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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Addition bei Gläubigerkonkurrenz

    | Ein Leser schilderte der Redaktion folgenden Fall: Gläubiger G. hat beim Arbeitgeber A. Lohnansprüche und bei der Rentenversicherung R. Hinterbliebenenrente gepfändet und gleichzeitig die Zusammenrechnung beantragt. Zudem beantragte G., dass das volljährige Kind K. des Schuldners S. nicht als Unterhaltsberechtigter zu berücksichtigen ist. Der PfÜB wurde wie beantragt erlassen. A. als Drittschuldner teilte mit, dass das Finanzamt F. vorrangig gepfändet habe. Offensichtlich wurde von F.gegenüber R. keine Pfändung ausgebracht, somit auch keine Zusammenrechnung beantragt. Der A. zahlte nun gegenüber dem erstrangigen F. mehr aus, als ihm eigentlich zustünde. Was kann der Gläubiger tun? |

    1. Mehrere Einkommen können addiert werden

    Ein Schuldner, der mehrere laufende - nicht einmalige gemäß § 850i ZPO - Arbeitseinkommen, Sozial- oder Naturalleistungen von verschiedenen Drittschuldnern bezieht, wird ungerechtfertigt geschützt, wenn man die unterschiedlichen Einkommen gesondert den Pfändungsfreigrenzen gemäß § 850c ZPO unterwirft. Daher kann auf Antrag des Gläubigers das Vollstreckungsgericht (ausschließlich; BAG BAGE 96, 266; LAG Hamburg ZInsO 10, 591) eine Addition aller Einkünfte des Schuldners anordnen (§ 850e Nr. 2 ZPO).

     

    Arbeitseinkommen ist auch - wie im vorliegenden Fall - mit Sozialleistungen zusammenrechenbar (§ 850e Nr. 2a ZPO). Dies gilt aber nur für Geldleistungen nach dem SGB. Anspruch auf laufende Geldleistungen nach §§ 18 bis 29 SGB I oder andere Sozialleistungen (§ 54 Abs. 4 SGB I) gehören dazu, wie z.B. ALG I, ALG II, Krankengeld, Verletzten- bzw. Hinterbliebenenrente und Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und Wohngeld (aber nur für Ansprüche von Vermietern vgl. § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I). Ihre Pfändbarkeit bestimmt sich nach § 54 SGB I; zu den Ausnahmen vgl. § 54 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 SGB I. Bei einmaligen Sozialleistungen kommt es auf die Billigkeit an (§ 54 Abs. 2 SGB I).

    WICHTIG | Sowohl § 850e Nr. 2a ZPO als auch § 54 Abs. 4 SGB I schließen es jedoch aus, Ansprüche auf Arbeitseinkommen mit Sozialleistungen oder Ansprüche auf verschiedene Sozialleistungen untereinander zusammenzurechnen, soweit diese der Pfändung nicht unterworfen sind (BGH VE 05, 170). Grund: Die Leistungen sollen dem Berechtigten ungeschmälert verbleiben und nicht - letztlich auf Kosten der Allgemeinheit - dazu dienen, titulierte Ansprüche seines Gläubigers zu befriedigen.

    2. Wirkung der Addition gilt nur für antragstellenden Gläubiger

    Die Zusammenrechnung bewirkt, dass der Schuldner für seine gesamten Bezüge nur einen einzigen Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO in Anspruch nehmen kann. Durch die Zusammenrechnung der verschiedenen Arbeitseinkommen wird somit der dem Schuldner insgesamt verbleibende unpfändbare Geldbetrag im Interesse des Gläubigers vermindert (BGH Rpfleger 04, 170). Dieser Freibetrag wird in erster Linie dem Einkommen entnommen, das die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Schuldner bildet (§ 850e Nr. 2 S. 2 ZPO).

     

    PRAXISHINWEIS | Hierbei kann entweder auf die Höhe der jeweiligen Arbeitseinkommen, aber auch darauf abgestellt werden, welches das sicherere Arbeitseinkommen ist (LAG Sachsen-Anhalt 9.2.10, 6 Sa 469/08).

     

    Ein vom Gläubiger beantragter und vom Gericht erlassener Zusammenrechnungsbeschluss wirkt nur für den jeweils antragstellenden Gläubiger. Folge: Die Gläubiger, die keine Zusammenrechnung beantragt haben, können nur auf den von ihnen konkret gepfändeten Lohn(-anteil) zugreifen. Dies gilt auch für vorrangige Gläubiger (BAG NJW 97, 479).

     

    Im vorliegenden Fall trifft dies zu. Das vorrangige Finanzamt kann daher nur die pfändbaren Beträge verlangen, die ihm wegen der Lohnpfändung zustehen.

     

    • Beispiel

    In Abwandlung zum geschilderten Fall bezieht Schuldner S. beim Arbeitgeber A. ein monatliches Nettoeinkommen von 2.000 EUR, vom Rentenversicherungsträger R. erhält er monatlich 500 EUR. Er hat zwei unterhaltsberechtigte Personen. F. pfändet zuerst und zwar nur in das Arbeitseinkommen. G. pfändet nachrangig in beide Einkunftsarten und beantragt zudem den Wegfall eines Unterhaltsberechtigten nach § 850c Abs. 4 ZPO. Antragsgemäß erlässt das Gericht den PfÜB und ordnet sowohl die Addition der verschiedenen Einkünfte und den Wegfall des Unterhaltsberechtigten an. Der A. muss folgende Auszahlung vornehmen:

     

    • Erstrangiger Gläubiger F.: Zugrunde zu legen ist hier nach der Pfändungstabelle gemäß § 850c ZPO ein Nettoeinkommen von 2.000 EUR unter Berücksichtigung von zwei unterhaltsberechtigten Personen. Somit ergibt sich ein pfändbarer Betrag von 137,02 EUR.

