sich in der Wohnung befindlichen Angehörigen des Schuldners. Grund: Nach § 750 ZPO kann die Vollstreckung nur für und gegen die im Titel oder einer titelübertragenden Klausel (§ 727 ZPO) genannten Personen betrieben werden. Hier muss seitens des Gläubigers reagiert werden. Dies setzt voraus, dass der Gläubiger bzw. sein ihn vertretender Rechtsanwalt bereits vor Erhebung der Räumungsklage ermitteln muss, wer sich tatsächlich dauerhaft in der Wohnung aufhält. Dabei sollte er sich auf keinen Fall auf die mietvertraglichen Vereinbarungen verlassen. Gegebenenfalls muss der Vermieter als künftiger Gläubiger aufgefordert werden, durch Nachfrage beim Mieter, Besuch oder Befragung von Nachbarn Erkenntnisse zu erlangen.

     

    Aus einem Räumungstitel gegen den Schuldner als Mieter einer Wohnung kann der Gläubiger nicht gegen einen im Titel nicht aufgeführten Dritten vollstrecken, wenn dieser Mitbesitzer ist (BGH NJW 04, 3041; KG OLGZ 94, 479; OLG Oldenburg NJW-RR 94, 715; OLG Köln DGVZ 97, 119; OLG Jena WuM 02, 221). Es entspricht insoweit allgemeiner Ansicht, dass vom Grundsatz her gegenüber erwachsenen dritten Personen ein selbstständiger Räumungstitel geschaffen werden muss, wenn diese eigenständigen Mitbesitz an den zu räumenden Räumlichkeiten haben und sie die Mitbenutzung der Wohnung nicht nur allein vom Besitzrecht des Mieters ableiten und abhängig machen.

     

    Ob und inwieweit ein solches selbstständiges Besitzrecht anzunehmen sein wird, wenn ein Mieter Angehörige mit in die Wohnung aufnimmt, wird unterschiedlich beurteilt und hängt vor allem von den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich wird man bei der Aufnahme von Angehörigen von deren eigenständigem Mitbesitz ausgehen können, wenn der Vermieter mit dieser Aufnahme früher einmal einverstanden war. Wenn dies hingegen ohne Erlaubnis des Vermieters geschieht, darf eigenständiger Mitbesitz nicht ohne Weiteres bejaht werden. Denn dann geht regelmäßig auch der Angehörige davon aus, dass sein Aufenthalt in der Wohnung ausschließlich durch die Bereitschaft des Mieters ermöglicht wurde und mit dieser steht und fällt. Eine Übertragung von selbstständigen Besitzrechten wird man dann wohl hauptsächlich annehmen können, wenn sich eine solche Übertragung nach außen hin erkennbar manifestiert hat (AG Wuppertal DGVZ 10, 158). Hierbei genügt es aber nicht, dass der Mitbesitz nur durch Vorlage des Personalausweises mit Anschriftenangabe nachgewiesen wird (AG Bad Neuenahr-Ahrweiler DGVZ 09, 167).

     

    Checkliste / Mitbesitz von Angehörigen an Mietwohnungen

    • Minderjährige Kinder: Minderjährigen Kindern sind Räume der elterlichen Wohnung regelmäßig nicht zum selbstständigen Gebrauch überlassen, sodass sie keinen selbstständigen Gewahrsam daran haben. Ein besonderer Räumungstitel gegen minderjährige Kinder ist damit entbehrlich (BGH VE 08, 163; LG Berlin DGVZ 11, 173; KG NJW-RR 94, 713; LG Lüneburg NJW-RR 98, 662; Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, 6. Aufl., § 885 Rn. 22).

     

