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  • · Forderungsvollstreckung

    Mauterstattungsansprüche: So pfänden Sie richtig

    Bild: © ehrenberg-bilder - stock.adobe.com

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Die Pfändung von Mautrückerstattungsansprüchen zählt sicherlich zu den eher ungewöhnlichen Vollstreckungsmöglichkeiten, da solche Forderungen nur bei einem engen Schuldnerkreis entstehen und für Gläubiger schwer erkennbar sind. Aufgrund dieser besonderen Voraussetzungen und der Seltenheit in der Praxis verschafft sie dem informierten Gläubiger eine lohnende, „exklusive“ Zugriffsmöglichkeit. Der folgende Beitrag klärt auf. |

    1. Allgemeines

    Die Mautgebühr in Deutschland wird anhand der gefahrenen Streckenlänge und der Achszahl des Fahrzeugs berechnet. Sie ist eine streckenbezogene Gebühr, d. h., sie richtet sich nach der Länge der mautpflichtigen Strecke, die ein Fahrzeug befährt. Die Streckenlänge wird in Tarifkilometern gemessen, basierend auf offiziellen Tarifstrecken im Mautnetz (vgl. § 3 BFStrMG).

     

    Beachten Sie | Der Mautsatz pro Kilometer ist abhängig von mehreren Faktoren:

     

    • Technisch zulässige Gesamtmasse (tzGm) in Gewichtsklassen (z. B. 7,5 ‒ 11,99 t, 12 ‒ 18 t, >18 t)
    • Achszahl (für Fahrzeuge über 18 t: bis 3 Achsen, 4 Achsen, ab 5 Achsen)
    • Schadstoffklasse (Euro-Klasse)
    • CO2-Emissionsklasse

     

    • Tabelle Mautsatz in Cent pro Kilometer (Euro 6, nach Gewicht und Achszahl)
    Gewichtsklasse
    Achszahl
    Mautsatz (Cent/km)

    7,5 ‒ 11,99 t

    Alle Achsen

    ca. 9,3

    12 ‒ 18 t

    Alle Achsen

    ca. 12,8

    >18 t

    Bis 3 Achsen

    ca. 17,3

    >18 t

    4 Achsen

    ca. 18,7

    >18 t

    Ab 5 Achsen

    ca. 20,1

     

    Die Mautgebühr wird also für jede tarifpflichtige Strecke separat berechnet, indem man die Länge der Strecke mit dem passenden Mautsatz multipliziert.

     

    • Beispiel

    Ein Vier-Achser-Lkw mit mehr als 18 t, der 150 km fährt, zahlt bei einem Satz von 18,7 Cent/km genau 150 km × 0,187 EUR = 28,05 EUR Maut.

     

    2. Mautschuldner

    Der Mautschuldner ist nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz (BFStrMG) die Person, die zur Zahlung der Maut verpflichtet ist. Konkret ist Mautschuldner (§ 2 Abs. 1 BFStrMG):

     

    • der Eigentümer oder Halter des Motorfahrzeugs,
    • die Person, die über den Gebrauch des Fahrzeugs bestimmt,
    • der Fahrer des Fahrzeugs,
    • die Person, auf die das Fahrzeug zugelassen ist oder
    • derjenige, dem das Kennzeichen zugeteilt ist.

     

    Das bedeutet, dass neben dem Halter auch der Fahrer oder derjenige, der das Fahrzeug benutzt, als Mautschuldner gilt und zur Zahlung verpflichtet ist. Die Maut wird somit von verschiedenen Personen je nach Situation geschuldet, wobei der Bund der Gläubiger der Mautgebühr ist (§ 2 Abs. 2 BFStrMG).

     

    MERKE | Zu viel gezahlte Mautgebühren können grundsätzlich von den Unternehmen oder Personen zurückverlangt werden, die die Maut entrichtet haben. Typischerweise sind das Transportunternehmen, Speditionen oder Fuhrparkbetreiber, die Lkw-Maut für ihre Fahrzeuge gezahlt haben.