     

    • Nachrangiger Gläubiger G.: Zugrunde zu legen ist hier aufgrund der angeordneten Addition der unterschiedlichen Einkünfte nach der Pfändungstabelle gemäß § 850c ZPO ein Nettoeinkommen von 2.500 EUR unter Berücksichtigung von einer unterhaltsberechtigten Person. Somit ergibt sich ein pfändbarer Betrag von 530,83 EUR.

     

    Da F. das bessere Pfandrecht hat, erhält es zuerst einen Betrag von 137,02 EUR. G. erhält die Differenz zu dem ihm zustehenden Betrag von 530,83 EUR, somit 393,81 EUR.

     

    Das Beispiel zeigt, dass die Zusammenrechnung mehrerer Einkommen gerade für nachrangig pfändende Gläubiger vorteilhaft sein kann. Zwar kann der rangschlechtere Gläubiger das bessere Pfandrecht des vorrangigen Gläubigers nicht zerstören. Der nachrangige Gläubiger kann aber seine Rangposition dadurch verbessern, dass er noch auf den erhöhten Betrag zugreifen kann, der sich durch eine Zusammenrechnung ergibt und der von der Pfändung des vorrangigen Gläubigers gerade nicht betroffen ist.

     

    Im geschilderten Fall ist G. zu raten, durch ein Anschreiben an den Drittschuldner die Rechtslage klarzustellen und darzulegen, welche Beträge durch den Arbeitgeber in welcher Reihenfolge an die unterschiedlichen Gläubiger auszukehren sind. Zugleich sollten die rückständigen Pfändungsbeträge unter Hinweis auf eine mögliche Zahlungsklage eingefordert werden.

     

    Musterformulierung / Klarstellendes Schreiben an Drittschuldner

    An den Drittschuldner ...

     

    In der Zwangsvollstreckungsangelegenheit

     

    Gläubiger…, Bevollmächtigter: ...

     

    gegen

     

    Schuldner …

     

    weisen wir namens und in Vollmacht des Gläubigers darauf hin, dass Sie als Drittschuldner (Arbeitgeber) die monatlich pfändbaren Beträge nach folgender Reihenfolge auskehren müssen.

     

    Durch Beschluss des AG … vom … - zugestellt an Sie am … - wurde das Arbeitseinkommen des Schuldners beim Drittschuldner ... als auch der Anspruch auf Rentenzahlung gegen den Rententräger als Drittschuldner gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. In dem erlassenen Beschluss wurde zugleich angeordnet, dass die mehreren Einkünfte addiert werden. In diesem Zusammenhang wurde angeordnet, dass der Arbeitgeber als Drittschuldner die monatlich pfändbaren Beträge ermitteln muss. Zugleich wurde angeordnet, dass der Sohn des Schuldners … bei der Ermittlung der unpfändbaren Beträge unberücksichtigt bleibt.

     

    In Ihrer Drittschuldnererklärung vom … teilen Sie mit, dass das Finanzamt in … vorrangig gepfändet hat. Offensichtlich wurde gegenüber dem Rentenversicherer keine Pfändung ausgebracht, somit auch eine Zusammenrechnung nicht beantragt. Sie als Drittschuldner zahlen nun gegenüber dem Finanzamt mehr aus, als diesem zusteht.

     

    Die Ansicht des Drittschuldners ist falsch.

     

    Der erlassene Zusammenrechnungsbeschluss wirkt nur für meinen Mandanten als antragstellenden Gläubiger. Hieraus ergibt sich, dass der Gläubiger, der keine Zusammenrechnung beantragt hat, daher nur auf den von ihm konkret gepfändeten Lohn(-anteil) zugreifen kann. Dies gilt auch für vorrangige Gläubiger (BAG NJW 97, 479). Im vorliegenden Fall trifft dies zu. Das vorrangige Finanzamt kann daher nur die pfändbaren Beträge verlangen, die ihm aufgrund der Lohnpfändung zustehen.

     

    Sie werden daher aufgefordert, ab sofort die dargestellte Reihenfolge bei der Pfändung zu beachten und die sich hieraus korrekt errechneten Beträge an meinen Mandanten auszukehren.

     

    Zugleich werden Sie aufgefordert, die an den erstrangigen Gläubiger zu viel ausgezahlten Beträge in Höhe von … EUR an meinen Mandanten auszukehren. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass ein nachrangiger Gläubiger gegen den Drittschuldner seinen Pfändungsanteil ungeachtet einer eventuellen Zuvielzahlung des Drittschuldners einklagen kann. Es ist das Problem des Drittschuldners wenn er an einen erstpfändenden Gläubiger zu viel auszahlt. Dadurch wird er nicht befreit.

     

    Rechtsanwalt

    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 46 | ID 42506565