    • Volljährige Kinder: Gleiches gilt für ein volljähriges Kind, das weiter in der elterlichen Wohnung lebt und Gemeinschaftseinrichtungen mitbenutzt. Hier ist von einer fortdauernden Mitbenutzung ohne eigenen Besitzwillen auszugehen (AG Ludwigshafen WuM 10, 45 ; OLG Hamburg MDR 91, 453). Die Besitzverhältnisse an der Wohnung, in der die Familie lebt, ändern sich nicht, wenn das Kind volljährig wird und mit seinen Eltern weiter zusammenwohnt (OLG Hamburg NJW-RR 91, 909; KG NJW-RR 94, 713; LG Heilbronn DGVZ 05, 167). Beim Zusammenwohnen von Eltern und Kindern ändert sich daher durch den bloßen Eintritt der Volljährigkeit an den Besitzverhältnissen nichts (BVerfG NJW-RR 91, 1101). Dann bleiben die nach Erreichen der Volljährigkeit weiter in der elterlichen Wohnung lebenden Kinder i.d.R. Besitzdiener, ohne dass es darauf ankommt, ob sie unter der Adresse gemeldet sind und der Vermieter die tatsächlichen Verhältnisse kennt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn eine Änderung der Besitzverhältnisse volljähriger Kinder an der elterlichen Wohnung nach außen eindeutig erkennbar geworden ist (BGH VE 08, 163). Allein ein zunächst erfolgter Auszug und späterer Rückzug in die elterliche Wohnung stellt jedoch keine nach außen erkennbare Änderung der Besitzverhältnisse dar (LG Berlin GE 11, 1555). Solche Einzelfälle sind z.B. gegeben, wenn abgeschlossene Teile der Wohnung oder des Hauses bewohnt werden, ein eigener Haushalt unterhalten wird oder die Kinder sich an der Miete beteiligen. In diesen Fällen haben sie eigenständigen Besitz. Nur dann ist ein eigener Vollstreckungstitel gegen sie erforderlich. Dies gilt auch für andere Angehörige des Schuldners (a.A. AG Tettnang DGVZ 08, 174 = wird eine Mietwohnung durch die Mutter des Räumungsschuldners mitbenutzt, ist davon auszugehen, dass sie die Sachherrschaft an der Wohnung als Mitbesitzer ausübt und deshalb ein eigener Räumungstitel gegen sie erforderlich ist).

     

    • Ehegatten: Bei Ehegatten ist davon auszugehen, dass der nicht schuldnerische Ehepartner Mitgewahrsam an der Wohnung hat. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass der Mietvertrag allein zwischen Gläubiger und Schuldner abgeschlossen worden ist. Denn aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 BGB) folgt die Pflicht der Ehegatten, sich gegenseitig die Benutzung der ehelichen Wohnung zu gestatten. Regelmäßig sind daher beide Ehegatten gleichberechtigte Mitbesitzer der ehelichen Wohnung. Eine Vollstreckung ist selbst gegen den allein in der Wohnung nach der Trennung von Eheleuten verbleibenden Ehegatten des Mieters/Räumungsschuldner ausgeschlossen. Es ist ein Räumungstitel gegen den alleinbesitzenden Ehegatten erforderlich. Es kommt nicht darauf an, ob dem Vermieter die Situation bei Erhebung der Klage bzw. bei Einleitung des Vollstreckungsverfahrens bekannt war (BGH VE 05, 57).

     

    • Nichteheliche Lebensgemeinschaft: Hier ist vom Mitbesitz an den herauszugebenden Räumlichkeiten auszugehen, sodass ein Vollstreckungstitel gegen beide Partner erforderlich ist (BGH VE 05, 57; BGH VE 08, 163; LG Berlin DGVZ 11, 173). Dies gilt auch, wenn der nichteheliche Lebenspartner erst später in die Mieträume aufgenommen und ihm der Mitbesitz durch den bisherigen Alleinbesitzer eingeräumt wurde. Davon ist jedenfalls sowohl bei Erlaubnis des Vermieters als auch bei langjährigem Zusammenleben auszugehen. Allenfalls bei einer nur kurzfristigen vorübergehenden Aufnahme kann etwas anderes gelten.

     

    • Untermieter: Auch gegen den Untermieter ist ein selbstständiger Titel erforderlich (OLG Celle NJW-RR 88, 913; LG Hamburg NJW-RR 91, 1297; LG Köln WuM 91, 507). Eine Vollstreckung aufgrund des gegen den Hauptmieter ergangenen Titels ist nicht möglich (BGH VE 04, 122).

     

    • Dritte als Bedienstete oder Besucher: Dritte, die sich als Bedienstete oder Besucher in den herauszugebenden Räumen aufhalten, sind nur Besitzdiener und nicht Besitzer. Ein gesonderter (weiterer) Vollstreckungstitel gegen sie ist daher nicht erforderlich (KG NJW-RR 94, 713; Gottwald/Mock, a.a.O., Rn. 27).
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 25 | ID 42472208