     

    3. Informationsbeschaffung

    Der Gläubiger erfährt vom Anspruch des Schuldners auf Mauterstattung in der Regel nicht automatisch. Informationen über solche Ansprüche erhält der Gläubiger vor allem durch folgende Wege:

     

    • Insolvenzverfahren: Wenn ein Schuldner insolvent ist, können Gläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens Ansprüche anmelden und prüfen. Dort sind Angaben zu Forderungen, Erstattungen und Vermögenswerten offenzulegen. Der Schuldner muss dem Insolvenzverwalter gegenüber Mauterstattungsansprüche angeben (§ 20 Abs. 1 InsO). Dieser verwertet die Ansprüche für die Gläubigergemeinschaft. Dadurch kann die einzelne Quote erhöht werden.

     

    • MERKE | Im Falle einer eröffneten Insolvenz besteht zwar für den einzelnen Gläubiger ein Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO). Dieses Verbot wird jedoch aufgehoben, wenn das Verfahren mangels Masse abgewiesen oder eingestellt wird (§ 26, § 207 Abs. 1 InsO). Die Verfahrenseinstellung bedeutet aber keineswegs immer die Vermögenslosigkeit der GmbH. Es können trotzdem noch verwertbare Vermögensgegenstände oder Forderungen vorhanden sein. Diese können entweder aus dem Vermögensverzeichnis, das bei Insolvenzantragstellung einzureichen ist (§ 20 InsO), oder dem Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 156 InsO) abgelesen werden.

       
    • Vermögensauskunft: Weitere Anhaltspunkte für eventuelle Rückerstattungsansprüche können sich auch aus dem Vermögensverzeichnis im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO ergeben.

     

    • Einsichtsrecht in Geschäftsunterlagen: Nach § 74 Abs. 3 S. 2 GmbHG können Gläubiger einer liquidierten GmbH Einsicht in die verwahrten Bücher und Schriften verlangen, wenn ein berechtigtes Interesse geltend gemacht wird. Sinn und Zweck des Rechts auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen ist, Gläubigern der liquidierten Gesellschaft zu ermöglichen, nach vorhandenen Vermögenswerten zu suchen. Hier befinden sich i. d. R. bei automatischer Mauterfassung die monatlichen Abrechnungsunterlagen von Toll Collect bzw. bei manuellen Buchungen die Buchungsbestätigungen für jede Fahrt.

     

    • MERKE | Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein berechtigtes Interesse des Gläubigers an einer umfassenden Einsicht in die Bücher schon besteht, wenn er seine Gläubigerposition glaubhaft gemacht hat. Hierfür ist kein Titel erforderlich (OLG Bamberg 6.11.24, 10 Wx 20/24).

       

    4. Zugriff durch Pfändung

    Die Ansprüche auf Mauterstattungen, also Rückzahlungen zu viel gezahlter Mautgebühren, können nach § 857 i. V. m. §§ 829 ff. ZPO gepfändet werden.

     

    Beachten Sie | Die Pfändung erstreckt sich auch auf künftig fällig werdende Ansprüche (sog. Vorauspfändung oder auch Dauerpfändung; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., Rn. A 16, 320, B. 354). Sie ist eine aufschiebend bedingte Pfändung, die unter der Bedingung steht, dass die Pfändung immer am Folgetag nach Fälligkeit der Forderung wirksam wird (vgl. auch ausführlich VE 22, 6).

    5. Der richtige Drittschuldner

    Der Anspruch auf Rückerstattung überzahlter Maut richtet sich

    • grundsätzlich gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Logistik und Mobilität, Werderstraße 34, 50672 Köln (§ 4 Abs. 1, § 8 BFStrMG i. V. m. Mautgebührenverordnung) oder gegen
    • die Toll Collect GmbH, Linkstraße 4, 10785 Berlin.

     

    Beachten Sie | Das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) kann einem Privaten die Errichtung und den Betrieb eines Systems zur Erhebung der Maut übertragen oder diesen beauftragen, an der Erhebung der Maut mitzuwirken (Betreiber). Die Übertragung oder die Beauftragung ist im Bundesanzeiger bekannt zu geben (§ 4 Abs. 3 BFStrMG). Derzeit ist die Toll Collect GmbH alleinige Betreibergesellschaft.

     

    Nach § 4 Abs. 6 BFStrMG verpflichtet sich der Mautbetreiber im Rahmen eines Vertrags mit dem Bundesamt zur unbedingten Zahlung der angefallenen Mautbeträge. Der Mautschuldner ist in diesem Fall von seiner Zahlungspflicht gegenüber dem Bundesamt befreit, wenn er nachweist, dass zwischen ihm und dem Betreiber ein Rechtsverhältnis besteht, auf dessen Grundlage er die Maut an den Betreiber zahlen muss oder gezahlt hat. Praktisch bedeutet dies, dass der Mautbetreiber nicht nur als Zahlungsstelle agiert, sondern sich selbst verpflichtet, die Maut beim Bundesamt abzuführen. Deshalb kann der Mautbetreiber als Drittschuldner betrachtet werden, da er dem Mautschuldner gegenüber zur Zahlung verpflichtet ist und bei einer Pfändung die zu viel gezahlten Mautgebühren direkt an den Gläubiger auszahlen muss.

     

    Beachten Sie | Das BVerwG (4.8.10, 9 C 6/09) hat bestätigt, dass der Betreiber ein umfassendes Zahlungsverpflichtungsverhältnis innehat, das ihn als Drittschuldner qualifiziert. Damit ist der Mautbetreiber im Pfändungsverfahren genauso Drittschuldner wie das Bundesamt für Logistik und Mobilität. Im Antrag auf Erlass eines PfÜB sollten daher vorsichtshalber beide Drittschuldner aufgeführt werden!

    6. Geltendmachung der Forderung: Pfändung allein genügt nicht

    Auch wenn der PfÜB erlassen und dem Drittschuldner zugestellt wurde, muss stets ein formeller Antrag auf Erstattung beim Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) gestellt werden (§ 4 Abs. 2 S. 2 BFStrMG)! Die Pfändung sichert lediglich die Ansprüche des Gläubigers gegenüber dem Schuldner bzw. blockiert die Auszahlung an den Schuldner. Voraussetzung für die Rückzahlung ist stets ein positiver Erstattungsbescheid auf Antrag durch das BALM (§ 4 Abs. 2 S. 4 BFStrMG). Dies bedeutet, dass ohne Antrag kein fälliger Auszahlungsanspruch entsteht.

     

    Durch die Überweisung zur Einziehung wird der Gläubiger materiell-rechtlich zu allen im Recht des Schuldners begründeten, der Befriedigung dienenden Maßnahmen ermächtigt. Die Überweisung führt zu einer materiellen Verfügungsgewalt (OLG Köln Rpfleger 03, 370) mit der Folge, dass der Gläubiger befugt ist, im eigenen Namen und für eigene Rechnung die gepfändete Forderung und die dazu gehörenden Nebenrechte, z. B. Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch (OLG Karlsruhe NJW-RR 98, 990; AG Calw JurBüro 01, 109), gegenüber dem Drittschuldner geltend zu machen und die Forderung einzuziehen. Er kann daher die Erfüllung des Anspruchs verlangen, sofern der Anspruch fällig ist (OLG Brandenburg 20.12.07, 5 Wx 11/07, BeckRS 2011, 16809). Das bedeutet: Der Pfändungsgläubiger darf den Antrag stellen, wenn ihm der Rückerstattungsanspruch zur Einziehung überwiesen wurde. Die Berechtigung hierzu ist dabei dem Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) durch PfÜB nachzuweisen (vgl. § 4 Abs. 2 S. 3 BFStrMG).

     

    Beachten Sie | Das BALM stellt hierfür ein Online-Erstattungsportal bereit, über das Gläubiger den Antrag auf Rückzahlung zu viel gezahlter Mautgebühren einreichen können. Ohne diesen Antrag erfolgt keine Auszahlung, auch wenn eine Pfändung vorliegt. Die Bearbeitungsgebühr für ein Erstattungsverlangen beträgt höchstens 20 EUR (§ 4 Abs. 5 BFStrMG).

     

    Fazit:

    • Eine Pfändung hat keine automatische Rückzahlung zur Folge.
    • Es muss ein Antrag auf Erstattung beim BALM gestellt werden.
    • Eine Erstattung erfolgt nur nach positiver Entscheidung des BALM.
    • Sie sollten das Onlineportal zur Antragstellung nutzen.

    7. Pfändungsmuster

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    • Modul D
     
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    • Modul K
     
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    Quelle: Ausgabe 10 / 2025 | Seite 170 | ID 50523356